Tierarzt am ZInstSanBw München - Verbraucherschutz, Mikroorganismen, Vierbeiner & Co.
Aus der Abteilung II - Veterinärmedizin (Abteilungsleiter: Oberfeldveterinär Dr. Z. Bajtay) des Zentralen Institutes des Sanitätsdienstes der Bundeswehr, München (Leiter: Oberstapotheker Dr. T. Zimmermann)
J. Riehm
Die Abteilung Veterinärmedizin am ZInstSanBw München erfüllt den Auftrag die mikrobiologische Unbedenklichkeit von Lebensmitteln und Wasser für Soldaten im Inland und in den Einsatzgebieten der Bundeswehr sicherzustellen. Im Falle einer Havarie, hier die sogenannte lebensmittelbedingte Gruppenerkrankung, soll die Ursache unmittelbar aufgeklärt werden, um eine weitere Erkrankung von Soldaten zu verhindern.
Weiterhin umfasst der Auftrag der Veterinärmedizin die Hygiene und die Untersuchung von Lebensmitteln auf Allergene, Tierarten, Abbauprodukte, Kontaminanten und gewebliche Zusammensetzung. Arzneimittel und Medizinprodukte werden in der Abteilung mikrobiologisch untersucht. Zudem ist eine Tierbehandlung, Tierhaltung, Tierpathologie und Parasitologie aufgestellt. Und schließlich erfolgt die Herstellung von Nährmedien im Rahmen der humanmedizinischen und veterinärmedizinischen Mikrobiologie, auch für den Auslandseinsatz.
Die Kompetenz der Mitarbeiter umfasst neben den soldatischen Qualifikationen die Mikrobiologie, Immunologie, Histologie, Parasitologie, Tierpathologie, Probenahme, Hygienestatuskontrollen, Umgang mit Tierseuchenerregern, Qualitätsmanagement, Lebensmittelsensorik, Molekularbiologie und Zellkultur.
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Weiterhin erfolgt die Ausbildung für Studenten in Form von Praktika im Bereich Lebensmitteluntersuchung. Und schließlich wird am ZInstSanBw München ein Wahlpflichtfach der Tierärztlichen Fakultät der Ludwig Maximilians Universität München angeboten. Unter dem Titel „Ausbruchsuntersuchung, Diagnostik und bioforensische Analysen bei bakteriellen Tierseuchenerregern“ unterrichtet ein SanStOffzVet, auch Privatdozent für Infektionsmedizin, theoretische und praktische Inhalte im Rahmen des Studiums der Veterinärmedizin.
Mikrobiologie
Die akkreditierte mikrobiologische Diagnostik ist eines der Hauptwerkzeuge der Bundeswehrtierärzte am ZInstSanBw München. Untersuchungsmatrizes sind in dieser Disziplin Lebensmittel, Wasserproben, Arzneimittel, Medizinprodukte und schließlich Tierproben.
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Die Mikrobiologie ist für den Dienst während der Auslandseinsätze eine essentielle Expertise. Fundierte Kenntnisse und Arbeitserfahrung sind erforderlich, um ggf. unter eingeschränkten Bedingungen eine aussagekräftige Diagnostik zu betreiben. Im Routinebetrieb der mikrobiologischen Lebensmitteluntersuchung werden die bekannten Verpflegungskomponenten für NATO Soldaten wie Einmannpackungen (EPa), Müsliriegel oder Brotaufstrich untersucht. Hin und wieder wird die Palette auch durch Schmankerl wie Schnecken oder Froschschenkel aus Betreuungseinrichtungen multinational genutzter Liegenschaften erweitert. Mehr und mehr werden auch vegetarische Gerichte untersucht oder Sojadrinks und Proteinshakes, die den Muskelaufbau während gezieltem Training unterstützen.
Die mikrobiologische Untersuchung im Wasserlabor umfasst die Matrizes Trinkwasser, Rohwasser, Brauchwasser, Badewasser und Mineralwasser. Im Regelfall werden am ZInstSanBw München Proben von Standorten der Bundeswehr in Deutschland untersucht. Obwohl logistisch immens aufwändig, werden Proben aus Einsatzgebieten der Bundeswehr, Mali oder Ukraine nach Deutschland transportiert und am Zentralinstitut im Zeitfenster von 24 Stunden mikrobiologisch angesetzt. Gemeinsam mit der chemischen Wasseranalytik kann so eine viel größere Bandbreite von Analyten bestimmt werden als vor Ort im Einsatzgebiet. Auf Weisung erfolgte im zurückliegenden Jahr zudem die Unterstützung des Technischen Hilfswerks im Rahmen der Flüchtlingshilfe in Deutschland. Weiterhin wurden Trinkwasserproben während der internationalen Übung „Iron Mask“ in Haigerloch, Baden-Württemberg, im Juni 2016 untersucht.
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Neben den Untersuchungen auf Sterilität, der mikrobiologischen Untersuchung nicht steriler Arzneimittel (z. B. zur äußeren Anwendung) kann eine Überprüfung der in Arzneimitteln enthaltenen Konservierungsmittel auf ihre Wirksamkeit (Konservierungsbelastungstest) erfolgen. Dabei werden dem Arzneimittel definierte Keimzahlen zugesetzt und deren Inaktivierung überprüft (Abb. 4). Aufgrund wechselnder Zuständigkeit wurde kürzlich der Limulus-Amoebozyten-Lysat-Test zum Nachweis von Endotoxin (Pyrogen) in Arzneimitteln verifiziert. Die Methode wird 2017 in der Abteilung Veterinärmedizin zum Spektrum der akkreditierten Verfahren aufgenommen.
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Schließlich ist in der Abteilung Veterinärmedizin auch die mikrobiologische Untersuchung von Tierproben etabliert. Beispielsweise werden Salmonella spp., Extended Spectrum Betalactamase bildende Bakterien (ESBL), oder MRSA aus Tierkot und weiteren Tierproben identifiziert. Aus Reinkulturen können mittels Mikrobouillondilution mögliche Antibiotikaresistenzen bestimmt werden.
Immunologische, molekularbiologische und histologische Lebensmitteluntersuchung
Im akkreditierten Bereich der Immunologie werden diverse Allergene, Kontaminanten (Antibiotika), Abbauprodukte und verschiedene Tierarten in Lebensmitteln bestimmt. Kenntnisse über diese Komponenten sind wichtig, da z. B. Nahrungsmittelunverträglichkeiten und insbesondere Nahrungsmittelallergien im schlimmsten Fall zum anaphylaktischen Schock mit lebensbedrohendem Herz-Kreislauf-Kollaps führen können. Allergene Inhaltsstoffe im Lebensmittel müssen daher vom Hersteller deklariert sein. Zu den Abbauprodukten zählt beispielsweise auch Histamin, das bei sensibilisierten Personen ebenfalls stark allergen wirken kann. Obwohl gravierende Allergien bei der Einstellungsuntersuchung von Rekruten in der Regel eine Übernahme ins Dienstverhältnis ausschließen, steigt die Zahl von einschränkenden bzw. lebensbedrohlichen Allergien auch bei Soldaten durch Spontanauftreten oder Verschlechterung bestehender Allergieprobleme an.
Ein weiterer Bereich ist die Lebensmittelhistologie, ein optisches Verfahren zur Feststellung der geweblich-substanziellen Zusammensetzung von Fleischerzeugnissen. Zur mikroskopischen Darstellung spezifischer Strukturen sind in der Abteilung derzeit acht Färbungen etabliert und akkreditiert. Diese dienen den Sachverständigen zur Feststellung der Qualität sowie der Verarbeitung von nicht deklarierten (z. B. Verdickungsmitteln) oder unzulässigen (z. B. kutane Schleimhaut, Hirngewebe, Rückenmark) Bestandteilen.
Die Trichromfärbung nach Pfeiffer, Wellhäuser und Gehra erlaubt beispielsweise den Nachweis von mineralisch behaftetem Knochen und gibt somit Hinweis auf Verarbeitung von Hartseparatorenfleisch. Mittels Trichromfärbung nach Charvàt ist es möglich wiederverarbeitete Wurstpartikel zu identifizieren. Mit der Bauer Calleja-Färbung wiederum werden fleischfremde Zusätze durch pflanzliche Kohlenhydratkomponenten nachgewiesen. Mittels Alcianblau-Färbung pH 2,5 und pH 1,0 erfolgt der Nachweis von Kohlenhydratkomponenten in Pflanzenprotein (TVP, textured vegetable protein). Letztere werden als Verdickungsmittel in Fleischerzeugnissen verwendet (Abb. 5).
Die Disziplin Lebensmittelhistologie wird im zivilen Bereich außerhalb von Untersuchungsämtern nur noch selten vertreten. Zudem gibt es keine kommerziellen Angebote zu Ringversuchen in diesem Bereich. Durch jahrelangen Ausbau dieser Expertise, werden Laborvergleichsuntersuchungen oder Workshops im Bereich Lebensmittelhistologie in der Abteilung Veterinärmedizin am ZInstSanBw München veranstaltet. Dass diese Disziplin aktuell in Deutschland immer noch von großem Interesse ist, zeigt die Annahme dieser Angebote. An einer Laborvergleichsstudie in 2016 nahmen deutschlandweit insgesamt 18 Institutionen teil, darunter diverse Landesuntersuchungsämter, zivile Privatlabore und Universitäten.
Tierhaltung, Tierbehandlung mit Parasitologie und Pathologie
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Diverse tiermedizinisch relevante Infektionserreger können direkt im Hause diagnostiziert werden, darunter ESBL-bildende Bakterien, MRSA, Salmonella, Giardia, Trichinella, weitere Protozoen und Darmparasiten. So erfolgen im Bereich Parasitologie regelmäßig Tierkotuntersuchungen, beispielsweise von Hunden und Schafen. Sogenannte „Wurmeier“ werden mittels Sedimentations- und Flotationsverfahren isoliert und danach mikroskopisch bestimmt. Ein Auswanderungsverfahren zum Nachweis von Lungenwürmern steht ebenfalls zur Verfügung. Im Anschluss erfolgt eine individuelle Therapieempfehlung für Einzeltiere oder einen kompletten Tierbestand.
Auch die Untersuchung auf Trichinella in Fleisch ist in der Abteilung Veterinärmedizin auf der Basis der EU-Verordnung DVO (EU) 2015/1375 akkreditiert. Schweine, aber auch Pferde können Träger von Trichinellen sein, die wiederum durch nicht ausreichend erhitztes Fleisch auf den Menschen übertragen werden können. Die Krankheit hat trotz geringer Fallzahlen in Deutschland weiterhin Bedeutung, insbesondere weil regelmäßig Produkte (Fleisch, Wurstwaren) aus Osteuropa auffällig werden. Historisch gesehen ist das Verfahren, das Mitte des 19. Jahrhundert im Rahmen der Fleischhygiene in Deutschland verpflichtend eingeführt wurde, älter als die meisten mikrobiologischen Untersuchungsverfahren.
Die Tierpathologie ist ein Bereich in dem die Todesursache eines Tiers direkt abgeklärt werden kann. Dies ist bei Gruppentierhaltung essentiell, um eine individuelle Todesursache (z. B. Tumor, Lebensalter, Stoffwechselerkrankung) von potenziell infektiösen Agenzien oder Tierseuchen abgrenzen zu können.
Wissenschaft
Im Bereich der wehrmedizinischen Forschung besteht derzeit ein Verbundforschungsprojekt zur wissenschaftlichen Diskussion und Zusammenarbeit mit dem Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit, Friedrich-Loeffler-Institut. Das Projekt befasst sich mit der Erfassung von Daten hinsichtlich Zoonoseerregern in Naturherden der Einsatzgebiete. Methodisch wird in diesem Ansatz, der Metagenomanalyse, nicht gezielt nach bestimmten Infektionserregern gesucht. Vielmehr wird das gesamte Erbgut, DNA, tierischer Proben untersucht und bioinformatisch nach Bausteinen von Infektionserregern sondiert. Unerwartete und sogar bisher unbekannte Zoonoseerreger können mit dieser Methode hochspezifisch identifiziert werden.
Weiterhin wird am ZInstSanBw München ein Sonderforschungsprojekt zur Vollgenomanalyse von Salmonella Enteritidis Isolaten bearbeitet. Knapp 40 Soldaten waren während des Auslandseinsatzes innerhalb kürzester Zeit an Salmonellose erkrankt. Die Ausbruchsursache konnte bisher nicht vollständig geklärt werden. Daher soll die Projektarbeit eine Rückverfolgungsanalyse der Salmonella-Isolate ermöglichen.
Aktuell werden in der Abteilung zudem zwei weitere Projekte bearbeitet. Ein virologisches Thema dient der Erforschung von Mimivirus (aus engl. Mimicking Virus). Die Bedeutung des Virus ist, neben dem Befall und dem Abtöten von Amöben, bisher eher unklar. Jedoch dienen diese Riesenviren mit Dimensionen kleiner Bakterien als neuartiges Modell zur Erforschung viraler Eigenschaften. Das zweite Projekt beschreibt die Besiedelung von Hunden mit ESBL-bildenden Bakterien. Neben einer Longitudinalstudie mit Stämmen aus Deutschland, werden einzelne Isolate aus den Einsatzgebieten der Bundeswehr untersucht.
Fachlicher, aber auch wissenschaftlicher Austausch besteht seit Jahren mit Fachabteilungen des Bayerischen Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) im nahegelegenen Oberschleißheim, mit diversen Instituten der Tierärztlichen Fakultät der LMU München, dem Institut für Infektionsmedizin und Zoonosen, dem Institut für Lebensmittelsicherheit, dem Institut für Hygiene und Technologie der Milch, aber auch mit Referenzlaboren des Robert Koch-Instituts und des Friedrich-Loeffler-Instituts.
Der tierärztliche Beruf bietet bereits im zivilen Leben eine breite Palette an Betätigungsfeldern. Der SanOffzVet ist in der Bundeswehr nicht minder vielseitig eingesetzt. Von der kurativen Tätigkeit an Diensttieren bis hin zur Arbeit mit Kleinstlebewesen auf molekularbiologischer Ebene ist viel Flexibilität gefordert. Die breite Expertise der Bundeswehrtierärzte ist während dem Einsatz im Inland und Ausland essenziell und fordert Rückgrat und Entscheidungsfreudigkeit. Die Disziplin Veterinärmedizin bietet mit den vielfältigen Herausforderungen jedoch auch die Voraussetzung für eine hohe Berufszufriedenheit.
Anschrift der Verfasserin:
Oberfeldveterinär PD Dr. Julia Riehm
Abteilung Veterinärmedizin
Zentrales Institut des Sanitätsdienstes der Bundeswehr München
Ingolstädter Landstraße 102
85748 Garching
E-Mail: [email protected]
Datum: 29.05.2017
Wehrmedizin und Wehrpharmazie 2017/01