24.09.2012 •

TIERZAHNHEILKUNDLICHE MAßNAHMEN BEI DIENSTTIEREN DER BUNDESWEHR

Vaterianery Dentistry for Sevice Animals of the Bundeswehr



Aus der Diensthundeklinik der Schule für Diensthundewesen der Bundeswehr Ulmen (Dienststellenleiter: Oberfeldveterinär Dr. U. Dressler)¹ und dem Einsatz- und Ausbildungszentrum für Gebirgstragtierwesen 230 (Dienststellenleiter: Oberfeldveterinär Dr. F. von Rennenkampff) der Gebirgsjägerbrigade 23, Bad Reichenhall (Kommandeur: Brigadegeneral M. Matz)²



Katja Riedel¹, Michael Engels² und Claus Peter Bartmann²

K. Riedel

Zur Aufrechterhaltung und Erweiterung des Fähigkeitsprofils werden bei der Bundeswehr mit Hunden, Pferden und Maultieren auch Diensttiere eingesetzt.

Für die Erhaltung und Wiederherstellung des Wohlbefindens, der Gesundheit und der Einsatzfähigkeit dieser Diensttiere sind die eingehende und fachlich fundierte Diagnose von Erkrankungen und Verletzungen der Maulhöhle, des Zahnhalteapparates und der Zähne sowie belastbare Expertise auf dem Gebiet der dem anerkannten Wissensstand entsprechenden Therapien unabdingbar.

Die Tierzahnheilkunde ist somit auch im Bereich der Betreuung von Diensttieren der Bundeswehr ein Fachgebiet, das besondere Beachtung verdient und somit bezüglich Ausrüstung, Infrastruktur und Wissensstand angemessen und kompetent zu vertreten ist.

Summary 

To maintain and expand the capability profile of the armed forces, service animals are kept and deployed in the Bundeswehr. For the preservation and restoration of welfare, health and fitness for duty of those service ani - mals, it is indispensible to promote sound scientific knowledge in the field of veterinary dentistry. Expert diagnosis of diseases and injuries of the mouth, the gums and teeth, as well as robust expertise in the area of state-ofthe- art therapies are essential. Taking care of service animals of the Bundeswehr, veterinary dentistry is an academic field that deserves special attention and thus must be represented appropriately and competent with respect to equipment, infrastructure and scientific stateof- the-art knowledge.

Einleitung 

Eine optimale Pflege, veterinärmedizinische Betreuung und Gesunderhaltung von Diensttieren entspricht nicht nur einer grundsätzlichen tierschutzrechtlichen Forderung an den Tierhalter, sondern dient gleichzeitig auch der Erzielung einer bestmöglichen Leistungsfähigkeit. Die kurativen Belange der Tierzahnheilkunde werden in diesem Zusammenhang bei der Bundeswehr durch die Diensthundeklinik der Schule für Diensthundewesen (SDstHundeBw) sowie durch das Einsatz- und Ausbildungszentrum für Gebirgstragtierwesen 230 (EAZ 230) sichergestellt.

1. Tierzahnheilkunde für den Diensthund mit Biss: 42 gute Argumente auf vier Pfoten

Zahnprobleme stellen in der Hundepopulation der kurativen tierärztlichen Praxis mit einer Morbidität von über 80 % im erwachsenen Patientengut das weitaus häufigste Krankheitsgeschehen dar [1]. Der Diensthundeklinik der SDstHundeBw als einziger auf die besonderen Bedürfnisse und Erkrankungen von Diensthunden ausgerichteter veterinärmedizinischer Behandlungseinrichtung der Bundeswehr kommt auf dem Spezialgebiet Zahnheilkunde eine herausgehobene Bedeutung für das Wohlbefinden, die Gesunderhaltung und die Erhaltung der Einsatzfähigkeit von Diensthunden zu.

1.1 Anatomische Grundlagen 

Als Diensthunde werden vor allem Belgische und Deutsche Schäferhunde mit mesocephaler Schädelform eingesetzt. Durch die dem mesocephalen Hund typische Anisognathie liegen die unteren Schneidezähne und Backenzähne lingual beziehungsweise palatinal der Oberkieferzähne und bilden so ein Scherengebiss. Eine Ausnahme bilden die bunodonten Kauflächen des ersten und zweiten Backenzahns, welche auch Flächenkontakt haben. Bis zur 3. Lebenswoche sind beim Hundewelpen adspektorisch keine Zähne sichtbar. Mit der 8. Lebenswoche ist das vollständige Milchgebiss mit 28 Zähnen durchgebrochen. Der Zahnwechsel beginnt in der 12. Lebenswoche und schließt im 6. Lebensmonat ab. Das Dauergebiss des gesunden Hundes umfasst 42 Zähne, bestehend aus Schneidezähnen (Incisiven), Fangzähnen (Canini) sowie vorderen und hinteren Backenzähnen (Prämolaren und Molaren). Die Zahnformel für ein komplettes Ersatzgebiss eines Hundes ist:

3I 1C 4P 2M/ 3I 1C 4P 3M = 42 Zähne

Dem Gebiss des Hundes kommen nicht nur umfangreiche Aufgaben beim Schlagen, Töten, Festhalten und Zerteilen von Beutetieren zu, sondern es dient dem Hund auch als universelles Werkzeug und zur Kommunikation. Den einzelnen Zahngruppen (Abb 1) lassen sich verschiedene funktionelle Bereiche (Tab 1) zuordnen.

1.2 Untersuchung und Befunderhebung

Bei Junghunden (bis 6. Lebensmonat) können Erstuntersuchungen zur Zahnwechsel- oder Zuchttauglichkeitskontrolle meist ohne Sedierung durchgeführt werden. Mit zunehmendem Lebensalter jedoch wird gerade bei potenziell aggressiven Hunden aus Gründen der Sicherheit für den Untersucher und zur Sicherstellung einer vollständigen, auch in hinteren Gebissabschnitten sorgfältigen Befunderhebung, eine Sedierung notwendig [1]. Die Untersuchung der Maulhöhle und die Erhebung eines Zahnstatus erfordern nicht nur systematische Konsequenz, sondern auch den Einsatz von Zahn- und Parodontalsonde (Abb 2). Ein speziesgerechter Befundbogen erleichtert die Befunddokumentation [3].

Zur sicheren Diagnostik von Verletzungen und Erkrankungen der Maulhöhle, des Zahnhalteapparates und der Zähne ist die Röntgendiagnostik unverzichtbarer Bestandteil des tiermedizinischen Untersuchungsganges sowie der Therapieverlaufskontrolle. Ein Großteil des Zahnes, die Zahnwurzel und das gesamte Paradontium, sind ausschließlich mit der Röntgentechnik darstellbar (Abb 3). Optisch zunächst unauffällige Gebisse zeigen bei umfassender Röntgendiagnostik in vielen Fällen zusätzliche pathologische „Zufalls“-Befunde. Verstraete et. al. [4] fanden durch systematische dentale Röntgenuntersuchungen bei 69,5 % der routinemäßig untersuchten Hunde teils hochdramatische Nebenbefunde. Mit den enormen therapeutischen Fortschritten in der Tierzahnheilkunde hat sich neben der Verwendung der praxisüblichen Kassettenfilme im senkrechten Strahlengang die dentale intraorale Röntgentechnik als unverzichtbares Instrument für korrekte Diagnostik, Therapieplanung und Behandlungskontrolle aus medizinischen und nicht zuletzt forensischen Gründen etabliert [5].

1.3 Endodontie

Zahnfrakturen beim Hund führen aufgrund der geringen Schmelzdicke (<0,1 - 0,6 mm) in der Regel immer mindestens zu einer Dentinwunde. Bereits kleine Zahnabsplitterungen können zu einer Problematik der Pulpa inklusive Nekrose oder zur Entwicklung eines Wurzelspitzenprozesses führen [6]. Aufgrund ihrer besonderen Einsatzart frakturieren bei Diensthunden häufig die Canini. Therapiemöglichkeiten nach Zahnfrakturen umfassen je nach Art der Fraktur Versiegelung, indirekte und direkte Überkappung oder Wurzelbehandlung (Abb 4).

1.4 Prothetik 

Nach dem Verlust großer Kronenanteile besonders der Canini kann zumindest eine Konservation, häufig jedoch auch eine Wiederherstellung der Funktionalität des Gebisses und somit auch der Dienstfähigkeit des Diensthundes durch tierzahnheilkundliche Prothetik erfolgen. Neben der inneren Stabilisierung der Canini mit Schrauben aus der Osteosynthese nach Korthäuer [7] ist die ebenfalls von Korthäuer [7] entwickelte Methode der Überkronung der Canini mit Stiftkronen aus einer Chrom- Kobalt-Molybdän-Legierung (Abb 5) die bei Diensthunden am häufigsten durchgeführte prothetische Maßnahme. Die bei Gebrauchshunden bewährten Methoden zur Überkronung von Fangzähnen mit Erfolgsraten von 80 bis 94 % [8, 9, 10] haben sich bei Diensthunden der Bundeswehr als nicht zufriedenstellend, da im Schutzdienst nicht ausreichend belastbar, erwiesen. In einer andauernden Studie an 16 Diensthunden, bei denen insgesamt 20 Canini nach der Methode Korthäuer [7] überkront wurden, erwiesen sich die Überkronungen nach bislang im Mittel 1 086 Tagen in 90 % der Fälle erfolgreich. Die längste nachgewiesene Haltbarkeit einer Caninuskrone in der Studie lag zum Zeitpunkt der letzten Erhebung bei 1 757 Tagen [11]. Die Erfolgsrate der Methode nach Korthäuer [7] bei Diensthunden entspricht somit den hohen Erfolgsraten bewährter Methoden zur Überkronung von Canini bei Gebrauchshunden auch in der Langzeitbeobachtung.

1.5 Kieferorthopädie 

Beim Hund ist alleiniges Ziel kieferorthopädischer Behandlungen, das Tier beschwerde- und schmerzfrei zu erhalten. Rein ästhetische Beweggründe, zum Beispiel um die Teilnahme an Ausstellungen zu ermöglichen, rechtfertigen keinen tierärztlichen Eingriff. Die kieferorthopädische Regulierung von dentalen und skelettalen Malokklusionen könnte beim Diensthund zunehmend an Bedeutung gewinnen, da mit Etablierung einer eigenen Diensthundezucht mehr und mehr Welpen und Junghunde zum Patientenstamm der Diensthundeklinik SDstHundeBw zählen. Dentale Malokklusionen sind bereits in den ersten Lebensmonaten diagnostizier- und therapierbar und umfassen unter anderem Kreuzbiss, mit persistierenden Milchcanini assoziierte Fehlstellungen der Canini des Dauergebisses und pathologischen dentalen Interlock mit Ausbildung eines „Parrot Mouth“ (Abb 6).

1.6 Häufige Befunde bei Ankaufsuntersuchungen und Diensthunden der Bundeswehr 

Im Zuge von 354 im Zeitraum 2007 bis 2009 durchgeführten tierärztlichen Ankaufsuntersuchungen potenzieller Diensthunde im mittleren Alter von 1,9 Jahren wurden in erheblichem Umfang behandlungsbedürftige zahnmedizinische Befunde erhoben. Bei 28 % der untersuchten Ankaufshunde lagen therapiepflichtig Zahnstein und Gingivitis in Verbindung mit parodontalen Befunden vor. 11 % der Hunde zeigten bereits Anzeichen eines Attritionsgebisses und bei 38 % wurden therapiepflichtige Zahnfrakturen festgestellt. Im täglichen Dienstgeschäft der Teileinheit Innere Medizin und Ambulanz der Diensthundeklinik SDstHundeBw machten die exklusiv für Zahnbehandlungen anberaumten Termine neben den im Zuge anderer Behandlungen behobenen Erkrankungen des Zahn- und Zahnhalteapparates bei Diensthunden in den Jahren 2007 bis 2009 einen Anteil von bis zu 10 % aus. Bei Diensthunden im mittleren Alter von 5 Jahren wurden bei 76 % Zahnstein und Gingivitis in Verbindung mit parodontalen Befunden und bei 64 % überwiegend multipel aufgetretene Zahnfrakturen behandelt. Prothetische Maßnahmen waren bei 25 % der therapierten Diensthunde erforderlich [12].

 2. Tierzahnheilkunde bei Trag- und Reittieren der Bundeswehr 

Das Einsatz- und Ausbildungszentrum für Gebirgstragtierwesen 230 (EAZ 230) ist eine selbstständige Einheit der Gebirgsjägerbrigade 23 mit Standort in Bad Reichenhall.

Kernauftrag der Dienststelle ist die Unterstützung von Verbänden der Gebirgsjägerbrigade beim Transport von Material und Ausrüstung in unzugänglichem Gelände oder unter widrigen Witterungsverhältnissen. Im berittenen Einsatz können Pferde zudem als mobile Aufklärungsreserve und zur Verbringung von Spezialisten genutzt werden. Weitere Aufgabenschwerpunkte sind die Ausbildung von eigenen Soldaten und Angehörigen anderer Truppenteile hinsichtlich des Einsatzes von Trag- und Reittieren sowie die Entwicklung und Verbesserung von trag- und reittierspezifischen Einsatzgrundsätzen und Materialien.

Am EAZ 230 werden dazu derzeit knapp 60 Maultiere und Kleinpferde im Alter von 4 bis 30 Jahren gehalten. Dabei handelt es sich zu etwa 75 % um Maultiere, durch die Kreuzung eines Eselhengstes mit einer Pferdestute entstehende unfruchtbare Hybriden, und zu 25 % um Kleinpferde der Rasse Haflinger.

Ein Schwerpunkt veterinärmedizinischer Aufgaben am EAZ 230 ist in der Sicherstellung der Gesundheit, der Leistungs- und Einsatzfähigkeit der Tragund Reittiere zu sehen.

Die Zahnheilkunde des Pferdes ist ein Teilgebiet der Pferdemedizin, das gerade in den letzten Jahren zunehmend im Fokus der Betrachtung steht. Dies spiegelt sich im Spektrum der tierärztlichen Tätigkeit am Pferd, in Lehre und Weiterbildung, aber auch im gewachsenen Angebot der Instrumentenhersteller wider. Neben Zahnbehandlungen des klinisch bereits erkrankten Pferdes sind gerade regelmäßige Gebissuntersuchungen tiermedizinisch sinnvoll und werden nicht zuletzt in den vom Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) in 2009 herausgegebenen „Leitlinien zur Beurteilung von Pferdehaltungen unter Tierschutzgesichtspunkten“ [13] gefordert. Aus militärischer Sicht ist neben der Einhaltung tierschutzrechtlicher Vorgaben vor allem die Sicherstellung größtmöglicher Leistungsfähigkeit durch optimale Futterverwertung und ungestörte Rittig- und Führigkeit Indikation für regelmäßige Gebissuntersuchungen und angepasste Behandlungsmaßnahmen. Entsprechend wurden am EAZ 230 in den vergangenen Jahren bei den betreuten Diensttieren Gebisskontrollen und -korrekturen als fest integrierter Bestandteil in die Gesamtprophylaxe aufgenommen.

2.1 Anatomische Grundlagen

Die zu den Equiden, Pferdeartigen, gehörenden Maultiere und Haflinger besitzen ein vergleichsweise kompliziert gebautes, durch eine enge Stellung des Unterkieferzahnbogens gekennzeichnetes anisognathes Gebiss.

Im heterodonten Pferdegebiss finden sich vier Zahnarten, die einfach gebauten Schneidezähne, Incisivi (I), die Eckoder Hakenzähne, Canini (C), sowie die kompliziert gebauten vorderen Backenzähne, Prämolaren (P), und hinteren Backenzähne, Molaren (M).

Grundsätzlich treten am Pferdegebiss zwei Zahngenerationen auf, die Milchzähne, Dentes decidui, sowie die Dauerzähne, Dentes permanentes. In Abhängigkeit von der jeweiligen Präsenz der Zahngenerationen in der Maulhöhle wird von einem Milchgebiss, Wechselgebiss oder permanenten Gebiss gesprochen. Die Zahnformel für das Milchgebiss lautet:

3Id (1Cd) 3Pd / 3Id (1Cd) 3Pd= 28 Zähne 

Im Gegensatz zu den drei Milchschneidezähnen jeder Kieferhälfte sind die Milchhakenzähne nicht immer klinisch nachweisbar [14, 15]. Der Zahnwechsel ist im Alter von 4,5 bis 5 Jahren abgeschlossen. Bei männlichen Pferden sind meistens alle vier Hakenzähne vorhanden, weswegen diese auch als Hengstzähne bezeichnet werden. Bei Stuten sind Hakenzähne eher selten angelegt, meistens deutlich kleiner und treten nicht immer durch das Zahnfleisch durch [15]. Die Zahnformel für ein komplettes Ersatzgebiss eines männlichen Pferdes ist:

3I 1C 3P (4P) 3M / 3I 1C 3P 3M = 40 bis 44 Zähne 

Als sogenannte atavistische Polyodontie wird das Auftreten eines gewöhnlich nur bohnengroßen P1 (Wolfszahn) beurteilt, was nahezu ausschließlich im Oberkiefer beobachtet wird (Abb 7). Das Zerkleinern der Nahrung wird durch die hochkronigen, hypsodonten und durch ein temporäres Längenwachstum gekennzeichneten schmelzfaltigen Backenzähne sichergestellt.

Durch die faltige Anordnung des Zahnschmelzes mit den weicheren Zahnsubstanzen Dentin und Zement ist ein unterschiedlicher Abrieb vorgegeben. Die Backenzähne des Oberkiefers besitzen zusätzlich in das Zahnbein von der Kaufläche her eingestülpte Schmelzbecher. Das so entstehende raspelartige Kauflächenrelief wird durch Querrinnen und Querkämme der Backenzähne funktionell ergänzt [15].

2.2 Durchführung der Gebissuntersuchung und -behandlung

Die am EAZ 230 gehaltenen Equiden werden einer jährlichen Gebissuntersuchung unterzogen. Bei klinischer Auffälligkeit durch Futteraufnahme- und -zerkleinerungsstörungen, Umfangsvermehrungen am Schädel oder Problemen beim Einsetzen des Trensengebisses wird ohne Zeitverzug durch eine Untersuchung der Maulhöhle reagiert. Gebissuntersuchungen und -behandlungen können überwiegend am stehenden Maultier oder Pferd durchgeführt werden. Die Untersuchung der Maulhöhle des Pferdes wird anatomisch durch eine vergleichsweise kleine Maulspalte bei gleichzeitiger Längsform des Gesichtsschädels erschwert [15].

Zur vollständigen klinischen Untersuchung der Maulhöhle des Pferdes ist das Einsetzen eines geeigneten Maulöffners, möglichst eines sogenannten Vollgatters (Abb 8), und die Verwendung fokussierbarer Lichtquellen notwendig [14, 16,17].

Der Einsatz eines Zahnspiegels erlaubt die Betrachtung aller freien Flächen der klinischen Zahnkronen und der Zahnzwischenräume sowie der umliegenden Weichteilstrukturen. Die Maulhöhle muss vor der Untersuchung durch gründliches Ausspülen von Futterresten befreit werden.

Dazu ist eine Sedierung des Tieres erforderlich, um eine sorgfältige und vollständige Untersuchung als fachgerechte Grundlage zur prognostischen Einschätzung und Therapie bei möglichst risikoarmer Vorgehensweise für Pferd und Untersucher sicher zu stellen [18]. Mit der beruhigenden Wirkung einer Sedierung wird man gleichzeitig auch der grundlegenden tierschutzrechtlichen Anforderung der Vermeidung von Leiden und Schäden für ein Tier gerecht. Durch die fachgerechte Sedierung soll das Pferd bei diagnostischen und operativen Eingriffen weniger belastet werden. Dies erfolgt durch intravenöse Injektion ausschließlich durch den SanOffzVet, der in der Lage ist, Dosierungen an das jeweilige Pferd und den Krankheitsfall anzupassen und auf möglicherweise eintretende Komplikationen entsprechend zu reagieren. Bewährt haben sich dazu für das Pferd zugelassene a2-Adrenorezeptoragonisten wie Xylazin oder Detomidin, auch in Kombination mit Opioiden wie L-Methadon oder Butorphanol [18].

In seltenen Fällen ist eine Gebissuntersuchung oder Zahnbehandlung unter Allgemeinanästhesie erforderlich. Dies kann nach Narkoseeinleitung in einer gepolsterten Ablegebox im Untersuchungs- und Operationsraum des EAZ 230 unter Einsatz moderner Injektionsund Infusionsnarkoseverfahren erfolgen (Abb 9).

Um der im Vergleich zum Pferd unterschiedlichen Stoffwechselsituation mit abweichender Eliminationskinetik für pharmakologische Wirkstoffe adäquat gerecht zu werden, wurden am EAZ 230 Dosierungen für die Sedierung und Narkoseschemata für Maultiere entwickelt [19, 20]. Diese haben sich in der praktischen Ausübung auch als uneingeschränkt feldtauglich erwiesen.

2.3 Häufige Befunde bei Trag- und Reittieren und Gebissbehandlung 

Gerade bei einer leistungsfordernden Nutzung der Tiere sind neben Anlageund Entwicklungsfehlern oder Störungen des Zahnwechsels domestikationsbedingte Abweichungen der Zahnabnutzung häufig. Entsprechend wird schon beim Ankauf von Militärremonten im Rahmen der tierärztlichen Ankaufsuntersuchung das Vorhandensein von nutzungsrelevanten angeborenen Fehlbildungen ausgeschlossen. Da Remonten häufig in einem Alter unter fünf Jahren beschafft werden, wird der ungestörte Ablauf des Zahnwechsels kontrolliert und unterstützt. Dazu werden festsitzende und störende Milchzahnreste, sogenannte Milchkappen, entfernt. In Abhängigkeit vom Untersuchungsergebnis und von der tierärztlichen Indikation kann der atavistische Wolfszahn P1 präpariert und extrahiert werden.

Zu den häufigen Befunden in der Pferdezahnmedizin [15, 16, 17, 21] gehören die abnutzungsbedingten, regressiven Gebissveränderungen, die als Haken-, Kanten-, Stufen- oder Wellengebiss ausgeprägt sein können (Abb 7). Neben der Beeinträchtigung der Kaufunktion durch eine Malokklusion können sekundär wesentliche, die Leistungsfähigkeit und schmerzbedingt den Leistungswillen des Tieres einschränkende Schleimhautläsionen auftreten.

Die Therapie besteht in der Wiederherstellung einer Normokklusion durch angepasstes Einschleifen mit manuellen und elektrischen Pferdezahninstrumenten (Abb 8). Hochgradige Veränderungen können wiederholte Behandlungen erfordern.

Bei nahezu allen Tragtieren fanden sich bei Erstuntersuchungen zumindest regressive, therapiebedürftige Gebissveränderungen unterschiedlichen Ausmaßes. Bei konsequenter Durchführung regelmäßiger Gebissuntersuchungen und -korrekturen treten zwar immer wieder abnutzungsbedingte Malokklusionen auf, die aber dann in ihren Ausmaßen wesentlich geringer einzustufen sind.

Endodontische und kieferchirurgische Eingriffe erfordern eine Allgemeinanästhesie oder eine Ergänzung der Analgesie durch Leitungsanästhesien, beispielsweise des Nervus mentalis oder des Nervus infraorbitalis. Dies gilt auch für die Entfernung erkrankter oder beschädigter Zähne durch Extraktion oder Expulsion. In der Mehrzahl der Fälle ist bei Tragtieren die Indikation für eine Zahnentfernung bei ausgedehnten Zahn- oder Zahnfachinfektionen oder bei Zahnfrakturen gegeben (Abb 9). Letztere können Folge einer ausgedehnten Infundibularkaries oder auch einsatzbedingter Traumata sein. Unfallbedingte Schneidezahnfrakturen (Abb 10 - 11) werden beim EAZ 230 am stehenden und sedierten Tier mit Leitungsanästhesie chirurgisch versorgt, wobei mit der Vitalamputation und direkten Pulpenüberkappung auch endodontische Verfahren eingesetzt werden können (Abb 11).

Vereinzelt müssen die sehr prominenten Backenzähne der zu den Equiden gehörenden Tragtiere unter Allgemeinanästhesie nach Trepanation des Sinus maxillaris durch Expulsion entfernt werden, wenn eine Extraktion durch den Substanzverlust der klinischen Zahnkrone nicht mehr möglich ist (Abb 12). Dies erfolgt unter Allgemeinanästhesie mit dem in Seitenlage positionierten Tier. Eine konsequente Nachversorgung ist zur Abheilung der oroantralen Verbindung dann notwendig und muss durch den Veterinärtrupp sichergestellt werden.

2.4 Befunddokumentation 

Auch im Rahmen tierärztlicher Untersuchungen und Behandlungen ist eine sukzessive, mit den einzelnen Behandlungsabschnitten entstehende Dokumentationspflicht [14, 22] für SanOffz Vet gegeben. Untersuchungsprotokolle oder -formulare können dabei gerade unter Praxisbedingungen eine Hilfe sein. Die sorgfältige Dokumentation am EAZ 230 erfolgt mit Hilfe eines von der Gesellschaft für Pferdemedizin e. V. entwickelten tierärztlichen Untersuchungsprotokolls für die Zahnbehandlung beim Pferd [14]. Das Protokoll erlaubt einerseits eine ausführliche Dokumentation der Gebiss- und Einzelzahnbefunde mit vergleichsweise geringem Aufwand, unterstützt darüber hinaus auch durch seine Vorgaben beim Ablauf und Umfang der erforderlichen Untersuchung. Entsprechend finden auch für die Beurteilung der Physiologie und Pathologie des Pferdegebisses relevante anatomische Strukturen, Stellungen oder Funktionen Aufmerksamkeit und Berücksichtigung.

Schlussfolgerungen 

Durch regelmäßige Gebisskontrollen und korrektive Maßnahmen kann die Inzidenz schwerwiegender Gebisserkrankungen bei Diensttieren wesentlich gesenkt werden.

Bei Trag- und Reittieren wird die Leistungsfähigkeit durch optimale Futterverwertung und Verhindern schmerzhafter Weichteilläsionen erhöht und damit gleichzeitig der Einsatz mit Tragtierführer und Reiter verbessert.

Auch für die Erhaltung und Wiederherstellung des Wohlbefindens, der Gesundheit und der Einsatzfähigkeit von Diensthunden der Bundeswehr sind die eingehende und fachlich fundierte Diagnose von Erkrankungen und Verletzungen der Maulhöhle, des Zahnhalteapparates und der Zähne sowie belastbare Expertise auf dem Gebiet der dem anerkannten Wissensstand entsprechenden Therapien unabdingbar. Die Tierzahnheilkunde ist somit auch im Bereich der Betreuung von Diensttieren der Bundeswehr ein Fachgebiet, das besondere Beachtung verdient und somit bezüglich Ausrüstung, Infrastruktur und Wissensstand angemessen und kompetent zu vertreten ist.

Fotos:

Abb. 1:Mit freundlicher Genehmigung von Dr. W. Korthäuer
Abb. 2-6:Oberstabsveterinär Katja Riedel
Abb. 7-12:Oberstabsveterinär Dr. Michael Engels, Oberfeldveterinär d. R. PRiv.-Doz. Dr. Claus P. Bartmann

 

Literatur 

  1. Fahrenkrug P: Die Bedeutung von Domitor® und Antisedan® in der Zahnheilkunde beim Hund. In: DDA News 1/2004, Pfizer Tiergesundheit.
  2. Korthäuer W: Funktionsbereiche des DHGebisses. In: Diensthundepraxis. Portal für Klinische Veterinärmedizin. Datenstand 04.07.2012, www.diensthundepraxis.de. 
  3. Gorrel C: Oral Examination and Recording. In: Saunders Solutions in Veterinary Practice. Small Animal Dentistry. Philadelpia: Elsevier 2008; 13-22. 
  4. Verstraete JM, Kass PH, Terpak CH: Diagnostic value of full-mouth radiography in dogs. Am J Vet Res 1998 Jun 59 (6): 686-691.
  5. Bellows J: Dental Radiography. In: Small Animal Dental Equipment, Materials and Techniques. Blackwell Publishing 2004; 63- 105. 
  6. Eickhoff M: Der frakturierte Zahn. In: Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde bei Klein- und Heimtieren. Stuttgart: Enke 2005; 62-108.
  7. Korthäuer W: Überkronung von Canini bei Dienst- und Schutzhunden mit gegossenen Stiftkronen aus einer Chrom-Kobalt- Molybdän-Legierung nach indirekter Abformung mittels ParaPostR-X-System. In: SDstHundeBw (Hrsg): Lehrgangs unter lagen. Tierzahnheilkunde beim Diensthund. Koblenz 2002.
  8. Coffmann CR, Visser CJ: Results of 115 fullmetal crown restorations in dogs. In: European Veterinary Dental Society (Hrsg.): Proceedings. 18th European Congress of Veterinary Dentistry, Zürich 10.-12.09. 2009. 
  9. van Foreest A, Roeters J: Evaluation of the clinical performance and effectiveness of adhesively bonded metal crowns on damaged canine teeth of working dogs over a 2 to 52 month period. J Vet Dent 1998; 15: 13-20. 
  10. van Foreest A, Tijssens M: Adhesively cemented full-cast metal crowns on traumatized canine teeth in working dogs. Tijdschr Diergeneeskd 2007; 132 (5): 104-106. 
  11. Riedel K: Die Krone ist ein Hut, in den es hineinregnet? Untersuchungen zur Effizienz und Haltbarkeit von Edelstahl- Stiftkronen beim Diensthund. 41. Jahreskongress der Deutschen Gesell schaft für Wehrmedizin und Wehr pharmazie. Würzburg 30.09.-02.10.2010.
  12. Riedel K: 42 Good Arguments On 4 Paws: Veterinary Dentistry For The Military Working Dog. Experiences at the Bundeswehr Military Working Dog Veterinary Clinic. European Veterinary Dental Society (Hrsg.): Proceedings. 19th European Congress of Veterinary Dentistry. Nizza 23.-25.09.2010.
  13. .Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz BMELV: Leitlinien zur Beurteilung von Pferdehaltungen unter Tierschutz gesichts - punkten. Bonn: 2009
  14. Bartmann CP, Bienert-Zeit A, Fahrenkrug P, Nowak M, Stelzer P, Vogt C, Schüle E: Empfehlungen zur klinischen Nomen klatur und Befunddokumentation in der Zahnheilkunde des Pferdes. Prakt. Tierarzt 2010; 91: 768-771. 
  15. Wissdorf H, Bartmann CP, Gerhards H, Staszyk C: Zähne. In: Wissdorf H, Gerhards H, Huskamp B, Deegen E (Hrsg.): Praxisorientierte Anatomie und klinische Propädeutik des Pferdes. 3. Aufl., Hannover: Schaper 2010; 156-189.
  16. .Vogt C: Lehrbuch der Zahnheilkunde des Pferdes. Stuttgart: Schattauer 2010.
  17. Easley J: Dental and Oral Examination. In: Baker GJ and Easley J (eds.): Equine Dentistry. Edinburgh, London: Elsevier Saunders 2005; 151-170.
  18. Bartmann CP, Bienert-Zeit A: Zur Se - dierung bei der Gebissuntersuchung und -behandlung des Pferdes. Prakt. Tierarzt 2012; 93: 145-149.
  19. .Bartmann CP: Besonderheiten der Be - handlung von Eseln und Maultieren. In: Bayerische Landestierärztekammer (Hrsg.): Vortragszusammenfassungen, 24. Bayerischer Tierärztetag, Rosenheim, 21.-24.05.2009, 240-242, ISBN 3- 934302-16-5.
  20. Bartmann CP, Latzel ST: Klinische Un - tersuchungen zur Injektionsnarkose beim Maultier.In: Deutsche Veterinär medzinische Gesellschaft (Hrsg.): 21. Arbeitstagung der Fachgruppe Pferde - krankheiten. Hannover, 12.-13.02.2010, 31.
  21. Becker E: Zähne, normalanatomische, physiologische und entwicklungs ge schicht - liche Vorbemerkungen. In: Joest E (Hrsg.): Handbuch der speziellen pathologischen Anatomie der Haustiere. 3. Aufl., Berlin; Parey: 149-157.
  22. Bemmann K: Die tierärztliche Dokumen - tationspflicht und das Einsichtsrecht in tierärztliche Behandlungsunterlagen. Pferdeheilkunde 2004; 20: 353-360.

 

Datum: 24.09.2012

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