Dentale Implantate im Oberkieferseitenzahnbereich: Komplikationsmanagement bei der Sinusbodenelevation

Eine Therapieoption anhand einer Falldarstellung mit Recall über 12 Jahre

M. C. Eliades

Ausgangssituation 2010 unmittelbar nach Aufbau mit Titanpins (li) und inseriertes Implantat mit verdichtetem Knochenaufbau (re)
Marc C. Eliades

Ein Ersatz verloren gegangener Zähne durch dentale Implantate ist im Oberkiefer mit höheren Misserfolgsraten als im Unterkiefer behaftet. Durch die Ausdehnung der Kieferhöhle im Oberkieferseitenzahnbereich ist eine Implantatinsertion oft nur mit Knochenaufbaumaßnahmen in Richtung des Sinus Maxillaris möglich und somit erschwert. 

Für reduzierte Knochenhöhen unter 4 mm bis zum Kieferhöhlenboden sind Verfahren über eine laterale Fensterung der Kieferhöhlenwand seit Mitte der 1980er Jahre beschrieben.

Komplikationsrisiken entstehen dabei u. a. durch die anatomischen Verhältnisse (Kieferhöhlensepten, Beschaffenheit der Kieferhöhlenschleimhaut) und durch Voreingriffe (z. B. plastische Deckung Mund-Antrum-Verbindung). Eine wesentliche intraoperative Komplikation ist die Ruptur der Kieferhöhlenschleimhaut bei deren iatrogener Verschiebung zum Knochenaufbau. Die folgende Kasuistik soll eine mögliche Vorgehensweise in einem solchen Fall schildern.

Radiologische Situation 2022 (li) und klinische Situation 2023 (re)
Radiologische Situation 2022 (li) und klinische Situation 2023 (re)
Quelle: Marc C. Eliades

Kasuistik

Ein damals 29-jähriger gesunder Patient (Nichtraucher, allerdings Bruxismus) stellte sich im Mai 2009 über seinen Truppenzahnarzt mit dem Wunsch nach Weiterbehandlung in unserer Implantatsprechstunde vor, da er sich nach Extraktion des Zahnes 15 beim Kauen eingeschränkt fühlte und ihn weiterhin die sichtbare Lücke störte. Aufgrund der deutlich verringerten Restknochenhöhe wurde ein Anheben des Kieferhöhlenbodens über ein laterales Fenster im Sinne eines externen Sinusliftes in Aussicht gestellt. Im weiteren Verlauf erfolgte zunächst eine ­Parodontitistherapie bei Parodontalem Screening-Index 3 im Seitenzahnbereich mit professioneller Zahnreinigung und Mundhygieneremotivation.

Aufgrund einsatzbedingter Abwesenheit des Patienten konnte erst im Februar 2010 die Sinusbodenelevation Regio 15 geplant werden. Nach präoperativer Diagnostik mit Panoramaschichtaufnahme war bei einer Restknochenhöhe über der Kieferhöhle von 2–3 mm eine Augmentation im Sinne eines externen Sinusliftes zu erwarten. Nach Eröffnung des Situs über einen Zahnfleischrandschnitt vom Zahn 13 bis Zahn 18 ohne vertikale Entlastungen und Ausdünnen der lateralen Kieferhöhlenwand mit Diamantfräse und Knochengewinnung mit Safescraper kam es bei Präparation der Kieferhöhlenschleimhaut zu deren mehrfacher, großflächiger Ruptur von insgesamt über 1 cm. Nach Rücksprache mit dem Patienten entschieden wir uns zur Reparatur mit einer resorbierbaren porcinen Kollagenmebran (BioGide 30 x 40 mm). Aufgrund der Größe der Ruptur wurde die Membran im Sinne eines Beutels vollständig eingelegt und an den Rändern des Kieferhöhlenfensters mit sechs Titannägeln fixiert. Der gewonnene Eigenknochen wurde mit bovinem Knochenmaterial (BioOss grün 0,25 – 1 mm) und im OP-Situs gewonnenem Eigenblut gemischt und dann damit das Lumen augmentiert. 

Der Patient erhielt die Maßgabe, zwei Wochen nicht die Nase zu schneuzen und als Medikation Nasenspray, Schleimlöser, sowie eine Fortführung der präoperativen Antibiose (für eine Woche)und Analgetika. Die Nahtentfernung erfolgte zwei Wochen später.

Erfreulicherweise zeigte sich nach neun Monaten eine Verdichtung des Augmentates, so dass im November 2010 eine komplikationslose Implantation eines Nobel Replace Select Tapered Implantates 4,3 x 10 mit 35 Ncm Eindrehmoment gelang. Da dabei noch ein kleiner crestobukkaler Defekt, der sich innerhalb der Kontur des Alveolarfortsatzes befand, mit Knochenmaterial BioOss grün und Bio Gide Membran augmentiert wurde, erfolgte eine gedeckte Einheilung. Die Titannägel wurden bei diesem Eingriff entfernt. Nach einer Woche wurden die Nähte entfernt, der Bereich verblieb weiter ohne provisorische Versorgung. 

Im April 2011 erfolgte die Freilegung des Implantates mit Abformung und Anfertigung einer definitiven Krone aus verblendetem Zirkondioxyd auf Titanabudment (Nobel Esthetic). Die Zementierung der Krone auf dem Titanaufbau erfolgte mittels Glasionomerzement. Im ersten Jahr erfolgte ein Recall drei, sechs, neun und zwölf Monate nach Eingliederung des definitiven Zahnersatzes. 

Diese Versorgung ist mittlerweile über 12 Jahre in situ bei stabilen Verhältnissen. 2014 kam es zu einer Keramikabplatzung, der Patient wollte aber keine Neuanfertigung durchführen lassen. Er befindet sich weiter im jährlichen Recall.

Diskussion

Ideal wäre nach Extraktion der Erhalt von so viel Restknochen wie möglich, wofür bewährte Verfahren zum Strukturerhalt bzw. zur Strukturverbesserung der Hart- und Weichgewebe mit Knochen- oder Ersatzmaterialien zur Verfügung stehen. Im vorliegenden Fall erfolgte die Zahnentfernung alio loco ohne derartige Maßnahmen, so dass es zu einem stärkeren Knochenverlust kam. Der Patient im gezeigten Fall ist Nichtraucher. Damit entfällt ein wichtiger Risikofaktor für einen Implantatmisserfolg. Weiterhin scheint auch das Risiko einer Perforation der Kieferhöhlenschleimhaut bei Rauchern erhöht zu sein. Allerdings ist bei ihm der Risikofaktor Bruxismus vorhanden. Zur Risikominimierung erhielt er nach Einsetzen der Kronenversorgung eine Relaxierungsschiene, die er weiterhin trägt. Trotzdem kam es nach drei Jahren zu einer Keramikabplatzung an der Krone, die den Patienten aber weder funktionell noch ästhetisch stört. Weiterhin hatte er eine Parodontitis, die aber therapiert wurde. Nach Abschluss erfolgte die Einbindung in das Nachsorgeprotokoll und die Teilnahme am Implantatrecall. Parodontitispatienten, die gute Compliance aufweisen, können Implantaterfolgsraten über längere Zeiträume erreichen, die mit denen von Nichtparodontitispatienten vergleichbar sind. 

Das Verfahren des Sinuslifts über den lateralen Zugang ist etabliert und weist hohe Erfolgsraten auf. Sowohl xenogene Knochenmaterialien als auch alloplastische Materialien zeigen dem Eigenknochen mindestens ebenbürtige Resultate beim Knochenaufbau. Die Häufigkeit einer Ruptur der Kieferhöhlenschleimhaut beim externen Sinuslift wird je nach Studie mit zwischen 7–60 % angegeben und wurde in einer aktuellen Metaanalyse mit 30,6 % beziffert. Dies scheint die Implantatmisserfolgsrate jedoch nicht statistisch signifikant zu erhöhen. 

Zur Reparatur von Schleimhautrupturen ist die Verwendung von resorbierbaren Kollagenmembranen ein gängiges, bewährtes, erfolgversprechendes Verfahren. Andere mögliche Verfahren sind Nahtreparatur und Kleben der Perforation. Diese scheinen aber weniger geeignet und eher bei kleineren Perforationen bis 5 mm anwendbar, was sich mit den Erfahrungen des Autors deckt. Das im dargestellten Fall geschilderte Vorgehen des kompletten Einlegens einer Kollagenmebran und Pinfixierung bei einer großen Perforation über 1 cm oder mehrfachen Perforationen wurde erstmalig von Proussaefs und Lozada als „Loma Linda Pouch“ 2003 beschrieben. In solchen Grenzfällen kann es eine Alternative zu einem Abbruch des Eingriffes und einem erneuten externen Sinuslift nach Ausheilung sein, kann aber möglicherweise mit einer reduzierten Knochenneubildung einhergehen. Bei Restknochenhöhen unter 3 mm gibt es mittlerweile auch neuere Publikationen, die eine simultane Implantation und externen Sinuslift als sicher vorschlagen. 

Der Verfasser dieses Artikels bevorzugt bei stark reduziertem Restknochen jedoch das konservative zweizeitige Vorgehen (wie im geschilderten Fall erst Knochenaufbau, dann Implantation nach 6–9 Monaten). Dieses Vorgehen sollte auch bei der Reparatur größerer Membranperforationen gewählt werden. 

Soweit es möglich ist, bevorzugen wir mittlerweile zur prothetischen Versorgung vor allem im Seitenzahnbereich ein Verschrauben von Implantatkronen aus monolithischem Zirkon, da dadurch das Risiko des Verbleibens von Zementresten entfällt und Keramikdefekte reduziert werden.

Fazit

Das gute Langzeitergebnis ist im vorliegenden Falle auch einem sehr gut mitarbeitenden Patienten und unseren hochmotivierten Prophylaxeassistentinnen zu verdanken, ohne die ein erfolgreiches Nachsorgekonzept nicht durchführbar wäre. Bei der Entscheidung für eine Implantattherapie sollte die Notwendigkeit des Implantatrecalls mit dem Patienten kommuniziert und in der Behandlungsdokumentation hinterlegt werden. 


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