21.11.2017 •

    Fachaufsichtsaufgaben im Ausland

    Aus der Überwachungsstelle für Öffentlich-Rechtliche Aufgaben im Sanitätsdienst der Bundeswehr (ÜbwStÖffRechtlAufgSanDstBw) West Koblenz (Leiter: Oberstarzt Dr. S. Hartwig)

    Die zentralen Dienstvorschriften zum Arbeitsschutzin der Bundeswehr (z. B. ZDv A–2010/1 „Arbeitsschutz und Prävention“ gelten grundsätzlich auch für die Bundeswehrangehörigen in den Auslandsdienststellen, den „Einsatzgleichen Verpflichtungen“ und den Einsatzkontingenten der Bundeswehr. Diese Vorschrift ist auch in Krisen, bewaffneten Konflikten und sogar im Verteidigungsfall anzuwenden. Besondere Regelungen dazu enthalten z. B. die „Verordnung über die modifizierte Anwendung von Vorschriften des Arbeitsschutzgesetzes (ArbSchG) für bestimmte Tätigkeiten im öffentlichen Dienst des Bundes im Geschäftsbereich des BMVg – Arbeitsschutzgesetzanwendungsverordnung – BMVg – ArbSchGAnwV.

    Durch diese ArbSchGAnwV wird ein teilweises, bzw. umfassendes Abweichen von Vorschriften des ArbSchG ermöglicht, wenn öffentliche Belange dies zwingend erfordern. In einer solchen Situation sind dann alternative Sicherheitsvorkehrungen durch die Verantwortlichen vor Ort zu treffen, die einen größtmöglichen Schutz des eingesetzten Personals gewährleisten. Dazu haben sich die verantwortlichen Disziplinarvorgesetzten fachkundig beraten zu lassen. Sofern vor Ort akut keine Fachkompetenz zur Verfügung steht, springt die hiesige Dienststelle ein und übernimmt auch die Beratungsaufgaben der Durchführungsebene (Betriebsarzt im Einsatz). Dazu ist es erforderlich das Einsatzgebiet, den Auftrag und die damit verbundenen Besonderheiten und Umweltbedingungen möglichst gut aus persönlicher Erfahrung zu kennen. 

    Zunächst ist sicherzustellen, dass die zahlreichen Auslandsdienststellen, die Einsätze und Übungsvorhaben und die Einsatzkontingente vollständig erfasst, die Daten gepflegt und im aktualisierten Bestandsverzeichnis auch arbeitsmedizinisch betreut werden. Für die Organisation der arbeitsmedizinischen Auslandsbetreuung, die ganz überwiegend durch die hauptamtlichen militärischen Betriebsärzte der Bw zu leisten ist, ist der Einsatzbeauftragte der Konsiliargruppe XX „Arbeitsmedizin und Umweltmedizin“ zuständig. Nach der Sicherstellung der Durchführungsaufgaben im medizinischen Arbeitsschutz ist in Analogie zu den technischen Schutzaufgaben auch die Fachaufsicht über die Durchführung dieser Schutzaufgaben zu gewährleisten. Dies geschieht überwiegend in Begleitung der technischen Fachaufsicht (durch BAIUDBw GS). Die technische und medizinische Fachaufsicht wird kombiniert, um den Organisationsaufwand für die aufnehmenden Dienststellen zu begrenzen. Die zugrundeliegende Vorschrift dafür ist die ZDv-C-2051/1 „Grundsätze für das Zusammenwirken der Rechtsaufsichten im Arbeitsschutz in der Bundeswehr“.

    Bei entsprechendem Bedarf kann auch eine „Interdisziplinäre Risikoevaluation“ mit mehreren medizinischen und biologisch – toxikologischen Experten erfolgen. Eine solche „Interdisziplinäre Risikoevaluation“ wurde z. B. im Rahmen der einsatzgleichen Verpflichtung der Streitkräftebasis (SKB) in TRABZON / TÜRKEI erforderlich, da eine erhebliche Besorgnis bzgl. einer möglichen Aufnahme von staubförmigen Schwermetallen bei den eingesetzten deutschen Kräften bestand.

    TRABZON ist eine Hafenstadt und ein Industrie­standort der Türkei, an der Südküste des Schwarzen Meeres und an einem Steilhang gelegen. Die Auswahlentscheidung für den Standort TRABZON fiel auch wegen der unmittelbaren Nähe des großen Flugplatzes (Landemöglichkeit für Antonov 125) und des Tiefwasserhafens (RoRo – Schiffe), sowie wegen der Möglichkeit hier entsprechende Stell – und Arbeitsflächen anmieten zu können. Ziel war es – möglichst kostengünstig – nicht mehr benötigtes Einsatzmaterial nach dem Ende der ISAF Mission aus Afghanistan nach Deutschland zurückzuführen. 

    Da die Dienststelle erst seit Mitte 2013 in Betrieb war und nur bis 2015 in Funktion blieb, waren langfristige Investitionen in die Infrastruktur nicht sinnvoll. Der übliche Ansatz („TOP“ = zunächst technische Schutzmaßnahmen, dann organisatorische Maßnahmen, zuletzt personenbezogene Schutzmaßnahmen) konnte daher auch nur mit Einschränkungen angewandt werden. Ähnlich wie bei den Auslandseinsätzen betrugen die durchschnittlichen Stehzeiten des Personals in der Dienststelle zwischen 2 und 4 Monaten, wodurch eine langfristige Belastung mit den dort vorkommenden Stoffen vermieden wurde (Ausnahme: Verwaltungsbeamte mit längerer Stehzeit).

    Die Belastungen (ggf. Gefährdungen) sind in kurzer Darstellung zusammengefasst:

    Chemische Belastungen / Gefährdungen:

    Stäube (Kohle, Stein, Metalle, z. B. auch Blei…..), Rauch und Abgase durch Fahrzeuge und Hausbrand.

    Physikalische Belastungen / Gefährdungen:

    UV-Licht (Sommer), Lärm, Unfallrisiken auch durch Absturz, z. B. bei der Bewegung und Instandsetzung von Fahrzeugen und Großgerät.

    Psychische Belastungen:

    Termindruck (bindende Landeslots für Flugzeuge und Schiffe etc.), fremde Umgebung etc.

    Biologische Belastungen / Gefährdungen:

    Infektionskrankheiten, auch durch Tiere und deren Ausscheidungen

    Es galt akute und chronische Belastungen und Gefährdungen des Personals zu minimieren, möglichst ohne die Auftragserfüllung zu behindern. Zu den vorgeschlagenen Gegenmaßnahmen, die auch die arbeitsmedizinische Vorsorge vor und nach der dienstlichen Tätigkeit im Ausland einschließen, wurden einzelne Berichte erstellt.

    Mit einem Infoblatt (Flyer) wurde jeder Angehörige der Dienststelle in TRABZON unterrichtet, welche Untersuchungen im Rahmen der arbeitsmedizinischen Vorsorge (sogenannte berufsgenossenschaftliche Grundsatzuntersuchungen als Angebots – oder Wunschvorsorge) gemäß der Verordnung zur Stärkung und Rechtsvereinfachung der Arbeitsmedizinischen Vorsorge – ArbMedVV empfohlen werden. Um der Arbeitgeberpflicht zur Auswertung der anonymisierten Untersuchungsergebnisse nachzukommen, wurden die durchführenden Betriebs­ärzte gebeten, der für TRABZON zuständigen Betriebsärztin die Ergebnisse ihrer Untersuchungen zugänglich zu machen. 

    Im Verbund mit den Beratungsmaßnahmen und Vortragsveranstaltungen vor Ort konnte den Risiken erfolgreich begegnet werden. Es wurde trotz umfangreicher Untersuchungen keine akuten oder chronischen Schädigungen der Gesundheit der dort temporär eingesetzten Kräfte festgestellt. Repatriierungen wurden nicht erforderlich. Bereits laufende Eingaben bei dem Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages konnten sachgerecht abgearbeitet werden, ohne noch im Jahresbericht des Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages (WBdDBT) zu erscheinen. 

    Ähnlichen Herausforderungen begegnen wir in vielen Einsatzgebieten, wobei auch die jah­res­zeitlichen Schwankungen (Regenzeit/Dürre) einzelne Kontingente unterschiedlich stark mit Staub unterschiedlicher Genese belasten. 

    Ganz aktuell ist eine geringgradige Asbestbelastung der in RUKLA/LITAUEN eingesetzten Infanteriekräfte Anlass für den Arbeitsschutz, sich mit dieser Fragestellung erneut intensiv auseinanderzusetzen, um auch eine chronische Gesundheitsgefährdung der eingesetzten Kräfte mit Sicherheit auszuschließen. 

    Gleichzeitig gilt es unberechtigte Ängste bei den Betroffenen vor Ort abzubauen und die nötige Aufklärung aller Beteiligten voranzutreiben. Das dortige Problem entstand, weil das Abrissmaterial asbestbelasteter Altbauten zur Befestigung (Schotter) von Parkflächen im Instandsetzungsbereich verwandt wurde. Im Zusammenwirken des technischen und medizinischen Arbeitsschutzes auch unter Nutzung bundeswehreigener Labor- und Meßkapazität gilt es, diesen Herausforderungen zu begegnen. Um Personalausfälle und Krankheitstage zu verhindern ist gerade in den Einsätzen der Bw auch eine engmaschige Prävention von Infektionskrankheiten erforderlich. 

    Ohne die Bedeutung der notwendigen Präven­tion dieser Infektionskrankheiten für den Mis­sionserfolg schmälern zu wollen, ist jedoch festzustellen, dass in der zusammenhängenden Betrachtung, die schwerwiegenden Repatriierungen zumeist den sogenannten „Non Battle ­Injuries“ geschuldet sind. Diese Repatriierungen, z. B. durch Unfälle nach Kräften zu verhindern, ist eine vorrangige Aufgabe für den technischen und medizinischen Arbeitsschutz, aber auch eine ständige Aufgabe für die militärischen Vorgesetzten in allen Ebenen.

    Für die Nutzung von Bildmaterial danken wir Herrn Oberfeldapotheker Axel Müller.

    Anschrift des Verfassers:
    Oberstarzt Dr. Jürgen Hepke
    ÜbwStÖffRechtlAufgSanDstBw West KOBLENZ
    Dienststellenleiter in Vertretung
    Ltr Fachaufgaben Einsatz
    Ltr Konsiliargruppe XX – Arbeitsmedizin und Umweltmedizin
    Andernacherstraße 100, 56070 Koblenz
    E-Mail: Juergenhepke@bundeswehr.org


    Datum: 21.11.2017

    Quelle: Wehrmedizin und Wehrpharmazie 3/2017

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