19.02.2021 •

Multiplexe Antikörpertests

Essentielle Helfer im Kampf gegen das Coronavirus

Der Reutlinger Antikörpertest ist sensitiv und treffsicher. Das bestätigen auch unabhängige Experten, die die Validierungsstudie vor ihrer Veröffentlichung begutachtet haben. Der am NMI und in enger Zusammenarbeit mit dem Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) entwickelte Antikörpertest findet darüber hinaus bereits Anwendung in diversen Studien und liefert wertvolle Daten zum Pandemiegeschehen.

Dr. Nicole Schneiderhan-Marra (NMI) und Prof. Dr. Gérard Krause (HZI) vor dem...
Dr. Nicole Schneiderhan-Marra (NMI) und Prof. Dr. Gérard Krause (HZI) vor dem Pipettierroboter, der zur Analyse der Blutproben mit hohem Durchsatz eingesetzt wird.
Quelle: NMI

Test besticht durch einzigartige Performance

Die Validierung des am NMI Naturwissenschaftlichen und Medizinischen Instituts an der Universität Tübingen entwickelten Corona-Antikörpertests wurde heute in der wissenschaftlichen Fachzeitschrift Nature Communications veröffentlicht. Um die Performance des NMI-Antikörpertests (MULTICOV-AB) zu beurteilen, verglichen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler um Dr. Nicole Schneiderhan-Marra, Leiterin des Bereichs Pharma und Biotech am NMI, die Testergebnisse mit denen kommerzieller Tests. 

Im Gegensatz zu den Antikörpertests von Roche, Siemens und Euroimmun konnte der MULTICOV-AB alle negativen Proben korrekt identifizieren. Folglich löst der Reutlinger Antikörpertest das Problem falsch positiver Ergebnisse. Neben einer Spezifität von 100 % besticht der Test mit einer Sensitivität von 90 %. Das heißt, dass bei 90 % der PCR-positiven Probanden auch Antikörper nachgewiesen werden konnten. 

Dr. Schneiderhan-Marra sieht den großen Vorteil des MULTICOV-AB in seinem multiplexen Design: „Während ein Großteil der kommerziellen Tests nur auf das Vorhandensein eines Antikörpers testet, kann der MULTICOV-AB fünf verschiedene Antikörper detektieren. Dies ist wichtig, da das Immunsystem Antikörper gegen verschiedene Erkennungsregionen von SARS-CoV-2 bilden kann.“

Dieser Ansatz der parallelen Testung wird auch als multiplex bezeichnet.

Einsatz des MULTICOV-AB-Tests in Klinik und bei Impfstoffforschung

Der Antikörpertest wurde in Kooperation mit dem HZI in Braunschweig entwickelt, nicht zuletzt für den Einsatz in gemeinsamen Studien. Bereits seit Juli 2020 findet der MULTICOV-AB Einsatz in der bundesweiten Antiköperstudie mit dem Akronym MuSPAD. Ziel dieses Vorhabens ist es, die Durchseuchung mit SARS-CoV-2 in acht Städten und Landkreisen repräsentativ zu erfassen. Anhand der Studienergebnisse lässt sich schließlich das Infektionsgeschehen besser überblicken. 

So können die Forschenden abschätzen, wieviel Prozent der Bevölkerung bereits Covid-19 hatte und Antikörper gebildet hat. Der Einsatz des MULTICOV-AB-Tests kann aufgrund seines erweiterten Antigenpanels außerdem wertvolle Evidenz für künftige Impfstrategien liefern, da es mit diesem Test möglich ist, Antikörper aus einer natürlichen Infektion von denen nach einer Impfung zu unterscheiden.

„Eine Hauptmotivation für den differentiellen Multiplex-Ansatz dieses Verfahrens war immer die Auswirkung von Impfungen und natürlichen Infektionen auf das Antikörperprofil zu untersuchen. Daher hat es große Bedeutung für die Epidemiologie, diesen Test jetzt mit Einführung der Impfung einsatzfähig zu haben“, erklärt Prof. Dr. Gérard Krause, Leiter der Abteilung Epidemiologie am HZI.

Darüber hinaus findet der Test bereits Einsatz in der Transfusionsmedizin des Universitätsklinikums Tübingen. Dort wird er eingesetzt, um Blutproben von Blutspenderinnen und -spendern, Patientinnen und Patienten, aber auch des medizinischen Personals auf Immunisierung gegen COVID-19 zu untersuchen.

Publikation:

Becker M., Strengert M., Junker D. et al Exploring beyond clinical routine SARS-CoV-2 serology using MultiCoV-Ab to evaluate endemic coronavirus cross-reactivity. Nat Commun (2021). https://doi.org/10.1038/s41467-021-20973-3 


Über das NMI

Das NMI Naturwissenschaftliche und Medizinische Institut an der Universität Tübingen ist eine außeruniversitäre Forschungseinrichtung und betreibt anwendungsorientierte Forschung an der Schnittstelle von Bio- und Materialwissenschaften. Es verfügt über ein einmaliges, interdisziplinäres Kompetenzspektrum für F&E- sowie Dienstleistungsangebote für regional und international tätige Unternehmen. Dabei richtet sich das Institut gleichermaßen an die Gesundheitswirtschaft sowie Industriebranchen mit werkstofftechnischen und qualitätsorientierten Fragestellungen wie Fahrzeug-, Maschinen und Werkzeugbau.

Das Forschungsinstitut gliedert sich in drei Geschäftsbereiche, die durch ein gemeinsames Leitbild miteinander verbunden sind: Die Suche nach technischen Lösungen erfolgt stets nach höchsten wissenschaftlichen Standards. Im Geschäftsfeld Pharma und Biotech unterstützt das NMI die Entwicklung neuer Medikamente mit biochemischen, molekular- und zellbiologischen Methoden. Der Bereich Biomedizin und Materialwissenschaften erforscht und entwickelt Zukunftstechnologien wie die personalisierte Medizin und Mikromedizin für neue diagnostische und therapeutische Ansätze. Im Fokus des Dienstleistungsangebotes steht für Kunden die Strukturierung und Funktionalisierung von Werkstoffen und deren Oberflächen. Im Geschäftsfeld Analytik und Elektronenmikroskopie werden analytische Fragestellungen beantwortet.

Über die Landesgrenzen hinaus ist das NMI für sein Inkubatorkonzept für Existenzgründer mit bio- und materialwissenschaftlichem Hintergrund bekannt. www.nmi.de 

Das NMI Naturwissenschaftliche und Medizinische Institut an der Universität Tübingen wird vom Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau des Landes Baden-Württemberg unterstützt und ist Mitglied der Innovationsallianz Baden-Württemberg, einem Zusammenschluss von 13 außeruniversitären und wirtschaftsnahen Forschungsinstituten. www.innbw.de 

Über das HZI

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung (HZI) untersuchen in Braunschweig und an anderen Standorten in Deutschland bakterielle und virale Infektionen sowie die Abwehrmechanismen des Körpers. Sie verfügen über fundiertes Fachwissen in der Naturstoffforschung und deren Nutzung als wertvolle Quelle für neuartige Antiinfektiva. Als Mitglied des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung (DZIF) betreibt das HZI translationale Forschung für die Entwicklung neuer Therapien, Diagnostika, Impfstoffe und digital health-Produkte und koordiniert dort unter anderem die Infrastruktur „Epidemiologie“. www.helmholtz-hzi.de 



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