Simulationsgestützte Eignungsfeststellung für den FlgDstBw

Bereits in den späten 90er Jahren des letzten Jahrtausends wurde das bis dahin durchgeführte fliegerische Screening von Bewerberinnen und Bewerbern für den Fliegerischen Dienst der Bundeswehr durch das jetzige Eignungsfeststellungsverfahren, bei welchem innerhalb des mehrstufigen Auswahlprozesses auch simulationsgestützte Testverfahren zum Einsatz gelangen, ersetzt.

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Sicht aus dem Cockpit des FPS/H bei einem Flug über urbanes Gelände (Quelle: ZentrLuRMedLw)
Um eine treffsichere Prognose für den Ausbildungserfolg zu erstellen, werden realitätsnahe Lern- und Arbeitsproben dargeboten, die die Grundzüge einer militär-fliegerischen Grundlagenausbildung modellieren. Arbeitsproben haben sich neben kognitiven Fähigkeitstests als die validesten Verfahren für die Vorhersage von Berufserfolg erwiesen (z. B. Schmidt et. al, 1998).

Bereits in Phase II werden die praktisch-fliegerischen Grundanlagen der Bewerber und Bewerberinnen mit dem sogenannten Instru­ment Coordination Analyzer ICA 90 II getestet – vorab haben die Bewerber und Bewerberinnen bereits am Assessment Center für Führungskräfte bzw. an einem Karrierecenter der Bundeswehr ihre soldatische Eignung und ggf. Studierfähigkeit unter Beweis gestellt. Am Testgerät ICA 90 II müssen Bewerber und Bewerberinnen nicht nur mit Hilfe des Steuerknüppels, der Ruderpedale und des Schubhebels ein virtuelles Flugzeug steuern, sondern auch zusätzliche kognitive Aufgaben, zum Beispiel Konzentrations- oder Rechenaufgaben, lösen. So wird unter anderem die Fähigkeit zur motorischen Koordination geprüft oder die Begabung, Mehrfachbelastungen zu meistern.

In der Phase III wird festgestellt, ob und in welcher Güte die Bewerber und Bewerberinnen ihre in der vorausgegangenen Auswahlphase gezeigten praktisch-fliegerischen Anlagen, Fähigkeiten und Fertigkeiten in einer realitätsnahen Lernprobe erfolgreich umsetzen können – entweder auf einem simulationsgestützten Eignungsprüfgerät für Starrflügler (Fliegerpsychologisches ­System Fläche FPS/F) oder für Drehflügler (Fliegerpsychologisches System Hubschrauber FPS/H).

Derzeit wird die 3. Generation simulationsgestützter Testverfahren entwickelt, die nicht nur über eine neue Hardwareausstattung verfügen wird, eine Weiterentwicklung der Software wird die (noch) flexiblere Gestaltung fliegerischer Missionen (Aufgabenstellungen) und Ausdifferenzierung von Messalgorithmen ermöglichen. Der technische Fortschritt im Bereich der visuellen Darstellung wird optische Effekte, wie Schattenwurf auf 3D-­Modelle, Wettersituationen (Nebel, Schnee, Regen, White-Out-­Effekte, Brown-Out-Effekte) realistischer darstellen können.

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Blick ins Cockpit des FPS/H mit seinen Bedienelementen und Displays (Quelle: ZentrLuRMedLw)
Diese Realitätsnähe rückt die Eignungsfeststellungsverfahren in die Nähe des „Serious gamings“ bzw. „Recruitainments“, wodurch laut wissenschaftlicher Studien nicht nur die Augenscheinvalidität von Testverfahren bei Bewerbern und Bewerberinnen, sondern auch deren Motivation zur Testteilnahme erhöht wird und damit eher das eigentliche Leistungspotential erfasst werden kann (z. B. Chan & Schmitt, 2004). In einer aktuellen Befragung äußern 94 - 100 % der Bewerberinnen und Bewerber in den Auswahlphasen II und III, dass nach ihrer Ansicht die Testverfahren offensichtlich und nachvollziehbar die Anforderungen an Luftfahrzeugführer/-innen abbilden, die derzeitigen Verfahren genießen damit bereits eine sehr hohe Akzeptanz. Für die Flugpsychologie werden die zunehmend komplexeren Verfahren der 3. Gerätegeneration jedoch hinsichtlich der Ermittlung und Überprüfung der Testgütekriterien zur Herausforderung.

Im Zuge der Weiterentwicklung der Eignungsfeststellungsverfahren sind Anforderungsanalysen von hoher Relevanz, um z. B. Veränderungen in den Anforderungen der Tätigkeiten – bei Einführung neuer Waffensysteme oder veränderten Bedienkonzepten – bereits bei der Personalauswahl berücksichtigen zu können. Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt e. V. (DLR), Abteilung Luft- und Raumfahrtpsychologie, führt daher in Kooperation mit dem Zentrum für Luft- und Raumfahrtmedizin der Luftwaffe, Fachgruppe Flugpsychologische Begutachtung, eine Anforderungsanalyse für Operateure unbemannter Luftfahrzeuge der Luftwaffe und des Heeres sowie für Luftfahrzeugführer/-innen aller Luftfahrzeugmuster der Bundeswehr durch. Dabei kommt ein Fragebogenverfahren, das Fleishman Job Analyse System für eigenschaftsbezogene Anforderungsanalysen (© Hogrefe, 2010) zum Einsatz, zusätzlich werden biographische Daten wie Alter, Geschlecht, Flugerfahrung erhoben.

Soldaten und Soldatinnen schätzen dabei als Experten für „ihr“ fliegendes System die Anforderungen ihrer Tätigkeit in den Bereichen Kognition, Psychomotorik, Wahrnehmung, Physische Merkmale sowie Interpersonelle Fähigkeiten und Fertigkeiten ein. Ziel der Studie ist nicht nur der Vergleich von Anforderungsprofilen unterschiedlicher (bemannter/unbemannter) Systeme, sondern auch der Vergleich von Anforderungsprofilen von Operateuren eines Systems (z. B. Steuerer und Sensor Operator HERON). Mittlerweile wurden über 400 Operateure unbemannter Systeme und Piloten befragt.

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Blick aus dem Cockpit des FPS/F bei simuliertem Formationsflug (Quelle: ZentrLuRMedLw)
Erste Analysen zeigen, dass einige Fähigkeitsdimensionen für alle Operateure unbemannter Systeme bedeutsam sind – unabhängig vom System (Aladin, KZO, LUNA oder HERON) und von der Position des Bedieners (Steuerer, Sensor Operator, Luftbildauswerter): Selektive Aufmerksamkeit, Vigilanz, Zuverlässigkeit und mentale Ausdauer. Diese Ergebnisse stimmen mit Erkenntnissen anderer Streitkräfte überein, so berichteten Duvillard-Monternier, ­Donnot, und Gilles (2012) für Operateure der französischen Luftwaffe. Andererseits bewerten Operateure unbemannter Systeme in Abhängigkeit von ihrer Position Anforderungen als unterschiedlich bedeutsam: Während für die Steuerer unbemannter Systeme das Erkennen von Problemen oder die Überwachung des Systems besonders relevant sind, stellen für Sensor Operateure Fähigkeiten der Raumorientierung und Wahrnehmung besonders wichtige Anforderungen dar.

Wenn die Datenerhebung für Luftfahrzeugführer abgeschlossen ist, werden z. B. Vergleiche zwischen unterschiedlichen Generationen von Luftfahrzeugen (Tornado vs Eurofighter; C-160 Transall vs A 400M) möglich und erlauben die wissenschaftliche Betrachtung des Zusammenhangs zwischen zunehmender Automatisierung im Cockpit und den Anforderungen an den Operateur. Zudem werden die Anforderungen auf Schulungsmustern und Einsatzmustern erhoben, die Nutzung dieser Erkenntnisse im Rahmen der Eignungsdiagnostik wird die Güte der Vorhersage des Ausbildungserfolges sowie des Erfolges in der späteren fliegerischen Tätigkeit verbessern.

Derzeit werden Drohnen einzeln von Operateuren gesteuert. Zukünftig ist der Einsatz von Drohnenschwärmen vorstellbar, um z. B. das Lagebild eines Gefechtsfeldes aufzuklären. Verwiesen wird auf den Beitrag von Frau Meierfrankenfeld (S. 22). Sie beschäftigte sich mit dieser Thematik im Rahmen ihres wissenschaftlichen Austauschjahres in den USA und wirft in ihrem Artikel Fragen auf, mit denen sich die Flugpsychologie über kurz oder lang konfrontiert sehen könnte. 

Literatur bei Verfassern

Anschrift:
Zentrum für Luft- und Raumfahrtmedizin der Luftwaffe
Straße der Luftwaffe 322
82256 Fürstenfeldbruck


[1] Zentrum für Luft- und Raumfahrtmedizin der Luftwaffe, Köln/Fürstenfeldbruck

[2] Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e. V., Sportallee 54 a, 22335 Hamburg



Datum: 25.07.2019

Quelle:

Wehrmedizin und Wehrpharmazie 2/2019

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