Am 8. November 1895 machte Wilhelm Conrad Röntgen eine weltverändernde Entdeckung. Bei einem Experiment mit einer fast luftleeren Kathodenstrahlröhre, die durch schwarzes Papier abgedeckt war, bemerkte er die Wirkungsweise seiner später nach ihm benannten Strahlen. Ein Stück Bariumplatinzyanürpapier lag zufällig neben der Versuchsanordnung und schwärzte sich. Im Laufe der nächsten Wochen ersetzte Röntgen das Papier durch verschiedene Materialien (zu denen auch menschliches Gewebe zählte) und beschrieb die unterschiedliche Durchdringungsfähigkeit der neuen Strahlen. Der Allgemeinheit wurde die Entdeckung schon sehr früh bekannt, tatsächlich noch vor der Übergabe der ersten schriftlichen Mitteilung „Über eine neue Art von Strahlen“ an die Physikalisch-Medizinische Gesellschaft zu Würzburg am 23. Januar 1896, in der schon einige mögliche Verwendungszwecke im Bereich der Medizin beschrieben wurden. Fakt ist, dass es sich um eine der bahnbrechendsten Innovationen seiner Zeit handelte, die die medizinische Diagnostik in einem bis dahin noch nicht gekannten Ausmaß revolutionierte und darüber hinaus zu weiteren Erkenntnissen des 20. Jahrhunderts, wie beispielsweise der Entdeckung und Erforschung der Radioaktivität, führte.
Mit Spannung wurden von den Zahnmedizinern die Aufnahmen von Kiefer und Zähnen erwartet. Hier war die Fragestellung, ob sich Zahnhartgewebe im Röntgenbild vom umgebenen Knochen abgrenzt, von besonderer Bedeutung. Die ersten zahnmedizinischen Aufnahmen entstanden schon Anfang Februar 1896. Die meisten Quellen geben hierbei den Zahnarzt Otto Walkhoff als Erstanwender an, der in seiner Praxis in Braunschweig an sich selbst Aufnahmen anfertige und sich hierfür etwa 25 Minuten von einer improvisierten Röntgeneinrichtung bestrahlen ließ. Heute gilt es jedoch als erwiesen, dass die ersten Zahnaufnahmen durch den Frankfurter Physikprofessor Carl Georg Walter König angefertigt wurden. Diese zeigten deutliche Umrisse der Zähne, deren Zahnwurzeln und sogar die Füllungen einzelner Zähne. Walkhoff reklamierte trotzdem später für sich, die erste Aufnahme angefertigt zu haben.
Im Laufe der Zeit verbesserte sich die Qualität der Röntgenbilder, was die Unterscheidung zwischen Zahnschmelz, Dentin, Pulpa und Nervkanal ermöglichte. Nun konnten sowohl vor Therapiebeginn Röntgenbilder der zu behandelnden Zähne oder Kieferbereiche für diagnostische Zwecke angefertigt, als auch der Behandlungserfolg später verifiziert werden. Zusätzlich unterlag die Patientenpositionierung einem Wandel. Zunächst wurden Schädelaufnahmen an liegenden Patienten durchgeführt, um bei den langen Expositionszeiten ein Verwackeln zu verhindern. Die Zahnärzte, die schon eine Röntgenanlage besaßen, gingen aus Bequemlichkeit bald dazu über, den Behandlungsstuhl für die Positionierung zu nutzen.
In den Anfängen wurden, um die genaue Fixierung im Mund zu gewährleisten, die Filme von einer weiteren Person im Mund gehalten. Als sich allerdings Erkenntnisse über die schädigenden Nebenwirkungen der Strahlung am Körper immer mehr durchsetzten, erfolgte die Filmpositionierung mit einer geeigneten Halterung. Anton Cieszynski, ein polnischer Zahnarzt, befasste sich in seiner Veröffentlichung 1907 mit der Einstellung des Zentralstrahls zur Film- und Zahnachse. Im gleichen Jahr stellte er schon einen Filmhalter her, der es ermöglichte, gleichzeitig Ober- und Unterkiefer in Okklusionsstellung aufzunehmen. Es dauerte noch bis Mitte der zwanziger Jahre, bis man erkannte, dass so ebenfalls die Darstellung von Approximalkaries möglich war und dieses Verfahren fest in den Behandlungsalltag integriert wurde.
Im Laufe der Zeit rückte die korrekte Einstellung der Stromstärke und der Expositionszeit immer mehr in den Vordergrund, um die Qualität der Röntgenbilder zunehmend zu verbessern und den Patienten im Sinne des Strahlenschutzes immer weniger zu belasten. So verringerten sich die Expositionszeiten durch die Erhöhung der Dosisleistung der Röntgengeräte von anfänglichen 30 Minuten auf 4 bis 5 Minuten im Jahr 1896. Bereits 1906 waren es nur noch 20 Sekunden. Mit heutigen Werten sind diese schon lange nicht mehr zu vergleichen. Aktuell liegen die durchschnittlichen Expositionszeiten zwischen 0,06 und 0,12 Sekunden.
Nach der Einführung der digitalen Radiologie in der Zahnmedizin 1986 wurden im Laufe der Zeit zunehmend konventionelle Röntgengeräte durch digitale ersetzt. Im Jahr 2013 waren schon 40 % der Praxen in Deutschland auf digitale dentale Röntgengeräte umgerüstet. Die Vorteile des digitalen Röntgens liegen aufgrund der empfindlichen Bildspeicherfolien und Sensoren nicht nur in der verringerten Strahlendosis am Patienten und einer besseren Bildqualität, sondern auch im schlankeren Prozessablauf, der Möglichkeit einer Bildbearbeitung, um auch kleinste Details zu erkennen, sowie der positive Effekt auf die Umwelt, weil nun keine umweltschädigenden Entwicklungschemikalien mehr benötigt werden.
Neben diesen Entwicklungen gab auch die Industrie den Anstoß für den Beginn der Digitalisierung der zahnärztlichen Radiologie in der Bundeswehr. Diese signalisierte die langfristige Einstellung der Produktion von analogen Röntgengeräten, Entwicklungsautomaten und Röntgenfilmen. Aber wo will man bei einem solchen Großprojekt beginnen? Wie entscheidet man, wer zuerst umgerüstet wird? Was muss man bei welchem Arbeitsschritt beachten? Das war definitiv eine umfangreiche Herausforderung, mit denen sich der Fachbereich Zahnmedizin in den letzten Jahren beschäftigen musste.
Bereits im Mai 2010 wurde die Erstellung der „Abschließenden funktionalen Forderung/Realisierungsgenehmigung“ (AF/ReG) „Digitale dentale Radiologie“ beauftragt und schließlich am 17. Mai 2013 schlussgezeichnet. Dieses Dokument, welches die durch den Fachbereich erarbeiteten technischen Forderungen sowie Haushaltsmittelplanungen enthält, stellt die Beschaffungsgrundlage dar. Bei der Erstellung und Planung galt es unterschiedliche Möglichkeiten fachlich gegeneinander abzuwägen, zum Beispiel ob Sensoren oder Speicherfolien für intraorale Röntgengeräte Verwendung finden sollten. Ein Vorteil von Speicherfolien gegenüber Sensoren ist die einfachere Handhabung am Patienten, die kostengünstigere Wiederbeschaffung als Verbrauchsmaterial gegenüber einem Sensor und außerdem sind sie unanfälliger bei der Lagerung und Aufbewahrung.
Neben den technischen Anforderungen spielte bei diesem Projekt natürlich die IT-Komponente eine wesentliche Rolle. Neben diversen zu erstellenden Konzepten, wie Datensicherungs- und Datenerhaltungs-, Rollen- und Rechte- sowie IT-Sicherheitskonzept, musste auch die technische und bauliche Realisierung geklärt werden. Aufgrund des bisher geringen Digitalisierungsgrades des Sanitätsdienstes konnte die Umsetzung mit all seinen Konsequenzen nur in Form eines autarken Netzwerkes erfolgen: beispielsweise eigene IT-Hardware, keine Anbindung ans BWI-Netz und lokale Speicherung der Daten auf einem separaten Server in den Zahnarztgruppen.
Nach produktneutraler Ausschreibung durch das Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) im Jahr 2017 erfolgte dann auch der lang ersehnte Vertragsabschluss über die digitalen dentalen Röntgenausstattungen für insgesamt 30 Standorte. Im Januar 2018 stellte das Kommando Sanitätsdienst der Bundeswehr Unterabteilung III Zahnmedizin (Kdo SanDstBw III) auf der zweiten Arbeitstagung des Kommando Regionale Sanitätsdienstliche Unterstützung (Kdo RegSanUstg) in Damp die geplante Einführung vor. Während die Bundeswehrkrankenhäuser (BwKrhs) und die zahnärztlichen Behandlungseinrichtungen (ZahnärztlBehEinr) in den Einsätzen ISAF, EUTM und KFOR bereits mit digitalen Geräten ausgestattet waren, stellte der Beginn der Implementierung entsprechender Röntgeneinrichtungen und der dazu notwendigen IT in den Sanitätsversorgungszentren (SanVersZ) eine wahrhaftige Herausforderung dar.
Neben der Beschaffung galt es für den Einbau die notwendigen infrastrukturellen Voraussetzungen in den Bestands- und Neubauten zu definieren und zu schaffen, wie zum Beispiel die Verstärkung von Boden und Wänden, das Anpassen der Beleuchtung in den Raumkonzepten und das Verlegen von Kabelkanälen zur Vernetzung der einzelnen Komponenten. Das Raumbuch 5708 „Röntgenraum Zahnarztgruppe“ wurde in diesem Zusammenhang vollständig überarbeitet. Der Inspekteur des Sanitätsdienstes der Bundeswehr (InspSan), Generaloberstabsarzt Dr. Ulrich Baumgärtner, betonte bei Übernahme der Dienstgeschäfte am 25. September 2018 ausdrücklich die Notwendigkeit der Digitalisierung, um langfristig eine bundesweite Vernetzung der Einrichtungen sicherzustellen.
Dies wurde in den Anfängen bereits berücksichtigt. Ebenfalls musste auch § 203 StGB im Konzept Beachtung finden, nach dem Gesundheitsdaten als besonders schützenswert gelten. Mit in Kraft treten der Europäischen Datenschutzgrundverordnung (EU-DSGVO) im Mai 2018 traten neue Herausforderungen auf, die in dem Rollen- und Rechtekonzept eingearbeitet werden mussten. Neben den zuständigen Referaten von BAAINBw und Kdo SanDstBw III-1 als konzeptionierendes Fachreferat waren Kdo SanDstBw Zahnärztlich Stelle, zuständig für das Qualitätsmanagement im zahnärztlichen Röntgen und beratend zum gesetzlichen und normkonformen Betrieb, Kdo RegSanUstg G 3.3 als Vertreter der regionalen zahnärztlichen Behandlungseinrichtungen, Kdo RegSanUstg G 6 für den Bereich IT, Vertreter der AG Digitalisierung und die Task Force IT sowie die zuständigen Administrativen Datenschutzbeauftragten (ADSB) involviert.
Eine ebenso große Herausforderung war es, die noch geltende Röntgenverordnung in Einklang mit diversen Teilen der DIN 6868, welche zu diesem Zeitpunkt in Erwartung auf das neue Strahlenschutzgesetz und die neue Strahlenschutzverordnung nur im Entwurf publiziert war, zu bringen und in die Planung zu integrieren. Vorteilhaft war, dass aufgrund des interministeriellen Austauschs die Gesetzes- und Verordnungsentwürfe bei Kdo SanDstBw Zahnärztliche Stelle in der Mitprüfung und somit bei der Konzeptionierung nicht unbekannt waren. Hilfreich war auch die hervorragende Vernetzung des Fachbereiches Zahnmedizin mit der Bundeszahnärztekammer und dem Bundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr (BAIUDBw) GS Strahlenmessstelle der Bundeswehr, welche einen stetigen Austausch ermöglichte.
Im März 2019 erfolgte dann endlich die Genehmigung zur Nutzung durch den Bevollmächtigten des Inspekteurs des Sanitätsdienstes bei Kdo SanDstBw XI und damit auch die Implementierung der digitalen dentalen Röntgenausstattungen an den ersten Standorten. Jede Situation ist hier individuell zu betrachten. Im Laufe des Prozesses kam es immer wieder zu Umkoordinierungen, da es an manchen Standorten zu unvorhersehbaren Bauverzögerungen kam, was letztendlich zu Vertragsänderungen zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer führte.
Mit Stand September 2020 wurde die digitale dentale Radiologie an 27 von 30 geplanten ZahnärztlBehEinr in Betrieb genommen. Aufgrund von Bauverzögerungen befinden sich die Umsetzungen an den fehlenden drei Standorte in der Endphase. Erfreulicherweise wurde trotz Verzögerungen durch die Covid-19 Pandemie im September diesen Jahres der Vertrag über die Ausrüstung mit digitaler Röntgenausstattung für weitere 18 Standorte geschlossen. Die Umsetzung ist noch für das 4. Quartal 2020 geplant. Ziel ist es, alle Zahnarztgruppen bis zum Jahr 2025 umgerüstet zu haben.
Zur Ausstattung gehört ein Intraoralröntgengerät mit Speicherfolientechnik, ein digitales PSA-Gerät bzw. DVT in den oralchirurgischen Zahnarztgruppen, ein Befundungsarbeitsplatz im Röntgenvorraum und in jedem Behandlungsraum sowie im Dienstraum Leiter Zahnarztgruppe ein weiterer Arbeitsplatz mit Betrachtungsmonitor. Standorte, die mit der digitalen dentalen Röntgenausstattung ausgerüstet wurden, verfügen selbstverständlich über entsprechende Behandlungseinheiten mit Monitor, um direkt mit dem Patienten seine Röntgenbilder auswerten und Aufklärungsgespräche führen zu können.
Während bei der Vorbereitung des Patienten kaum Veränderungen zu beobachten sind, erfordert die Administration eine große Umstellung. Da es sich bei allen Geräten um sogenannte stand alone – Geräte handelt (also lediglich eine Vernetzung der Rechner zu den Befundungs- und Betrachtungsmonitoren), werden ohne die Möglichkeit der Internetanbindung oder eine digitale Patientenakte zusätzliche Dokumentationen in der Software und der Behandlungskarte nötig. Des Weiteren kann bei einer Versetzung eines Soldaten der Datensatz nicht einfach versendet oder für die Dauer einer Mitbehandlung eines Facharztes freigeschaltet werden, sondern muss immer wieder auf einem Datenträger gebrannt werden. Insbesondere bei fachzahnärztlichen Konsilen oder der Beantragung genehmigungspflichtiger zahnärztlicher Behandlungsmaßnahmen über den regionalen begutachtenden Zahnarzt würde eine Vernetzung den „Dienstweg“ deutlich effizienter gestalten und zeitlich gesehen unseren Patienten zugutekommen. Entsprechende Weiterentwicklungen, auch im Hinblick auf die Archivierung der digitalen Patientenaufnahmen, sind durch Kdo SanDstBw III in Zusammenarbeit mit allen zuständigen Stellen bereits auf den Weg gebracht.
Es erfolgten Evaluationen zwischen ZahnärztlBehEinr, Kdo RegSanUstg G 3.3 und Kdo SanDstBw III sowie Kdo SanDstBw Zahnärztliche Stelle und ein enger Austausch mit BAAINBw und dem Auftragnehmer, um Fehlerquellen zu identifizieren und die Prozesse zu optimieren. Besonderer Dank gilt hier jenen motivierten und engagierten Kollegen in den regionalen ZahnärztlBehEinr, die durch Ihre konstruktiven Erfahrungsberichte und selbst erstellten Arbeitsanweisungen im kollegialen Austausch einen Beitrag zur Optimierung des Projektes leisten. Die lückenlose Integration in den Behandlungsalltag wird noch Zeit in Anspruch nehmen und weitere Herausforderungen aufzeigen, welche auch zukünftig die Motivation und enge Zusammenarbeit aller Beteiligten, insbesondere des Fachbereiches Zahnmedizin fordern. Die ersten Schritte in Richtung Digitalisierung sind erfolgt und werden noch viele nach sich ziehen.
1 Aus der Unterabteilung III Zahnmedizin der Abteilung A (AbtLtr: Generalarzt Dr. J. Backus) des Kommando Sanitätsdienst der Bundeswehr (Inspekteur des Sanitätsdienstes der Bundeswehr: Generaloberstabsarzt Dr. U. Baumgärtner)
Wehrmedizin und Wehrpharmazie 4/2020
Oberstabsarzt Chantal Jasmin Klein
Kdo SanDstBw III – Zahnmedizin
Von-Kuhl-Str. 5056070 Koblenz
E-Mail: ChantalKlein@Bundeswehr.org