WIE KANN DER SANDIENST DER BUNDESWEHR DEN ZIVILEN BEVÖLKERUNGSSCHUTZ UNTERSTÜTZEN?
Der Stützpunkt für Zivil-Militärische Zusammenarbeit Sanitätsdienst in Weißenfels
Mit der neuen Konzeption für den Bevölkerungsschutz haben sich die Strukturen und die Ausstattung der zivilen Helfer und Organisationen für den Katastrophenfall oder die Bewältigung von schweren Unglücksfällen/ Großschadensereignissen geändert. Gleichzeitig hat der Zentrale Sanitätsdienst der Bundeswehr, beginnend im Herbst 2009, den ersten Stützpunkt für Zivil-Militärische Zusammenarbeit (ZMZ) des Sanitätsdienstes in Weißenfels aufgestellt.
Der Artikel gibt einen Überblick über die Möglichkeiten und Grenzen einer Unterstützung ziviler Krisenstäbe durch den Sanitätsdienst der Bundeswehr und die hierzu in Weißenfels vorgehaltenen Kräfte. Für die Unterstützung durch die Bundeswehr gilt dabei das Subsidiaritätsprinzip. Der Artikel wird parallel in der Zeitschrift Bevölkerungsschutz des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe veröffentlicht.
In Deutschland liegen im Frieden die Zuständigkeit und die Verantwortung für den Katastrophenschutz in den Händen der Bundesländer. Die Länder, Bezirke, Kreise, und die kreisfreien Städte haben Vorsorge zu tragen, um im Katastrophenfall (oder bei schweren Unglücksfällen und Großschadensereignissen) Personal und Material zeitgerecht zum Einsatz zu bringen. Die neue Konzeption für den Bevölkerungsschutz in Deutschland wurde erarbeitet und ist Grundlage für die Ergänzung der Ausstattung der Länder mit Blick auf die besonderen Gefahrenlagen. Die Kreise, Bezirke, bzw. die kreisfreien Städte stellen dabei die Träger der Rettungsdienste dar. Katastrophenfälle oder große Unglücks-, bzw. Schadensereignisse können schnell zu Lagen führen, in denen Kapazität und Fähigkeiten der verfügbaren zivilen Bevölkerungsschutz- Kräfte überfordert werden. Unwetter, Überschwemmungen, Erdbeben oder strenge Wintertemperaturen können dabei Menschenleben gefährden oder schädigen. Ebenso kann Infrastruktur durch Unfälle, Brände, Explosionen oder Anschläge stunden- oder tageweise gelähmt oder zerstört werden. In Hinblick auf eine Unterstützung durch die Bundeswehr ergeben sich daraus folgende Fragen:
• Wie und unter welchen Umständen kann in solchen Situationen der Sanitätsdienst der Bundeswehr effektiv unterstützen?
• Welche besonderen Fähigkeiten können durch die Bundeswehr zur Unterstützung bereitgestellt werden?
• Wie kann die Zusammenarbeit mit einem Stützpunkt für Zivil-Militärische Zusammenarbeit (ZMZ) des Sanitätsdienstes praktisch gestaltet werden? (Abb. 1)
Das Streitkräfteunterstützungskommando der Bundeswehr hat im Jahr 2009 die Grundsatzweisung für Hilfeleistungen der Bundeswehr im Inland durch Kräfte der ZMZ-Stützpunkte erlassen. Auf Grundlage des Auftrags der Bundeswehr und der hierzu vorgehaltenen Kräfte und Mittel unterstützt insbesondere der Zentrale Sanitätsdienst der Bundeswehr mit seinen speziellen Fähigkeiten zivile Bedarfsträger bei Naturkatastrophen oder besonders schweren Unglücksfällen und Großschadensereignissen im Inland. Bereits in der Vergangenheit ist der Sanitätsdienst der Bundeswehr ein zuverlässiger Partner in der Bewältigung von Naturkatastrophen gewesen. Die Unterstützung bei Jahrhunderthochwassern z. B. an Mulde und Elbe im Jahr 2002 oder die regelmäßige Teilnahme an den LÜKEX Übungen der letzten Jahre belegen dies.
Die ZMZ-Stützpunkte der Bundeswehr
Die Bundeswehr hält zukünftig insgesamt 16 ZMZ-Stützpunkte in Deutschland, neun davon als ZMZ-Stützpunkte des Sanitätsdienstes vor. Die für den militärischen Auftrag verfügbaren sanitätsdienstlichen Kräfte eignen sich dabei insbesondere subsidiär und im Rahmen der Hilfeleistung, Not- oder Amtshilfe (gem. Art 35 GG) in Deutschland die zivilen Träger der Rettungsdienste zu unterstützen. Die ZMZ-Stützpunkte des Sanitätsdienstes werden im Kern durch die Sanitäts- und Lazarettregimenter betrieben. Im Gegensatz zu den weiteren ZMZ Stützpunkten der Bundeswehr bieten insbesondere die Stützpunkte des Sanitätsdienstes ein flächendeckendes System regionaler Zuständigkeiten. Am 02. September 2009 wurde der erste ZMZ-Stützpunkt der Bundeswehr durch den Bundesminister der Verteidigung im Sanitätsregiment 32 in Weißenfels in Dienst gestellt. Aufgrund seiner Lage im Süden Sachsen-Anhalts ist der ZMZ-Stützpunkt Sanitätsdienst Weißenfels Ansprechpartner für die Kreise, Bezirke, bzw. die kreisfreien Städte Sachsens, Thüringens und des südlichen Teils Sachsen-Anhalts.
Das Sanitätsregiment 32 ist ein Verband des Zentralen Sanitätsdienstes der Bundeswehr, der über die erforderlichen sanitätsdienstlichen Einsatz-, Unterstützungs- und Führungsunterstützungskräfte verfügt, um Stabilisierungsoperationen der Bundeswehr (z. B. derzeit in Afghanistan und im Kosovo) zu unterstützen. Das Personal und das Material sind dabei so ausgebildet, bzw. ausgelegt, dass alle erforderlichen notfallmedizinischen und notfallchirurgischen Leistungen zur Versorgung der deutschen Soldaten unter Einsatzbedingungen, in jeder Klimazone und in können. Die notfallmedizinische und notfallchirurgische Versorgung konzentriert sich dabei auf die Behandlung lebensbedrohlicher Erkrankungen, Verletzungen oder Verwundungen, die Stabilisierung der Vitalparameter, bzw. die Versorgung der Soldaten nach den Prinzipien der Damage Control Surgery zur Wiederherstellung der Transportfähigkeit. Die Anforderungen an die Ausbildung der Sanitätssoldaten, an das Material oder an die Zielsetzung der Behandlung ähneln dabei den Grundsätzen der Behandlung bei Naturkatastrophen oder besonders schweren Unglücksfällen und Großschadensereignissen im Inland.
Der ZMZ-Stützpunkt Sanitätsdienst in Weißenfels
Mit welchen Fähigkeiten kann der ZMZStützpunkt des Sanitätsdienstes in Weißenfels im Rahmen der Hilfeleistung, Not- oder Amtshilfe (gem. Art 35 GG) unterstützen?
Vor dem Hintergrund des militärischen Auftrags, der hierzu angepassten Ausbildung der Soldaten und der einsatzorientierten Beschaffung von Sanitätsmaterial verfügt das Sanitätsregiment 32 in Weißenfels über Kräfte, die mobil verfügbar sind und autark in Bereichen mit zerstörter Infrastruktur eingesetzt werden könnten. Die Kräfte werden eigenbeweglich zu ihrem Einsatz im Landtransport verlegt und abhängig von den Einsatzbedingungen modular in seinen Teilfähigkeiten eingesetzt. Insbesondere diese hohe Mobilität und Flexibilität unserer Behandlungseinrichtungen ist dort interessant, wo medizinische Infrastruktur nicht ausreichend existiert, die Versorgung mit Strom und Wasser eingeschränkt ist oder das Wegenetz zerstört wurde. Die Fahrzeuge des Stützpunktes sind geländegängig und sind damit in der Lage auch in schwierigem Gelände eingesetzt zu werden.
Die Ausbildungsgänge der Sanitätssoldaten des Stützpunktes sind fachlich angeglichen an die Berufsbilder des zivilen Gesundheitssystems (z.B. Arzt mit Fachkunde/Zusatzbezeichnung Rettungsmedizin, Rettungsassistent, Rettungssanitäter) und werden durch die einsatzorientierte militärische Ausbildung nach international anerkannten Standards (z.B. ATLS, PHTLS) ergänzt.
Die Herangehensweise für die eigene Planung und Vorbereitung im Sanitätsregiment 32 zur Übernahme des Auftrags als ZMZ-Stützpunkt orientiert sich dabei an folgenden Annahmen: Unterstützung der Kräfte des Bevölkerungsschutzes nach Anforderung durch einen zivilen Krisenstab (Kreis, Bezirk, Stadt, Bundesland), dabei
• Schwerpunkt der Unterstützung im Bereich der medizinischen Rettung und der Beherrschung eines Massenanfalls von Verletzten.
• Einsatz in Bereichen zerstörter Infrastruktur und der damit verbundenen Notwendigkeit des Einsatzes geländegängiger Fahrzeuge,
• logistische Autarkie der eigenen eingesetzten Kräfte im Einsatzraum,
• sanitätsdienstliche Unterstützung auf Grundlage gemeinsamer, nationaler fachlicher Standards und vergleichbarer medizinischer Ausstattungen und
• Führung der Kräfte im Einsatz durch die Einsatzleitung vor Ort unter Nutzung der Möglichkeiten des BOS Funks.
Die Kräfte des ZMZ-Stützpunktes Sanitätsdienst unterstützen dabei im Einsatz den Einsatzabschnitt ››Medizinische Rettung‹‹ und werden durch den Einsatzleiter geleitet und koordiniert.
Datum: 11.10.2010
Quelle: Wehrmedizin und Wehrpharmazie 2010/2