Erfolgreiche Implantatversorgung trotz ungünstiger Umstände

L. Greber, K-H. Söldner, D.Niemann, J. Pfund , C. Hemme

Gelöste Implantatkrone samt Prothetikschraube (abgebrochene Implantat-Abutment-Verbindung,
konisch) (li) und Röntgenbild bei Erstvorstellung, Fragmentgegenstück im Implantat, lingual Frakturlinie
erkennbar (re)

Der vorliegende Artikel nimmt Bezug auf eine Fallbeschreibung über einen nicht ganz alltäglichen (Implantat-)Fall eines Reservisten, die 2020 in Wehrmedizin und Wehrpharmazie erschien (vergleiche Schiller/Neblung, Ein Reservist mit einem nicht ganz alltäglichen Problem, Wehrmedizin und Wehrpharmazie 44 [2020], Nr. 4, S. 33). Auch bei der vorliegenden Arbeit handelt es sich um einen Implantatfall eines Reservisten mit einer Verkettung ungünstiger Umstände, die glücklicherweise zum Wohle des Patienten und Erhalt des Implantates gelöst werden konnten.

Angeschliffenes Löseinstrument (li) und geborgene...
Angeschliffenes Löseinstrument (li) und geborgene Implantat-Abutment-Verbindung mit „Rescue-
Instrument“ (re)
Quelle: alle Abb.: Lukas Greber

Kasuistik

Der Patient (Reservist, 62 Jahre) stellte sich Ende 2022 in der Zahnarztgruppe Altenstadt mit einer herausgefallenen Implantatkrone 37 samt Prothetikschraube vor. Die Versorgung sei dem Patienten ca. drei Wochen vorher beim Essen herausgefallen, nachdem sie bereits seit längerer Zeit locker gewesen wäre. Der Patient habe die Lockerung nicht als Grund gesehen, sich bei einem Zahnarzt (zivil oder militärisch) vorzustellen (Umstand 1). Die Implantate 36 und 37 wurden in der Bundeswehr gesetzt. Der Patient leistete zum Zeitpunkt der Vorstellung eine zehnmonatige Wehrübung ab. Eine erneute Wehrübung sei auch schon in Planung.

In der intraoralen Inspektion zeigte sich, dass die Gingiva das Implantat bereits überwuchert hatte. In der Gesamtschau der Befunde der Implantatkrone 37 und der Prothetikschraube sowie dem angefertigten Röntgenbild wurde zunächst vermutet, dass sich die Prothetikschraube gelockert und dann komplett aus dem Implantat gelöst hat.

Der nächste Behandlungsschritt mit dem Ziel einer Neuversorgung des Implantates würde das Einbringen eines Gingivaformers vorsehen, bevor dann in einem späteren Schritt die Implantatabformung erfolgen kann. Aus diesem Grund erfolgte unter entsprechenden blutstillenden Maßnahmen die Freilegung des Implantates, da dieses wie oben beschrieben bereits von Gingiva überdeckt war (Umstand 2). Das Implantat selbst war stabil und zeigte keinerlei Lockerungssymptome. Allerdings konnte bei genauer Betrachtung des Implantates auf Höhe der Implantatschulter ein „Innenstück“ mit Frakturzeichen entdeckt werden, was sich nun in der Gesamtschau des Röntgenbildes, der Implantatkrone, der Prothetikschraube und des klinischen Befundes als Fragment des konischen Innenverbinders zwischen Implantat und Abutment herausstellte. Demnach musste die konische Implantat-Abutment-Verbindungen auf Höhe der Implantatschulter gebrochen sein, vermutlich weil die Lockerung schon eine Zeit lang bestand und sich die Implantat-Abutment-Verbindungen so mit der Zeit abscherte. Zu diesem Zeitpunkt wurde der Patient bereits über die Möglichkeit einer Entfernung des Implantates (mit konsekutive großem Knochenverlust bei gut osseointegriertem Implantat) oder Belassen des Implantates als „Sleeping Implant“ bei Nichtversorgbarkeit, wohlgemerkt trotz optimaler Osseointegration, aufgeklärt.

Nun musste vor Einbringung des Gingivaformers mit dem Ziel einer Neuversorgung des Implantates die konische Verbindung entfernt und der Schraubenkanal auf Unversehrtheit überprüft werden. Ein Versuch, das Fragment mit Ultraschall und Kältebehandlung durch Eisspray zu entfernen, blieb erfolglos. Um die weiteren Behandlungsschritte planen zu können und Empfehlungen des Herstellers einzuholen, erfolgte ein speicheldichter Wundverschluss.

Für einen derartige Fall empfahl der Hersteller die Anwendung eines Löseinstrumentes, welches normalerweise für die Entfernung festsitzender intakter Implantat-Abutment-Verbindungen vorgesehen ist. Da die Implantat-Abutment-Verbindungen auf Höhe der Implantatschulter und damit sehr tief gebrochen war (die Implantat-Abutment-Verbindung hat oberhalb der Implantatschulter ein Gewinde, das Löseinstrument ein entsprechendes Gegengewinde), sollte das Löseinstrument um 2–3 mm gekürzt werden, sodass das Löseinstrument in das Gewinde der Implantat-Abutment-Verbindungen greifen kann. Um den benötigten Impuls (zur Trennung der konischen Implantat-Abutment-Verbindungen vom Implantat) auf die Implantat-Abutment-Verbindungen zu geben, wurde entsprechend Kraft auf das Löseinstrument gegeben. Dies in Addition mit einer möglichen Verkeilung und vorherigem Beschleifen des Löseinstrumentes mit konsekutiver (Über-)Belastung des Materials führte offenkundig zu einem Bruch des Löseinstrumentes auf Gingivahöhe (Umstand 3).

Nun musste vor Einbringung des Gingivaformers mit dem Ziel einer Neuversorgung des Implantates die konische Implantat-Abutment-Verbindungen und zusätzlich noch das gebrochene Löseinstrument aus dem Implantat entfernt werden. Hierzu wurde das im Querschnitt runde Löseinstrument mesial und distal (sodass es mit einer Flachspitzzange greifbar war) mittels eines Diamanten beschliffen.

So konnte das Löseinstrument aus der Innenverbindung herausgedreht werden, welche nach wie vor im Implantat feststeckte. Ein Versuch, sowohl das gebrochen Löseinstrument als auch die Innenverbindung mit einem Impuls (Hirtenstab, Zange) zusammen zu entfernen, blieb erfolglos. Ein zwischenzeitlich geliefertes speziell angefertigtes „Rescue-Instrument“, das nicht auf dem Markt verfügbar ist, brachte dann den erhofften Erfolg und die Implantat-Abutment-Verbindungen konnten geborgen werden. Das Innengwinde des Implantates schien unbeschädigt. Nun erfolgte die Einbringung eines Gingivaformers und spätere Versorgung mit einer neuen Implantatkrone, Kontrolle der Passung, Einweisung in Hygiene und Reinigung und vor allem der eindringliche Hinweis bei Lockerung sofort vorstellig zu werden.

Zusammenfassende Analyse der ungünstigen Umstände

-  Ursache 1: Belassen einer gelockerten Implantatkrone führte zum Bruch der Implantat-Abutment-Verbindung

-  Ursache 2: verspätete Vorstellung bei einem Zahnarzt nach Implantatkronenverlust führte konsekutiv zum Gingivaverschluss

-  Ursache 3: Bruch des Löseinstrumentes durch Verkeilung und Bearbeitung

Erfolgreiche Implantatversorgung trotz ungünstiger Umstände
Quelle: AdobeStock_723319412

Fazit

Während im Beitrag von M. Schiller und U. Neblung Umstände aufgeführt werden, die zu einer Implantatkronenlockerung, der Fraktur der Implantatschulter sowie der Fraktur oder Lockerung der Prothetikschraube führen können, zeigt der hier vorgestellte Fall die Folgen einer fehlenden Therapie eines lockeren Implantates auf.

Aus der Anamnese des Patienten („Implantatkrone war bereits eine Zeit lang locker“) lässt sich schließen, dass hier initial eine Lockerung der Prothetikschraube vorlag, die dann dazu führte, dass sich die Innenverbindung abscherte und es so zu einem kompletten Implantatkronenverlust kam.

Aus diesem Grund sollte bei Eingliederung einer Suprakonstruktion zwingend eine Aufklärung zur sofortigen Vorstellung bei Lockerung eben dieser oder des Implantates erfolgen. Dies könnte zusätzlich bei Implantatanträgen (Planungsantrag und Stellungnahme für Implantation, Formblatt BW 5549/03.24) aufgeführt werden. Zudem ist vor Behandlungsbeginn bei Implantatkronenlockerung respektive -verlust zwingen zu klären, wer die Kosten für lediglich eine neue Prothetikschraube, eine komplett neue Suprakonstruktion oder die Entfernung des Implantates (z. B. bei Schulterfraktur) und Insertion eines neuen Implantates trägt. Im aufgeführten Fall erfolgte eine enge Absprache mit dem regionalem Begutachtenden Zahnarzt und die Kosten für eine neue Implantatkrone wurden genehmigt, da der Patient regelmäßig zehnmonatige Wehrübungen ableistet. An dieser Stelle soll noch erwähnt sein, dass bei erfolgloser Entfernung der Implantat-Abutment-Verbindung, nur noch die Möglichkeit bestünde die Implantat-Abutment-Verbindung zu Schlitzen und so die Spannung aus dem Fragment zu nehmen. Dabei ist die Gefahr der Beschädigung des Implantates allerdings sehr hoch. 



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