23.03.2020 •

Das Dentalhistorische Museum in Zschadraß

Geschichte und Sammlung
Zschadraß, ein Ortsteil der zwischen Dresden und Leipzig gelegenen Stadt Colditz, beherbergt eine der größten dentalhistorischen Sammlungen Europas. Im Jahr 2000 begründete sie der Zahntechnikermeister Andreas Haesler und brachte die einzigartigen zahnmedizinischen Exponate zunächst im Schloss Colditz unter. Im Jahre 2006 erwarb er auf dem Gelände der Diakoniekliniken in Zschadraß vier Gebäude, die nun das Museum beherbergen.

Die Stadt Colditz ist militärhistorisch eher bekannt durch das im Zweiten Weltkrieg im Schloss untergebrachte Kriegsgefangenenlager „Oflag IVc“, in dem alliierte Offiziere untergebracht waren und deren teils spektakuläre Fluchtversuche verfilmt wurden.

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Abb. 1: Sprechzimmer von Phillip Pfaff um 1660
Das eigentliche, der Öffentlichkeit zugängliche, Museum ist in einem Gebäude untergebracht und zeigt auf ca. 250 m2 Fläche etwa ein Prozent der vorhandenen Exponate. Der Rest lagert in den auf drei Häuser verteilten Depots.

Der Verein, den Haesler für den Betrieb des Museums gründete, hatte immer wieder Schwierigkeiten, den Unterhalt des Museums zu gewährleisten. Ende 2018 wurde schon angekündigt, das Museum für die Öffentlichkeit zu schließen und nur noch das Wissenschaftszentrum weiter zu betreiben. Auf Grund der dann endlich erfolgten Medienresonanz in den Fachkreisen der Zahnärzteschaft aber auch den Behörden und der Bevölkerung , die die Wichtigkeit und Einzigartigkeit des Projekts erkannten, fanden sich aber dann doch Geldgeber und Fördermitglieder, die es ermöglichten, diesen einzigartigen Schatz der Geschichte der Zahnheilkunde zu erhalten.

Das Museum beherbergt Exponate aus über 1000 dentalhistorischen Privatsammlungen, 15 Firmenarchiven (wie beispielsweise von deTrey und S.S. White) sowie 15 Instituts- und Universitätsarchiven. Es finden sich historische Praxisausstattungen, Behandlungseinheiten, Laboreinrichtungen, Sterilisations- und Röntgengeräte vom Beginn der Zahnheilkunde bis in die Neuzeit. Originalinstrumente aus der römischen Zeit sind ebenso zu besichtigen, wie komplette Sammlungen mittelalterlicher Instrumente. Das Praxiszimmer von Phillip Pfaff, dem Hofzahnarzt Friedrich des Großen, aus dem Jahr 1660 ist ausgestellt, ebenso ein Sprechzimmer aus der Zeit um 1880, das als Requisite in dem Film „die Buddenbrocks“ diente. (Abb. 1)

Ebenfalls erhalten ist der gesamte Nachlass von Walter Hoffmann-­Axthelms sowie über 220 000 Bücher und Zeitschriften. Neben menschlichen und tierischen Präparaten aus anatomischen Sammlungen ist die Geschichte der Mundhygiene zu sehen.

Vieles an den Gebäuden muss noch verbessert werden, das Museums­haus selbst ist bis auf das undichte Dach saniert, während die anderen drei Gebäude derzeit eigentlich nur der Aufbewahrung der immensen Zahl an Exponaten dienen und hoffentlich in naher Zukunft durch entsprechende bauliche Maßnahmen ihrer eigentlichen Bestimmung als Wissenschaftszentrum mit Gästehaus, Bibliothek und Technikum zugeführt werden können.

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Abb. 2: Kasten 3 (Behandlungsstuhl und Reflektor) des zahnärztlichen Gerätes 41
Für die Zukunft des Hauses ist es gut, dass die gesamte Sammlung „PROSKAUER/WITT“ mit über 40 000 Fachbüchern, Zeitschriftenbänden, Dissertationen, Fotos, Grafiken und Archivalien vom 16. bis zum 19. Jahrhundert in Zschadraß untergebracht wird. Die Sammlung stellt wohl das umfassendste historische Gedächtnis der Zahnärzteschaft dar. Die ursprünglich in Köln beheimatete Sammlung wurde aufgelöst und in Berlin im Jahre 2000 in Containern eingelagert. In den nächsten Wochen wird hierfür ein gesamtes Stockwerk im Technikum des Dental­museums aufbereitet und sie wird mit wissenschaftlicher Unterstützung der Bundeszahnärztekammer und des Arbeitskreises Geschichte der Zahnheilkunde der Deutschen Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (DGZMK) dort Ihren Platz finden.

Diese Sammlung ist gleichsam der „Louvre der Zahnmedizin“, wie der Vereinsvorsitzende Andreas Haesler meint. Für die Bewahrung von Exponaten der Geschichte der Zahnheilkunde ist Zschadraß vielfach ohnehin die letzte Rettung, da immer mehr Universitäts- und Institutssammlungen aufgelöst, im besten Falle in Containern eingelagert, im schlimmsten Fall jedoch in alle Welt verstreut werden.

Ein Beispiel hierfür ist, dass ein Großteil der Sammlung der österreichischen Zahnärzte, welche auch militärzahnärztlich interessante Stücke enthält und im Jahre 2010 an die Universität Wien ging, von Herrn Haesler erworben wurde. Ebenso fand die Sammlung von Alfred Gysi aus Zürich den Weg nach Zschadraß.

Leider fehlen aus der Wiener Sammlung die zahlreichen Moulagen, insbesonders von Schussverletzungen aus der Zeit des Ersten Weltkriegs. 2014 hatte die Ausstellung „Gesichter des Ersten Weltkriegs“ noch für Furore gesorgt. Der Verbleib ist seit der Auflösung des Zahnmuseums in Wien unklar. Andreas Haesler recherchiert aber derzeit über deren Verbleib und ist optimistisch, hier fündig zu werden.

Historische Exponate der Militärzahnheilkunde

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Abb. 3: Truppenbesteck aus dem Ersten Weltkrieg
Neben den auch für Militärzahnärzte interessanten allgemeinen historischen Exponaten finden sich im Museum auch besondere Ausstellungsstücke der Militärzahnheilkunde. Diese liegen derzeit meist noch im Depot, es soll aber im Zuge der Dachabdichtung des Hauptmuseumsgebäudes das Dachgeschoß ausgebaut werden und dort eine Spezialausstellung zum Thema Militärzahnheilkunde eingerichtet werden. Vorhanden sind zahnärzt­liche Behandlungseinheiten aus dem Ersten und Zweiten ­Weltkrieg, zum Teil noch in Originalpackkisten aufbewahrte zahnärztliche Geräte, mobile Röntgengeräte, zahntechnisches Gerät (zum Beispiel das Vulkanisiergerät) und chirurgische Instru­mente in Originalpacktaschen – oft noch mit vorhandenen Originalmedikamenten. (Abb. 2)

So enthält eine segelleinene Instrumententasche aus dem Ersten Weltkrieg noch einen Originalzement der Firma Speier & von ­Karger, die viele zahnärztliche Präparate herstellte und 1933 von den Nationalsozialisten als jüdischer Industriebetrieb enteignet wurde. (Abb. 3)

In der Bibliothek befinden sich Zeitschriften in gebundener Form aus der Zeit der beiden Weltkriege, wie beispielsweise die „Deutsche Zahnärztliche Wochenschrift“ und die „Zahnärztliche Rundschau“, eine vorwiegend aus dem Ersten Weltkrieg stammende Postkartensammlung sowie unzählige Dokumente, Dissertationen und Fachbücher von 1680 bis heute, die militärhistorisch von großer Bedeutung sind.

Auch Modelle und anatomische Präparate, die die Behandlung von Kieferschussverletzungen dokumentieren und illustrieren, finden sich. Leider fehlen – wie bereits erwähnt – die militärzahnärztlich so interessanten Moulagen.

Aus der neueren Zeit findet sich ein komplettes zahnärztliches Feldgerät der Bundeswehr in Originalpackkisten aus dem Jahre 1963.

Besuch des Museums

Auch wenn das dentalhistorische Museum Zschadraß ein wenig abseits liegt, lohnt sich schon allein ein Besuch des der Öffentlichkeit zugänglichen Teils. Vor allem dann, wenn das Museum die Ausstellung der Militärzahnheilkunde von den Anfängen bis in die Neuzeit im dritten Stock des Gebäudes bekommt. Dies wird in nächster Zukunft nach der Sanierung des Daches erfolgen. Für Forschungsarbeiten auf dem Gebiet der Militärzahnheilkunde ist des Dentalmuseum Zschadraß ohnehin ein Ort, wo man auf der Suche nach Exponaten und Originalunterlagen in den Depots und im Wissenschaftszentrums wohl fast immer fündig werden wird. Weitere Informationen sowie Terminvereinbarungen für die Nutzung des Wissenschaftszentrums oder der Depots finden sich unter www.dentalmuseum.org  

 

Anschrift des Verfassers:
Dr. Gordian Hermann
Herzogstandstr. 4a
82362 Weilheim
E-Mail: Gordian_Hermann@web.de 

Abbildungen beim Verfasser

Datum: 23.03.2020

Quelle: Wehrmedizin und Wehrpharmazie 4/2019

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