Veterinärwesen der Bundeswehr im weltweiten Einsatz
Erfahrungsberichte aus dem „Außendienst“
L. Buchner, C. Lauck
Seit etwa 30 Jahren sind Sanitätsoffiziere Veterinär (SanOffzVet) an Auslandseinsätzen der Bundeswehr beteiligt und sind mittlerweile ein fester Bestandteil der jeweiligen Kontingente. Im Zusammenwirken mit allen Approbationen und unterschiedlichsten Truppenteilen waren und sind sie unter anderem verantwortlich für den gesundheitlichen Verbraucherschutz, Hygieneüberwachung in den Verpflegungseinrichtungen, mikrobiologische und parasitologische Untersuchungen von (veterinär-)medizinischen Proben, Lebensmitteln und Trinkwasser, die Behandlung der Diensttiere und dem Schutz vor Einschleppung von Tierseuchen. Außerdem fungierten sie oft als Teil eines Vorerkundungsteams, um die veterinärmedizinischen Gegebenheiten neuer Einsatzländer zu beurteilen und beratend zu wirken.
Im Folgenden sollen einige Erfahrungsberichte ausgewählter Einsätze und Übungen verdeutlichen, wie vielfältig sich die vorgefundenen Voraussetzungen, Bedingungen und Aufgaben dargestellt haben.
Operation „Flüchtlingshilfe“ Iran 1991
Einer der ersten Einsätze, an denen SanOffzVet teilnahmen, war die Operation „Flüchtlingshilfe“ im Iran.
Nach dem Zusammenbruch des Aufstandes der irakischen Kurden gegen das Regime von Saddam Hussein flohen etwa 1,5 Millionen Menschen in den benachbarten Iran. Die Bundesrepublik Deutschland bot dem Land zu deren Versorgung in der dünn besiedelten Provinz Bakhtaran Hilfe an. Nach Annahme dieses Angebotes erfolgte die Aufstellung der „Unterstützungsgruppe Bakhtaran“, zu dem auch ein „Unterstützungsverband Sanitätsdienst“ gehörte, der auf dem Flugplatz Bakhtaran ein Feldlazarett betrieb.
Einer der beiden dem Verband zugehörigen SanOffzVet im „Außendienst“ hatte folgende Aufgaben: Überwachung der Verpflegungs-, Trink- und Brauchwassereinrichtungen sowie Beratung auf dem Gebiet der Tierseuchen- und Zoonosenprophylaxe.
Schwerpunkt der Tätigkeit war die Überprüfung der fünf Trinkwasseraufbereitungsanlagen, die von der ABC-Abwehrtruppe in der Nähe der Flüchtlingslager betrieben wurden.
Das dabei anfallende Probenmaterial wurde im mobilen Feldlabor untersucht.
Die Überwachungsfunktion konnte nur per Hubschrauberflug ausgeübt werden. Da die Hubschrauber jeweils in der Nähe der Flüchtlingslager landeten, bekam man einen guten Einblick in die Situation der Flüchtlinge.
Ein weiterer SanOffzVet, dessen Dienstposten im mobilen Labortrupp ausgebracht wurde, war im Lazarett für die mikrobiologisch-serologische und parasitologische Diagnostik verantwortlich. Die Laboruntersuchungen dienten nicht nur als Grundlage der individuellen Behandlung der Patienten, sondern gaben vor allem ständig den notwendigen Überblick über die epidemiologische Situation. Damit konnte der Hygieniker zu jeder Zeit des Einsatzes das gesundheitliche Risiko für die eigenen Soldaten einschätzen und rechtzeitig präventive Maßnahmen zur Verhinderung möglicher Infektionen treffen. Die Diagnose epidemiologisch brisanter Erkrankungen, wie zum Beispiel Typhus oder Cholera, zeigten deutlich die hygienischen Verhältnisse in den Flüchtlingslagern und bei der Bevölkerung vor Ort. Die Operation endete am 12.06.1991.
Oberstveterinär a. D. Dr. Christian Raack, Oberfeldfeldveterinär a. D. Dr. Daniel Werth
United Nations Transitional Authority in Cambodia (UNTAC)
Einen weiteren Schauplatz im Weltgeschehen stellte die UN-Friedensmission UNTAC in Kambodscha dar, die von Mai 1992 bis November 1993 zur Stabilisierung des Landes und der Vorbereitung freier Wahlen stattfand.
Dem Kontingent gehörten zwei SanOffzVet als Theatre Veterinarian beim Medical Advisor im UNTAC Headquarter und im German Field Hospitals (dort als Laborleiter) an.
Neben der Auditierung von Lieferbetrieben für Lebensmittel, die ein australisches Unternehmen zentral für UNTAC beschaffte, fiel die Beratung des Medical Advisors zu allen veterinärmedizinischen Angelegenheiten in den Verantwortungsbereich des Theatre Veterinarian.
Die Aufgaben des Laborleiters umfasste die Untersuchung von Patientenproben, Lebensmitteln und Trinkwasser, die Überwachung der Hygiene in der Feldküche und auf den Stationen sowie der Abfallbeseitigung aber auch die Streuner- und Rattenbekämpfung.
Oberstveterinär Dr. Leander Buchner
United Nations Operation in Somalia (UNOSOM II)
Für das unter einem Bürgerkrieg leidende Somalia beschloss der UN-Sicherheitsrat im März 1993 den UNOSOM II-Einsatz, um das Land zu stabilisieren und dringend notwendige Hilfe zu leisten. Deutschland beteiligte sich mit einem verstärkten Nachschub- und Transportbataillon, deren Umfang etwa 1 700 Soldaten betrug, an der Mission. Der ursprüngliche Auftrag des in Belet Uen stationierten Deutschen Unterstützungsverbandes bestand darin, eine indische Kampfbrigade logistisch zu unterstützen. Im Nachhinein, die Inder blieben aufgrund der prekären politischen Situation im Süden des Landes, wurde der Nebenauftrag der humanitären Hilfe zu dessen Hauptbetätigungsfeld.
Die spezifischen Einsatzbedingungen am Stationierungsort in einer von Trockensavanne geprägten Landschaft mit hohen Tagestemperaturen und großer Staubbelastung in der Trockenzeit sowie durchdringender Feuchtigkeit in der Regenzeit, stellten insgesamt eine große Herausforderung dar. So musste unter schwierigen klimatischen Bedingungen die Versorgung der Soldaten mit hygienisch einwandfreiem Trinkwasser und gesundheitlich unbedenklichen Lebensmitteln sichergestellt werden. Einen wesentlichen Anteil an der Realisierung dieser Aufgabe hatten die im Rahmen des präventiven Gesundheitsschutzes eingesetzten zwei SanOffzVet des Unterstützungsverbandes. Außerdem überwachten sie die Trink- und Brauchwasserversorgung, die Tierseuchen- und Zoonosenprophylaxe sowie die Lagerhygiene. Die klimatischen Verhältnisse der Tropen erforderten eine besonders hohe fachliche Aufmerksamkeit, konnte es doch zu raschem mikrobiellem Verderb von Nahrungsmitteln durch extrinsische Faktoren wie hohe Temperaturen, permanenten Staubeintrag oder übermäßige Luftfeuchtigkeit kommen. So ist es allzu verständlich, dass im Laborbereich des deutschen Field Hospitals die mikrobiologischen Untersuchungen von Lebensmitteln und Wasser durch einen weiteren SanOffzVet einen breiten Raum einnahmen.
Wegen der besonderen Beschaffungsmodalitäten mussten immer wieder Abstriche (vornehmlich in Qualität, Vielfalt und Ausgewogenheit der Nahrungsmittel) hingenommen werden. Aufgrund der ungünstigen Umgebungsfaktoren hatte der Merksatz „cook it, boil it, peel it or forget it“ eine nicht von der Hand zu weisende Bedeutung.
Oberfeldfeldveterinär Dr. Wolfgang Pöllein
Fluthilfe Sumatra
Während am 05.01.2005 um 12 Uhr Europa in Gedenken der Opfer der Flutkatastrophe still stand und Millionen Menschen für drei Minuten innehielten, verlegten die ersten deutschen Soldaten der deutschen Hauptkräfte (unter ihnen auch ein SanOffzVet) in die indonesische Region Aceh im Norden der Insel Sumatra, das durch den Tsunami am schwersten betroffene Gebiet in Südostasien. Auch wenn man seit dem zweiten Weihnachtsfeiertag die katastrophalen Ereignisse aus der Ferne mitverfolgt hatte, war es eine völlig andere Situation, das Ausmaß der durch die Flutwelle angerichtete Zerstörung vor Ort zu erleben. So hieß es am Anfang zunächst für alle Schlamm schippen und die Einsatzbereitschaft herstellen.
Das Veterinärmedizinische Labor, was zunächst in einem Zelt untergebracht war, wurde später in das ehemalige TBC-Labor des „General Hospital Dr. Zainoel Abidin“ verlegt. Allein im Rahmen des Wiederaufbaus des schwer verwüsteten Krankenhauses wurden durch die SanOffzVet unzählige Wasserproben untersucht, die beiden tragbaren Inkubatoren waren immer voll bestückt. Mit dem bevorstehenden Ende des Einsatzes Mitte März 2006 hatte sich auch der veterinärmedizinisch-fachliche Schwerpunkt verschoben. Das gesamte Material das nach Deutschland zurückgeführt werden sollte, musste gereinigt und desinfiziert werden. Nicht nur um den teilweise anhaftenden Tsunamischlamm wie auch Schädlinge oder Tiere zu entfernen, sondern vor allem, um das Risiko einer Einschleppung von Tierseuchen durch kontaminiertes Material nach Deutschland zu minimieren.
Die äußeren sowie die eigenen Lebens- und Arbeitsbedingungen vor Ort waren extrem, fast täglich wurde die Region von heftigen Nachbeben erschüttert. Das Leid der Bevölkerung und die Zerstörung, die man zu Gesicht bekommen hat, hallt sicher in so manchem nach. Beeindruckend war aber auch der Umgang der Bevölkerung mit dieser Katastrophe und die Dankbarkeit, die den Soldaten entgegengebracht wurde. Ein solcher Einsatz schweißt ein Kontingent zusammen. Die gegenseitige Unterstützung aber auch die Zusammenarbeit mit anderen Hilfskräften, vor allem dem Technischen Hilfswerk und den Veterinären befreundeter Streitkräfte, lief absolut unbürokratisch und hat die Aufgabe leichter gemacht.
Oberstveterinär Dr. Christiane Ernst
NATO-Übung Trident Juncture 2018
Die SanOffzVet waren und sind nicht nur bei den Auslandseinsätzen tätig, sondern nehmen auch an Übungen und einsatzgleichen Verpflichtungen teil. So zum Beispiel an der Ende 2018 in Norwegen durchgeführten NATO-Übung „Trident Juncture 2018“, bei der es sich mit 44 000 Soldaten, über 10 000 Fahrzeugen und 70 Schiffen um die größte NATO-Übung seit 2002 handelte. An ihr waren alle 29 NATO-Staaten sowie Schweden und Finnland beteiligt.
Mit knapp 10 000 Soldaten und etwas mehr als 4 000 Fahrzeugen stellte Deutschland nach den USA den zweitgrößten Anteil der Übungsteilnehmer. Das Logistikbataillon und die Sanitätseinsatzkompanie (SanEinsKp) stellten mit knapp 850 Soldaten den Anteil der Nationalen Unterstützungskräfte, welche für die gesicherten Rahmenbedingungen der Übung verantwortlich waren. Die SanEinsKp verlegte dafür bereits Anfang September nach Norwegen und baute das Camp in Gardermoen auf.
Mit den Laboren LMC (Lebensmittel- und Ökochemie) und Veterinärmedizin nahmen auch sechs Soldaten des Zentralen Instituts des Sanitätsdienstes der Bundeswehr Kiel an der Übung teil. Vorrangiges Ziel bestand darin, die containerbasierten Labore MSE und verbundene Typ 2 Zelte zu verlegen, aufzubauen und schnellstmöglich die Einsatzfähigkeit der Einheiten herzustellen. In den drei norwegischen Herbstmonaten mussten sich die Übungsteilnehmer auf diverse Wetterlagen (lange Regenfälle und Kälteeinbrüche) einstellen, wodurch die Aufrechterhaltung der Einsatzbereitschaft der Labore im Camp Gardermoen zum Teil herausfordernd war.
Oberstabsveterinär Juliane Alker
European Union Training Mission Mali (EUTM Mali)
Der Auftrag des Medical Force Health Protection Officer/Veterinary Officer (MFHP Off) besteht in der Wahrnehmung der Verantwortung für alle Aspekte der Präventivmedizin inklusive der Impfprogramme und des Monitorings der öffentlichen Gesundheitssituation für die im Süden Malis eingesetzten Soldaten der EUTM Mali.
Der Dienstposten wurde in der Vergangenheit abwechselnd durch einen Human- und Veterinärmediziner sowie darüber hinaus im Wechsel von einem österreichischen oder deutschen Kameraden im Hauptquartier der EUTM Mali in Bamako besetzt.
Räumlich erstreckt sich der Einsatzraum auf die malische Hauptstadt Bamako und das circa 60 km nordostwärts gelegene „Koulikoro Training Centre“ (KTC) in Koulikoro.
Zur Erfüllung des Auftrags müssen unter anderem folgende Aufgaben wahrgenommen werden: die aktive Überwachung der öffentlichen Gesundheitssituation, die Überwachung der Impfmaßnahmen der Soldaten vor Einsatzbeginn und die Prävention von Erkrankungen im Einsatz, die Überwachung der Wasserqualität, der Lebensmittel- und Feldlagerhygiene sowie der Abwasserentsorgung aber auch der Schutz vor Lärm und anderen industriellen Gefahren.
Oberfeldfeldveterinär Dr. Stefan Hampel
Fazit
Die gleichzeitige Wahrnehmung von veterinärmedizinischen und humanmedizinischen Aufgaben durch die verschiedenen unter der Leitung eines SanStOffz Vet stehenden Labore in diversen Einsatzszenarien zeigen, dass der Labortierarzt ein erweitertes diagnostisches Spektrum beherrschen muss. Untersuchungsschwerpunkte in der humanmedizinischen Labordiagnostik waren neben der begleitenden klinischen Chemie vor allem in den Bereichen Parasitologie und Mikrobiologie zu finden. Das veterinärmedizinische Tätigkeitsfeld erstreckte sich neben den obligatorischen sensorischen Prüfungen zum überwiegenden Teil auf die Lebensmittel- und Wassermikrobiologie, wie es gegenwärtig auch immer noch der Fall ist.
Die durch die Einsätze gemachten sanitätsdienstlichen Erfahrungen lösten eine Reihe von Maßnahmen aus, in deren Zentrum aus veterinärmedizinischer Sicht die Entwicklung des MSE Containers Veterinärmedizinisches Labor und die Einführung von Containerküchen als Modulsystem stehen. Diese weltweit in den verschiedensten Klimaregionen einsetzbaren Komponenten haben sich in den nachfolgenden Auslandseinsätzen bewährt. Der Laborcontainer ermöglicht ein umfangreiches veterinärmedizinisches Untersuchungsspektrum unter akkreditierten Bedingungen. Die Küchencontainer stehen heute für einen hohen infrastrukturellen Hygienestandard im Rahmen der Vor- und Zubereitung von Lebensmitteln im Feldlagerbetrieb der Bundeswehr.
Wehrmedizin und Wehrpharmazie 3/2021
Für die Verfasser:
Oberstveterinär Dr. L. Buchner
Leitender Veterinär der Bundeswehr
Kommando Sanitätsdienst der Bundeswehr
Von-Kuhl-Str. 50, 56070 Koblenz
E-Mail: LeanderBuchner@bundeswehr.org