05.02.2018 •

Arzt und Soldat – Ein moralisches ­Dilemma?

Ethik zwischen Medizin und Militär

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Oberst Cord-Dietrich von Einem (Foto: zebis)
Unter diesem Motto veranstaltete das Zentrum für ethische Bildung in den Streitkräften (zebis) am 12. Oktober 2017 erstmals eine speziell für medizinisches Personal eines Bundeswehrkrankenhauses konzipierte Fortbildungsveranstaltung. Den jungen Klinikern des Bundeswehrzentralkrankenhauses Koblenz sollten grundsätzliche Elemente aus dem beruflichen „Selbstverständnis des Sanitätsdienstes der Bundeswehr“ vermittelt werden: Der Dualismus in den Rollen medizinethischer Gesichtspunkte unterliegenden Fachpersonals und dem Eid des Dienstherrn verpflichteten Soldatinnen und Soldaten mit ihren dahinter stehenden grundsätzlichen ethischen Prinzipien. Diese können nicht zuletzt in den Einsätzen zu besonderen Herausforderungen führen.

Das zebis, errichtet im Auftrag des Katholischen Militärbischofs für die Deutsche Bundeswehr, ist beauftragt, die berufsethische Kompetenz der Soldatinnen und Soldaten zu stärken. Dazu entwickelt es innovative Bildungskonzepte und biete Weiterbildungs- und Diskussionsveranstaltungen an. Es fördert so den Diskurs und schafft ein Gesprächsthema für friedens- und militärethische Fragestellungen. Mit „Ethik und Militär / „Ethics and Armed Forces“ veröffentlicht das zebis zudem das erste internationale E-Journal zu aktuellen Themen der Friedens- und Militärethik sowie der Sicherheitskultur. Die Kernaufgabe des zebis besteht darin, Militärseelsorger und Militärseelsorgerinnen weiterzubilden und in der Durchführung des Lebenskundlichen Unterrichts (LKU) zu unterstützen.

Schon seit langem hat sich in diesem Zusammenhang das zebis unter Leitung seiner Direktorin, Frau Dr. Veronika Bock, auch Themen aus der Wehrmedizinethik zugewandt. Insbesondere sind in der Vergangenheit zwei einschlägige und hochkarätig besetzte internationale Kooperationsveranstaltungen mit der Sanitätsakademie der Bundeswehr und dem Fachzentrums ZH Militärmedizinethik Zürich an der katholischen Akademie in München durchgeführt worden.

Im Bundeswehrzentralkrankenhaus konnte Frau Dr. Bock ca. 30 Teilnehmerinnen und Teilnehmer unter Leitung des Stv. Chefarztes, Oberstarzt Dr. Christoph Rubbert und des künftigen Chefarztes, Generalarzt Dr. Norbert Weller, begrüßen und skizzierte in ihrer Einführung das zugrunde liegende Spannungsfeld Arzt / Offizier / Sanitätsoffizier mit seinen jeweiligen Loyalitäten und Verpflichtungen. Als Referenten konnte sie zwei in höchster Weise erfahrene und im ICMM Center of Reference for Education of IHL and Ethics fungierende Instruktoren einführen: Den Juristen und als Reservedienstleistenden beim Streitkräfteamt Bonn dienenden Oberst Cord-Dietrich von Einem und den Wiss. Leiter des ZH Centre for Military Medical Ethics der Universität Zürich, Dr. phil. Daniel Messelken.

Inhaltlich wurde den Teilnehmern zunächst das „Militärmedizinische Selbstverständnis“ aus völkerrechtlicher Perspektive verdeutlicht. Unter Nutzung der wesentlichen Quellen des International Humanitarian Law wurden Eckpunkte des Kriegsvölkerrechts skizziert und daraus generierte Ableitungen auf Rolle und Schutz des Sanitätspersonals in Konflikten aufgeführt. Anhand von beispielhaften Bestimmungen aus der Genfer Konvention konnten zudem Begriffe wie „(Nicht)-Kombatantenstatus“, das „Wie“ in der Auftragserfüllung des medizinischen Personals und nicht zuletzt die Notwendigkeit einer Behandlung im Einklang mit medizinethischen Gesichtspunkten erläutert werden. Im zweiten Teil der durch anregende Diskussionen im Plenum ergänzten Veranstaltung ging Dr. Messelken auf die im Kriegsvölkerrecht kodifizierte Notwendigkeit der Einhaltung von Standards der Medizinethik als Verpflichtung für das Sanitätspersonal ein. Da solche Standards in den einschlägigen Werken des Kriegsvölkerrechts nicht detailliert definiert sind, beschrieb der Referent nach einem Rückblick auf historische Grundlagen die heute einflussreichsten Ansätze medizinethischer Prinzipien (Beauchamp and Childress, Principles of Biomedical Ethics), bevor er praktische Herausforderungen in der Doppelrolle Arzt und Offizier als Grundlage militärmedizinischen Selbstverständnisses erläuterte. Anschließend kamen die unter Federführung des ICRC von mehreren einflussreichen Institutionen erarbeiteten und im Jahre 2015 verabschiedeten grundlegenden Prinzipien der Medizinethik für bewaffnete Konflikte und andere Notsituationen (Ethical Principles of Health Care in Times of Armed Conflict and Other Emergencies) zur Sprache, die derzeit zwar nur den kleinsten Nenner bezüglich ethischer Prinzipien für Sanitätsdienste darstellen, aber immerhin vom International Committee of Military Medicine (ICMM) und dem COMEDS angenommen bzw. als Richtlinie empfohlen werden. Dort sind unter Verweis auf das Humanitätsprinzip und das Kriegsvölkerrecht die Unveränderlichkeit medizinethischer Prinzipien im Konflikt und die medizinische Aufgabe als zentrale Verpflichtung des Sanitätspersonals erwähnt. Zudem sind die Prinzipien Respekt, Verpflichtung gegenüber dem Patienten und auch das Gebot auf Verzicht jeglicher Diskriminierung als grundsätzliche Elemente des Arzt-Patientenverhältnisses aufgeführt. Nicht zuletzt finden sich dort Regelungen des Schutzes des medizinischen Personals und – wichtig – die Verpflichtung der Unterzeichner–Organisationen zur Verbreitung und Einhaltung der Prinzipien. Als abschließende Kernaussagen der Veranstaltung konnte den Teilnehmerinnen und Teilnehmern verdeutlicht werden: Ethische Prinzipien ändern sich nicht während Konflikten oder anderen Notfallsituationen, medizinisches Personal ist in erster Linie seinen Patienten und medizinethischen Prinzipien verpflichtet, es darf keinesfalls bestraft werden, wenn es im Einklang mit medizinethischen Verpflichtungen gehandelt hat und natürlich sind Folter und andere Formen menschenverachtender Behandlung strikt verboten und dürfen nicht toleriert werden. Die erfolgreiche Veranstaltung des zebis zeigte eindrucksvoll nicht nur den hohen Bedarf wehrmedizinethischer Ausbildung im Sanitätsdienst der Bundeswehr auch im klinischen Bereich, sondern wies darüber hinaus auf die Notwendigkeit der zielgerichteten Förderung des Dialogs zwischen Praxis und Wissenschaft und den Angehörigen des Sanitätsdienstes hin. Daher sind weiterführende Veranstaltungen bereits in Planung, wie ein erneutes Kooperationssymposium mit der Sanitätsakademie der Bundeswehr im November 2018. In diesem Zusammenhang unterstreicht die im letzten Jahr an der Sanitätsakademie durch Drittmittel der Katholischen Soldatenseelsorge finanzierte Lehr- und Forschungsstelle für Wehrmedizinethik an der San­AkBw unter ihrem Leiter Dr. Dr. Fischer zusätzlich die besondere Bedeutung, die der Katholische Militärbischof für die Deutsche Bundeswehr dem Thema „Wehrmedizinethik“ zumisst.

Dr. Hartmann, Flottenarzt, SanAkBw

Datum: 05.02.2018

Quelle: Wehrmedizin und Wehrpharmazie 4/2017

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