DAS VETERINÄRWESEN
AUS DER PERSPEKTIVE DER ÜBERWACHUNGSSTELLE FÜR ÖFFENTLICH-RECHTLICHE AUFGABEN DES SANITÄTSDIENSTES DER BUNDESWEHR OST
J. Schulenburg
Mit der Neuausrichtung der Bundeswehr wurden die vier Überwachungsstellen für Öffentlich-Rechtliche Aufgaben des Sanitätsdienstes der Bundeswehr
(ÜbwStÖffRechtlAufgSanDstBw, im Folgenden kurz: ÜbwSt) als eigenständige Dienststellen in Kronshagen, Weißenfels , Bogen und Diez neu aufgestellt. Die ÜbwSt Ost hat den Schwerpunkt Veterinärmedizin und übernimmt damit die öffentlich-rechtlichen Aufgaben in diesem Fachgebiet nicht nur im regionalen Zuständigkeitsbereich in Deutschland, sondern auch für Auslandsdienststellen sowie für Auslandseinsätze, bei denen ein Sanitätsoffizier Veterinär (SanOffz Vet) nicht ständig vor Ort ist. Sie deckt damit ein sehr vielseitiges Kompetenzspektrum im In- und Ausland ab. Von der Überwachung der Lebensmittelsicherheit und des Tierschutzes über die Prophylaxe und die Bekämpfung von Tierseuchen bis hin zur kurativen Versorgung der Diensttiere ist das Personal im Veterinärwesen sehr gefordert.
Rechtliche Grundlagen
Den ÜbwSt obliegt auf der Ortsebene die Durchführung verschiedener Gesundheits- bzw. Verbraucherschutzgesetze, der aufgrund dieser Gesetze erlassenen Vorschriften sowie der unmittelbar geltenden Rechtsakte der Europäischen Union im Anwendungsbereich dieser Gesetze. Von den insgesamt 16 relevanten Gesetzen seien hier stellvertretend das Arzneimittel-, das Infektionsschutz-, das Arbeitsschutz-, das Tierschutzgesetz und das Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuch genannt. Grundsätzlich liegt der Vollzug dieser Gesetze in der Hand der Bundesländer, der Gesetzgeber hat jedoch diese Aufgabe für den Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung (BMVg) den jeweils zuständigen Stellen und Sachverständigen der Bundeswehr übertragen (sogenannte Eigenvollzugskompetenz).
Zur Wahrnehmung der Eigenvollzugskompetenz sind in den ÜbwSt die betroffenen Fachgebiete (Präventivmedizin/Hygiene, Arbeitsmedizin, Veterinärwesen und Lebensmittelchemie/Pharmazie) mit jeweils einer Abteilung (Abt) abgebildet (siehe Abb. 1). Dabei ist in jeder ÜbwSt ein Fachgebiet als Schwerpunkt ausgebracht. Der ÜbwSt Ost ist der Schwerpunkt Veterinärwesen zugeordnet. Das bedeutet, dass die ÜbwSt Ost über die Aufgabenwahrnehmung im Inland hinaus für die veterinärmedizinischen Belange in Bezug auf die Auslandsdienststellen und die -einsätze, bei denen eine ständige Präsenz eines SanOffz Vet nicht gegeben ist, zuständig ist.
Für die Abt III der ÜbwSt Ost ergibt sich daraus die Verpflichtung, öffentlich-rechtliche Aufgaben in den klassischen drei Rechtsgebieten des Veterinärwesens im In- und Ausland wahrzunehmen, d. h.
- im Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelrecht,
- im Tierschutzrecht und
- im Tierseuchen- bzw. Tiergesundheitsrecht.
Die Bundeswehr hat die entsprechenden Gesetze aus Fürsorgegründen grundsätzlich auch im Rahmen von Auslandseinsätzen zu beachten. Einsatzbedingte Abweichungen sind dann zulässig, wenn diese nach Lage und Auftrag erforderlich sind und Gefährdungen der Gesundheit von Bundeswehrangehörigen bzw. Gefahren der Einschleppung von Tierseuchen in den Europäischen Wirtschaftsraum dabei nicht zu erwarten sind.
Dreistufiger Aufbau des Veterinärwesens
Wie in den meisten Bundesländern ist auch das Veterinärwesen der Bundeswehr dreistufig aufgebaut (siehe Abb. 2).
Die oberste Rechts- und Fachaufsicht über die öffentlich-rechtlichen Aufgaben im Sanitätsdienst liegt beim Referat Führung Streitkräfte (FüSK) II 7 im BMVg. Das Referat ist damit vergleichbar mit einer obersten Landesbehörde im zivilen Bereich. Der Referent bzw. die Referentin für Veterinärmedizin nimmt beispielsweise an den Sitzungen der Arbeitsgruppen der Länderarbeitsgemeinschaft Verbraucherschutz (LAV), deren Ziel ein bundeseinheitliches Verwaltungshandeln ist, teil. Darüber hinaus ist er bzw. sie fachliche Ansprechstelle für andere Bundesressorts und die Ministerien der Länder.
Die unmittelbare Fachaufsicht über die Abt der ÜbwSt wird von den entsprechenden Unterabteilungen (UAbt) des Kommandos Sanitätsdienst der Bundeswehr (Kdo SanDstBw) und im Falle der Veterinärmedizin von der UAbt IV wahrgenommen. Für das Veterinärwesen ist die UAbt IV die öffentlich-rechtliche Mittelbehörde, welche die fachlichen Weisungen für die Durchführung der Lebensmittel-, Tierschutz- und Tierseuchenüberwachung im Bereich der Bundeswehr erstellt. Darüber hinaus ist sie Widerspruchsinstanz gegen Bescheide der Abt III der ÜbwSt.
Die Abt III der ÜbwSt sind das Äquivalent zu den Veterinärämtern der Kreise und kreisfreien Städte. Sie stellen somit im dreistufigen Aufbau die unteren Verwaltungsbehörden bzw. die Ortsebene dar. Der regionale Zuständigkeitsbereich der ÜbwSt Ost in Weißenfels erstreckt sich auf das Gebiet der Bundesländer Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Berlin, Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen.
In dieser regionalen Zuständigkeit werden allgemeine Aufgaben einer Abt III einer ÜbwSt wie folgt wahrgenommen:
- Überwachung der Verpflegungseinrichtungen und der Einrichtungen der bewirtschafteten Betreuung der Bundeswehr,
- Auditierung von Lieferbetrieben für Lebensmittel,
- Aufklärung der Ursache von potentiell lebensmittelbedingten Gruppenerkrankungen,
- Überwachung der tierschutzgerechten Haltung von Diensthunden und von privat gehaltenen Tieren in Bundeswehrliegenschaften,
- Bekämpfung und Prophylaxe von Tierseuchen, insbesondere auf Truppenübungsplätzen,
- Überprüfung der Einsatzfähigkeit von Diensthunden,
- Kurative Versorgung von Diensthunden einschließlich präventiver Maßnahmen,
- Sicherstellung der Einsatzreife und der fachlichen Einweisung des Fachpersonals im Aufgabenbereich.
Darüber hinaus sind folgende Schwerpunktaufgaben von der Abt III der ÜbwSt Ost wahrzunehmen:
- Sicherstellung der öffentlich-rechtlichen Aufgaben im Bereich der Veterinärmedizin in Auslandsdienststellen und -einsätzen ohne Zelle ÖffRechtlAufgSanDstBw Einsatz,
- Koordination der personellen Einsatzgestellung im Bereich Veterinärmedizin für alle ÜbwSt,
- Erstellung von Beiträgen zu veterinärmedizinischen Grundsatzangelegenheiten für die UAbt IV des Kdo SanDstBw,
- Erstellung der veterinärmedizinischen Grundlagen für den Betrieb und das Qualitätsmanagement der Zellen ÖffRechtlAufgSanDstBw Einsatz.
In ihrer Aufgabenerfüllung stützen sich die ÜbwSt auf die Laborexpertise der Zentralen Institute des Sanitätsdienstes der Bundeswehr (ZInstSanBw) Kiel, München und Koblenz ab. Neben der Tierseuchendiagnostik wird hier unter anderem die Untersuchung von Proben von Lebensmitteln inklusive Trinkwasser und von Arzneimitteln sowie von klinischen Proben von Diensttieren durchgeführt.
Beispielhafte Darstellung der allgemeinen Aufgaben der Abteilungen III der ÜbwSt
Im Bereich der Verpflegungseinrichtungen und der Einrichtungen der bewirtschafteten Betreuung erfolgt die Überwachung des Lebensmittelrechts durch risikoevaluierte, amtliche Kontrollen, d. h. gut geführte Einrichtungen bzw. solche mit geringem Hygienerisiko werden weniger häufig überwacht. Die Sachverständigen der ÜbwSt begehen (Feld-)Küchen, Kantinen und Verpflegungslager sowie sonstige Einrichtungen der Bundeswehr, in denen Lebensmittel behandelt werden. Sie überprüfen, ob diese hygienisch einwandfrei und den gemeinschaftlichen und nationalen sowie auch bundeswehrinternen Vorschriften entsprechend betrieben werden und beraten diesbezüglich den verantwortlichen Lebensmittelunternehmer bzw. fordern eine entsprechende Mängelabstellung. Damit leisten sie einen wesentlichen Beitrag zum vorbeugenden Gesundheitsschutz der Bundeswehrangehörigen.
Wie effizient die öffentlich-rechtlichen Aufgaben der Bundeswehr als Teil der Gesundheitsversorgung auch approbationsübergreifend bzw. interdisziplinär wahrgenommen werden, wird bei Betrachtung der Aufklärung potentiell lebensmittelbedingter Gruppenerkrankungen deutlich. Hier arbeiten Labormediziner und veterinärmedizinische Mikrobiologen der ZInstSanBw wie auch Sachverständige der Abt I, III und IV der ÜbwSt Hand in Hand mit Truppenärzten bzw. Truppenärztinnen. Vor allem im Zusammenhang mit Einsätzen der Bundeswehr muss immer wieder die große Bedeutung von Gruppen- bzw. Massenerkrankungen betont werden, da sie die Einsatzbereitschaft mitunter gefährden können.
Die SanOffz Vet arbeiten darüber hinaus bei der Bekämpfung und dem Monitoring von Tierseuchen, wie der Wildschweinepest auf Truppenübungsplätzen, eng zusammen mit den Amtstierärzten und Amtstierärztinnen der Veterinärämter.
Eine weitere Aufgabe der SanOffz Vet der ÜbwSt ist die Überprüfung des Gesundheitszustandes und der Einsatzfähigkeit der Diensthunde (siehe Abb. 3). Bei den Diensthundeprüfungen leiten sie die Prüfungskommissionen, die über Bestehen oder Nichtbestehen der Diensthundeteams entscheiden. Sie untersuchen auch, ob die Diensthunde gesundheitlich in der Lage sind, ihre Aufgaben zu erfüllen und leiten ggf. eine Therapie oder die Ausmusterung des betreffenden Diensthundes ein. Die ausgemusterten Diensthunde werden in der Regel in die Gnadenbrothaltung an der Schule für Diensthundewesen der Bundeswehr überführt. Alternativ ist es möglich, einen ausgemusterten Diensthund in Pflege zu nehmen und dabei einen Zuschuss für Futter und Pflege sowie die Erstattung von Tierarztkosten zu erhalten.
Last but not least ist zu erwähnen, dass die Diensthunde im regionalen Zuständigkeitsbereich von den ÜbwSt kurativ versorgt und insbesondere die notwendigen Impfungen vor den Auslandseinsätzen vorgenommen werden.
Beispielhafte Darstellung der Schwerpunktaufgaben der Abteilung III der ÜbwSt Ost
Von der ÜbwSt Ost werden die Auslandseinsätze der Bundeswehr Active Fence Turkey (AF TUR) in der Türkei sowie die United Nations Multidimensional Integrated Stabilization Mission in Mali (MINUSMA) mit Anteilen auch im Senegal und die European Training Mission in Mali (EUTM Mali) als auch der Logistische Umschlagspunkt Trabzon in der Türkei mit einem Leitenden Veterinär im Einsatz (LtdVet i. E.), der auf einem temporären Dienstposten geführt wird, anlassbezogen und routinemäßig im Fachgebiet unterstützt.
In jedem Einsatz ist die Bereitstellung von Verpflegung für die eingesetzten Soldaten zu organisieren. Seitens der Wehrverwaltung erfolgt die Prüfung der verschiedenen Möglichkeiten einer Bereitstellung von Verpflegung. Dies sind im Wesentlichen die folgenden Varianten:
- Eigenversorgung über Einsatzküchen bzw. Feldküchen,
- Verpflegung über Host Nation Support,
- Verpflegung durch ein ziviles Catering-Unternehmen.
Über einen Variantenvergleich werden das effektivste Verpflegungssystem und dementsprechend in Frage kommende Betriebe identifiziert. Bei der Beurteilung der Eignung der Betriebe werden insbesondere lebensmittelhygienische Aspekte berücksichtigt, die im Rahmen von Auditierungen erfasst werden (siehe Abb. 4).
Im Stadium der Vertragsvorbereitung werden Sachverständige der ÜbwSt Ost in die Überprüfung der lebensmittelhygienischen Bedingungen mit einbezogen. Dabei werden die Infrastruktur und die Ausrüstung, die Beschaffung von Lebensmitteln sowie das Hygienemanagement bewertet. Ungeeignete Einrichtungen werden im Zuge der Auditierungen abgelehnt.
Im Einsatz AF TUR wurde in der Einsatzliegenschaft eine Verpflegungseinrichtung, die von einem zivilen Catering-Unternehmen betrieben wird, neu errichtet. Im Rahmen der Vorbereitung der Inbetriebnahme erfolgten eine Abnahme sowie die Festlegung der Rahmenbedingungen zum Betrieb der Einrichtung. Diese Einrichtung wird routinemäßig im Rahmen der öffentlich-rechtlichen Tätigkeit des LtdVet i. E. (temporär) inspiziert. Von besonderem Wert zur Gewährleistung der hygienischen Bedingungen in dieser Küche ist die ständige Anwesenheit von militärischem Verpflegungsfachpersonal.
Im Einsatz MINUSMA in Dakar (Senegal) erfolgte durch die Wehrverwaltung eine erste Hotelauswahl für die Einsatzkräfte. Im Rahmen eines Ausschreibungsverfahrens wurden dann die hygienischen Bedingungen in den Hotelküchen überprüft. Von vier vorgestellten Hotels wurden drei aus hygienischer Sicht als geeignet bewertet. Außerdem erfolgte die Auditierung eines Lieferbetriebes, der die meisten Hotels in Dakar mit Lebensmitteln beliefert. Die derzeit genutzte Hotelküche wird routinemäßig durch die ÜbwSt Ost inspiziert.
Neben den Aufgaben auf dem Gebiet der Lebensmittelsicherheit werden auch Fragen im Zusammenhang mit der Rückführung von Material unter dem Aspekt der Verhinderung der Einschleppung von Tierseuchen in den europäischen Wirtschaftsraum bearbeitet.
Zusammenfassend betrachtet, sind die veterinärmedizinischen Aufgaben der ÜbwSt Ost sehr vielseitig und fordernd und gleichzeitig auch höchst interessant und persönlichkeitsfördernd. Die diesbezüglichen Dienstposten zeichnen sich durch eine hohe Attraktivität aus.
Datum: 11.02.2015
Wehrmedizin und Wehrpharmazie 2014/3