Die komplexe prothetische Versorgung eines parodontologischen Patienten mit Implantaten – ein Fallbericht
Aus dem Sanitätsversorgungszentrum Seedorf (Leiterin: Flottillenarzt Dr. Y. Beißenhirtz) des Sanitätsunterstützungszentrums Wilhelmshaven (Leiter: Oberstarzt Dr. M. Clauss)
Einleitung:
Parodontitis ist eine der am meisten überwiegenden Krankheiten des Zahnhalteapparates, die sich von mild bis streng darstellt und als Hauptursache des Zahnverlustes gilt [1]. Dabei handelt es sich um einen entzündlichen zerstörenden Prozess, der durch den Verlust der Bindegewebeanhaftung und des alveolaren Knochens charakterisiert ist [2]. So lange die Entzündung auf das Zahnfleisch beschränkt bleibt, wird der Begriff Zahnfleischentzündung, Gingivitis, gebraucht. Geht die Entzündung auf den Zahnhalteapparat (Alveolarknochen, Zahnfleisch, Wurzelzement und Faserapparat) über, so spricht man von einer Parodontitis. Die Notwendigkeit einer allgemeinen und zahnmedizinischen Gesundheit hat, unter der Betrachtung militärischen Gesichtspunkt wegen der direkten und indirekten Folgen für die Dienstfähigkeit, eine besondere Bedeutung [3, 4].
In der Bundeswehr dienen nicht nur junge oder gesunde Menschen, sondern auch Patienten mit parodontalen Erkrankungen. Gingen früher die meisten Zähne noch aufgrund von Karies verloren, hat mittlerweile die Parodontitis diesen unrühmlichen ersten Platz übernommen. Bei der Betrachtung von Soldaten kommt oftmals die hohe Stressbelastung in Kombination mit einem Nikotinabusus hinzu, welche das Voranschreiten einer bestehenden Parodontitis begünstigen. Nach erfolgreicher Therapie der parodontalen Grunderkrankung und der Schaffung stabiler Verhältnisse steht die gegebenenfalls notwendige prothetische Rehabilitation an. Dabei werden alle gängigen Möglichkeiten der Therapie abgewogen, inklusive der Versorgung mit dentalen Implantaten. Es gilt dabei immer das Kredo, das der Patient zum einen kaufunktionell rehabilitiert werden soll und zum anderen dem erneuten Auftreten einer Parodontitis Einhalt geboten werden muss. Die Komplexität derartiger Therapiemaßnahmen sollen im Folgenden exemplarisch dargestellt werden.
Fallbeschreibung:
Der Patient stellte sich erstmalig Anfang 2015 beim Truppenzahnarzt vor. Zu dem Zeitpunkt war der Patient mit einer Interimsprothese versorgt und parodontologisch im Vorfeld antherapiert worden. Durch wechselnde Behandler und Versetzungen konnte die Behandlung allerdings nicht konsequent zu Ende geführt werden. Nun wünscht der Patient eine erneute Aufnahme und vor allem einen Abschluss der Therapie. Es erfolgte nach Befundung und Diagnosestellung die Therapieplanung, welche eine initiale Parodontaltherapie mit anschließender prothetischer Versorgung im Ober- und Unterkiefer bei stabilen parodontologischen Verhältnissen vorsah (Abb. 1). Nach ausführlicher Beratung zu den möglichen Versorgungsformen (Brücken, Prothesen und Implantaten) sowie der jeweils notwendigen Behandlung entschied sich der Patient für eine implantatprothetische Rehabilitation.
Nach Abschluss der parodontalen Therapie und Vorliegen von stabilen parodontologischen Verhältnissen, erfolgte die computerassistierte Implantatplanung mittels der Software coDiagnostiX. Diese Software erlaubt zum einen die Betrachtung und Auswertung von DICOM Datensätzen und zum anderen die Planung einer möglichen Implantation. Nach Analyse der Befunde ergab sich unter anderem die Notwendigkeit der Augmentation im Ober- und Unterkiefer. Das frühzeitige Vorliegen der Implantationsschablonen ermöglichten eine zielgerichtete Augmentation. Im Unterkiefer erfolgte die Entnahme eines Knochenblockes von retromolar mittels der Piezotechnologie (Abb. 2 und 3). Dieser wurde im Anschluss an die UK Front transplantiert und jeweils mittels zwei Osteosyntheseschrauben fixiert. Die Zwischenräume wurden mit ebenfalls retromolar gewonnen Knochenspänen unterfüttert und das Ganze mit einer resorbierbaren Membran abgedeckt (Abb. 4 und 5). Im Oberkiefer wurde im 2. Quadranten ein interner Sinuslift zusammen mit der Insertion der Implantate durchgeführt (Abb. 6). Im Anschluss an die Augmentation erfolgte nach einer Einheilphase von vier Monaten die Implantatinsertion unter Zuhilfenahme der coDiagnostiX Schablone (Abb. 7). Über den Zeitraum der Augmentation und der Einheilung der Implantate wurde der Patient mittels Tiefziehschienen und aufgefüllten Zähnen als Provisorium versorgt (Abb. 8). Diese Form der provisorischen Versorgung bietet sich an, da eine drucklose Belastung durch das Provisorium erfolgt und es auch nach der Volumenzunahme durch die Augmentation passt beziehungsweise sehr schnell angepasst werden kann.
Nach einer weiteren Einheilphase von vier Monaten wurden die Implantate mit Kronen und Brücken versorgt, wobei in der Oberkieferfront zuerst ein Provisorium auf den Implantaten eingegliedert wurde um die Form und Phonetik im Vorfeld der definitiven Restauration auszuprobieren und auszutesten (Abb. 9).
Diese wurde später in eine definitive Restauration umgesetzt. Das Kontrollbild nach zwei Jahren zeigt eine stabile Situation (Abb. 10).
Ergebnis:
Nach einer Behandlungszeit von insgesamt zwei Jahren konnte der Patient prothetisch und parodontologisch rehabilitiert werden. Er befindet sich seitdem in einem engmaschigem Recall und ist mit dem Ergebnis der Versorgung mehr als zufrieden.
Diskussion:
Gerade unter den älteren Soldaten finden sich immer mehr Patienten mit einer massiven Parodontitis. Die häufigen Versetzungen der Soldaten in Kombination mit den Auslandsaufenthalten und Lehrgängen erschweren eine durchgehende, strukturierte Behandlung oftmals, zumal der Zahnarzt als Sanitätsoffizier selber häufig versetzt wird und nicht immer durchgehend am Standort zur Verfügung steht. Es muss das Bewusstseins der Soldaten für die Wichtigkeit der mündlichen Hygiene und einer frühen Diagnose von gingivalen und parodontalen Problem aktiviert werden. Eine vorbeugende und heilende mündliche und an die militärische Umgebung angepasste Zahngesundheitspolitik sollte das Ziel sein und als eine hohe Priorität definierend werden. Gerade bei solchen Patienten ist es wichtig, dass nicht zu viel Zeit verloren geht. Ein ständiger Wechsel des Behandlers ist hier nicht zielführend und sollte nach Möglichkeit unterbleiben. Natürlich ist es auch auf der Patientenseite wichtig, dass dieser die Behandlung kontinuierlich fortführt. Oftmals stehen einer gewissen Kontinuität dienstliche Abwesenheiten im Wege. Hier gilt es den Spagat zwischen der Notwendigkeit der Zahngesundheit und dem Dienstbetrieb zu finden.
Anschrift des Verfassers:
Oberfeldarzt Priv.-Doz. Dr. Marcus Stoetzer
SanVersZ Seedorf
Fallschirmjäger-Kaserne
Twistenberg 120, 27404 Seedorf
E-Mail: marcusstoetzer@bundeswehr.org
Alle Bildrechte beim Verfasser
Datum: 20.08.2018
Quelle: Wehrmedizin und Wehrpharmazie 2/2018