Die Doppelkronenprothese

Eine robuste Versorgung des Lückengebisses

Aus der Klinik für Zahnärztliche Prothetik, Alterszahnmedizin und Funktionslehre an der Charité ­Universitätsmedizin Berlin

Die Versorgung mit rein zahngetragenem, konventionellem herausnehmbarem Zahnersatz scheint bei der reinen Sichtung der aktuellen wissenschaftlichen Literatur zu dieser Thematik „außer Mode“ gekommen zu sein. Auch bei stark reduzierten Lückengebisssituationen beherrscht die Implantatprothetik sozusagen die „Schlagzeilen“. Ohne Frage hat die Implantologie die Therapieoptionen erheblich erweitert und so werden heute in Beratungsgesprächen immer auch implantatgetragene Therapieoptionen mit dem Patienten diskutiert.

Dennoch ist die klassische Therapie heute noch Versorgungsrealität, weil die Insertion von Implantaten nicht immer möglich oder nicht sinnvoll ist bzw. auch bei einer Implantatsetzung mit kombiniert-festsitzendem Zahnersatz gearbeitet werden muss.

Das Ziel dieses Beitrages ist es, die wesentlichen Aspekte für eine erfolgreiche Versorgung mit klassischer, rein zahngetragener Prothetik zu fokussieren und neuere Entwicklungen zu skizzieren.
 

Therapieoptionen im Lückengebiss

Die Versorgung des Lückengebisses ist komplex und allein aus rein topografischer Sicht bestehen 228 mögliche Kombinationen natürlicher Zähne.

Hinzu kommen endodontische, parodontale und orthopädische Fakten sowie die anatomische Komplexität des zahnlosen Alveolarfortsatzes, die bei der Planung und Prognose des Zahnersatzes berücksichtigt werden müssen.

Neben den rein anatomisch-physiologischen und funktionellen Aspekten spielt natürlich auch die Persönlichkeit des Patienten in Bezug auf dessen Vorstellungen und Compliance eine wesentliche Rolle.

Häufige Dienstpostenwechsel bzw. Auslandsaufenthalte erfordern eine robuste Versorgung, da die regelmäßige Betreuung durch dasselbe zahnmedizinische Behandlungsteam nicht immer sichergestellt werden kann.

Unter diesen Blickwinkeln betrachtet bietet sich auch heute noch die Doppelkronenprothese als solide Lösung eines zwar herausnehmbaren, aber durchaus fest sitzenden Zahnersatzes an.

Die Zähne werden in funktioneller Weise axial und somit bestmöglich belastet und der zahnlose Alveolarfortsatz soweit wie möglich entlastet [1].

Durch die Herausnehmbarkeit ist auch unter schwierigen Verhältnissen eine effektive Mund­hygiene leichter, da eine extraorale Reinigung der Prothese selbst unter Einsatzbedingungen besser durchzuführen ist als beispielsweise bei einem komplexen festsitzenden Zahnersatz, der nur mit zusätzlichen Hilfsmitteln wie Interdentalbürstchen und Zahnseide gereinigt werden kann.

Prothetische Wertigkeit der Einzelzähne [2]

Die Planungsüberlegungen zur Teilprothese umfassen immer die Betrachtung des Gesamtsystems mit beiden Kiefern und den einzelnen noch 

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verbliebenen Zähnen.

Das Ziel für eine dauerhafte Gesamtrehabilitation bei schon in ihrer Einzelwertigkeit stark eingeschränkten Restzähnen ist die totale Pfeilerintegration, also die Einbeziehung aller verbliebenen Zähne eines Kiefers in die Doppelkronenkonstruktion.

Aus Kostengründen ist zudem eine eher kompromisslose Betrachtungsweise zur Prognose einzelner Zähne sinnvoll, wenn sie als Prothesenpfeiler herangezogen werden sollen. Gleichwohl können durchaus auch stärker kompromittierte Zähne mit einbezogen werden. Dies bedarf lediglich bei der Vorgehensweise einer besonderen Beachtung in der praktischen Umsetzung.

So hat sich eine Gesamtschau und Zusammenführung der Befunde der Einzelpfeiler in einem checklistenartigen Befundschema bewährt, aus dem man dann zusammen mit dem Röntgenbefund die unter dem Begriff der „prothetischen Wertigkeit“ bezeichneten Einzelprognosen der Zähne besser abschätzen kann, da kein Aspekt vergessen wird und auch aus forensischer Sicht eine knappe, aber vollständige Dokumentation erfolgt. [Wehrmed Monatsschrift 2013;57 (2): 63 – 66 ].

Der biomechanischen Schwäche des kompromittierten Zahnes steht in der Abwägung einer möglichen zusätzlichen Implantatsetzung bzw. einer rein implantatgetragenen Lösung der Vorteil des parodontalen Halteapparates mit dessen natürlicher Resilienz und Propriozeption und der damit verbundenen Kontrolle der Krafteinleitung entgegen. Es ist bekannt, dass mit dem Verlust des Sharpeyschen Faserapparates auch der Verlust der Beißkraftkontrolle einhergeht, was wiederum auch zu einer höheren Belastung der prothetischen Restaurationen führen kann [3, 4]. Selbst der pulpatote und wurzelkanalbehandelte Zahn weist immer noch eine ähnliche taktile Sensitivität wie der vitale Zahn auf [5, 6]. So sollte das Bemühen darin liegen, die eigenen Zähne so lang wie möglich zu erhalten.

Letztendlich ist die Planung für die Versorgung des Lückengebisses eine Art Indizienprozess mit der Zusammenführung einer Vielzahl von Einzelbefunden, die in einen komplexen Algorithmus mit einigen Unbekannten mündet: So spielt natürlich auch der oft schwankende Gesamtgesundheitszustand des Patienten und seine Compliance mit den Auswirkungen auf das Biotop Mundhöhle eine nicht unerhebliche Rolle. Dazu kommt, dass auch die Erfahrung des Behandlers und das Praxiskonzept wesentlich zur Prognostik beitragen. Angesichts dieser Gesamtlage hat deshalb gerade die herausnehmbare Teilprothese mit ihrer Erweiterungsoption einen berechtigten Platz im modernen prothetischen Portfolio.

Unter dem Aspekt Robustheit und Stabilität hat sich die Doppelkronenprothese in all ihren Ausprägungen über Jahrzehnte bewährt [7, 8]. Es liegt eine 

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Vielzahl von Ergebnissen hochwertiger Studien vor, die die Zuverlässigkeit im klinischen Alltag bestätigen [9-12] (Abb. 1a, b und 2 a-c).

Sie ist in ihren vielfältigen Ausführungsvarianten die variabelste Versorgungsmöglichkeit mit herausnehmbarem Zahnersatz, der zudem fest sitzt. Sie ist flexibel einsetzbar und reicht von Monolegierungskonstruktionen aus EMF-Legierungen bis hin zur hochgoldhaltigen klassischen Teleskopversorgung bzw. Galvano-/Zirkonkombination.

Teleskopprothesen sind gut erweiterbar, für den Patienten übersichtlich, da einfach konstruiert und prinzipiell für jede Gebisssituation anwendbar. In den Fällen der totalen Pfeilerintegration ist sogar eine substanzschonendere Präparation der Zähne mit einer daraus resultierenden geringen Überkonturierung am Pfeilerzahn möglich, weil dies durch die Stellung der Ersatzzähne in der Gesamtkonstruktion aus ästhetischer Sicht kaschiert werden kann.

Praktische Überlegungen

Präparation

Dennoch stellt die Präparation an den Behandler höhere Anforderungen, da eine Parallelisierung aller Pfeiler eines Kiefers angestrebt werden sollte, um konstruktionstechnisch die besten Ergebnisse zu erreichen, nämlich möglichst geringe Wandstärken der Kronen zu erzielen. Jede notwendig gewordene Kompensation der Einschubrichtung über die entsprechende Modellation der Primärkronen führt zu einem Kompromiss, da es unwillkürlich zu Negativwinkeln und damit verbundenen Schmutznischenbildungen kommt.

Abbildung 3 a zeigt beispielhaft die Präparation für eine Teleskopprothese, wobei das anteriore Restgebiss unpräpariert bleibt. Um hier einen ästhetisch akzeptablen Eindruck zu bekommen, müssen die Pfeilerzähne vestibulär mit einer ausgeprägten Hohlkehle präpariert werden.

In Abb. 3 b ist beispielhaft die Präparation bei totaler Pfeilerintegration gezeigt. Hier erscheint diese fast zu seicht. Ästhetische Probleme lassen sich aber ausgleichen, da durch die Außenkonstruktion eine leichte Überkonturierung nicht auffallen wird. Auch funktionell und aus parodontalhygienischer Sicht spielt die Konturveränderung keine Rolle, da die Präparation nicht subgingival verläuft bzw. die Außenkronen immer supragingival enden (Abb. 3 a, b).

Abformung

Egal, ob es sich um eine digitale oder eine konventionelle Abformung handelt: Die aktuelle Resilienz der präparierten Zähne muss beachtet werden. Durch den Präparationsvorgang und die entsprechende Abformungsvorbereitung mit dem Legen der Fäden kann es zu einer Auslenkung der Zähne aus der Ruhelage kommen.

Zwischen der letzten Manipulation der Zähne und der Abformung sollte man also den Geweben Rückstellzeit geben. Klinisch haben sich ca. zehn Minuten bewährt (Abb. 4 a, b).

Neben der anspruchsvolleren Präparation bildet die Einstellung einer reproduzierbaren Haftkraft ebenfalls eine Herausforderung für den Zahntechniker und den Zahnarzt [13-15]. Dabei hat sich unter Beachtung aller Kriterien die Konuskrone als robust und dauerhaft erwiesen, da auf Grund des Prinzips der Verkeilung kein Haftkraftverlust stattfinden kann. Die mathematisch definierte Haftkraft der klassischen Konuskrone lässt sich gut über einen 6° Konuswinkel mit hochgoldhaltigen Legierungen und eine klassische Herstellungsweise mit Goldrand, der die Verblendung uhrglasförmig einfasst, erreichen. Diese Fassung ist für das Verankerungsprinzip notwendig, da sich der Außenkonus durch die keilartige Verbindung am Kronenrand ganz leicht aufdehnt. Daraus resultierende Zugspannungen können zu Verbundproblemen führen, wenn der Außenkonus zu dünn, keine Uhrglasfassung vorhanden ist und spröde Verblendmaterialien verwendet werden. Die in einer klinischen Studie dargestellten Ergebnisse zeigen ein deutlich schlechteres Abschneiden der Kronen im Verblendbereich von Konuskronen als beim klassischen Zylinderteleskop [16], wenn diese Richtlinien nicht eingehalten werden. Leider ist die Konstruktion eines sichtbaren Gold­randes heute dem Patienten aus ästhetischen Gründen in den seltensten Fällen vermittelbar. Zudem sind die Materialkosten durch die Goldpreise sehr hoch und so weicht man auf Alternativen aus. Federnde Elemente zur Retentionshilfe senken aber die Robustheit des Systems, da diese häufig nachjustiert werden müssen.

Die Friktionseinstellung des Zylinderteleskopes ist hingegen sehr mühselig und gusstechnisch schwer reproduzierbar einzustellen. Das Geheimnis liegt in der Beachtung aller Faktoren der Abb. 5, denn technologisch ist ein Friktionsverlust fast unmöglich, wenn man die Einspielphase gut hinter sich gebracht hat (Abb. 5).

Es muss aber doch ein höherer Aufwand bezüglich der Abstimmung der labortechnischen Arbeitsschritte erfolgen. Der Patient bzw. Kostenträger spart zwar am Preis der Legierung, der Aufwand für die Verarbeitung der edelmetallfreien Legierungen auf CoCr-Basis ist aber deutlich höher (Abb. 6 a-d).

Unabhängig von alternativen und teureren Konzepten wie das zusätzliche Einbringen von Retentionselementen wie Kugeln oder Friktionsstiften oder gar die Verwendung von alternativen, aber teuren Werkstoffen wie die Galvano-/Zirkon-Kombination lässt sich mit einer präzisen gusstechnischen Verarbeitung eine robuste Monolegierungslösung einfachster Bauart realisieren. Dazu gehört eine gute Abstimmung der Einbettmassen, regelmäßige Überprüfung der Chargen und ein sorgfältig durchgeführter Gussvorgang (Abb. 7 + 8).

Ausblick: Neue Wege in der Doppelkronen­technik

CAD/CAM- Doppelkronen 

Hierbei handelt es sich um eine „Ein-Werkstoff-Lösung“, die voll computergestützt von der Modellation der Innenkronen bis zur Konstruktion der Außenkronen und der Prothesengerüste gefertigt wird [18].

Dabei können entweder das Selektive Laser-­Schmelzverfahren (SLM) oder auch das Hochgeschwindigkeitsfräsen (HSC) als Herstellungsverfahren gewählt werden.

Die Vorteile sind uneingeschränkt in der kontrollierten und überwachten Materialverarbeitung zu sehen; gusstechnische Probleme sind somit außen vor. Der individuelle Zahntechniker ist nicht mehr für die Qualität der Gefüge verantwortlich, was ihn auch bei etwaigen Regressen wirtschaftlich entlastet.

Ein weiterer Vorteil liegt in der sehr zeiteffizienten und preiswerten Herstellung, so dass eine solche EMF-Lösung zur soliden Basisversorgung der Doppelkronentechnik werden könnte, die auch bei geringem Budget hochwertigen Zahn­ersatz möglich macht.

Ein weiterer Vorteil, der allerdings für alle CAD/CAM-Lösungen gilt: Die Konstruktionen sind digital gespeichert und auf Abruf verfügbar.

Sollte der Zahnersatz auch heimatfern verlorengehen, so wäre gewissermaßen auf Knopfdruck eine schnelle Abhilfe möglich, insbesondere wenn auch die Außenkonstruktion digital hergestellt worden ist (Abb. 9).

Zusammenfassung

Die Doppelkrone hat sich seit über einhundert Jahren als sogenannte „German crown“ bewährt und sich international einen guten Ruf erworben. Mit der Anwendung von EMF-Legierungen kann man graziler arbeiten, da das E-Modul mit 200 GPa gegenüber den Au-Pt-Legierungen doppelt so hoch ist.

Das Konzept ist robust, weil keine filigranen Federelemente verwendet werden müssen, die frakturanfällig sind. Das Chassis der Sekundärkonstruktion ist verwindungsfrei und steif.

Durch die Herstellung mittels Rapid-Proto­type-Verfahren entfällt die Gussproblematik.

Ein-Legierungslösungen verhindern in der Regel auch die Bildung eines galvanischen Elementes.

Durch die CAD/CAM-Verarbeitbarkeit ist eine Ersatzbeschaffbarkeit gut realisierbar.

Die Taktilität des Restgebisses bleibt erhalten.

Damit ist die Teleskopprothese auch in ihrer Weiterentwicklung eine sehr gute Option, fest sitzenden, aber herausnehmbaren Zahnersatz mit optimaler Kosten-Nutzen-Relation herzustellen. z

Anschrift des Verfassers:
Flottillenarzt d. R. Prof. Dr. Peter Pospiech
Charité Universitätsmedizin Berlin
Klinik für Zahnärztliche Prothetik,
Alterszahnmedizin und Funktionslehre
Aßmannshauser Straße 4 - 6
14197 Berlin

E-Mail: peter.pospiech@charite.de

Flottillenarzt d. R. Prof. Dr. ­MED. DENT. Peter Pospiech

Dienstlicher Werdegang...

  • 1981:Abitur
  • 1981 - 1982:Grundwehrdienst
  • 1982 - 1987:Studium der Zahnheilkunde an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf
  • 1988:Promotion in Düsseldorf zum Thema „Vollkeramik-Kronen aus Dicor-Glaskeramik“
  • 1987-1990:Assistent an der Poliklinik für Zahnärztliche Prothetik der Universität ­Regensburg
  • 1989:Studienaufenthalt an der University of Adelaide (Australien)
  • 1991 - 2002: Assistent und Oberarzt an der Poliklinik für Zahnärztliche Prothetik der LMU München
  • 1997: Habilitation: „Klinische und werkstoffliche Untersuchungen zur voll­keramischen Klebebrücke“
  • 1997: Anerkennung als „Qualifiziert fortgebildeter Spezialist für Prothetik“ der DGZPW in der DGZMK
  • 1999:Gründungsmitglied und wissenschaftlicher Beirat der Arbeitsgemeinschaft für Keramik in der Zahnheilkunde
  • 08.1999 - 04.2000: Forschungsaufenthalt an der University of Washington in Seattle (USA)
  • 2000: Jahresbestpreis der DGZMK
  • 03.2001:Ernennung zum C 3-Professor für Zahnärztliche Prothetik und Werkstoffkunde an der LMU München
  • Juni 2002:Direktor der Klinik für Zahnärztliche Prothetik und Werkstoffkunde und Vorklinische Zahnmedizin der Universität des Saarlandes
  • 2009:Ruf an die Charitè: 2011 abgelehnt
  • 2011:Ruf an die Danube Private University/Krems, Österreich angenommen
  • 2011:Bordeinsatz auf Fregatte Köln bei ATALANTA
  • 2012:Ernennung zum Mitglied des Wehrmedizinischen Beirates des BMVg
  • 2012:Kündigung an der DPU
  • 2012 - 2013:         
  • Ltd. Oberarzt an der Poliklinik für Prothetik des Universitätsklinikums Carl Gustav Carus der TU Dresden
  • 2013 - 2015:Stellvertreter des Direktors der Klinik für Zahnärztliche Prothetik der ­Universität Würzburg

Derzeitige Position...

  • seit 01.09.2015:Stellvertreter des Direktors der Klinik für Zahnärztliche Prothetik, Alterszahnmedizin und Funktionslehre an der Charité, Berlin

Datum: 22.08.2016

Quelle: Wehrmedizin und Wehrpharmazie 2016/2

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