23.10.2023 •

Aufwuchs eines Regimentes: Ein Portrait des Sanitätsregimentes 4

M.-C. Groß

Indienststellungsappell SanRgt 4
Bundeswehr/Kdo RegSanUstg

Die Notwendigkeit zur Neuaufstellung und die Aufstellungsphase im Jahr 2018 wurde erstmalig nach Jahren der Truppenreduzierung in einem Leitungsboard Personal des Bundesministeriums für Verteidigung entschieden, dass die Bundeswehr wieder wachsen solle. Die veränderten sicherheitspolitischen Rahmenbedingungen mit einer stärkeren Akzentuierung auf Landes- und Bündnisverteidigung sind der Grund, dass gerade der Bedarf an Sanitätspersonal zur Unterstützung der Truppe groß ist. Kasernen, bei denen bereits eine Schließung geplant wurde, wurden genau unter die Lupe genommen und auf die Möglichkeit einer Reaktivierung geprüft. 

Die Theodor-Blank-Kaserne im münsterländischen Rheine hat bei einer solchen Überprüfung bestanden. Neben dem großzügigen Kasernengelände bietet der Standort mit dem nahegelegenen Standortübungsplatz und einer großen Standortschießanlage hervorragende Ausbildungs- und Übungsmöglichkeiten. Die räumliche Nähe zum 400. Geneeskundig Bataljon der Niederländischen Streitkräfte in Ermelo, zu deren Sanitätsdienst bereits eine enge Zusammenarbeit besteht, ist dabei ein weiterer Pluspunkt. Im Tagesbefehl des Generalinspekteurs der Bundeswehr vom 01.07.2019 wurde entschieden, dass zum 01.04.2020 in dieser Kaserne ein zusätzliches Sanitätsregiment (SanRgt) aufgestellt werden soll.

Gesagt, getan – ein neunköpfiges Team hat im Rahmen eines Vorkommandos bereits am  22.07.2019 mit den Vorbereitungen zur Aufnahme der ersten SoldatInnen in der Theodor-Blank-Kaserne begonnen. Zum 01.04.2020 konnte das SanRgt 4 mit einer Anfangsaufstellung, bestehend aus zwei Einsatzkompanien, einer Sanitätsausbildungskompanie und einem Regimentsstab mit einer Gesamtstärke von 230 SoldatInnen seinen Dienst wie geplant aufnehmen.  

Wie jede Dienststelle der Bundeswehr hat auch das SanRgt 4 sein eigenes identitätsstiftendes Wappen. Das Wappen des Verbandes hat die Form des heraldischen Dreieckschildes. Dieser ist durch einen im unteren Bereich rund verlaufenden Göpelschnitt in drei Teile aufgegliedert. Das rechte Feld zeigt das Wappen des Sanitätsdienstes der Bundeswehr. Das linke Feld gibt das Stadtwappen der Stadt Rheine wieder und im unteren
Teil sind Schlägel und Eisen dargestellt, die eine Verbindung zur Bergbauregion des Ruhrgebietes zulassen. Der Schlachtruf unseres Regimentes ist in Anlehnung an den Bergmannsgruß: „Glück auf“!  

In den Anfangsmonaten erlebte dieses junge Regiment bereits seine erste Belastungsprobe. Wir erinnern uns alle an die Coronapandemie, die ab Januar 2020 unser aller Leben und Arbeiten erheblich beeinflusste. Die Bundeswehr und speziell der Sanitätsdienst wurden im Rahmen ziviler Amtshilfe gefordert. Auch das SanRgt 4 hat einen wichtigen Beitrag zur Bekämpfung der Pandemie geleistet. Über zwei Jahre haben bis zu 33 SoldatInnen täglich an insgesamt 16 Standorten in Abstrich- und Impfzentren sowie Krankenhäusern das zivile Gesundheitssystem entlastet. Zusätzlich waren zahlreiche SoldatInnen täglich mit bundeswehrinternen Unterstützungsleistungen beauftragt. Die geleistete Amtshilfe durch die Bundeswehr wurde in der Bevölkerung sehr wertgeschätzt. Im Kreis Recklinghausen entstand eine tiefe Verbundenheit und Freundschaft der Einwohner der Stadt Haltern am See zu unserer 3. Kompanie. Am 21.06.2022 wurde aus dieser Verbundenheit heraus die Patenschaft zwischen der Stadt und der 3. Kompanie geschlossen. 

Die Pandemie hatte aber auch erhebliche Auswirkungen auf den Dienstbetrieb. Die Ausbildungskompanie war damit beauftragt, den ersten Durchgang einer Allgemeinen Grundausbildung vorzubereiten und sicherzustellen. Es mussten Hygienekonzepte erstellt, Voraussetzungen zur Sicherstellung der ausgearbeiteten Hygieneregeln geschaffen und Unterrichtsmaterialien für ein computergestütztes Lernen auf Distanz („Distance Learning“) erarbeitet werden. Auch dieser Auftrag, der derzeitige Hauptauftrag des SanRgt 4, konnte pflichtgemäß und termingerecht erfüllt werden. Im Mai 2021 startete der erste Durchgang. Mittlerweile führen wir bereits zum achten Mal die „Allgemeinmilitärische Grundbefähigung militärisches Personal für den Sanitätsdienst der Bundeswehr“, oder kurz eine „Allgemeine Grundausbildung“, erfolgreich durch. 

Indienststellung und ZMZ

Am 08.07.2021 wurde coronabedingt 15 Monate nach Aufstellung das SanRgt 4 offiziell in Dienst gestellt. Dieser feierliche Akt in Form eines militärischen Appells wurde durch die damalige Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer durchgeführt. Im Beisein von Generaloberstabsarzt Dr. Ulrich Baumgärtner, dem Inspekteur des Sanitätsdienstes der Bundeswehr, und dem ehemaligen Bundesgesundheitsminister Jens Spahn sowie zahlreichen, weiteren hochrangigen Gästen aus Politik, Gesellschaft und Bundeswehr wurde dem SanRgt 4 eine eigene Truppenfahne mit einem verbandseigenen Fahnenband übergeben. An den Indienststellungsappell schloss sich nahtlos das erste feierliche Gelöbnis unserer RekrutInnen an.

Das SanRgt 4 erfüllt auch im Rahmen der Zivil-Militärischen Zusammenarbeit einen wichtigen Auftrag. Seit dem 01.10. 2021 hat das Regiment die Verantwortung über die Stabselemente der 59 Bezirks- und Kreisverbindungskommandos des Landes Nordrhein-Westfalen übernommen. Dieses Personal setzt sich aus Reservedienstleistenden zusammen und nimmt eine wichtige Beratungsfunktion im zivilen Katastrophenschutzstab nach Alarmierung ein. Diese SoldatInnen können im Bedarfsfall einen möglichen sanitätsdienstlichen Einsatz der Bundeswehr definieren und bei der Antragsstellung auf Amtshilfe unterstützen. 

Die Stadt Rheine ist der Bundeswehr sehr zugewandt. Der Standort war einmal mit 9.000 SoldatInnen sowie Zivilbeschäftigten der Bundeswehr aber auch britischen und niederländischen SoldatInnen die größte Garnisonsstadt in Nordrhein-Westfalen. Bürgermeister Dr. Peter Lüttmann betont sehr gerne diese langjährige Tradition. Aus dieser heraus wurde zwischen der Stadt Rheine und dem SanRgt 4 eine Patenschaft eingegangen, die uneingeschränkt von der Bevölkerung und den SoldatInnen getragen wird. 

Unterzeichnung der Patenschaftsurkunde
Unterzeichnung der Patenschaftsurkunde
Quelle: Bundeswehr/Kdo RegSanUstg

Zukunft des SanRgt 4

Die damalige Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer hatte während ihrer Rede anlässlich des Indienststellungsappells den Aufwuchs des SanRgt 4 auf bis zu 1 000 SoldatInnen angekündigt. Jetzt, knapp zwei Jahre nach diesem Festakt, hat das SanRgt 4 eine Gesamt-Soll-Stärke von 242 Dienstposten erreicht. Die materielle Ausstattung mit Sanitätsmaterial konnte mit der Entwicklung bislang noch nicht schritthalten. So sind etwa Ausbildungsmaterial, Fahrzeuge, Rettungsstationen sowie die Rettungszentren LSE (Luftverlegbare Sanitätseinrichtung) und MSE (Modulare Sanitätseinrichtung) noch nicht im erforderlichen Umfang verfügbar. SoldatInnen unseres Regimentes stellen Ende dieses Jahres das Abbaukommando für die Rückverlegung der Sanitätseinrichtung aus dem Einsatz MINUSMA (Multidimensionnelle Intégrée des Nations Unies pour la Stabilisation au Mali).

Politisch hat sich in Europa und der Welt einiges verändert. Die Bundeswehr rückt nicht zuletzt nach dem völkerrechtswidrigen Angriff Russlands gegen die Ukraine immer mehr in den Fokus, auch des medialen Interesses. Die Notwendigkeit einer einsatzbereiten und schlagkräftigen Bundeswehr im Verbund der NATO wurde erkannt. Von einer „Zeitenwende“ hat Bundeskanzler Olaf Scholz im vergangenen Jahr in seiner Regierungserklärung gesprochen. Ein 100 Milliarden Euro schweres Sondervermögen für die Bundeswehr wurde verabschiedet. Der Zentrale Sanitätsdienst der Bundeswehr soll um 2 000 Dienstposten anwachsen. Das SanRgt 4 soll davon 309 Dienstposten erhalten. 

Es ist geplant, eine Versorgungs- und Unterstützungskompanie sowie eine Sanitätskompanie Rettungszentrum aufzustellen. Auch wenn es noch keine Organisationsgrundlagen gibt, werden am Standort Rheine, mit tatkräftiger Unterstützung durch das Bundeswehrdienstleistungszentrum Münster, die infrastrukturellen Voraussetzungen für die Aufnahme der neuen Kompanien sowie des Materials geschaffen. Der Sanitätsdienst der Bundeswehr und der Standort Rheine sind auch für unseren Nachwuchs äußerst attraktiv, so dass wir personell einen zügigen Aufwuchs erwarten. Das SanRgt 4 ist gut vorbereitet.


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