18.01.2021 •

Als man beim Militär den Durchblick bekam ...

Ein Beitrag zum Jubiläumsjahr 125 Jahre Röntgenstrahlen

A. Müllerschön¹ und R. Vollmuth²

Bei der Verwendung von Superlativen sollte man in der Ge­schichts­schreibung Zurückhaltung üben. Dennoch gibt es immer wieder Personen und Ereignisse, die über jeden Zweifel bezüglich der Bedeutung ihres Wirkens erhaben sind und die Wissenschaft oder ihr Fachgebiet wirklich revolutionierten. Einer dieser Wissenschaftler ist Wilhelm Conrad Röntgen, der mit der Entdeckung der später nach ihm benannten Strahlen im wahrsten Sinn des Wortes in neue Dimensionen vorgedrungen ist. 2020 jährte sich nicht nur sein Geburtstag zum 175. Mal, sondern wir können auch auf 125 Jahre Röntgenstrahlen zurückblicken, die der Physiker am 8. November 1895 in Würzburg entdeckte.

Wilhelm Conrad Röntgen
Wilhelm Conrad Röntgen
Quelle: Wikipedia, gemeinfrei

„Nach einer vertraulichen Mitteilung von der Königlich-Schwedischen Akademie der Wissenschaften hat der ehrerbietigst, gehorsam Unterzeichnete den ersten Nobel-Preis für das Jahr 1901 erhalten. Die Königlich-Schwedische Akademie legt besonderen Wert darauf, daß die Preisgekrönten am Verteilungstag (10. Dez. dieses Jahres) die Preise persönlich in Stockholm in Empfang nehmen. Da diese Preise einen ausnahmsweise hohen Wert haben und besonders ehrenvoll sind, so glaubt der ehrerbietigst, gehorsamst Unterzeichnete dem Wunsch der Königlich-Schwedischen Akademie, wenn auch nicht leichten Herzens, nachkommen zu müssen, und bittet er deshalb, ihm für die Dauer der nächsten Woche Urlaub gewähren zu wollen.      Dr. W. C. Röntgen.“

Mit diesem Schreiben vom 6. Dezember 1901 beantragte ­Wilhelm Conrad Röntgen beim Königlich Bayerischen Staatsministerium für Kirchen- und Schulangelegenheiten seinen Urlaub zur Verleihung des Nobelpreises als Höhepunkt eines ebenso bemerkenswerten wie wirkungsstarken Wissenschaftlerlebens.

Werdegang und Leben Röntgens

Der Sohn eines Tuchfabrikanten wurde am 27. März 1845 in ­Lennep, heute ein Teil der Stadt Remscheid, geboren. Nach der Übersiedelung der Familie ins niederländische Apeldoorn im Jahre 1848 verbrachte er seine Schulzeit zunächst in Apeldoorn und besuchte ab 1862 die Utrechter „Technische Schule“, von der er allerdings 1864 im Zusammenhang mit einem Schülerstreich (der genaue Sachverhalt ist nicht ganz klar) verwiesen wurde.

Röntgen hatte keinen regulären höheren Schulabschluss vorzuweisen, insbesondere fehlten ihm die Kenntnisse der alten Sprachen Latein und Griechisch, und auch eine Zulassungsprüfung als Alternative zum Abitur bestand er nicht, weshalb ein Studium in Holland nicht möglich war. Ende 1865 begann Wilhelm Conrad Röntgen schließlich am Eidgenössischen Polytechnikum in Zürich, an dem man unter bestimmten Voraussetzungen auch ohne Abitur studieren konnte, eine Ausbildung, die er 1868 als diplomierter Maschinenbauingenieur abschloss. 1869 promovierte er an der Philosophischen Fakultät der Universität Zürich (das Polytechnikum hatte kein Promotionsrecht) mit einer Arbeit zum Thema „Studien über Gase“.

Röntgenaufnahme der linken Hand von Albert Kölliker
Röntgenaufnahme der linken Hand von Albert Kölliker
Quelle: Wikipedia, gemeinfrei

Mit August Kundt (1839 - 1894), seit 1868 Professor für Physik am Polytechnikum, ging Röntgen zunächst 1870 als Assistent nach Würzburg, 1872 nach Straßburg, wo er sich im Frühjahr 1874 habilitierte, nachdem ihm dies in Würzburg aufgrund des fehlenden Abiturs versagt geblieben war. Über Stationen in Hohenheim/Württemberg als Professor für Mathematik und Physik an der Landwirtschaftlichen Akademie, abermals Straßburg als Extraordinarius für theoretische Physik und ein Ordinariat für Physik in Gießen, das er ab 1879 inne hatte, wurde Röntgen schließlich nach Würzburg berufen, wo er von 1888 bis zu seinem Wechsel an die Universität München im Jahre 1900 wirkte und 1895 die Entdeckung machte, die seinen Ruhm begründete.

Der Schweizer Physiker Ludwig Zehnder (1854 - 1949), der immer wieder bei Röntgen arbeitete, von diesem gefördert wurde und mit ihm eng befreundet war, schrieb in seinen „Persönliche[n] Erinnerungen an W. C. Röntgen und über die Entwicklung der Röntgenröhren“ zum Wechsel Röntgens von Würzburg nach München:

„Im Jahre 1898 ging ich wieder zu Röntgen nach Würzburg, diesmal als sein 1. Assistent. Bald darauf bekam er den Ruf nach München. Er hatte zuerst wenig Lust, ihn anzunehmen, weil ihm die Ruhe in Würzburg mehr behagte, weil er hier auch leichter eigene Arbeiten ausführen konnte. Ich redete ihm aber zu, den Ruf anzunehmen. In München konnte er doch besser ‚Schule machen‘.“

1872 hatte Röntgen die Züricher Wirtstochter Anna Bertha ­Ludwig geehelicht, mit der er bis zu deren Tod im Jahre 1919 verheiratet war. Die Röntgens blieben kinderlos, nahmen jedoch 1887 eine damals sechsjährige Nichte von Anna Bertha Röntgen bei sich auf, die das Paar schließlich im Alter von 21 Jahren adoptierte.

Röntgen erhielt bereits zu Lebzeiten zahllose Orden, Ehrenmitgliedschaften, wissenschaftliche Preise, Ehrendoktorwürden – unter anderem 1896 von der Medizinischen Fakultät in Würzburg – und andere Auszeichnungen, von denen eine natürlich besonders herausragt: der oben bereits erwähnte erste Nobelpreis für Physik im Jahre 1901.

Wilhelm Conrad Röntgen, der 1920 emeritiert worden war, starb am 10. Februar 1923 in München an Darmkrebs.

Die Entdeckung der Röntgenstrahlen in Würzburg

Unmittelbar nach seiner unglaublichen Entdeckung, noch im Dezember 1895, berichtete Röntgen in den „Sitzungsberichten der Würzburger Physikalisch-medicinischen Gesellschaft“ erstmals „Ueber eine neue Art von Strahlen“.

Nur zwei Wochen später präsentierte Röntgen die bald nach ihm benannten Strahlen Kaiser Wilhelm II. im Sternensaal des Berliner Schlosses. Der Monarch, technischen Neuerungen gegenüber sehr offen, war beeindruckt und ordnete die Untersuchung der Entdeckung Röntgens im Hinblick auf eine mögliche militärische Nutzbarkeit an. Aufgrund der positiven Ergebnisse der durch die Medizinal-Abteilung des Königlich Preußischen Kriegsministe­riums und der Physikalisch-Technischen Reichsanstalt durchgeführten Experimente befahl Wilhelm II. die Einrichtung von je einem „Röntgenkabinett“ im Berliner Garnisonslazarett I und in der Berliner „Kaiser Wilhelms-Akademie für das Militärärztliche Bildungswesen“. Im Lazarett, das sich auf dem Gelände des ehemaligen Invalidenparks in der Scharnhorststraße befand, konnten schon ab Anfang Mai 1896 Soldaten mit Hilfe von Röntgenstrahlen untersucht werden. Das Röntgenkabinett der Akademie betrieb hingegen Grundlagenforschung und war für die Einweisung von Sanitätsoffizieren in die neuen Geräte zuständig.

Immer mehr Ärzte schätzten und nutzten die diagnostischen Möglichkeiten der Radiologie. Dies lässt sich an der Tatsache ablesen, dass die Preußische Armee im Jahre 1903 bereits über 60 Röntgenkabinette eingerichtet hatte.

Röntgenanlage im Ersten Weltkrieg
Röntgenanlage im Ersten Weltkrieg
Quelle: Grashey, Rudolf: Röntgenologie, Leipzig 1922 (= Handbuch der Ärztlichen Erfahrungen im Weltkriege 1914/1918, 9), S. 17

Militärradiologie im Ersten und Zweiten Weltkrieg

Haupteinsatzzwecke der Radiologie im Ersten Weltkrieg waren die Fremdkörpersuche, die Steckschusslokalisation sowie die Beurteilung der Schwere von Schussbrüchen anhand der Splitterverteilung. Man unterschied damals zwischen einer (Röntgen-)„Aufnahme“ und der „Durchleuchtung“. Bei der Aufnahme handelte es sich um das klassische Röntgenbild, das auf Platten projiziert sowie in Dunkelkammern entwickelt wurde und anschließend nach Fixierung begutachtet werden konnte. Im Gegensatz dazu trafen bei der Durchleuchtung die Röntgenstrahlen auf einen mit fluoreszierenden Materialien beschichteten Leucht- oder Verstärkerschirm. Es entstand dabei eine Art Echtzeitbild. Der Einsatz der Durchleuchtung hatte im Krieg einen entscheidenden Vorteil gegenüber konventionellen Röntgenaufnahmen: die Zeit. Während es auf Grund der Entwicklung der Platten zu deutlichen Verzögerungen vor Beginn einer Therapie oder Operation kam, dauerte eine Durchleuchtung nur wenige Minuten – gerade bei einem Massenanfall von Verwundeten entscheidend.

Eine Besonderheit der Durchleuchtung war die „röntgenoskopische Operation“. Dieses Verfahren wurde bereits vor dem Krieg entwickelt. Dabei befand sich unter dem Operationstisch eine Durchleuchtungsröhre und der Operateur trug ein „Kryptoskop“ – einen innen mit Bleiglas verkleideten Leuchtschirm zum Aufsetzen. Dieses Verfahren ist mit einer heutigen Herzkatheteruntersuchung unter Röntgenkontrolle vergleichbar.

Der Anatom Albert Hasselwander (1877 - 1954) erkannte, dass es für unerfahrene Ärzte sehr schwierig war, einen Steckschuss mittels Durchleuchtung exakt zu lokalisieren. Als alternative Untersuchungsmethode entwickelte er die „Stereoröntgenogrammetrie“ – teilweise auch als „Röntgenstereoskopie“ oder „Stereodiagraphie“ bezeichnet. Dabei wurden zwei Röntgenbilder aus unterschiedlichen Winkeln aufgenommen und ergaben bei gleichzeitiger Betrachtung mit Hilfe eines speziellen Apparates ein plastisches Bild. 

Im Ersten Weltkrieg kamen verschiedene Röntgensysteme zum Einsatz. Am verbreitetsten war bei Kriegsausbruch der von Siemens und Halske entwickelte Feldröntgenwagen. Der bespannte Wagen enthielt eine komplette Röntgeneinrichtung sowie alle zum Betrieb einer Dunkelkammer notwendigen Materialien und Geräte. Für die beweglichen Feldlazarette standen zusätzlich auf Lastkraftwagen transportierbare sogenannte „tragbare Röntgeneinrichtungen“ zur Verfügung. Sowohl der Röntgenwagen als auch die transportablen Geräte waren hauptsächlich für den Bewegungskrieg konzipiert.

Nach dem Übergang in den Stellungskrieg stand die schnelle Verlegbarkeit der Röntgeneinrichtungen nicht mehr im Vordergrund. Stattdessen versuchte man, den technischen Stand eines Friedenskrankenhauses in der Nähe der Front zu nutzen. Daraus resultierte die Entwicklung von Feldröntgenkraftwagen, die überwiegend den Kriegslazaretten zugeordnet waren und bei Bedarf für mehrere Tage den Feldlazaretten zugewiesen werden konnten. Die Fahrzeuge waren mit radiologischen Geräten ausgestattet, deren Leistungen deutlich über denen der Feldröntgenwagen lag und die dem damaligen Stand der Technik entsprachen. Ein entscheidender Vorteil war sicherlich die Nutzung der Karosserie als Dunkelkammer, was den ortsunabhängigen Einsatz nochmals unterstrich.

Zu Beginn des Zweiten Weltkrieges war die Fremdkörpersuche mittels Durchleuchtung erneut eine der wichtigsten Aufgaben der Röntgendiagnostik. Für die Aufnahmen verfügte die Wehrmacht über den Kriegslazaretten zugeordnete und leicht zu transportierende Sätze „Röntgen-Kleingerät“, die Zahn- und Kieferaufnahmen sowie die Durchleuchtungen und Aufnahmen für kleine chirurgische und internistische Untersuchungen ermöglichten. Die Sanitätskompanien und Feldlazarette rüstete die Sanitätsinspektion mit dem „Satz Leichtes Röntgengerät“ aus, womit Knochenaufnahmen und orientierende Durchleuchtungen durchgeführt werden konnten. Der „Satz Schweres Röntgengerät“ blieb ausschließlich den Kriegslazaretten vorbehalten. Damit waren nahezu alle radiologisch-diagnostischen Untersuchungen und besondere Diagnoseverfahren möglich. Als weiteres wichtiges Untersuchungsgerät stand den Militärärzten der Kriegslazarette das „Fremdkörpersuchgerät“ als Bestandteil des schweren Röntgengerätes zur Verfügung. Allen Röntgengeräten waren eigenständige Dunkelkammereinrichtungen beigeordnet.

Röntgengeräte der Bundeswehr in ihrer Aufbauphase

Hauptaufgabe der Bundeswehr war zunächst die Verteidigung der Bundesrepublik Deutschland im Rahmen des sogenannten „V-Falls“. Während die ortsfesten Sanitätseinrichtungen im Frieden über handelsübliche Röntgengeräte, beispielsweise die Röntgen­diagnostikgeräte „Sireskop“ und „Ultraskop 2“ sowie das Untersuchungsgerät „Müller UG 4“ verfügten, war der Sanitätsdienst für einen möglichen Krieg mit leichten und schweren Feldröntgengeräten ausgerüstet. Bei dem leichten Gerät, das zur Ausstattung der Hauptverbandplätze gehörte, handelte es sich um ein Universalröntgengerät. Der mitgelieferte Röntgenbildverstärker erhöhte die Bildqualität und verringerte gleichzeitig die Strahlenbelastung. Die Feldlazarette waren mit einem schweren ­Feldröntgengerät ausgestattet, das in seinen Funktionen den ortsfesten Anlagen kaum nachstand. Mit ihm konnten Durchleuchtungen und Aufnahmen am stehenden, sitzenden und liegenden Patienten sowie Über- und Untertischaufnahmen und Spezialaufnahmen durchgeführt werden.

Innenaufnahme Container „Zahntechnik – Röntgen“
Innenaufnahme Container „Zahntechnik – Röntgen“
Quelle: Christoph Hemme, mit freundlicher Genehmigung

Die Weiterentwicklung der Feldsanitätsausrüstung

Anfang der 1990er Jahre veränderte sich das Aufgabenspektrum der Bundeswehr deutlich. Die neuen Einsatzszenarien des Sanitätsdienstes führten auch zu Veränderungen und Anpassungen des nicht mehr zeitgemäßen (Feld-)Sanitätsmaterials. Um den klimatischen Bedingungen bei weltweiten Missionen besser gerecht zu werden und gleichzeitig über Sanitätseinrichtungen nach dem „Baukastenprinzip“ für verschiedenste Einsatzoptionen zu verfügen, begannen bereits zu Beginn der frühen 1990er Jahre Planungen für modulare Container. Noch bevor 1995 die offiziellen Erprobungen begannen, konnten 1993 während des deutschen Blauhelm-Einsatzes UNOSOM II (United Nations Operation in Somalia II) erste Erfahrungen bei der Behandlung in derartigen modularen Komponenten gesammelt werden. Für das in Belet-Uen zu errichtende Feldlazarett beschaffte die Bundeswehr vollklimatisierte US-amerikanische Container. Die während des Einsatzes gewonnenen Erfahrungen mündeten letztlich in die Entwicklung der heutigen Modularen Sanitätseinrichtungen (MSE). Neben Spezialröntgencontainern, beispielsweise „Zahntechnik – Röntgen“, verfügt die Bundeswehr mittlerweile über in MSE-Containern installierte Computertomographen und konventionelle stationäre Röntgengeräte, die sowohl in ortsfester Infrastruktur, aber auch in Container eingebaut werden können. Unterstützt werden die Radiologen im Einsatz durch mobile Geräte wie Chirurgische Durchleuchtungsbögen (den sogenannten C-Bögen) und fahrbare Röntgenaufnahmegeräte.

Die radiologische Ausstattung der Bundeswehrkrankenhäuser und der Institute der Teilstreitkräfte orientiert sich heutzutage an den zivilen medizinischen und technischen Entwicklungen.

Strahlenschutz

Ziemlich bald nach der Entdeckung der X-Strahlen zeigten sich neben den Möglichkeiten des Einsatzes auch die schädlichen Nebenwirkungen. Diese schilderte Walther Stechow (1852 - 1927), ein Pionier der militärischen Radiologie, bereits 1903. So kam es zwei bis drei Wochen nach mehrmaliger oder längerer Anwendung zu Rötungen, Schwellungen, Haarausfall und in unterschiedliche Gewebetiefe reichende, kaum heilenden Geschwüren. Ursächlich erachtete er beispielsweise zu geringen Abstand zur Röntgenröhre und übermäßig starke oder lange Bestrahlung, aber auch zu häufige Wiederholungen von Röntgenaufnahmen.

Vor allem zu Beginn des Ersten Weltkrieges kam es durch mangelnden Strahlenschutz beziehungsweise das Unterschätzen der Gefahr von Röntgenstrahlung häufig zu sogenannten Röntgenverbrennungen, auch Radiodermatitis genannt. Diese entwickelte sich im Verlauf des Krieges zu einer ernsten Gefahr für die Radiologen und das an radioskopischen Operationen beteiligte Personal. Nach Rudolf Grashey waren auf deutscher Seite genügend Bleiglasschirme und -brillen sowie Bleigummischürzen und -handschuhe vorhanden. Allerdings wurde die tatsächliche Gefahr offensichtlich unterschätzt. Wie leichtfertig man damit umging, zeigt deutlich das Beispiel der radioskopischen Operationen. Der Operateur setzte seinen Kopf während des gesamten Eingriffes den unter dem Operationstisch erzeugten Röntgenstrahlen aus. Da das Kryptoskop mit Bleiglas ausgekleidet war, erschien ein zusätzlicher Schutz des Kopfes nicht notwendig. In diesem Zusammenhang ist auch zu erwähnen, dass die Beschaffung von Dosimetern durch den Chef des Feldsanitätswesens aus Kostengründen abgelehnt wurde. Über Maßnahmen zum Schutz der zu untersuchenden Soldaten finden sich in der gesamten Literatur keine Angaben. Es ist davon auszugehen, dass für diesen Personenkreis keinerlei Vorkehrungen ergriffen wurden.

In der Wehrmacht wurde bei allen Röntgengeräten vor Einführung in die Feldsanitätsausrüstung eine Strahlenmessung vorgenommen. Zusätzlich fanden sich in mehreren Merkblättern Vorgaben zur Verhinderung von Strahlenschäden. Ende des Krieges sollten diese nochmals präzisiert werden. Die mit der Durchführung von Röntgenaufnahmen betrauten Ärzte sollten, ebenso wie das dabei assistierende Sanitätspersonal, nicht mehr als 48 Stunden pro Woche arbeiten. Zusätzlich beabsichtigte man, regelmäßige Blut- und Gewichtskontrollen durchzuführen. Eine Umsetzung erfolgte offenbar nicht. Die Röntgenschutzausstattung des Heeres umfasste Bleischürzen, Lendenschurze, Handschuhe und Schutzbrillen.

Der Schutz von Personal und Patienten hat bei der Bundeswehr einen hohen Stellenwert. Daher werden, auch im Einsatz, alle gesetzlichen Vorgaben des Strahlenschutzes eingehalten. Dazu zählen neben technischen Maßnahmen zur Reduzierung von Strahlendosis und Streustrahlung die Überwachung des eingesetzten Sanitätspersonals mittels Dosimetrie, der Einsatz von standardisierter Schutzausrüstung und die Minimierung von Röntgenaufnahmen durch Stellung einer rechtfertigenden Indikation.

In einem Brief an den schon erwähnten Ludwig Zehnder schrieb Wilhelm Conrad Röntgen, nicht allzu lange nach der Veröffentlichung seiner Entdeckung und den ersten Reaktionen:

„Ich hatte von meiner Arbeit Niemandem etwas gesagt; meiner Frau theilte ich nur mit, dass ich Etwas mache, von dem die Leute, wenn sie es erfahren, sagen würden ‚der Röntgen ist wohl verrückt geworden‘.“

Die Durchleuchtung des menschlichen Körpers, die non-invasive Darstellung der inneren Strukturen war bis zur Entdeckung der X-Strahlen durch Röntgen vollkommen außerhalb der menschlichen Vorstellungskraft – heute, 125 Jahre später, ist für uns der medizinische Alltag ohne diese Entdeckung nicht mehr vorstellbar.


1 Sanitätsversorgungszentrum Neubiberg (Leiter: Oberfeldarzt Dr. M. Schnur) des Sanitätsunterstützungszentrums München (Leiter: Oberstarzt Dr. R. Süß)

2 Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr (Kommandeur: Kapitän zur See Dr. J. Hillmann)

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