Wehrzahnmedizinische Vorausschau auf die Internationale Dental-Schau 2025

Weltleitmesse und „Think Tank“ für die dentale Zukunft der Bundeswehr

Die internationale geopolitische und militärische Weltlage fordert einen neuen Blick auf die zahnmedizinischen Implikationen für die Streitkräfte. So müssen sich Versorgungsformen und Materialien nach den speziellen Einsatzerfordernissen richten, digitale Komponenten in die militärischen IT-Sicherheitsstrukturen integrierbar sein. Lösungen für diese hohen Anforderungen bietet die Internationale Dental-Schau (IDS) vom 25. bis zum 29. März 2025 in Köln.

Abb. 1: Gefragt sind für den mobilen Einsatz leichte Behandlungsstühle und...
Abb. 1: Gefragt sind für den mobilen Einsatz leichte Behandlungsstühle und Equipment, das sich einfach von der Seite heranschieben lässt.
Quelle: Koelnmesse / IDS Cologne / Oliver Wachenfeld

Es liegt in der Natur der Sache: Die zahnmedizinische Versorgung von Soldaten unterscheidet sich von der zivilen Zahnmedizin immer dann, wenn der Einsatz spezielle Rahmenbedingungen vorgibt. 

Einsatzfähigkeit steht ganz oben

Zum Beispiel werden engmaschige Recall-Termine bei längeren Auslandseinsätzen kaum einzuhalten sein. Vordringlich ist sicherzustellen, dass die betreffenden Soldaten während dieser Zeit nicht an Zahnschmerzen leiden. Dies schafft eine wesentliche Voraussetzung für die Einsatzfähigkeit.

Abb. 2: Mit komplexen Kopfverletzungen, die dann auch mit Zahntrauma verbunden...
Abb. 2: Mit komplexen Kopfverletzungen, die dann auch mit Zahntrauma verbunden sind, muss in Kampfgebieten stets gerechnet werden.
Quelle: Koelnmesse / IDS Cologne / Thomas Klerx

Der Zahnmedizin kommt bei der Erhaltung der Einsatzfähigkeit sogar ein besonders hoher Stellenwert zu. So hat etwa eine Analyse des französischen Militärgesundheitsdienstes zur „Operation Serval“ in Mali ergeben: Zahnmedizinische Notfälle machten dort fast ein Viertel (24,2 %) aller medizinischen Evakuierungen aus [1]. Die Ausfallzeiten werden dabei weniger durch die Behandlung an sich bestimmt, sondern in größerem Maße durch die Zeiten für die Überführung des Soldaten vom Einsatzort zu einer geeigneten Behandlungsstätte, meist mit dem Auto oder dem Hubschrauber. Eine schnellere Wiederherstellung der Einsatzfähigkeit lässt sich durch mobile Praxen erreichen, im Bereich der Marine durch zahnmedizinisch ausgerüstete Hilfsschiffe. Diese können dann auch im Falle eines unerwarteten allgemeinmedizinisch schwerwiegenden Vorfalls eine wichtige Rolle spielen (z.B. Versorgung von Verletzten nach Beschuss, Ausbruch einer Infektionskrankheit).

Eine ganze Einheit zum Mitnehmen

Bei Einsätzen in der Ferne fließen in der zahnmedizinischen Versorgung von Soldaten Elemente aus dem Rettungsdienst, speziell aus der Luftrettung und aus der mobilen Behandlung zusammen. Das Herzstück jedoch bildet in jedem Falle die Dentaleinheit. Sie kann kompakt als All-in-one-System einen elektrischen Motor und einen Zahnsteinentferner, beide mit LED-Licht, einen Instrumentenschlauch für Turbine und Air-Polisher, einen Kompressor und ein Saugsystem umfassen. Die Saugleistung kann ohne weiteres 300 Liter pro Minute betragen, wie in einer stationären Praxis für eine effektive Aerosolentfernung üblich.

Abb. 3:  Schnelle und immer häufiger digitalgestützte implantologische...
Abb. 3: Schnelle und immer häufiger digitalgestützte implantologische Behandlungen erweisen sich als attraktiv für die Anwendung im militärischen Bereich.
Quelle: Koelnmesse / IDS Cologne / Harald Fleissner

Auch alle anderen Komponenten können in ihrer Leistungsfähigkeit an die stationäre Praxis heranreichen, Turbine oder Air-Polisher im Dauerbetrieb laufen. Eine solche Dentaleinheit kann 17 Kilogramm leicht sein und damit sogar, zu einem „Pilotenkoffer“ zusammengefaltet, mit der Hand getragen werden; etwas „abgespeckte“ Versionen kommen sogar auf nur 12 Kilogramm. Als komfortablere Alternative für den Transport bietet sich ein Trolley an.

Abb. 4: Alles in einem Koffer – ein Komplett-Set für die mobile Behandlung.
Abb. 4: Alles in einem Koffer – ein Komplett-Set für die mobile Behandlung.
Quelle: proDente / Dirk Kropp

Neben den kompakten Systemen stehen Dentaleinheiten, die „nur“ die Geräte und Instrumente beherbergen, und separate Kompressoren und Sauganlagen zur Verfügung. Sie lassen sich individuell für den jeweiligen Einsatzort kombinieren und in einer Tasche aus flexiblem Material tragen.

Eine dritte Möglichkeit bilden Carts. Sie lassen sich zwar nicht in der Hand tragen, dafür aber bequem an den Behandlungsstuhl heranfahren. Bestimmte Ausführungen stellen Systeme für spezielle Behandlungen bereit; ein Beispiel ist die mobile chirurgische Absaugung. Sie liefert bei implantologischen Therapien (z.B. infolge eines Traumas durch Kampfhandlungen), statt eines hohen Volumenstroms bei ausreichendem Vakuum für andere Zwecke, direkt und sofort ein starkes Vakuum.

Der Patient nimmt auf einem Behandlungsstuhl Platz, der sich so komfortabel aufstellen lässt wie eine Gartenliege und doch die hochwertige Verarbeitung und (fast) den Top-Liegekomfort einer stationären „großen“ Ausführung bietet. Eine Behandlungsleuchte und ein Tray sind von der Seite ansteckbar, oder sie können, durch je einen Dreifuß stabilisiert, dazugestellt werden. Für hygienische Zwecke sind ein mobiles Spülbecken (Basismaßnahme Händewaschen) und ein mobiles Tauchbad-Becken mit einem Lochgittereinsatz aus rostfreiem Stahl (Instrumentendesinfektion) zu empfehlen. Der Behandler bekommt einen typischen Roll-Stuhl. Dieser lässt sich aber im Nu in drei gut transportierbar Teile zerlegen: Rollteil, Vertikalstütze, Sitzteil – alles passt in eine zugehörige Tasche.

Bei clever durchdachten Gesamtsystemen erfolgt der Aufbau der gesamten mobilen Praxis bis zur Funktionsfähigkeit in wenigen Minuten. Sie kann optional in Containern oder offenen Zelten installiert werden. Im zivilen Bereich bestehen Erfahrungen damit vor allem in dünnbesiedelten Gegenden (z.B. Schleswig-Holstein, Dänemark, Schweden). Für die Bundeswehr könnten mobile Praxen ebenfalls an erster Stelle für Skandinavien an Interesse gewinnen, zum Beispiel für Einsätze in Finnland (Stichwort: NATO-Osterweiterung).

Röntgensysteme für Behandlung, Forensik und Gepäckstücke

Ein ganz eigenes Feld bilden mobile Röntgensysteme. Sie sind bevorzugt mit internen und externen Schutzschilden ausgerüstet. Damit kann der Behandler während der Aufnahme einfach neben dem Patienten stehen bleiben. 

Die Systeme sind kabellos, und einige lassen sich neuerdings auch wie ein Handy über kabellose Docking-Stationen wiederaufladen („infrared charging technology“). Spezielle Röntgengeräte schlagen eine Brücke zur militärischen Sicherheit und eignen sich auch zum „Durchleuchten“ von Gepäckstücken auf Waffen, Explosivstoffe und schmutzige Bomben.

Im Besonderen finden mobile Röntgensysteme auch im Bereich der Forensik Verwendung. Hier spielt die Zahnmedizin naturgemäß eine Hauptrolle. Denn aufgrund ihres Gebisses, über anatomische Besonderheiten und etwaige zahnmedizinische Versorgungen, lassen sich Menschen gut identifizieren (z.B. Kriegstote oder Schwerverletzte, die sich nicht äußern können). Die Anwendungsgebiete könnten sich über den militärischen Bereich hinaus auch auf zivile Felder erstrecken (z.B. Tatorte).

Wo militärische und zivile Zahnmedizin am selben Strang ziehen

Generell findet sich bei genauerer Betrachtung eine Reihe von Berührungspunkten. So wurden bestimmte Implantate, die sich nicht über ein Gewinde in den Kieferknochen hineinschrauben, sondern hineinhämmern lassen und sich dann dank eines Rillenprofils verankern, ursprünglich für Soldaten entwickelt. Diese Möglichkeit für eine unkomplizierte und schnelle Versorgung hat sich inzwischen auch in einer breiten Anwendung etabliert.

Umgekehrt erscheinen viele Entwicklungen für die zivile Implantologie auch für die militärische Anwendung interessant. Beispielsweise bieten unterschiedliche Verfahren der Sofortimplantation, gegebenenfalls in Verbindung mit prothetischer Sofortversorgung, eine Option zur schnellen Wiederherstellung der Einsatzfähigkeit des betreffenden Soldaten.

Für die rasche zahntechnische Feinbearbeitung von (implantat- oder zahngetragenen) Restaurationen eignet sich eine „Turbine für alle Werkstoffe“. Mit ihr lassen sich Zirkonoxid und andere Keramiken sowie Kobalt-Chrom und Titan (z.B. auch Abutments) bearbeiten. Selbst wenn kein (Praxis-)Labor im Einsatzgebiet vorhanden ist: Einfachere Verfahren zur Herstellung von prothetischen Restaurationen dürften die Herstellung vor Ort zukünftig erleichtern. Nicht zuletzt betrifft dies das große Feld des 3-D-Drucks. Er wird dank einer sich stetig erweiternden Werkstoffpalette für immer neue Anwendungsgebiete bzw. Indikationen zu einer attraktiven Option.

Das wehrzahnmedizinische Personal kann sich aus der Fülle bewährter und innovativer Produkte das heraussuchen, was für die militärische Anwendung am besten geeignet erscheint. Diese Aufgabe erstreckt sich selbstverständlich über die hier im Vordergrund stehende mobile Praxis im Auslandseinsatz hinaus auch auf die stationären Praxen (z.B. Bundeswehrkrankenhaus in Koblenz). 

Stets ist dabei darauf zu achten, dass die interessierenden Produkte die für die militärisch relevanten regulatorischen Vorgaben erfüllen, so etwa die ISO 60601-1, die ISO 13485:2003 und die Vorgaben der zuständigen Gesundheitsbehörden. Darüber hinaus muss auch die IT-Sicherheit gemäß den speziellen Anforderungen der Bundeswehr beachtet werden. Eine praktische Cloud-Lösung zur Datenkommunikation zwischen Praxis und Labor mag im zivilen Bereich komfortabel funktionieren; dennoch kann es sein (ein realer Fall!), dass sie nicht zur Sicherheitsarchitektur der Streitkräfte passt.

Nirgendwo anders lässt sich der Vergleich unterschiedlicher zahnmedizinscher Verfahren und Produkte auf einer so umfassenden Basis vornehmen wie auf der 41. Internationalen Dental-Schau, vom 25. bis zum 29. März 2025 in Köln.


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