ZAHNPFLEGE FÜR FEYZABAD

Ein Beitrag zur Mundgesundheit in Dadakshan

Von November 2009 bis Mitte April 2010 absolvierte der Verfasser einen Einsatz als Truppenzahnarzt im Rettungszentrum des PRT Feyzabad. Am Rande dieses Einsatzes engagierte er sich im Bereich der Jugendzahnpflege und initiierte Mundhygieneunterweisungen für Eltern und Kinder wie auch die Vermittlung entsprechender Inhalte an Lehrer und Lehramtsanwärter im Teacher Training College Feyzabad. Über seine Erlebnisse, den Ablauf und den Erfolg des Projekts gibt er im Folgenden einen gleichermaßen anschaulichen wie lebendigen und persönlichen Bericht. (Die Redaktion)

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 Von November 2008 bis April 2009, im 18. Kontingent ISAF, war ich im Zahnarzttrupp des Rettungszentrums im PRT Feyzabad eingesetzt. Das Patientenaufkommen erlaubte auch die Versorgung von Local Workers und Bewohnern aus der Umgebung, was von der PRT-Führung als Beitrag zur Force Protection gesehen und ausdrücklich begrüßt wurde. Oft litten die Menschen schon über lange Zeit an starken Zahnschmerzen, eine auch nur annähernd an westlichem Standard orientierte Behandlung gibt es in der Provinz Badakshan im äußersten Nordosten Afghanistans nicht. – Auffällig ist die unabhängig von Bildung und Wohlstand oft desolate Mundgesundheit. Die Entfernung mehrerer bleibender Zähne bei unter Zehnjährigen kam durchaus vor. Mundhygiene wird meist mit einem „miswak“ betrieben, einem Zweig des Arakbaumes, auch Zahnbürstenbaum genannt, der an einem Ende entrindet und durch Aufbeißen zerspleißt wird. Der gläubige Muslim soll vor jedem seiner fünf täglichen Gebete auch seine Zähne reinigen. So sagt Muhammed in einem Hadith, die Nutzung des Miswak sei eine Sunnah aller Propheten gewesen.

Dies alles war mir von meinem letzten Einsatz in Feyzabad im Gedächtnis geblieben, und als ich im November 2009 für das 21. Kontingent ISAF nach Feyzabad zurückkehrte, hatte ich mir vorgenommen, einen Beitrag zur Mundgesundheit vor Ort zu leisten, sofern die Umstände dies zuließen.


Prophylaxe für Kinder und Eltern

Bei COM PRT Feyzabad und J9 fand ich für mein Vorhaben Gehör und Unterstützung. Es stellte sich heraus, dass ich in meinem Ersteinsatz im PRT für mein jetziges Vorhaben zu wichtigen Wegbereitern aus dem zivilen Umfeld bereits hilfreiche und freundliche Beziehungen gewonnen hatte. Auch kannten mich noch viele der Local Worker und Sprachmittler und waren dafür aufgeschlossen, für ihre und die Mundgesundheit ihrer Kinder vom Wissen eines deutschen Zahnarztes zu profitieren. Dieses gesamte Netzwerk erwies sich nun für die Umsetzung des Vorhabens als wertvoll.

Bedeutsam für die Abwägung der Möglichkeiten über das PRT hinaus waren Dr. Momin, der Director des Department of Public Health der Provinz Badakshan, sowie der Chairman der Morningstar Foundation (amerikanische NGO, die eine Schule in Feyzabad betreibt) und informelle Führer der NGO-Gemeinschaft in Feyzabad, Jonathan Hollon. Weitere Kontakte ergaben sich zu Dr. Jendro, die als Expert for Teacher Training für den Deutschen Entwicklungsdienst DED im Teacher Training College Feyzabad (TTC) tätig ist, sowie zum Master Trainer des TTC und zum Master Trainer für alle TTC´s der Provinz.

Ich entschied mich, im PRT Unterrichte zur Mundhygiene für die Zielgruppe der lokalen Mitarbeiter und deren Kinder anzubieten, während im TTC eine Komponente „Mundhygiene“ in den Lehrplan der Lehrerausbildung für das Fach „Gesundheitserziehung“ integriert werden sollte.
Über PRT J9 wurde entsprechend der Vorgaben das Konzept als Projektantrag an das Einsatzführungskommando Potsdam weitergeleitet.
Leiter Einsatzwehrverwaltung berief eine Versammlung der lokalen Mitarbeiter ein, in der die zur Teilnahme bereite Größe der Zielgruppe der Local Worker mit ca. 100 Vätern und 200 Kindern festgestellt wurde. Wir legten fest, dass jeder Vater zwei seiner Kinder, wenn möglich unter 10 Jahren, mitbringen könne; insgesamt hatten die angesprochenen Familien an die 500 Kinder. Weitere Absprachen und Koordinierungen wurden z.B. für den Transport der Kinder mit der Verwaltung getroffen – ein bereits vertraglich gebundener und pauschal entlohnter Busunternehmer wurde zu weiteren Fahrten bestellt. Mit der Feldlagerkommandantur wurde festgelegt, welche Arbeiter zum jeweils anstehenden Unterrichtstermin freigestellt werden konnten, über JVB musste jeweils das Versammlungshaus reserviert werden, durch J6 wurden Beamer und Laptop zur Verfügung gestellt. MilSec stellte den Zugang zum PRT für die Besuchergruppen sicher. Feldlagerbetrieb sperrte einen Waschcontainer, wo eine Gruppe Freiwilliger den Kindern nach der theoretischen Unterweisung durch mich als Truppenzahnarzt die Praxis des Zähneputzens näher brachte. Mit der Morningstar Foundation konnte ich vereinbaren, dass sie Testkäufe für Zahnbürsten und Zahnpasta in Feyzabad vornahm, wonach ich ein Modell auswählte, das uns Morningstar dann unentgeltlich für die Familien der Unterrichtsteilnehmer zur Verfügung stellte.

Mit am Wichtigsten für das ganze Unterfangen war jedoch Nabil Azizi, der deutsch-afghanische Sprachmittler-Feldwebel, mit dem ich den Prophylaxeunterricht und einen mehrseitigen Flyer mit den Unterrichtsinhalten in der Landessprache Dari ausarbeitete. Dabei nutzten wir den in Deutschland altbekannten Originalfilm „Karius und Baktus“ und Illustrationen aus dem Internet. Azizi übersetzte auch meine Ausführungen bei den Kindern und ihren Vätern mit Verstand und Humor. Wir fingen mit kindgerechten Erklärungen und Darstellungen für die Kleinen an, die dann von meinem engagierten freiwilligen Helferteam Praxisanleitungen im Sanitärcontainer erhielten.
Währenddessen nutzten wir die Zeit, um für die Väter die Mundhygienehinweise für Erwachsene zu spezifizieren. Dabei legte ich die Vorzüge einer Zahnbüste dar, nicht ohne auf den durchaus vorhandenen Nutzen des „miswak“ zu verweisen, das im Koran als Hilfsmittel zur Mundhygiene gefordert wird. Ich gab auch Hinweise auf die Benutzung von Zahnseide, die jedoch in Feyzabad nicht erhältlich ist. Ich hatte deshalb weißes Nähgarn, 12 Rollen für 40 Afghanis, kaufen lassen, dessen Nutzung eine nahezu adäquate Zahnzwischenraumhygiene möglich macht.

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Nach Rückkehr der Kinder von ihren praktischen Übungen (Bild 1:… so müsste es gehen) sahen wir uns mit viel Spaß gemeinsam den Film „Karius und Baktus“ an. Danach erhielt jede Familie entsprechend ihrer Kinderzahl Zahnbürsten und Zahnpasta (Bild 2: Zahnbürsten für die Familie), unseren Flyer mit der Unterrichtszusammenfassung (Bilder 3, 4: Titelblatt und Auszug aus dem Flyer) und alle Kinder ein Geschenk. Sämtliche Sitzungen endeten mit einem Erinnerungsfoto (Bild 5: Zum Abschluss das Erinnerungsfoto). Die Begeisterung des Publikums war spürbar und zeigte sich in herzlichem Händeschütteln und dankbaren Umarmungen. Bis zum Ende meines Einsatzes wurden wir immer wieder von Teilnehmern ihrer „Compliance“ versichert. Diese Unterrichtsreihe vereinte viele Vorteile, so mussten unter anderem keine Geldmittel zur Verfügung gestellt werden, auch war kein Nachfolger zur Weiterführung gezwungen.
Im Umfeld wurde dieser Dienst an der Bevölkerung ebenfalls bekannt – mehrfach wurde ich von Besuchern des Rettungszentrums darauf angesprochen, der Gouverneur sprach uns für unser Engagement seinen Dank aus.
 

Unterweisung von Lehrern und Studenten

Das Wissen um die Bedeutung einer guten Mundhygiene für das orale aber auch systemische Wohlergehen als Triebfeder, nahm ich für den zweiten Teil des Projekts über den Master Trainer der Badakshan-TTC´s Kontakt zum Teacher Training College auf. Im TTC, der „Pädagogischen Hochschule“ Feyzabad, werden etwa 1200 Studenten für das Lehramt ausgebildet bzw. im Beruf fortgebildet. Diese sollten idealerweise ihren Schülern Basiswissen zur Mundhygiene vermitteln können.

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 Um den Dozenten eine Vorstellung meines Ansinnens zu geben, lud ich sie mit ihren eigenen Kindern zu einem separaten Prophylaxeunterricht ein. An diesen anschließend hielt der Master Trainer des TTC spontan eine halbstündige Dankrede und nahm dabei Bezug auf die Geschichte der deutsch-afghanischen Beziehungen. Wir vereinbarten einen Unterricht speziell für die Dozenten, der wenige Tage später im TTC in Feyzabad stattfand. Für diese Vorlesung bereitete ich den Stoff für das Niveau der Lehrkräfte auf. Azizi und ich erstellten eine CD mit Unterrichtsinhalten in Dari, aus deren Fundus die Dozenten selbst Vorlesungen gestalten und auch kleine Tests entwickeln können. Da das TTC ohne Beamer auskommen muss, übertrugen wir die wichtigsten Anschauungsinhalte auf Plakatgröße. Die halbtägige Veranstaltung fand im größten Vorlesungsraum des TTC statt. Das konzentrierte Auditorium stellte gezielte Fragen und nutzte die Möglichkeit zur Mitschrift. Es machte Freude, die Fruchtbarkeit unserer Bemühungen zu erleben. Der Master Trainer der Provinz nahm im Anschluss die Ausarbeitung eines strukturierten Lehrplanvorschlags für einen Unterricht zur Zahnprophylaxe im Fach „Gesundheitserziehung“ entgegen. Er gab mir per Handschlag das Versprechen, das Vorhaben umzusetzen und an den TTC´s die Lehramtsanwärter in die Anleitung ihrer zukünftigen Schüler zur Mundhygiene einzuweisen.
Die Veranstaltung schloss mit einer Einladung durch das Führungsgremium des TTC in ein – auch vom Gouverneur, so sagte man uns, häufig besuchtes – Restaurant zu einem großartigen Essen mit afghanischer Küche. Auch diese Veranstaltung im TTC wurde ohne den Einsatz von Geldmitteln durchgeführt. Der erfahrene Zuspruch machte große Freude. Für das PRT wurden dabei zahlreiche Kontakte generiert.

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 Ein glücklicher Umstand lässt den Grundgedanken der Anstrengungen weiterleben. Mein Nachfolger, Stabsarzt Schütt, war schon in Vorabtelefonaten an einer Fortführung der Idee interessiert. Wir fanden weitere Multiplikatoren für das Wissen um Basis-Mundhygiene in der Hebammenschule der NGO Kinderberg e.V. und der Schule der NGO Morningstar Foundation, an der etwa 500 Schülern vom Grundschulalter bis hin zu ca. 25 Jahren verschiedene Fächer wie Englisch, IT, Sport und Managementwissen gelehrt werden. Gelegentlich soll auch bei der vereinbarten Umsetzung am TTC nachgefasst werden. Unzählige Helfer und Unterstützer haben sich bei unseren Anstrengungen eingebracht. Auf diesem Weg möchte ich ihnen noch einmal herzlich danken! Ohne sie alle hätte dieses Projekt nie realisiert werden können. Über dieses Ergebnis wurde der zuständige Staatsanwalt umgehend informiert: nach Darstellung der aktuellen Erkenntnisse ordnete er entsprechende weitergehende Ermittlungen an: hierzu zählte u.a. der Antrag auf Exhumierung des Leichnams beim zuständigen Amtsgericht.

Datum: 03.03.2010

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