Komplexe Augmentation – Rekonstruktion des Kieferkamms mit einem customized Titan-Mesh
Ein Fallbericht
S. Grammig
Die implantologische Restauration von Frontzahndefekten im Oberkiefer unterliegt aufgrund des hohen Anspruches an die Rot-Weiß-Ästhetik einem besonderen Schwierigkeitsgrad. Das funktionelle Langzeitergebnis von Implantaten korreliert mit der periimplantären Knochenquantität und -qualität.

Eine möglichst anatomisch exakte knöcherne Rekonstruktion des Alveolarkammes kann mit Einsatz von patientenspezifischen CAD/CAM-3D-Titangittern erreicht werden, welche zur Stabilisierung und als Resorptionsschutz über die eingebrachten Augmentationsmaterialien dienen. Die geführte Implantation auf Basis eines prothetischen backward-plannings stellt die korrekte Implantatpositionierung für ein optimales funktionelles und ästhetisches Ergebnis sicher. Mehrere klinische Studien konnten bereits die Wirksamkeit dieser Methoden nachweisen [1 - 7].
Vorbehandlung und Ausgangsbefund:
Ende 2016 stellte sich ein 32-jähriger männlicher Patient mit profunder Periimplantitis an den Zahnimplantaten 011 und 012 in der Abt. XXIII – Zahnmedizin vor. Die Implantate wurden bereits 2007 alio loco mit simultaner lokaler Knochenspreizung (Bonesplit) inseriert. Klinisch zeigten sich zwei Tissue-Level Implantate (Straumann® Standard Plus) mit deutlichen lokalen Infektzeichen und ausgeprägtem Verlust des periimplantären Alveolarknochens bei Sondierungstiefen von 8 mm (Abb. 1). Die Prognose der Implantate war infaust, weshalb die Indikation zur Explantation gestellt wurde.
Die chirurgische Entfernung erfolgte im Februar 2017. Anschließend wurde ein mehrzeitiges Vorgehen zur erneuten implantologischen Versorgung mit einer Knochenheilungsphase von drei Monaten geplant. Aus dienstlichen Gründen konnte die chirurgische Weiterbehandlung schließlich erst 13 Monate später erfolgen. Zwischenzeitlich war der Patient zunächst mit einem Schienenprovisorium und danach mit einer Klammerprothese als Interimszahnersatz versorgt worden (Abb. 2).
Im August 2017 erfolgte die Fortsetzung der Behandlung. Klinisch und radiologisch stellte sich ein umfangreicher transversaler und vertikaler knöcherner Defekt des Alveolarkammes regio 011/012 dar. Die Nachbarzähne 13 und 21 zeigten keine Hinweise auf Gingivarezessionen und waren klinisch und radiologisch unauffällig. In Absprache mit dem Patienten und nach entsprechender Risikoaufklärung fiel die Entscheidung zugunsten der mehrzeitigen augmentativen Rekonstruktion des Alveolarkammes mit autologem Knochen und anschließender festsitzender implantatprothetischer Versorgung. Die alternative Blockaugmentation mit retromolarem Knochen kam aufgrund des Augmentationsvolumens als Alternative nicht in Betracht. Eine konventionelle Brückenversorgung lehnte der Patient ab.
Knöcherne Rekonstruktion unter Anwendung eines virtuell geplanten patientenspezifischen Titanimesh

Augmentation mit Titanmesh unter Einbringen von Beckenspongiosa

Bei der Augmentation wurde sichergestellt, dass das Titanmesh vertikal die Höhe des ortsständigen Knochens der Nachbarzähne nicht überragt. Das Mesh wurde mit autologer Beckenkammspongiosa befüllt und ließ sich intraoperativ in eindeutiger Lage problemlos exakt positionieren. Die lagestabile Fixierung erfolgte mit zwei Osteosyntheseschrauben. Auf die Abdeckung des Gitters mit einer Kollagenmembran wurde verzichtet, da diese eine zusätzliche Diffusionsbarriere darstellt, welche die Revaskularisierung verzögern kann. Die Schnittführung erfolgte weit im Vestibulum, das Gitter konnte so mit einem stabilen Volllappen abgedeckt und das Risiko einer Nahtdehiszenz geringgehalten werden. Der Patient verblieb insgesamt für vier Tage stationär und wurde in den ersten drei Tagen postoperativ mit nasogastraler Sonde ernährt. Die Antibiotikaprophylaxe erfolgte als intraoperative Singleshot-Gabe von Ampicillin/Sulbactam. Am 14. postoperativen Tag konnten die Nähte entfernt werden, Wundheilungsstörungen oder
Dehiszenzen traten im weiteren Verlauf nicht auf.
Implantatversorgung

Implantatfreilegung, Vestibulumplastik und prothetische Versorgung

Nach Ausformung des Emergenzprofils durch mehrfache Anpassung der Form der provisorischen Composite-Kronen im Zeitraum von weiteren sechs Monaten (April bis September 2019) erfolgte final die definitive prothetische Versorgung. Es wurden zwei vestibulär verblendete Zirkonkronen auf Straumann® Variobase Klebebasen okklusal verschraubt eingebracht (Abb. 6).
Zusammenfassung
Der Fall zeigt eindrücklich die Möglichkeiten der computergeplanten 3D-Rekonstruktion des Alveolarkammes mittels patientenspezifisch gedrucktem 3D-Titanmesh in Kombination mit Beckenspongiosa vor funktioneller und ästhetischer implantatprothetischer Rehabilitation bei Implantatverlust durch Periimplantitis. Es handelt sich hier um die erstmalige Durchführung dieser Technik innerhalb der Bundeswehr nach Markteinführung im Jahre 2016. Der Zeitraum der Therapie erstreckte sich insgesamt über drei Jahre.
Anschrift für die Verfasser:
Oberfeldarzt d. R. Simon Grammig
Praxis Dr. Julia Heck-Wolf & Kollegen
Kaiser-Ruprecht-Str. 11, 63755 Alzenau
Literatur bei den Verfassern
Quellenangaben: alle Fotos Grammig/Springer
Datum: 20.08.2020
Wehrmedizin und Wehrpharmazie 2/2020