Ein Reservist mit einem nicht ganz alltäglichen Problem
M. Schiller¹ und U. Neblung²
Beim Luftlanderegiment 31 sind neben aktiven Soldaten auch immer wieder Reservisten tätig, die eine Reserveübung absolvieren. Die Dauer kann wenige Tage, aber auch mehrere Monate betragen. Einige Reservisten kommen jedes Jahr für bis zu zehn Monate, um so ihr Wissen und ihre Erfahrungen während der Wehrübungen einzubringen. Durch diesen oft langen Zeitraum der Übung bleibt es nicht aus, dass auch das eine oder andere zahnmedizinische Anliegen vorkommt. In diesem Artikel wollen wir ein solches nicht alltägliches Problem beschreiben.
Fall
Ein Reservist stellte sich in der Zahnarztgruppe Seedorf mit dem Verdacht eines lockeren Implantates an Regio 37 vor. Das Implantat wurde vor etwa acht Jahren in einer zivilen Praxis gesetzt. Einen Implantatpass besaß der Patient nicht und konnte auch keine Angaben zum Typ oder zur Art der Befestigung der Suprakonstruktion machen. Die Adresse des zivilen Zahnarztes hatte der Patient aber noch.
Intraoral zeigte sich eine lockere Suprakonstruktion, ohne dass die genaue Ursache (zum Beispiel eine lockere oder gebrochene Prothetikschraube sowie eine gebrochene Schulter) zweifelsfrei festgestellt werden konnte. Die angefertigte Zahnfilmröntgenaufnahme brachte auch keine weitergehen Information.
Daraus ergaben sich mehrere mögliche Handlungsoptionen:
- Belassen der Situation
- Entfernung der Krone und Inspektion der Abutment-Implantat-Verbindung mit der Konsequenz:
- bei gelockerter Prothetikschraube diese auszuwechseln
- frakturierte Prothetikschraube (was nun?)
- frakturierte Implantatschulter (was nun?)
Im Speziellen mussten folgende Fragen geklärt werden:
- Wenn durch die Entfernung der Krone diese beschädigt wird, bekommt der Reservist eine neue?
- Wenn die Prothetikschraube gebrochen ist, wie kann ich sie entfernen und werden die eventuell anfallenden Kosten übernommen?
- Wenn die Schulter gebrochen ist, muss das Implantat dann entfernt werden?
- Bekommt der Reservist in diesem Fall ein neues Implantat?
- Wie versorge ich das Implantat überhaupt, wenn das System unbekannt ist?
Zur Klärung dieser Fragen hat mein Team zuerst Kontakt mit dem zivilen Zahnarzt aufgenommen und dieser hat uns eine Kopie der Behandlungskarte von der Implantatinsertion überlassen. Nun hatten wir einen Hersteller. Als nächstes habe ich mit diesem Kontakt aufgenommen, den Fall geschildert und gefragt was wir tun können. Der Hersteller benötigte zunächst eine Kopie des Implantateintrags nebst Röntgenbild, was nach Genehmigung durch den Patienten übersandt wurde. Anschließend schlug der Hersteller vor, uns ein „Rescue Kit“ zu schicken, mit dem sich eine gebrochene Schraube entfernen lässt.
Als nächstes erfolgte die Rücksprache mit dem zuständigen regionalen BGZ, ob die Krone ersetzt werden würde, wenn diese im Zuge der Entfernung defekt ginge. Da der Soldat immer sehr lange Wehrübungen macht, hat der BGZ beschlossen, dass die Krone wie bei jedem Soldaten ersetzt wird (in diesem Fall NEM Krone).
Nachdem nun alle Informationen vorlagen, konnte die Behandlung beginnen. Zuerst wurde die Krone geschlitzt und vom Abutment entfernt. Im Anschluss konnte mit dem „Rescue Kit“ die Abutmentschraube entfernt und das Abutment vom Implantat genommen werden.
Es zeigt sich, dass lediglich die Schraube gelockert war und keine Fraktur vorlag. Nach ausgiebiger Spülung mit CHX wurde das Implantat geschlossen mit Impregum abgeformt. Da das Implantat nach mesial gekippt inseriert wurde, musste die Abformkappe mesial eingekürzt werden, damit die Abformung ohne Kontakt zum Zahn 35 erfolgen konnte. Danach wurde das Implantat mittels Gingivaformer verschlossen, der Gegenkiefer mit Alginat abgeformt und ein Bißregistrat erstellt (Greenbite). Nach 14 Tagen konnte dann die fertige Krone (NEM vollverblendet) eingesetzt werden.
Dazu wurde der Gingivaformer entfernt, das Implantat mit CHX gespült und die Krone verschraubt eingebracht. Der Schraubenkanal wurde dann mit Cavit und einem Komposit verschlossen, die Passung kontrolliert und der Patient in die Reinigung und Hygiene eingewiesen.
Fazit
Technisch war dieser Fall leicht, aber die Abläufe machen den Fall nicht ganz alltäglich. Hier gilt, der Weg ist das Ziel.
1 Aus dem Sanitätsversorgungszentrum Seedorf (Leiter: Oberfeldarzt B. Dahnke) des Sanitätsunterstützungszentrums Wilhelmshaven (Leiter: Oberstarzt Dr. M. Clauss)
2 Dentallabor Neblung Zeven
Wehrmedizin und Wehrpharmazie 4/2020
Oberfeldarzt Priv.-Doz. Dr. Marcus Schiller
Sanitätsversorgungszentrum Seedorf
Twistenberg 120
27404 Seedorf
E-Mail: MarcusSchiller@bundeswehr.org