ALS ZAHNARZT AN BORD DER FREGATTE KARLSRUHE IM RAHMEN DER EU MISSION ATALANTA

Zirka 400 Zahnärzte verrichten ihren Dienst in der Bundeswehr. Sie sind zum größten Teil im sogenannten „Zentralen Sanitätsdienst der Bundeswehr“ zusammengefasst und arbeiten überwiegend in den regionalen Sanitätseinrichtungen und den Bundeswehrkrankenhäusern in der kurativen zahnärztlichen Versorgung der Soldatinnen und Soldaten.

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Dabei ist ihre Hauptaufgabe die Einsatzverwendungsfähigkeit der Soldatinnen und Soldaten aus zahnärztlicher Sicht wiederherzustellen bzw. zu sichern und zu erhalten. Darüber hinaus sind Begutachtungen und Befundungen im Rahmen der Einstellungs- und Tauglichkeitsuntersuchungen ein weiterer wichtiger Teil der Tätigkeit eines Zahnarztes der Bundeswehr. Diese Zahnärzte sind aber nicht nur im Inland tätig, sondern behandeln Ihre Patienten auch im Auslandseinsatz, getreu der Maxime des Sanitätsdienstes der Bundeswehr, die vorsieht, den Soldaten im Falle einer Erkrankung, eines Unfalls oder einer Verwundung eine Versorgung zu Teil werden zu lassen, die im Ergebnis dem fachlichen Standard in Deutschland entspricht. Dieser Anspruch gilt für das gesamte Spektrum medizinischer Versorgungsleistungen, also auch für den zahnärztlichen Bereich. So gehören bei allen Einsätzen oder Übungen im Ausland ab einer gewissen Größe und Zeitdauer auch immer Zahnärzte zur sanitätsdienstlichen Komponente. Dies gilt für die Einsätze der Bundeswehr beispielsweise in Afghanistan und dem Kosovo genauso wie für die Einsätze der Marine an Bord von seegehenden Einheiten. Durchschnittlich sind gleichzeitig meist 10- 12 Zahnärzte im Einsatz (Abb. 1).

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Für die Versorgung an Bord von Schiffen und Booten der Marine gelten dabei sehr besondere Einflussfaktoren und Rahmenbedingung, wie z.B. das Fehlen einer festen zahnärztlichen Infrastruktur, ein sehr eingeschränktes Platzangebot, die Schiffsbewegungen und Vibrationen, erschwerte Versorgungswege und nicht zuletzt das Fehlen von klinischen Versorgungsmöglichkeiten in erreichbarer Nähe. Für diese speziellen Bedürfnisse hat die Firma KaVo in Zusammenarbeit mit der Marine eigens eine Behandlungseinheit, die Bordzahnstation Amadeus 1070, entwickelt, mit der eine suffiziente zahnärztliche Versorgung an Bord gewährleistet werden kann (Abb. 2+3). Diese mobile, druckluftbetriebene Behandlungseinrichtung, die allen in Deutschland geltenden Bestimmungen entspricht, wird mit Arzt- und Helferinnenelement am OP-Tisch des Schiffslazaretts angebracht und verfügt über
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eine separate Absaugeinrichtung sowie einen Kompressor. Das Arztelement ist mit einer Multifunktionsspritze, zwei Mikromotoren und einer Turbinenkupplung ausgestattet.
Eine Behandlung ist hier, wenn auch häufig unter besonderen ergonomischen Bedingungen für Zahnarzt und Assistenz (Lagerung des Patienten, eigene Sitzposition, etc.), wie in der heimatlichen Praxis möglich.

Vor dem Hintergrund der zunehmenden Zahl von Piratenüberfällen im Golf von Aden hat die Bundesregierung am 10. Dezember 2008 beschlossen, dass sich Deutschland an der EU - Mission ATALANTA beteiligt. Diese Entscheidung wurde am 19. Dezember 2008 vom Bundestag legitimiert. Hauptkomponente der deutschen Beteiligung war zu dem Zeitpunkt die Fregatte Karlsruhe, die sich bereits in einem NATOVerband im entsprechenden Seegebiet befand. So übernahm die „Karlsruhe“ in der Nacht vom 19. auf den 20. Dezember 2008 ihre Aufgaben im Rahmen der Mission ATALANTA. Als zusätzliche medizinische Komponente befand sich an Bord eine Facharztgruppe mit einem Chirurgen und einem Anästhesisten. Die Hauptaufgabe des Zahnarztes war auch hier die Wiederherstellung und Erhaltung der Einsatzfähigkeit der Besatzung, da eine suffiziente Versorgung nach deutschem Standard in den ostafrikanischen Küstenländern nicht sichergestellt werden kann (Abb. 4).

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Neben Kontrolluntersuchungen und Routinebehandlungen, gab es im Einsatzzeitraum u.a. auch eine chirurgische Intervention bei einem Patienten mit einer chronisch granulierenden Entzündung im Bereich der Oberkieferfrontzähne.
Hierzu wurde unter Lokalanästhesie der entzündete Bereich dargestellt, das Granulationsgewebe entfernt, eine Osteoplastik durchgeführt und die Wunde im Anschluss primär verschlossen. Zahnärzte an Bord von seegehenden Einheiten der Marine sind aber oft über das normale fachliche Maß hinaus gefordert, wie im nachfolgenden Fall dargestellt wird. Der Zahnarzt im Auslandseinsatz ist fest in die Rettungskette eingebunden und muss z.B. auch bei Operationen Hilfe leisten, wie am 25. Dezember 2008, als das Ausmaß der Piraterie vor der Küste Somalias auf der „Karlsruhe“ deutlich wurde. Piraten versuchten einen panamaischen Stückgutfrachter zu kapern und verletzten dabei ein Besatzungsmitglied des Frachters durch einem Oberschenkeldurchschuss. Der Verletzte wurde zur medizinischen Versorgung mit dem Bordhubschrauber der Fregatte Mecklenburg-Vorpommern auf die „Karlsruhe“ gebracht. Das Facharztteam (Chirurg, Anästhesist, Schiffsarzt und Zahnarzt) untersuchte den Patienten zunächst auf Begleitverletzungen und stabilisierte die Vitalfunktionen. Anschließend erfolgte die operative Versorgung.

Der Patient verblieb einen Tag unter ständiger medizinischer Betreuung auf der Krankenstation und wurde am nächsten Tag in ein naheliegendes Krankenhaus im Oman ausgeflogen, damit von dort die Weiterbehandlung und Überführung in die Heimat erfolgen konnte. Als Resumée kann festgehalten werden, dass die Aufgabe des Zahnarztes an Bord einer seegehenden Einheit oft weit mehr als alltägliche Zahnmedizin umfasst. Zahnärzte stellen eine elementare Komponente an Bord von Schiffen und im Auslandseinsatz dar. Unabhängig von Notfallbehandlungen garantieren sie den Soldaten eine suffiziente zahnärztliche Versorgung nach deutschen Standards.

Datum: 01.12.2009

Quelle: Wehrmedizin und Wehrpharmazie 2009/4

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