Veterinärdienst im Deutschen Heer während des Ersten Weltkrieges – Entstehung eines Veterinäroffizierkorps und erste Bewährungsprobe
Aus dem Kommando Sanitätsdienst der Bundeswehr (Befehlshaber und Inspekteur des Sanitätsdienstes der Bundeswehr: Generaloberstabsarzt Dr. M. Tempel)
L. Buchner
Zusammenfassung
Erst wenige Jahre vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges war im Deutschen Heer ein Veterinäroffizierkorps geschaffen worden, an dessen Spitze aber kein Veterinär-, sondern ein Kavallerieoffizier stand. Veterinäre waren im Wesentlichen als Truppenveterinäre bei den berittenen Formationen eingesetzt. Höhere Dienstgrade waren im Vergleich zu anderen Offizierlaufbahnen deutlich unterrepräsentiert.
Im Verlauf des Krieges wurden insgesamt über 5 300 Tierärzte eingesetzt, das waren circa 75 % aller Tierärzte des Deutschen Reiches. Davon starben, fielen oder erlagen ihren Kriegsverwundungen 241 Veterinäre.
Bei Kriegsbeginn war das Deutsche Heer, insbesondere das preußische, nicht auf den Anfall vieler verwundeter und seuchenkranker Pferde vorbereitet. Eine Pferdelazarettorganisation fehlte vollständig und wurde erst im Laufe des Krieges aufgebaut. Das Improvisationsgeschick der Veterinäroffiziere war gefragt. Neben Pferden und Maultieren kamen auch Kamele, Ochsen, Hunde und Brieftauben als Kriegstiere zum Einsatz.
Schlüsselwörter: Erster Weltkrieg, Veterinärdienst, Veterinäroffizierkorps, Kriegstiere, Pferde, Maultiere, Kamele, Hunde, Brieftauben, Kriegstierseuchen.
Keywords: World War I, veterinary service, veterinary officer corps, military animals, horses, mules, camels, dogs, messenger pigeons, military animal epidemics.
Einleitung
Der Einsatz einer großen Zahl von Reit- und Zugtieren – davon allein etwa 1,2 Millionen Pferde –, aber auch die Verwendung zahlreicher weiterer Tiere im Ersten Weltkrieg machte eine veterinärmedizinische Betreuung in großem Umfang notwendig. Aber erst wenige Jahre vor Kriegsbeginn war ein eigenes Veterinäroffizierkorps geschaffen worden.
Ziel dieses Artikels ist es, einen allgemeinen Überblick über dessen Entstehung und erste Bewährungsprobe zu geben. Ferner sollen wesentliche Tierseuchen, die auf den unterschiedlichen Kriegsschauplätzen auftraten, Erwähnung finden.
Entstehung eines Heeresveterinärdienstes im Deutschen Reich
Das Auftreten der Rinderpest, der Lungenseuche, des Milzbrandes und der Maul- und Klauenseuche in Mitteleuropa in der Mitte des 18. Jahrhunderts
verursachte schwere Verluste in Viehbeständen und bei Armeepferden. Dieses veranlasste die Landesherren, der Viehseuchenbekämpfung eine wissenschaftliche Basis zu geben und Tier- bzw. Rossarzneischulen zu gründen. Daneben spielte auch die Notwendigkeit, die Pferde der stehenden Heere sachgerecht zu behandeln, eine Rolle. Die erste Lehrstätte dieser Art im deutschsprachigen Raum wurde 1765[1] in Wien gegründet, nachdem bereits seit 1761 in Lyon, Frankreich, die weltweit erste Eirichtung dieser Art bestand.Dennoch war es bis ins 19. Jahrhundert im deutschsprachigen Raum Aufgabe der Schmiede, kranke Armeepferde zu behandeln. Diese wurden – in den einzelnen Armeen unterschiedlich – als Reit-, Kur- oder Fahnenschmiede bezeichnet; ihre tierheilkundlichen Fähigkeiten waren im Allgemeinen recht unzulänglich.
Während einer Aussprache im preußischen Abgeordnetenhaus im September 1862 äußerte ein Abgeordneter, dass auch die gegenwärtige Königliche Staatsregierung der Ansicht sei, dass die eigentliche Bedeutung der Tierärzte in der Armee im Hufbeschlag zu suchen sei. Ehe man diesen Standpunkt nicht aufgebe, könne man nicht mit wissenschaftlich gebildeten Tierärzten rechnen. Dieser Abgeordnete war kein geringerer als Dr. Virchow!
„Der Tierarzt soll Hufschmied sein, der Hufschmied kann nicht Offizier sein, folglich kann der Tierarzt nicht Offizier sein.“ brachte es ein anderer Abgeordneter auf den Punkt. Dass auf Grund unzureichender Aufstiegsmöglichkeiten beim Militär – höchster Dienstgrad war Wachtmeister – kaum mit Anwärtern aus gebildeten Schichten zu rechnen wäre, monierte ein anderer Abgeordneter, seines Zeichens Rittmeister [6].
Bis zur Reichsgründung im Jahre 1871 hatte sich die militärische Veterinärmedizin in den meisten deutschen Staaten durchaus progressiv entwickelt
, nicht so in Preußen. Eine veterinäre Fachführung gab es seit 1817 in Bayern, in Württemberg seit 1819, in Baden seit 1862 und in Hessen-Darmstadt seit 1868. Württemberg war von seinem Militär-Veterinärwesen so überzeugt, dass es in den 1870er Jahren den Versuch unternahm, Preußen zu einer Reorganisation nach seinem Muster zu bewegen.In Preußen trat 1873 eine wesentliche Verbesserung ein, als im Königlichen Kriegsministerium eine „Inspektion des Militärveterinärwesens“ eingerichtet
wurde, die von einem Kavallerieoffizier in der Stellung eines Regimentskommandeurs geleitet wurde. Sie setzte sich sehr für eine Verbesserung des Veterinärwesens ein. Auch aus dem Kreis der Militärtierärzte sowie von zivilen Standesvertretern wurden Vorschläge zur Optimierung vorgebracht. Ein Ergebnis war, dass im Jahre 1874 die endgültige Aufgabentrennung von kurativer Tätigkeit einerseits und dem Beschlagwesen andererseits erfolgte.1902 wurde das Reifezeugnis als Voraussetzung für die Zulassung der Militäreleven zum Studium an den Tierarzneischulen gefordert. Danach erfolgte die Ernennung der Rossärzte zu oberen Militärbeamten. 1903 wurde eine Allerhöchste Kabinettsorder erlassen, die eine Reform des Militärveterinärwesens einleitete: Die bisher nur in Bayern geltende Dienstbezeichnung „Veterinär“ wurde allgemein eingeführt. Der wichtigste Punkt war jedoch, dass die Bildung eines Veterinäroffizierkorps in Aussicht gestellt wurde.
Das Reichsschatzamt (Finanzministerium) äußerte 1908 sein grundsätzliches Einverständnis zur Schaffung eines Veterinäroffizierkorps, aber die zu erwartenden Mehrkosten könnten wegen der überaus ungünstigen finanziellen Lage des Reiches zunächst nicht bereitgestellt werden, so dass es bat, das Kriegsministerium möge das Vorhaben „bis zur Wiederkehr günstigerer finanzieller Verhältnisse vertagen“.
Nachdem der Reichstag im Februar 1910 mit dem Militäretat auch die Schaffung eines Veterinäroffizierkorps beschlossen hatte, wurden die Einzelheiten
der Umsetzung mit einer Allerhöchsten Kabinettsorder vom 23. März 1910 befohlen und zum 1. April 1910 ein auch an den Uniformen erkennbares Veterinäroffizierkorps aufgestellt (Abbildung 1).Dies führte allerdings auch zum Spott der Truppenoffiziere, wie eine Zeichnung aus dem Simplizissimus unter der Überschrift „Semi-Kameraden“ ausweist.
„Als Offiziere sind doch die Pferdedoktors jetzt auch hoffähig?“, fragt ein Offizier. „Jawohl,“ lautet die Antwort eines anderen „schlachthoffähig.“.
Für den Posten des Veterinärinspekteurs im preußischen Kriegsministerium war nach wie vor ein Kavallerieoffizier vorgesehen. Als Veterinärinspekteur war er Vorgesetzter der Veterinäroffiziere der Truppe. Dazu bereiste er als Beauftragter des Preußischen Kriegsministeriums die Standorte zur Besichtigung der Truppen in Bezug auf die Handhabung des Veterinärdienstes, wie Seuchenmaßnahmen, Stallhygiene, Hufbeschlag, Rapportführung und Futter der veterinären Kriegsbestände, sowie auf die mit dem Veterinärdienst in Beziehung stehenden baulichen Anlagen, wie z. B. Krankenställe. Anordnungen, die den Veterinärdienst berührten, hatte er bei den Besichtigungen jedoch nicht zu treffen [7].
Die Forderung, als Inspekteur einen Veterinäroffizier an die Spitze der Veterinärinspektion zu stellen, bestand weiter und wurde 1913 durch Prof. Dr.
Schmaltz, Anatomieprofessor in Berlin und Begründer der Berliner Tierärztlichen Wochenschrift, in dieser mit Ersparnisgründen, mit Rücksicht auf das Veterinäroffizierkorps und mit den Aufgaben und der Tätigkeit des Inspekteurs, der bei den Truppen Seuchenmaßnahmen, Stallhygiene, Futter und Hufbeschlag zu besichtigen hatte, begründet. Dies waren sämtlich fachliche Angelegenheiten, die ein Veterinäroffizier studiert habe, ein Kavallerieoffizier wohl kennen lerne, aber doch nie so durchdrungen habe, dass er gegenüber seinen ihm untergebenen Veterinäroffizieren irgendwelche Autorität des Wissens in Anspruch nehmen könne [7]. Die Verwendung als Veterinärinspekteur dauerte meist zwei Jahre; Ausnahmen waren der erste Inspekteur, Oberstleutnant von Diebitsch, später Oberst, der den Dienstposten sieben Jahre bekleidete, und Oberst Dreher, der von 1902 bis 1912 im Amte war. Die Inspekteure waren im Allgemeinen Offiziere à la suite ihres Regimentes und wurden nach der „Zwischenverwendung“ als Veterinärinspekteur häufig als Regimentskommandeur im Heer eingesetzt [8]. Eine kontinuierliche Fortentwicklung war unter diesen Umständen nur schwer möglich.Höhere Dienstgrade fehlten im Vergleich zu den anderen Offizierlaufbahnen in erheblichem Umfange (Tabelle 1). 1913 waren von 728 Veterinäroffizieren der deutschen Armee nur 36, d. h. 4,94 %, in Stabsoffiziersrängen (ein Generalveterinär und 35 Korpsstabsveterinäre im Majorsrang). Der Dienstgrad Oberstleutnant fehlte bis Juli 1917 gänzlich (vergleiche Tabelle 2). Mit Erreichen der Stellung eines Regimentsveterinärs im Dienstrad Stabsveterinär war das allgemeine Laufbahnziel erreicht [7].
Kriegsvorbereitungen und Mobilmachung
Für den Kriegsfall war für das Militärveterinärwesen im Frieden so gut wie keine Vorbereitung getroffen worden, obwohl es wiederholt ernste Anregungen
und Vorschläge gegeben hatte. Dies ist sicherlich auch der Ansicht geschuldet, dass ein Krieg kurz sein werde und der notwendige Ersatz an Tieren aus dem Bestand ergänzt werden könne. Der Beitrag des Veterinärwesens zur Beweglichmachung und damit zur Kampfkraft der Armee war von fast allen militärischen Dienststellen weit unterschätzt worden. Daraus resultierte das Fehlen von Bestimmungen über den Feldveterinärdienst, besonders den Seuchennachrichtendienst im Felde. Diese Tatsache machte es fast unmöglich, Veterinäroffiziere auf die dringlichsten Aufgaben feldtierärztlicher Tätigkeit, wie Krankheitsvorbeuge und Verhütung/Bekämpfung von Kriegstierseuchen, vorzubereiten. Eine Kriegsveterinärordnung, als Zusammenfassung getroffener Vorbereitungen für einen Feldzug, entsprechend der Kriegssanitätsordnung gab es nicht. Vorgaben fanden sich verstreut in der Militär-Veterinärordnung von 1910, der Felddienstordnung, der Kriegsetappenordnung, der Dienstanweisung für Bagagen, Munitionskolonnen und Trains. Darüber hinaus gab es Vorgaben in der Seuchenvorschrift und der Remontierungsordnung, die aber auch jeden Offizier berechtigte, im Felde ein Pferd töten zu lassen, wenn er der Überzeugung war, damit das Leiden des Tieres zu verkürzen [2].Um im Mobilmachungsfall die zum Heeresdienst verpflichteten Tierärzte nach deren Spezialisierung, wie Chirurgie, Innere Medizin, Bakteriologie oder
Serologie, zielgerichtet einsetzen zu können, fehlten jegliche Grundlagen. Diese wurden erst Ende 1915 mit der Herausgabe ergänzender Vorschriften geschaffen. Daraus erklärt sich auch, dass während des Krieges, aber auch noch später, in Veröffentlichungen die mangelhafte Vorbereitung des Veterinärdienstes einer scharfen Kritik unterzogen wurde.Als unzureichend wurde auch die Ausstattung der Truppe mit Veterinärgerät betrachtet. Geregelt war, dass die Truppe den Pferdearzneikasten bei der Mobilmachung selbst auffüllte und die Nachversorgung im Felde nach den Bestimmungen der Kriegssanitätsordnung durch die Etappensanitätsdepots erfolgte. Die Ausstattung der Etappensanitätsdepots mit Veterinärgerät, wie Instrumentarium, Verbandstoffen und Arzneimitteln, was den Nachschub mit Veterinärmitteln auf dem Sanitätsversorgungswege sicherte, war das einzige, was als veterinäre Vorbereitung auf einen Krieg geschah, und das auch erst kurz vor Kriegsausbruch. Immerhin war damit aber bei Beginn des Krieges die Möglichkeit geschaffen, behelfsmäßige Pferdelazarette materiell auszustatten [2].
Nach den Bestimmungen der Militär-Veterinärordnung verblieb im Mobilmachungsfalle die Leitung des Veterinärdienstes beim Allgemeinen
Kriegsdepartement im Kriegsministerium. Die Inspektion des Militärveterinärwesens wurde aber aufgelöst, die Militär-Veterinärakademie wurde verkleinert und die frei werdenden Offiziere, die an die Akademie kommandierten Offiziere und die Unterveterinäre wurden sofort zu ihren Stammtruppenteilen beordert. Studenten, die das fünfte Semester beendet hatten, wurden als Feldunterveterinäre zu den Armeekorps mit besonderem Veterinärbedarf befohlen [7]. Eine Übersicht über die Dienstposten bei den Dienststellen der Preußischen Armee gibt die Tabelle 3. Obwohl es aus dem Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71, durch das militärische Engagement des deutschen Expeditionskorps in China (Boxeraufstand) sowie aus den Kolonialtruppen in Deutsch-Südwestafrika, dem jetzigen Namibia, um die Jahrhundertwende Erfahrungen gegeben hatte, sahen die deutschen Mobilmachungspläne keine Pferdelazarettorganisation vor, so dass das Deutsche Heer 1914 ohne Pferdelazarette in den Krieg zog. Die Folge war, dass Tiere, die das Tempo der Truppe nicht mehr mithalten und ihr folgen konnten, fast immer verendeten. Kadaver an den Marschstraßen oder noch lebende, aber dahinsiechende Pferde waren die Folge. Als dann endlich 1915 das preußische Kriegsministerium auf Grund erheblicher Ausfälle und zunehmender Seuchen zum Handeln gezwungen war und den Aufbau einer planmäßigen Lazarettorganisation einleitete, hatten Truppenveterinäroffiziere quasi aus dem Nichts provisorische Einrichtungen, wie Pferdesammelstellen, eingerichtet.Es fehlte aber nicht nur an einer planmäßigen Organisation, sondern auch an ausgebildetem Personal und erforderlichem und geeignetem Material.
Letzteres wurde in Zusammenarbeit mit zwei Spezialfirmen mit Nachdruck entwickelt. Dies waren insbesondere die Veterinär-Satteltasche und die Packtasche, der Arzneikasten bis hin zum Veterinärvorrats- oder -sanitätswagen für Pferdelazarette. Bei Kriegsende gab es 478 planmäßige Pferdelazarette, aufgestellt als Feld-, Etappen-, Heimatpferdelazarette und in einigen Sonderformen. Dort wurden insgesamt mindestens 1 372 000 Patienten behandelt.Eine geordnete Berichterstattung war ebenfalls nicht vorbereitet worden, so dass die vorliegenden Zahlen nur einen Anhalt geben und eine Größenordnung beschreiben. Als das Berichtswesen dann in Gang kam, bezog es sich nur auf das Pferd und wurde als bürokratisch überfrachtet empfunden. Viele Veterinärberichte gingen verloren, so dass sie für eine Auswertung nach dem Kriege nicht mehr zur Verfügung standen. Zuverlässige Angaben über die Gesamtzahl der Pferde, die während der 51 Kriegsmonate in den deutschen Streitkräften eingesetzten waren, liegen nicht vor, ebenso wenig über Verluste durch Verenden, Tötung, Abgängigkeit und Ausmusterung. Nach dem Kriegsveterinärbericht betrug 1917 der durchschnittliche Pferdebestand des Feldheeres 1 236 000 Tiere. Darin nicht enthalten sind die Tiere des Heimatheeres, des Besatzungsheeres und die Fluktuationen. Damit wird aber immerhin eine Größenordnung vermittelt. Für das Feldheer liegt die Verlustschätzung bei etwa einer Million Tiere [14].
Das Deutsche Heer hatte zu Beginn des Krieges 766 aktive Veterinäroffiziere und einschließlich der Unterveterinäre 1 507 des Beurlaubtenstandes (Offiziere der Reserve). Insgesamt nahmen 5 354 Veterinäroffiziere, das waren rund 75 % der insgesamt etwa 7 200 deutschen Tierärzte, am Kriege teil. Davon starben, fielen oder erlagen ihren Kriegsverwundungen 241 Veterinäre und zwar 9 Korpsstabs- bzw. Generaloberveterinäre, 14 Oberstabsveterinäre, 67 Stabsveterinäre, 60 Oberveterinäre und 34 Unter-, Feldunter- und Feldhilfsveterinäre (Abbildung 2).Die europäischen Kriegsschauplätze
Mit dem Mobilmachungsbefehl vom 1. August 1914 lief eine riesige Maschinerie an, die binnen etwa zweier Wochen über drei Millionen Menschen, eine Million Pferde, an die sechstausend Geschütze aller Kaliber und viele Hunderttausende von Fahrzeugen mobilisierte und von ihren Mobilisierungsorten in die Aufmarschräume der Armeen im Osten und Westen bewegen musste.
Schon am 4. August begann das X. Armeekorps unter General von Emmich mit dem Überfall auf das neutrale Belgien, um Lüttich zu besetzen.
Bewegungskrieg
In der Phase des Bewegungskrieges wurden die Schwierigkeiten einer ordnungsgemäßen tierärztlichen Versorgung durch den Truppenveterinärdienst dergestalt deutlich, dass die Durchführung von Untersuchungen und Behandlungen auf die Zeiten der kurzen Rastpausen oder nach dem Einrücken in die Ortsquartiere oder die Biwakräume beschränkt blieben. Oft kamen die Formationen erst nach Einbruch der Dunkelheit an und brachen vor Tagesanbruch schon wieder auf.Der Pferdearzneikasten wurde üblicherweise auf dem Packwagen mitgeführt und war besonders bei größeren Kampfhandlungen, bei denen sich die Große Bagage der Divisionstruppen mehrere Kilometer hinter der kämpfenden Truppe befand, oft längere Zeit nicht verfügbar, so dass die tierärztliche Versorgung mit den Mitteln der Veterinärsatteltasche bewerkstelligt werden musste, was eine sachgerechte Behandlung der Tiere nicht immer zuließ. Aber selbst die Vorräte der Pferdearzneikästen erschöpften sich schnell, und die Nachversorgung auf dem vorgesehenen Nachschubwege war unter den Gegebenheiten oft nicht möglich, so dass die Veterinäroffiziere improvisieren mussten. Eine Erleichterung trat ab Ende 1915 ein, als zunächst auf dem östlichen Kriegsschauplatz die Korps- und Divisions-veterinäre mit dem zweispännigen Veterinär-Sanitätswagen ausgestattet wurden.
Die Haupttätigkeit der Veterinäroffiziere bestand bei Auf- und Vormarsch sowie während der ersten Kämpfe vornehmlich im Behandeln von Verwundungen, Beschädigungen, Lahmheiten und von Sattel- und Geschirrdrücken, die durch sommerliche Temperaturen, durch aufgewirbelten Staub der langen Marschkolonnen und durch neues und damit steifes und scharfkantiges Lederzeug begünstigt wurden. Nageltritte, verursacht durch verloren gegangene Radnägel voraus marschierender Kolonnen, waren an der Tagesordnung. Die taktischen Notwendigkeiten ließen es nicht zu, die Tiere regelmäßig zu füttern und zu tränken, so dass Erkrankungen des Verdauungstraktes, wie Koliken, die Folge waren. Hufrehe[2] durch Überanstrengung, Erkältungskrankheiten durch Biwakieren im Freien in Kälte und bei Niederschlag gesellten sich hinzu. Durch Ergänzungspferde eingeschleppte ansteckende Erkrankungen, wie die Druse[3], traten auf.
Auf dem Marsch lag der Schwerpunkt darin, kranken Tieren erste tierärztliche Hilfe angedeihen zu lassen und die marschierende Truppe von kranken, nicht mehr marschfähigen Tieren zu entlasten. Diese wurden über die Gefechtsbagage zur Großen Bagage weitergeleitet. Die Alternative für die Truppe bestand darin, diese Tiere einfach zu erschießen oder unversorgt zurück zu lassen. Es fehlte schlicht an einer Organisation, die sich um diese kranken Tiere kümmerte – oder kurz: Es fehlte an Pferdelazaretten. Die Etappenpferdedepots hatten nach der Felddienst-ordnung und nach der Dienstanweisung für Bagagen, Muni-tionskolonnen und Trains schwerkranke Pferde zu übernehmen. Die Aufgabe der Depots bestand aber darin, die Truppe mit Ersatzpferden zu versorgen. Die Gefahr, mit den kranken Tieren auch Seuchen in die Depots einzuschleppen, war enorm groß und führte dazu, dass Etappenpferdedepots sich auch weigerten, kranke Pferde aufzunehmen.
Nachdem sich bei den Bagagen und Kolonnen kranke Tiere häuften, richteten viele Regimenter eigene Sammelstellen für leicht kranke Tiere ein, zu denen Veterinäroffiziere kommandiert wurden. Verbände ohne ständige veterinäre Versorgung, wie Infanterieregimenter, Nachrichtentruppen, Pionierbataillone, Sanitätskompanien und Stäbe, erlitten die größten Verluste an Pferden. Diese Verbände trugen auch besonders zur Verbreitung von Kriegstierseuchen bei, indem diese zu spät erkannt, falsche Maßnahmen ergriffen und seuchenkranke Tiere stehen gelassen wurden oder Beutepferde ohne vorherige Untersuchung Verwendung fanden.
Als Unterstützungspersonal hatten die Truppenveterinäre zunächst nur die Schmiede, die jedoch mit dem Hufbeschlag vollauf beschäftigt waren; und
selbst diese waren insbesondere in den Infanterieregimentern und den technischen Truppen trotz Pferdebestandes nicht vorhanden.Besonders groß waren die physischen Anforderungen an die Truppe und damit an den Truppenveterinärdienst im Osten. Nicht nur der im Gegensatz zur Westfront lange dauernde Bewegungskrieg auf ausgefahrenen und grundlosen Wegen, denkbar schlechte und unhygienische Unterkünfte und nicht zuletzt der frühzeitig hereinbrechende russische Winter mit Märschen auf schneeverwehten oder eisglatten Wegen (Abbildung 3), zugefrorene Wasserstellen und Brunnen entkräfteten die Tiere rasch, so dass sie tierärztlich versorgt werden mussten [2]. Im Februar 1916 berichtete der Divisionskommandeur Otto von Moser im Raum Dünaburg, dem heutigen Daugavpils, in Lettland über den Ausbruch der Räude bei den Pferden in seiner Division und beschreibt:
„Unsere Veterinäre haben jetzt einen äußerst anstrengenden Dienst; mein besonders pflichttreuer Stabsveterinär Krüger ist ununterbrochen unterwegs – keine Kleinigkeit bei dieser Witterung“ [15].
Stellungskrieg
Mit dem allmählichen Erstarren der Fronten traten für den Truppenveterinärdienst Erleichterungen ein. Die Formationen verweilten länger in ihren Unterkünften und damit die Pferde länger in ihren Stallungen, wodurch der Veterinärdienst geordnet durchgeführt werden konnte. Auch die Pferde der Formationen, die über keinen eigenen Truppenveterinärdienst verfügten, konnten besser tierärztlich untersucht und betreut werden. Zunächst waren dabei die durch die Belastungen des Bewegungskrieges geschwächten und ausgemergelten Tiere möglichst rasch wieder voll felddienstfähig zu machen und durch regelmäßige Pferderevisionen (Abbildung 4) der Gesundheitszustand der Pferde zu überwachen. Die Materialvorräte mussten aufgefüllt werden, was gerade an der Ostfront über größere Entfernungen zu den Ausladebahnhöfen oder Etappenorten schwierig war. Besonders wichtig für die Marschfähigkeit der Truppen war die Bekämpfung der Kriegstierseuchen, deren Verbreitung durch die dauernde Beanspruchung der Tiere, schlechte Haltungsbedingungen und unzureichende Fütterung ideale Voraussetzungen fand. Erwähnt werden sollen hier zunächst die Brustseuche[4], die Rotlaufseuche[5] und die Druse. Die ersteren beiden Seuchen erlangten keine größere Bedeutung, zumal mit Salvarsan und Neosalvarsan [11] eine Therapie der Brustseuche möglich war und die überstandene Erkrankung zu einer teils lebenslangen Immunität führte. Dagegen verursachte die Druse doch erhebliche Ausfälle. Mit dem Vorrücken der Truppe traten im Osten der Rotz[6] und die Räude[7] und im Westen die Brüsseler Krankheit[8], die
[1] URL: http://www.vetmeduni.ac.at/de/infoservice/presseinformatio-nen/presseinfo2015/festakt-ball/ (Stand: 06.04.2016).
[2] Die Hufrehe (Laminitis) ist eine bei Huftieren auftretende Krankheit. Es handelt sich um eine aseptische diffuse Entzündung der Klauenlederhaut, wobei sich die Hufkapsel von der Lederhaut ablöst. Die akute Hufrehe ist ein Notfall und bedarf der sofortigen Behandlung; in Extremfällen kann es zum Ausschuhen (Verlust des Hufes) kommen.
[3] Die Druse ist eine sehr ansteckende Erkrankung der oberen Luftwege des Pferdes und wird auch als Coryza contagiosa equorum oder Adenitis equorum bezeichnet. Sie wird durch Streptococcus equi verursacht.
[4] Als Brustseuche der Pferde (Pleuropneumonia contagiosa equorum) wird eine virale Infektionskrankheit bezeichnet, die unter den Erscheinungen einer Lungenbrustfellentzündung verläuft und in größeren Pferdeständen als Ortsseuche vorkommt. Dem Ausbruch der Krankheit gehen in der Regel allgemeine Mattigkeit, Neigung zu Schweißausbruch und verminderter Appetit voraus. Hierauf stellt sich hohes Fieber, Nasenausfluss, Atemnot und Husten ein. In günstigen Fällen verschwinden diese Erscheinungen in 6 - 8 Tagen, in schweren Fällen kann aber auch der Tod in derselben Zeit erfolgen [http://elexikon.ch/brustseuche?q=brustseuche#H.03_0531.0342 und [12].
[5] Als Rotlaufseuche der Pferde wurde eine virusbedingte Erkrankung bezeichnet, die auch als Pferdestaupe oder Influenza bekannt war [12].
[6] Eine durch Burgholderia mallei (ehemals Pseudomonas) verursachte Zoonose, die beim Pferd durch Erkrankung der Luftwege (Nasen- und Lungenrotz) oder der Haut (Hautrotz) vorkommt.
[7] Unter Räude wurden die durch Sarkoptes-, Psoroptes- und Chorioptesmilben verursachten Erkrankungen zusammengefasst.
[8] Als Brüsseler Krankheit wurde ein virusbedingter ansteckender Katarrh der Luftwege der Pferde bezeichnet, der insbesondere bei einer Sekundärinfektion mit ß-hämolysierenden Streptokokken zu erheblichen Ausfällen führte [12].
Lymphangitis epizootica[1] und vor allem die ansteckende Blutarmut[2] bald in besorgniserregender Weise auf [2].
Kriegsschauplätze in den Deutschen -Kolonien und im Osmanischen Reich
Zu Beginn des Ersten Weltkrieges standen deutsche Truppen im -Kiatschougebiet, das 1898 für 99 Jahre von China gepachtet worden war. Dort waren zwei Veterinäroffiziere stationiert. Das Gebiet ging bereits im November 1914 an Japan verloren. Die beiden Veterinäroffiziere kamen in japanische Gefangenschaft, aus der sie 1919 wieder entlassen wurden [9].
Das wesentliche deutsche Engagement als Kolonialmacht hatte sich auf den afrikanischen Kontinent mit Kolonien in Deutsch-Südwestafrika, Deutsch-Westafrika (Kamerun und Togo) und Deutsch-Ostafrika, das gesondert beschrieben werden soll, erstreckt. Darüber hinaus hatte das Deutsche Reich in Deutsch-Neuguinea eine Kolonie.
Deutsch-Südwestafrika
In Deutsch-Südwestafrika sah sich die nach Mobilmachung auf etwa 6 000 Mann verdreifachte Schutztruppe zunächst mit englischen und portugiesischen Streitkräften und Eingeborenenaufständen konfrontiert. Die Anzahl der neun aktiven Veterinäroffiziere wurde bei Mobilmachung um das doppelte vermehrt. Die Schutztruppe kapitulierte im Juli 1915 nachdem 70 000 Mann einer gut ausgerüsteten Streitmacht der Südafrikanischen Union in die Kämpfe eingriffen. Während Kriegstierseuchen, wie Kamelräude und Druse, bei den Tieren der Schutztruppe beherrschbar waren, trugen Futter- und Wassermangel wesentlich dazu bei, dass ein großer Teil der Zug- und Reitpferde schnell kriegsunbrauchbar wurden, was letztendlich die Kapitulation der Schutztruppe beschleunigte [4].
Kamerun
Nach Kamerun war erst im Jahre 1912 ein aktiver Veterinäroffizier entsandt worden. Seine Aufgabe war aber die eines kommissarischen Regierungstierarztes, der als Gestütstierarzt im Gestüt Golombé im Norden Kameruns eingesetzt war sowie im Bedarfsfalle auch Tätigkeiten für die Truppe und das Gouvernement zu übernehmen hatte. Nachdem sich die Schutztruppe – um ihrer Gefangennahme zu entziehen – in das neutrale Spanisch-Muni, das heutige Äquatorialguinea, zurückgezogen hatte und dort mit zahlreichem Gefolge an Kamerunern bei Bata interniert worden war, war er zusätzlich mit Verwaltungstätigkeiten und mit dem ärztlichen Dienst der kämpfenden Truppe betraut. Nach der Verlegung der Internierten von Bata auf die Insel Fernando Po (heute Bioko) im Golf von Guinea war er bis 1919 mit der Leitung des „farbigen Zivilinternierungslagers, der sogenannten Häuptlingssiedlung in Bococo“ betraut und hatte zusätzlich die ärztliche Versorgung von über 4 000 Kamerunern zu übernehmen und verwaltungstechnische und politische Aufgaben zu lösen [5].
Togo
In Togo, einer Kolonie in Westafrika mit der Größe Württembergs, gab es lediglich eine Polizeitruppe, aber keine Schutztruppe, die sich noch im August 1914 ergeben musste. Der seit März 1914 in Togo anwesende Regierungstierarzt trat mit Kriegsausbruch als Veterinär der Reserve der Truppe bei, übernahm die Führung einer Polizeikompanie, mit der er sich aktiv an Gefechten beteiligte, bis er bei der Kapitulation in Gefangenschaft geriet [3].
Osmanisches Reich
Ab 1913 reorganisierte das Osmanische Reich sein Militär. Für die Reorganisation des Heeres wurden mit dem Deutschen Reich Verträge geschlossen und ab Dezember 1913 eine deutsche Militärmission, zu der im Februar 1914 auch ein Veterinäroffizier trat, aufgebaut. Dieser hatte die Aufgabe, als Veterinärreferent den Chef der Militärmission und gleichzeitig den osmanischen Veterinärinspekteur, einen Veterinäroffizier im Obersten- oder Generalsrang, zu beraten. Die friedensmäßige Organisation des Veterinärdienstes im Osmanischen Reich war dabei der des Deutschen Kaiserreiches weit voraus. Nicht nur, dass der Veterinärinspekteur ein Tierarzt war – der Einstiegsdienstgrad nach Erhalt der Approbation war der Veterinärhauptmann. Der osmanische Veterinärdienst verfügte über Leitende Veterinäroffiziere, eine Militär-Veterinärhochschule, ein Zentral-Veterinärdepot, über Lehrschmieden und Pferdelazarette oder pferdelazarettähnlichen Einrichtungen. Allerdings wirkten sich diese Elemente in der Praxis auf Grund verschiedener Ursachen kaum oder nicht positiv aus [10].
Um dem drohenden Zusammenbruch der südlichen und südöstlichen osmanischen Fronten entgegenzuwirken, entsandte das Deutsche Reich Truppen zur Unterstützung der osmanischen Streitkräfte. Darunter waren auch bespannte Formationen, deren Zugtiere und Bespannung aber meist erst vor Ort durch die osmanischen Streitkräfte bereitgestellt oder beschafft wurden. Die Hauptaufgabe der Veterinäroffiziere bestand anfangs darin, geeignete und gesunde Tiere zu beschaffen. Dies gestaltete sich für die Artilleriegeschütze schwierig, da die einheimischen Pferde zu klein und zu schwach waren, so dass die schwere Artillerie auch
[9] Als ansteckende Lymphgefäßentzündung der Einhufer (Lymphangitis epizootica) wird eine durch den Sprosspilz Blastomyces farmciminosus verursachte Erkrankung der Lymphgefäße bezeichnet [12].
[10]Die ansteckende Blutarmut (infektiöse Anämie) der Einhufer ist eine retrovirusbedingte Erkrankung, die mit einer fieberhaften Blutarmut einhergeht und gewöhnlich tödlich endet.
mit bis zu 20 Büffeln je Geschütz bespannt wurde. Die wichtigsten Kriegstierseuchen waren neben Rotz und Räude auch die Rinderpest[1] [10].
Kriegstiere
Pferde
Das bei weitem wichtigste Tier im Ersten Weltkrieg war mit über 1,2 Millionen eingesetzten Tieren das Pferd. Es wurden hauptsächlich solche der
Warmblutrassen Ostpreuße und Hannoveraner verwendet. Auch Kaltblüter der mittelschweren Form, von denen der lebhaftere rheinisch-belgische Schlag und der ruhigere schleswig-dänische Schlag hinsichtlich der Zug-leistung gleichwertig waren, hatten sich bewährt. Sie waren im schweren Zug auch in tiefem Boden bei der schweren Artillerie und deren Kolonnen kaum wegzudenken. Die schweren Kaltblüter hingegen haben sich unter den Belastungen des Krieges und ungenügender Fütterung sowie ungünstiger Witterungsverhältnisse als weniger widerstandsfähig und geeignet erwiesen. An der Ostfront wurden auch Tiere der russischen Landrasse, sogenannte Panjepferde, eingesetzt. Zwar konnten sie sich mit den Ostpreußen hinsichtlich Schnell- und Dauerleistung nicht messen, sie waren aber ausgesprochen genügsam und zäh, zogen auch auf den grundlosen Wegen des Ostens die landesüblichen leichten Wagen und wurden auch als Tragtiere eingesetzt.Maultiere
Maultiere[2] waren im Deutschen Heer vor dem Ersten Weltkrieg mit Ausnahme der Kolonien nicht verwendet worden. Dort hatte man allerdings sowohl im Reit- und Zug-, als auch im Tragdienst im gebirgigen Gelände gute Erfahrungen gemacht. Im Laufe des Krieges wurden Verbände, die für den Krieg im Gebirge ausgebildet und ausgerüstet waren, mit Maultieren ausgestattet. Neben Kleinpferden trugen sie in einzelne Lasten zerlegbare Geschütze, Kochkisten, Verbandmaterial und vieles mehr. Dabei spielte die Widerristhöhe für die vorgesehene Verwendung eine wichtige Rolle. Tiere, die über 1,55 m maßen, konnten nicht mehr beladen werden, eigneten sich aber als Zugtiere. Tier mit etwa 1,53 m Höhe und kräftigem geraden Rücken eigneten sich vor allem zum Tragen von Geschützen und Lasten bis zu 130 kg. Kleinere Tiere wurden mit Muni-tionskästen beladen und trugen etwa 90 kg. Zu Reitzwecken wurden Mulis jeder Größe eingesetzt. In schwierigem Gelände und bei Schnee waren die Maultiere den Pferden eindeutig überlegen [2].Eine Übersicht über das Vorkommen von Erkrankungen und Seuchen der Equiden sowie deren Ausfälle gibt Tabelle 4.
Kamele und Ochsen
Kamele fanden besonders als Lastentiere in Kleinasien, Syrien, Mesopotamien und im Kaukasus Verwendung. Sie wurden aber auch als Reittiere und zum Krankentransport (Abbildungen 5 und 6) eingesetzt. Selbst Ochsengespanne fanden auf dem Balkan und im Osten daneben auch Büffelgespanne mit Erfolg Verwendung. Allerdings verhinderten Ausbrüche der Maul- und Klauenseuche mehrfach ihren Einsatz. In Afrika dienten Ochsen auch als Reittiere (Abbildung 7) [2].
Hunde
Hunde hatten im Deutschen Heer bei Manövern im Jahre 1899 und beim Boxeraufstand 1900/1901 Verwendung gefunden. Ihr Einsatz war aber dann nicht weiter verfolgt worden. Erst die Not des Krieges zwang wieder dazu, sie im Heer einzusetzen [2]. Eine andere Quelle führt aus, dass zu Beginn des Krieges dem Deutschen Heer 6 000 Hunde zur Verfügung standen [13]. Am Ende des Krieges waren etwa 30 000 Hunde im Heeresdienst vorhanden [11].
Verwendung fanden die Hunde zunächst im Sanitätsdienst[3] (Abbildung 8), später im Nachrichtendienst (Abbildungen 9 und 10) und als Polizeihunde. Anders als bei den belgischen oder den österreich-ungarischen Streitkräften (Abbildung 11) wurden Hunde im Deutschen Heer nicht als Zughunde eingesetzt. Der Kriegsveterinärbericht widmet den Hunden nur 4 von insgesamt 1 042 Seiten. Über die Sanitätshunde ist in der Wehrmedizinischen Monatsschrift ein eigener Beitrag vorgesehen.
Brieftauben
Der Verwendung von Brieftauben zur Nachrichtenübermittlung wurde vor dem Krieg keine besondere Bedeutung zugemessen. Versuche mit fahr- und
tragbaren Taubenschlägen wurden vor Kriegsbeginn wieder eingestellt. Bei Kriegsbeginn gab es in den Festungen der West- und Ostgrenze 15 Brieftaubenstationen und in den Grenzgarnisonen weitere 15 Brieftauben-Patrouillenschläge mit zusammen 21 000 Tieren. Die Zucht der Tauben erfolgte in der Militär-Brieftaubenzuchtstation in Spandau, wo auch ein fahrbarer Taubenschlag vorhanden war. Die Nachrichtenübermittlung per Taube hatte sich bei Verdun in den vordersten Linien bewährt, was zum Ausbau dieses Weges der Nachrichtenübermittlung führte. Insgesamt waren während des Krieges auf deutscher Seite etwa 500 Taubenschläge mit 120 000 Tieren eingesetzt. Dem Veterinärdienst fiel im Wesentlichen die Aufgabe zu, auf das teils unausgebildete Brieftaubenpersonal sachverständig einzuwirken und die Haltung, Fütterung, Pflege und Verwendung der Tauben durch die Truppe soweit zu beeinflussen, dass unnötige Verluste vermieden wurden. Über die Behandlung kranker Tauben wurden keine Erfahrungen berichtet [11] (Abbildung 13).[11] Die Rinderpest wird durch das Rinderpestvirus, ein Morbillivirus, verursacht und gilt seit 2011 weltweit als getilgt.
[12] Das Maultier, auch Muli genannt, (von lat. mulus, ‚Maultier‘, ‚Maul-esel‘) ist das Kreuzungsprodukt aus einer Pferdestute mit einem Eselhengst.
[13] Der Einsatz von Hunden zunächst im Sanitätsdienst ist wohl darin begründet, dass im Bewegungskrieg bereits Verwundete anfielen, die es nach der Schlacht suchen und zu bergen galt, während die Meldehunde erst im Stellungskrieg sinnvoll einzusetzen waren, da die Gefechtsstände stationär waren und die Hunde darauf trainiert werden konnten, während im Bewegungskrieg die Hunde öfters ins Leere gelaufen wären, weil der Gefechtsstand zwischenzeitlich bereits verlegt hatte.
Schlussbemerkung
Vor dem Hintergrund der immensen Zahl von Tieren, die bei den Streitkräften aller kriegführenden Staaten bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts eingesetzt wurden, war die Schaffung eines Veterinäroffizierkorps auch im Deutschen Heer zwingend und nicht zuletzt unter ethischen Gesichtspunkten geboten.
Tierseuchenprophylaxe und -bekämpfung sowie die Behandlung von Verletzungen waren die Hauptaufgaben der Veterinäre, die sie unter schwierigsten Bedingungen und – mangels bestehender Organisation und Material – mit Ideenreichtum und Improvisationstalent lösten. Dabei wurden in den während des Krieges aufgestellten Pferdelazaretten und anderen veterinärmedizinischen Einrichtungen wesentliche Erfahrungen gemacht und Erkenntnisse gewonnen, die Eingang in die Weiterentwicklung der Veterinärmedizin fanden. Über ausgewählte Aspekte hierzu soll in weiteren Beiträgen berichtet werden.
Literatur
1. Fontaine, H (Hrsg.): Das Deutsche Heeresveterinärwesen, Verlag von M. & H. Schaper 1939, Hannover.
2. Fontaine H, Nitsche O, Weber L: Der Veterinärdienst im Kriege 1914 bis 1918. [1, S. 406-419].
3. Gärtner W : Togo. [1, S. 836].
4. Meißner W: Deutsch-Südwestafrika. [1, S. 769 - 770].
5. Meißner W: Kamerun. [1, S. 789 - 795].
6. Ott R: Das militärtierärztliche Personal nach Errichtung der Tierarzneischulen. [1, S. 79 - 80].
7. Pietzsch M, Fontaine H: Das Veterinär-Offizierskorps. [1, S. 258 - 273].
8. Rathsmann E: Die Veterinärinspektion. [1, S. 877 - 878].
9. Scheferling O: Das deutsche Militärveterinärwesen in China. [1, S. 752 - 754].
10. Thieme A: G. Türkei. [1, S. 845 - 867].
11. Kriegsveterinärbericht des deutschen Heeres 1914 - 1918, Reichswehrministerium 1929, Berlin, S. 626 - 639 & S. 871 - 875.
12. Miessner H: Tierseuchen und ihre Bekämpfung, Verlag M.& H. Schaper 1948, Hannover.
13. Pöppinghege R: Tiere im Ersten Weltkrieg, Rotbuch Verlag 2014, S. 80.
14. Von den Driesch A: Geschichte der Tiermedizin, Deutsche Militärveterinärmedizin, München, S. 197 - 203.
15. Von Moser O: Als General im Ersten Weltkrieg, Feldzugaufzeichnungen 1914 - 1918, SEVERUS Verlag 2014, Hamburg, Nachdruck der Originalausgabe von 1928, S. 203.
Verfasser:
Oberstveterinär Dr. Leander Buchner
Leitender Veterinär der Bundeswehr
E-Mail: leanderbuchner@bundeswehr.org
Datum: 29.08.2016
Wehrmedizinische Monatsschrift 2016/6