Matthias Kern, Stefan Wolfart, Guido Heydecke, ­Siegbert Witkowski, Jens...

Matthias Kern, Stefan Wolfart, Guido Heydecke, ­Siegbert Witkowski, Jens Christoph Türp und Jörg R. Strub, Curriculum Prothetik

Bd. 1–3 (= Curriculum), 5. überarb. und erw. Aufl., Berlin u. a.: Quintessence Publishing 2022, EUR 118,00 [978-3-86867-572-6]

P. Pospiech

Vorab für diejenigen Leser, die dieses dreibändige Kompendium noch nicht kennen, was angesichts der langen Laufzeit dieses Werkes eigentlich nur schwer vorstellbar ist:

Das Curriculum Prothetik gehört zu den Klassikern deutscher zahnmedizinischer Fachliteratur der neueren Zeit und wurde 1994 von Jörg Strub, Ordinarius für Zahnärztliche Prothetik in Freiburg, ins Leben gerufen.

Mit ihm hielt der Begriff des „Synoptischen Behandlungskonzeptes“ Einzug in die deutsche Prothetik: ein Konzept, welches auch die präprothetischen Fächer der Zahnheilkunde stärker in die prothetische Therapie einbezieht. So ist z. B. die Eingliederung einer Krone tatsächlich als Krönung der zuvor gelaufenen konservierenden, chirurgischen, teils auch kieferorthopädischen Maßnahmen zu sehen und sollte mit dem Ziel eines langfristigen ­Therapieerfolges auch die Beratung zum Hygiene- und Ernährungsverhalten und ein Prophylaxekonzept inkludieren.

Seit der ersten Auflage vor über einem viertel Jahrhundert hat sich die Welt der Zahnmedizin erheblich gewandelt. Dies bezieht sich auf Inhalte, aber auch auf die Organisation von Studium und Berufsausübung. Inhaltlich sind einige Verfahren dazu gekommen; man denke an die Erfolge der Adhäsivprothetik und die zunehmende Digitalisierung der Zahntechnik und Dentalen Technologie mit einer Vielzahl von neuen Werkstoffen und Verarbeitungsmethoden wie die CAD/CAM-Frästechnik und Sintertechnologie.

Diesen Entwicklungen trägt die Neuauflage des Curriculums absolut Rechnung. Auch die Bemühungen der letzten 25 Jahre, die prothetischen Behandlungsmaßnahmen wissenschaftlich besser zu untermauern, in dem kontrollierte Studien durchgeführt und Leitlinien erarbeitet wurden, finden im Curriculum ihren Widerhall.

Aber trotzdem unterliegt auch dieses dreibändige Werk angesichts der Themenvielfalt unseres Faches Beschränkungen, wie es auch schon im Vorwort zur ersten Auflage hieß: Es erhebt keinen Anspruch auf ein umfassendes Lehrbuch; zudem ist es geprägt von einer primär schweizerisch-deutschen Sicht auf die Prothetik. Das ist nicht verwerflich, aber vielleicht hätte doch die Chance ergriffen werden können, neben der „Freiburger Schule“ auch den Blick durch Hinzunahme „fremder“ Autoren etwas zu weiten. So wäre ein eigenes Kapitel zur Alterszahnheilkunde sicher eine sehr gute Ergänzung. Auch elektronische Registrierverfahren sind nicht mehr so neu, dass sie nicht hätten Erwähnung finden können.

Leider hat auch die offizielle Abkürzung „EMF“ für edelmetallfreie Legierungen noch keinen Einzug gefunden und diese Legierungen wurden weiterhin mit dem Kürzel „NEM“ versehen.

Ein weiterer Punkt, der den „schnellen Leser“ etwas betrüben mag: Das Stichwortverzeichnis ist teils sehr rudimentär, und zu den doch immerhin drei Kapiteln, die sich auf knapp 100 Seiten mit der Funktionsanalyse und -therapie beschäftigen, gibt es fast keine Begriffe im sogenannten Sachregister.

Aber das sind nur wenige Haare im ansonsten hervorragenden Eintopf, der uns sehr schmackhaft und gut zu essen gereicht wird. Einige Zutaten werden zwar nur homöopathisch dosiert, aber zumindest regen sie den Leser zur Literaturrecherche und vertiefenden Suche an. Bei anderen Kapiteln, wie z. B. zur Adhäsivprothetik, erkennt man die Kern-Kompetenz zur Thematik und man erhält sehr intensive Geschmackserlebnisse.

Alles in allem lässt sich sagen: Die Autoren legen einen Eintopf vor, der auch nach dem fünfmaligen Aufwärmen immer noch sehr gut schmeckt, wie es sich eben für einen guten Eintopf gehört. Er macht die Studenten bei einzelnen Themen womöglich nicht ganz satt, um sich exklusiv nur an diesem Menü zu laben. Aber sie werden bei der Examensvorbereitung definitiv nicht verhungern. Dem schon länger arbeitenden Zahnarzt kann er das täglich Brot gut ergänzen, insbesondere wenn es um die wissenschaftliche Absicherung der Speisekarte in der eigenen Praxis geht.

Es bleibt abzuwarten, wie der nächste Eintopf in der sechsten Auflage aussehen wird, denn die neue Approbationsordnung hat durch starke Einschränkungen und Veränderungen bezüglich praktischer Ausbildungsinhalte stark zur Verwässerung beigetragen.

Den Köchen ist es jedenfalls gelungen, die vielseitigen Geschmacks­erlebnisse der Zahnärztlichen Prothetik nahezubringen und Appetit auf mehr zu machen.

Das Lesevergnügen wurde zudem nicht getrübt, indem man auf die stark diskutierte Genderschreibweise zugunsten einer besseren Lesbarkeit verzichtet hat. Dies wurde im Vorwort auch noch einmal thematisiert und klargestellt, dass das generische Maskulinum eine grammatikalische Form ist, die per se alle Identitäten einbezieht.

So bleibt es nur zu wünschen, dass diese Mahlzeit wieder einmal auf möglichst vielen dentalen Tischen seinen Platz findet.

Guten Appetit!


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