Kaltplasma könnte Überlebenschancen für COVID-19 Beatmungspatienten erhöhen.

Durch die Behandlung mit kaltem atmosphärischem Plasma werden Bakterien und Viren inaktiviert. Bei einer Anwendung im Nasen-Mund- und Rachenraum könnten nosokomiale Superinfektion bei Beatmungspatienten – die in vielen Fällen zum Tode führen – so möglicherweise vermieden werden.

In den letzten Wochen wurde mit Virologen, Mikrobiologen, Anästhesisten, Intensivmedizinern und Pneumologen die äußerst vielversprechende Anwendung von kaltem Plasma für die Behandlung von COVID-19 Patienten diskutiert. Es ist bekannt, dass kalte Plasmen ein sehr breites Wirkspektrum gegenüber Bakterien - inklusive multi-resistenter Keime wie z.B. MRSA - und Viren besitzen. Letzteres wurde unter anderem an Adenoviren und Noroviren gezeigt. Der Schluss lag demnach nahe, dass Coronaviren ebenfalls durch kaltes Plasma inaktiviert werden können. Aus einer Kooperation mit der Arbeitsgruppe von Brunn am Max-von-Pettenkofer Institut in München gibt es erste Indikationen, dass kaltes atmosphärisches Plasma auch Coronaviren in Lösung inaktivieren kann. Mit diesen vielversprechenden Ergebnissen startete bei der terraplasma medical GmbH die Entwicklungsarbeit am sogenannten plasma intensive care – einem Gerät zur Erzeugung von gasförmigem kaltem Plasma, das im Gegensatz zu antiseptischen Flüssigkeiten auch verwinkelte oder schwer zu erreichende Flächen im Nasen-Mund- und Rachenraum erreichen kann. Ziel ist es, das plasma intensive care bei beatmeten COVID-19 Patienten einzusetzen, um einerseits die Viruslast im Nasen-Mund- und Rachenraum zu reduzieren und um andererseits bakterielle Pneumonien vorzubeugen.

Als Grundlage für diese Entwicklung dient das plasma care®, ein CE-zugelassenes Medizinprodukt, welches mit kaltem atmosphärischen Plasma Bakterien, einschließlich multi-resistenter Erreger, Viren und Pilze inaktiviert. Es wurde für die mobile Behandlung von akuten und chronischen Wunden entwickelt. Das plasma intensive care ist eine Adaption des plasma care® zur anti-mikrobiellen und anti-viralen Behandlung des Nasen-Mund- und Rachenraumes und soll somit der Verbesserung der Mundhygiene von beatmeten Patienten im Allgemeinen und von Covid-19-Patienten im Speziellen dienen. Das plasma intensive care lässt das gasförmige kalte Plasma in den Nasen-,Mund- und Rachenraum einströmen und flutet diesen vorübergehend. Ziel ist es, dass das kalte Plasma die Bakterien und Viren vor Ort inaktiviert, um deren Eindringen in die Bronchien und Lunge vorzubeugen. Hierdurch könnte das Risiko nosokomialer Pneumonien verringert und die Überlebenschance von beatmeten Patienten erhöht werden. 

Kaltes Plasma inaktiviert Bakterien und Viren durch mehrere physikalische und chemische Prozesse. Die Effektivität gegenüber Bakterien ist auch bei vorliegenden Antibiotika-Resistenzen nicht beeinträchtigt. In in vitro Studien konnte gezeigt werden, dass kaltes atmosphärisches Plasma innerhalb einer Applikationszeit von nur drei Minuten eine bakterielle Reduktion von bis zu 99,999 Prozent auf Agar erreicht. Auch eine Sensitivität verschiedener humanpathogener Viren gegenüber kaltem Plasma wurde bereits nachgewiesen. 

Das langfristige Ziel bei der Anwendung von kaltem atmosphärischem Plasma im Nasen-, Mund- und Rachenraum ist die Vermeidung der künstlichen Beatmung durch die vorbeugende Behandlung bei Virusinfektionen des oberen Respirationstraktes. Gelingt es durch eine frühzeitige Behandlung die Virenlast schon im oberen Atemtrakt deutlich zu reduzieren, könnte deren Vordringen in die unteren Atemwege möglicherweise vermieden werden. Da kaltes Plasma bei dieser frühzeitigen Behandlung von selbstständig atmenden Patienten bis in die Lunge gelangen kann, werden die möglichen Auswirkungen auf dieses Organ aktuell erforscht. Derzeit werden dazu gemeinsam mit dem Fraunhofer-Institut für Toxikologie und Experimentelle Medizin sowie den Universitätskliniken in Regensburg und München Forschungsprojekte initiiert. Mit ersten Ergebnissen rechnet die terraplasma medical GmbH in ca. 6 – 7 Monaten.

Hintergrundinformationen:

Die Situation und Behandlung von beatmeten COVID-19 Patienten.

SARS-CoV-2 zeigt im Frühstadium der Erkrankung eine sehr hohe Replikationsaktivität im oberen Atemtrakt [1]. Impfungen zur Vorbeugung oder Medikamente zur Behandlung der von SARS-CoV-2 ausgelösten Atemwegserkrankung COVID-19 stehen aktuell noch nicht zur Verfügung. Bei schweren Krankheitsverläufen müssen COVID-19 Patienten häufig aufgrund der starken Hypoxie und ggf. des Lungenversagens intubiert und maschinell beatmet werden. Jede Beatmung stellt einen schweren Eingriff dar. Die Gefahr von nosokomialen Superinfektionen, verursacht u.a. durch Krankenhauskeime, steigt stark an. In einzelnen Studien wurde bei der Hälfte der Patienten, welche nicht überlebt haben, eine bakterielle Superinfektion nachgewiesen [2]. Frühere Virus-Pandemien (z.B. SARS, MERS, H1N1) haben gezeigt, dass 30% bis 55% der Todesfälle durch eine sekundäre bakterielle Pneumonie verursacht wurden [3].

 Was ist Kaltes Plasma und wie wirkt es?

Kaltes Plasma ist ein teilweise ionisiertes Gas. Es erzeugt einen reaktiven Mix aus Elektronen, Ionen, angeregten Atomen und Molekülen, reaktiven Spezies (wie z.B. O3, NO, NO2, etc.), UV-Strahlung und Wärme. Es dringt in Bakterien ein und zerstört die intrazellulären Strukturen der Mikroorganismen einschließlich der DNA, so dass diese abgetötet werden. Der Mechanismus der Virusinaktivierung durch kaltes atmosphärisches Plasma ist noch nicht geklärt. Untersuchungen legen die Vermutung nahe, dass insbesondere die reaktiven Stickstoffspezies zur Denaturierung der viralen Proteine führen können. Menschliche eukaryotische Zellen sind grundsätzlich durch die in einem Zellkern liegende DNA und zelluläre Überlebensmechanismen deutlich besser geschützt. 

In-Vitro Untersuchungsergebnisse:

Das plasma care® wurde prä-klinisch an unterschiedlichen Mikroorganismen getestet, mit äußerst vielversprechenden Ergebnissen: Bakterien inklusive multiresistente Erreger wie MRSA oder VRE werden auf Agar innerhalb einer Behandlungszeit von 1 Minute zu 99,999 % inaktiviert. Viren (Adenoviren in Lösung) können nach einer 4-minütigen Behandlung um bis zu 99,999 % inaktiviert werden. Corona-Viren in Lösung können ebenfalls inaktiviert werden, die Effektivität und die erforderliche Behandlungsdauer werden derzeit erforscht. Auch in der klinischen Praxis ist das plasma care® bereits erfolgreich für die Behandlung von infizierten Wunden eingesetzt worden. Damit eine Aussage über den keimreduzierenden Effekt des plasma intensive care getroffen werden kann, haben die Entwickler ein Modell geschaffen, das den Nase-Mund- und Rachenraum bis zur Subglottis nachbildet (Messpunkte: Nase, Mund, Rachen, Subglottis). Mit Hilfe dieses Modells wurden Untersuchungen zur Effektivität des gasförmigen kalten Plasmas gegenüber Bakterien durchgeführt. Die Ergebnisse sind für die Entwickler sehr motivierend: Die Untersuchungen zeigten eine bakterielle log-Reduktion auf Agar von etwa 4.5 - 5 (ca. 99,999%) am Messpunkt „Rachen“ und etwa 4 – 4.5 (ca. 99,99%) am Messpunkt „Subglottis“ nach einer nur 3-minütigen Behandlungszeit. 


Quellen:

[1] C.H.M. Drosten, Warum Covid-19 ansteckender ist als Sars, Tagesspiegel Februar 2020
[2] F. Zhou, et. al. Clinical course and risk factors for mortality of adult inpatients with COVID-19 in Wuhan, China: a retrospective cohort study, The Lancet, March 2020
[3] J.L. Gerberding, Antibiotic resistance: the hidden threat lurking behind Covid-19, STAT March 2020

Firmenprofil:

Die terraplasma medical GmbH verbindet die Forschung der terraplasma GmbH mit dem Medizintechnik-Wissen der Dynamify GmbH / heute DITABIS AG:

Die terraplasma GmbH hat kalte atmosphärische Plasmen (kurz: KAPs) erforscht. KAPs sind teilweise ionisierte Gase, die sehr effizient Bakterien, Pilze, Viren, Sporen oder auch Geruchsmoleküle inaktivieren.

Die Dynamify GmbH - heute DITABIS AG - ist ein OEM-Entwickler und Hersteller von medizintechnischen Geräten, der von der Geräteentwicklung, über die Medizinprodukte-Zulassung und die Produktion bis hin zu Wartung und Service den gesamten Produktlebenszyklus eines Medizinproduktes abdeckt.

Zusammen haben Sie die terraplasma medical GmbH gegründet, mit dem Ziel das plasma care® zu entwickeln. Die Idee: Adaption aufwendigster Plasmatechnologie, die bislang ausschließlich im klinischen Bereich eingesetzt werden konnte, in ein kleines, handliches und bezahlbares Medizinprodukt für die Wundbehandlung in der häuslichen Pflege und in der ambulanten Betreuung bei niedergelassenen Ärzten.


terraplasma medical GmbH
Parkring 32
85748 Garching b. München

Datum: 15.06.2020

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