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Therapeutische Langzeitrestaurationen bei komplexen Therapien

G. Gutsche, N. Menne

Frontalansicht zum Zeitpunkt der Diagnostik (links) und nach Restauration
in der Oberkieferfront (rechts)
Gregor Gutsche

Eine Patientin mit fortgeschrittener Parodontitis und den damit verbundenen Gewebeschäden stellte sich auf Empfehlung des langjährigen Hauszahnarztes vor. Sie gab an, mit ihrer Mundsituation im Allgemeinen, mit dem kontinuierlichen, optischen Voranschreiten der parodontalen Destruktion und dem nachfolgenden Einfluss auf ihr Wohlbefinden unzufrieden zu sein.

Letztendlich konnte und wollte Sie die visuellen Folgeschäden nicht akzeptieren und wünschte sich ein Stopp des parodontalen Niedergangs und anschließend eine verbessernde Rehabilitation. Ein großes und hoch angesetztes Ziel, dessen Erreichen bereits durch einen wesentlichen Erfolgsfaktor gestützt wurde. Die intrinsische Motivation war beträchtlich ausgeprägt und ließ keinen Zweifel, dass sie einer langfristigen Therapiestrecke aus eigenem Antrieb heraus kontinuierlich folgen wird.

Der Startpunkt der systematischen Behandlungsstrecke war eine parodontale antiinfektiöse Therapie, der eine risikoorientierte unterstützende parodontalen Therapie (UPT) folgte. Nach der Reevaluation der erfolgreich verlaufenen antiinfektiösen Phase wurde die Gesamtsituation neu bewertet. Die persönlichen Wünsche der Patientin wurden mit pragmatischen ­Therapieprognosen gematched, um aufeinander folgende, überschaubare und realistische Ziele gemeinsam festzulegen.

Im Rahmen einer ästhetischen Analyse zeigte sich, dass eine alleinige Kompensation der parodontalen Schäden durch eine „weiße“ Restauration allein nicht zu einem harmonischen Gesamtbild führen würde. Begrenzt wurden die Idealvorstellungen durch die unterschiedlich gravierenden Schäden der Vergangenheit und die dreidimensionale anatomische Variabilität von Zähnen. 

Es wurde planerisch ein definierter rot-weißer Verlauf festgelegt. Dort traf sich von koronal her eine therapeutische Langzeitrestauration mit einer plastisch ästhetischen Parodontalchirurgie. Nach einer Adaptionsphase wurde eine definitive Keramikversorgung eingeklebt.

Befundstatus (oben) und Röntgen-Panoramaschichtaufnahme (unten) zum Zeitpunkt...
Befundstatus (oben) und Röntgen-Panoramaschichtaufnahme (unten) zum Zeitpunkt der Diagnostik
Quelle: Gregor Gutsche

Anamnese

Die 45-jährige Patientin beschrieb bei ihrem ersten Termin bestehende parodontale Probleme, obwohl zwei Jahre zuvor eine Parodontitistherapie durchgeführt worden sei. Behandlungsergebnisse wurden ihr ehemals nicht mitgeteilt, und sie ging von einer „Art Heilung“ aus. Das – aus ihrer Sicht – „optische Desaster ihres Antlitzes“ hätte sie mittels einer Epithese optimieren sollen – was sie ablehnte. Sie war seit vier Jahren Exraucher und verneint die Frage nach systemischen Erkrankungen.

Befunde, Diagnose

Die zahlreichen Befunde aus klinischer und röntgenlogischer Untersuchung führten zu den Diagnosen Parodontitis (Stadium IV, Grad B), Mukogingivale Deformation an den Zähne 13 und 23, craniomandibuläre Dysfunktionen (CMD), Kauorgan mit konservierender und prothetischer, teils insuffizienter Versorgung.

Therapie

Es folgte eine systematische antiinfektiöse Therapie bestehend aus einem Mundhygienetraining inklusive professioneller mechanischer Plaquereduktion sowie einer antiinfektiösen Therapie in Form eines Full-Mouth-Scalings und nachfolgender UPT entsprechend einer parodontalen Risikoanalyse.

Im Zeitraum bis zur Reevaluation und in der Anfangsphase der UPT wurden die insuffizienten, kautragenden Amalgamfüllungen durch adhäsiv befestigte Compositerestaurationen ersetzt. An Zahn 21 wurde eine notwendige endodontische Revision durchgeführt. 14 Monate nach antiinfektiöser parodontaler Therapie wurde die Rehabilitation der Oberkieferfront geplant und zu­nächst eine therapeutische Langzeitrestauration eingegliedert. Die Patientin wies erhebliche Hart- und Weichgewebedefizite im Bereich der ästhetischen Zone Regio 13,12 sowie 22, 23 auf (Abbildung auf Folgeseite oben).

Zum Einstieg fiel die Wahl auf eine therapeutische Langzeitrestauration in der Oberkieferfront. Zunächst erfolgte die Übernahme der Ist-Situation (Zahnform und Zahnstellung) in die therapeutische Phase. Die Zähne 12, 11, 21, 22 wurden präpariert und eine laborgefertigte, therapeutische Langzeitrestauration temporär zementiert. Der übliche Ablauf besteht darin, dass ein sogenanntes Eierschalenprovisorium in situ passgenau unterfüttert wird. Das Feinausarbeiten inklusive Politur erfolgt im Praxislabor. Die Überlegenheit der Politur gegenüber einem Glanzlack liegt in der verminderten Plaqueadhärenz – sie fällt bei polierten Oberflächen deutlich geringer aus. Dies hat den Vorteil, dass eine zeitlich nachfolgende Wundheilung in der Therapiezone durch geringere entzündliche Prozesse optimiert ablaufen kann. Eine weitere Chance der provisorischen Langzeitversorgung liegt darin, dass eine neu gestaltete Behandlungssituation erprobt werden kann. Nur so besteht die Möglichkeit, die Idealsituation (zuvor auf Situationsmodellen durchgeführtes WaxUp) auf den Patienten zu übertragen und so weiter diagnostisch erproben zu können (phonetische Sprachproben, Okklusion, Ästhetik etc.).

Der exakte Verlauf des Margo gingivae ist nach Ausheilen einer ästhetischen Weichgewebeplastik nicht sicher vorhersagbar. Zu viele postoperative Einflussfaktoren haben über einen langen Zeitraum die Möglichkeit das prognostizierte Ergebnis unerfreulich zu beeinflussen. In diesen klassischen Fällen bietet eine Langzeitrestauration die Option, um Präparationsgrenzen für die definitive Restauration nachfolgend (nach der Ausheilphase) in optimierter Lage festzulegen.

16 Monate nach antiinfektiöser Parodontitistherapie wurde das Langzeittherapeutikum eingegliedert und die plastisch ästhetische Parodontalchirurgie konnte beginnen.

Es wurde jeweils an den Zähnen 13–11 und 21–23 eine Gingivaplastik operiert. Ziel war eine physiologische Lageoptimierung zum Erhalt eines ästhetischen Längen-Breiten-Verhältnisses der Frontzahnkronen. Gleichzeitig wurde zum langzeitstabilisierenden Erhalt der Gesamtsituation die Gingiva in diesem Bereich voluminös verstärkt. Um das Operationsgebiet so klein als möglich zu halten und nachfolgend eine suffiziente Blutversorgung zu gewährleisten, erfolgte die koronale Extension des Flaps lediglich mit einer vertikalen Inzision im Bereich des ersten Prämolaren. Zusätzlich kamen verschiedene Biomaterialen zum Einsatz. Um die anschließende Heilung optimal verlaufen zu lassen, erhielt die Patientin für eine Woche Sprechverbot und die Anweisung die Situation nicht zu betrachten. Um die Neugier zu befriedigen, wurde ihr auf Wunsch ein Foto der postoperativen Situation zugesandt.

Bereits zuvor hatte sie sich mit ausreichend einfach zu konsumierenden Speisen eingedeckt. Im Therapiegebiet erfolgt eine unterstützende Sprayapplikation von 0,12-prozentigem Chlorhexidin und im Rahmen der engmaschigen Nachkontrollen eine professionelle Entfernung der frischen Plaque. 18 Tage nach der Operation wurden die Nähte entfernt. Körperliche Anstrengungen unterblieben für sechs Wochen und auf zu intensive Lippenaktivität und das Unterlassen einer ausgeprägten Mimik wurde die Patientin motiviert.

Neun Monate nach der Gingivaplastik erfolgte die erneute Festlegung der Präparationsgrenzen sowie die definitive Abformung für die endgültige Restauration. Als Zwischenschritt wurde auch hier der Ästhetik geschuldet mit einem WaxUp gearbeitet, das den Vorteil bietet, die in Wachs erarbeitete Situation 1:1 in Keramik (am endodontisch versorgtem Zahn 21 mittels e.max Press mit Zirkonkappe) zu überführen. Ein wesentlicher Behandlungsschritt ist die Kolorationsbrandanprobe um die Wünsche des Patienten mit Sicherheit zu berücksichtigen. Abschließend wurde die Versorgung definitiv adhäsiv eingegliedert. Die Kontrolle der Restauration erfolgte eine Woche nach Einkleben (linke Abbildung unten).

Auf der neuen Situation basierend erhielt die Patientin aufgrund der CMD ein funktionstherapeuthisches Gerät (Westerburger Schiene). Es ist vorgesehen, die cervikalen Zahnhartsubstanzdefekte an den Zähnen 13 und 23 mit Compositerestaurationen zu versorgen. Die Wartezeit an den Stellen mit den massivsten vestibulären Gewebedefekten sollte aufgrund der langfristigen weichgewebigen Adaptation eher länger als zu kurz sein (hier ein Jahr nach der Operation).

Conclusio

Dem überwiegenden Anteil der Betroffenen fällt erst zu spät auf, dass die entzündliche parodontale Erkrankung nicht mit einer Restitutio ad integrum einhergeht. Psychologisch wiegt besonders schwer, dass die Parodontitis im Zentrum ihres Antlitzes Spuren hinterlässt und dadurch nicht selten die persönliche Akzeptanz der Umwelt angezweifelt wird. Eine Parodontitis ist eine Erkrankung, die mit einer „stillen“ Zerstörung von Knochen und Weichgeweben einhergeht und nicht allein funktionelle Einbußen hinterlässt. Seit vielen Jahren gibt es immer weiter optimierte fortschrittliche Therapiekonzepte, die bedingt durch die lange Behandlungsdauer einen hohen Anspruch an die Adhärenz von Patienten stellen. Große therapeutische Ziele sind nur auf Basis einer strategisch klugen Planung step-by-step zu erreichen. Gerade in komplex beeinflussten Situationen und bei weit fortgeschrittenen Parodontalerkrankungen sind Erfolge nicht mit Garantie vorherzusagen. Eine zeitlich ausgedehnte Therapiephase mit zahlreichen aufeinanderfolgenden Terminen mag wenige Patienten überraschen und ungewöhnlich erscheinen. Das kombinierte Behandeln von weißen und roten Defekten mit temporären therapeutischen Restaurationen und plastisch ästhetischer Parodontalchirurgie ist seit vielen Jahren eine etablierte Methode in der täglichen Praxis. 


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