31.01.2011 •

DER UNTERGANG DER DANNY FII

PROTOKOLL EINER HILFELEISTUNG IN SEE DURCH EINHEITEN DES DEUTSCHEN UNIFIL EINSATZKONTINGENTES

Auf Grundlage der Resolution 1701 des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen unterstützt die deutsche Marine seit 2006 den UNIFIL-Einsatz.

UNFIL steht für United Nations Interim Forces in Lebanon. Das Einsatzgebiet der deutschen Marineeinheiten umfasst ein Seegebiet vor der libanesischen Küste, bestehend aus den libanesischen Küstengewässern sowie einem Seeraum bis etwa 50 Seemeilen westlich der libanesischen Küste. Dieses ist die so genannte Area of Maritime Operations (AMO). Hinzu kommt der Luftraum über beiden Gebieten.

Deutsche Streitkräfte werden gemäß eines entsprechenden Ersuchens des Libanon im Rahmen von UNIFIL im Schwerpunkt zur Seeraumüberwachung in der gesamten AMO sowie zur seewärtigen Sicherung eingesetzt. Zur Unterstützung der Vereinten Nationen beim Wiederaufbau und der Entwicklung des Libanon ist darüber hinaus der Einsatz deutscher Kräfte im Rahmen der militärischen Ausbildungshilfe für die libanesischen Streitkräfte auf dem gesamten Hoheitsgebiet des Libanon möglich.

So liegt der Schwerpunkt des aktuellen Bundeswehrmandates auf der Ausbildung und der Verbesserung der Einsatzfähigkeit der libanesischen maritimen Streitkräfte. Das Ziel ist eine graduelle Übergabe der Verantwortung an die libanesische Seite.

Die Autorin war vom 05.10.2009 bis zum 08.01.2010 als Geschwaderärztin und Senior Medical Officer (SMO) im Einsatzverband UNIFIL der deutschen Marine an Bord des Tenders MOSEL eingesetzt. Der SMO ist zuständig für die ärztliche Versorgung aller Angehörigen des Deutschen Einsatzkontingentes, Überwachung und Durchführung impfprophylaktischer Maßnahmen, Koordinierung der medizinischen Betreuung im Rahmen des Host Nation Supports sowie Beratung des Kommandeurs in allen sanitätsdienstlichen Belangen.

Am 17.12.2009 sank der Landviehtransporter DANNY FII in schwerer See etwa elf Seemeilen vor der libanesischen Küste.

Abb. 1: Geographische Einordnung der Unglücksstelle

Die DANNY FII war 1975 als Autotransporter gebaut worden und wurde seit einem Umbau 1994 als Lebendviehtransporter eingesetzt. Zum Zeitpunkt des Unglücks befand sie sich auf dem Weg von Montevideo/Uruguay nach Tartus/Syrien. An Bord befanden sich mehr als 10.000 Schafe und fast 18.000 Rinder. Das bedingte eine ungewöhnlich hohe Anzahl von 85 Personen auf dem Handelsschiff, die für die Versorgung der Tiere nötig waren. In der Regel befinden sich nur ca. 15 Crewmitglieder auf Handelsschiffen dieser Größe.

Zum Zeitpunkt des Unglücks lagen die Einheiten der Taskforce 448 des UNIFIL-Einsatzverbandes, bestehend aus dem Tender MOSEL und dem Minenjagdboot LABOE, im Hafen von Beirut. Die Besatzungen nutzen zu großen Teilen die Möglichkeit, einen freien Nachmittag an Land zu verbringen. Gegen 16:20 Uhr Ortszeit erreichte der Distress Call der DANNY FII die deutschen Einheiten. Zu diesem Zeitpunkt war die DANNY FII bereits gesunken. Schon um 18:00 Uhr Ortszeit waren die Besatzungen wieder vollzählig an Bord, die ersten Vorbereitungen abgeschlossen und beide Einheiten bereit zum Auslaufen.

Noch während des Transits zur Unglücksstelle trafen alle Abschnitte die letzten Vorbereitungen, um eine möglichst optimale Bergung und Versorgung einer mutmaßlich hohen Anzahl an Schiffbrüchigen zu gewährleisten. An Bord des Tenders MOSEL wurde der Hauptverbandplatz aufgebaut, um neben der begrenzten räumlichen Kapazität im Schiffslazarett weitere Möglichkeiten zur Versorgung und Unterbringung von möglicherweise unterkühlten und verletzten Personen zu schaffen.

An personeller Unterstützung standen der Geschwaderärztin der Sanitätsmeister der Einheit, ein Portepeeunteroffizier mit der Qualifikation Rettungsassistent sowie ein Sanitätsunteroffizier mit der Qualifikation Rettungssanitäter zur Verfügung. Wie an Bord deutscher Kriegsschiffe üblich, wurden die vier Köche (Smuts) der MOSEL als Hilfssanitäter eingesetzt. Sie verfügen alle über eine erweiterte sanitätsdienstliche Ausbildung, um in Krisensituationen den Geschwaderarzt zu unterstützen. Somit stand ein Team von 6 Sanitätern und einem Rettungsmediziner zu Verfügung. Das Team wurde komplettiert durch einen Soldaten der Marineschutzkräfte, der eigentlich i.R. der Force Protection an Bord war. Da er vor Eintritt in die Bundeswehr eine Ausbildung zum medizinisch-technischen Assistenten absolviert hatte und somit über ein fundiertes theoretisches und praktisches Grundwissen verfügte, bot er kurz nach Auslaufen seine Unterstützung an, die sich im Laufe der Nacht als sehr wertvoll erweisen sollte.

An medizinischem Equipment stand u.a. ein umfangreicher Sauerstoffvorrat, sowie das Beatmungsgerät Life Base III, ein dem deutschen Standard auf Notarztwagen entsprechendes Ampullarium, der Defibrillator Zoll M, ein Pulsoxymeter sowie ein Propaq-Gerät zum intensivierten Monitoring zur Verfügung.

Ca. zwei Stunden nach Auslaufen trafen die Einheiten im Havariegebiet ein. Bei weiterhin schwerem Wetter mit Seegang von bis zu vier Meter Wellenhöhe, Sturm und Regen, sowie aufgrund der dichten Wolkendecke nahezu absoluter Dunkelheit offenbarten die Scheinwerfer die Zeichen der vor wenigen Stunden stattgehabten Katastrophe. Auf dem aufgewühlten Mittelmeer trieb ein dichter Teppich aus Schweröl, dazwischen Trümmerteile, leere Rettungsmittel und vereinzelt Tierkadaver.

In dieser fast unwirklich wirkenden Umgebung dauerte es dann fast eine Stunde, bis endlich der erste Schiffbrüchige entdeckt wurde und lebend geborgen werden konnte. Trotz des langen Aufenthaltes im Wasser war er dank der immer noch hohen Wassertemperatur von 21°C kaum unterkühlt. Bei weiteren geborgenen Personen wurde in gleicher Weise eine eher milde Unterkühlung festgestellt. Nach erster Sichtung des Geborgenen durch den Sanitätsmeister auf dem Seitendeck und Entkleidung in der ABC-Schleuse des Tenders wurde er auf dem Hauptverbandplatz zügig mit wärmenden Decken und Flüssigkeit versorgt, sowie auf weitere Verletzungen untersucht. Allerdings war der Schiffbrüchige massiv durch Schweröl verschmutzt. Der Patient berichtete zudem über eine Ingestion des Treibstoffs. Die Giftnotzentrale in München konnte verzugslos über die Fernmittel des Tenders kontaktiert werden. Es bestand akut kein Anlass für weitere Maßnahmen.

Nach diesem ersten Erfolgserlebnis konnte der nächste Schiffbrüchige 20 Minuten später leider nur noch tot geborgen werden.

Doch nur weitere 20 Minuten später konnten wir zwei Überlebende an Bord nehmen, so dass keine Zeit blieb, über den ersten Rückschlag der Rettungsaktion zu intensiv nachzudenken. Es folgten drei lange Stunden erfolgloser Suche, bis die zahlreichen Ausgucks eine umgekippte Rettungsinsel ausmachten, aus der neun weitere Überlebende geborgen werden konnten. Nach der Bergung der Überlebenden stellte sich zum Entsetzen der Helfer heraus, dass unterhalb der Insel zwei tote Besatzungsmitglieder der DANNY FII fest im Tauwerk verfangen waren. Diese mussten ebenfalls geborgen werden.

Der Hauptverbandplatz unter Deck war nach der Ankunft von neun Schiffbrüchigen sofort voll ausgelastet. Nach Sichtung und Festlegung der weiteren Behandlung durch die Geschwaderärztin sowie Entkleidung und Versorgung konnten einige der Geborgenen direkt in die Portepeeunteroffiziermesse weiterverlegt werden, wo sie vom eingeschifften Militärpfarrer und zwei Smuts weiter betreut wurden. Mit den Geretteten selber war die Kommunikation nur sehr schwer möglich, da diese kaum Englisch sprachen.

Ein Patient musste auf Grund einer Fleischwunde sofort chirurgisch versorgt werden. Bei einem Weiteren musste ein unklares Abdomen mittels Oberbauchsonographie und Labordiagnostik abgeklärt werden. Zwei Geborgene waren massiv agitiert und aggressiv, so dass eine Sedierung nach neurologischer Exploration erforderlich war.

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 Abb. 2: Zwei Schiffbrüchige in Sicherheit auf dem Hauptverbandplatz des Tenders MOSEL

 

Nach der Bergung der Rettungsinsel konnten bis zum Vormittag des nächsten Tages keine weiteren Schiffbrüchigen geborgen werden. Im gleichen Zeitraum barg die LABOE 13 Überlebende und einen Toten, was eine ernorme Leistung für die sowohl personell als auch materiell begrenzten Kapazitäten des Minenjagdbootes bedeutete.

Beide Einheiten verlegten am Vormittag des 18.12.2009 in Richtung des libanesischen Hafens Tripoli, um Überlebende und Tote zu übergeben. Im Hafen von Tripoli wartete ein großes Aufgebot an Militär, Presse und Schaulustigen auf die Übergabe der Schiffbrüchigen. Unter Blitzlichtgewitter wurden sie nach Festmachen an das libanesische Militär übergeben und umgehend in die nächst gelegenen Krankenhäuser gebracht. Alle Überlebenden bedankten sich persönlich bei den Besatzungsmitgliedern.

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 Abb. 3: Empfang durch Militär, Presse und Schaulustige im Hafen von Tripoli

 

Nach nur etwa zwei Stunden im Hafen liefen die beiden Einheiten erneut zur Unglücksstelle aus. Der Tender MOSEL konnte keine weiteren Schiffbrüchigen finden. Die Besatzung der LABOE hingegen musste an diesem Tag noch fünf tote Besatzungsmitglieder der DANNY FII bergen.

Insgesamt konnten somit durch die deutschen Einheiten 25 Personen gerettet werden, neun Personen wurden leider nur noch tot geborgen. Weitere Schiffbrüchige wurden durch die ebenfalls zur Maritime Task Force UNIFIL gehörende italienische Fregatte ZEFIRO, Boote der libanesischen Küstenwache sowie zivile Frachter geborgen. Elf Besatzungsmitglieder der DANNY FII konnten sich zudem aus eigener Kraft an den Strand retten.

Die Besatzungen beider Einheiten haben in dieser Nacht unter äußerst widrigen Bedingungen wie Dunkelheit und schwerer See eine professionelle Rettungsaktion durchgeführt. Hinzu kam neben der physischen Belastung, teilweise verstärkt durch Seekrankheit, eine hohe psychische Belastung durch die Bergung der Toten. Hier zeigte sich wiederholt, dass Extrem- Erlebnisse später offenbar werden. Viele Besatzungsmitglieder realisierten erst auf dem Rücktransit nach Limasssol/Zypern, wo sich die logistische Einsatzbasis des deutschen UNIFILVerbandes befindet, die Erlebnisse der Nacht und die Härte der psychischen Belastung. Intensive Gespräche waren nötig, um das Erlebte ohne negative Nachwirkungen zu verarbeiten. Zur Unterstützung flog zwei Tage nach dem Rettungseinsatz das Kriseninterventionsteam der Abteilung Schifffahrtpsychologie des Schiffahrtmedizinischen Institutes der Marine unter Leitung des leitenden Psychologen Dr. Kowalski nach Limassol. In vielen persönlichen, aber auch in Gruppengesprächen über drei Tage, wurden erste einfache Maßnahmen zur Verarbeitung des Erlebten vermittelt. Eine Repatriierung von Soldaten aufgrund einer übermäßigen psychischen Belastung konnte, sicher auch aufgrund der Unterstützung durch das Kriseninterventionsteam, vermieden werden. Die Besatzungen haben trotz aller Widrigkeiten 25 Personen vor dem sicheren Tod bewahrt. Persönlicher Einsatzwille, gute Ausbildung, hohe Motivation und stringente Führung haben diesen Erfolg möglich gemacht.

Für die Geschwaderärztin stellte sich eine einmalige Situation dar, die ebenso die Einzigartigkeit des Berufsbildes zeigt. In Deutschland wäre eine Assistenzärztin nie allein mit einer solchen Situation konfrontiert. Oberärzte und Chefärzte hätten ihr das Heft des Handelns aus der Hand genommen. Aber als alleinverantwortliche Geschwaderärztin musste sie in dieser Situation handeln und Entscheidungen treffen. Des Weiteren musste sie mit limitierten Personal und Ressourcen umgehen, ebenfalls ein klarer Gegensatz zur Situation in deutschen Krankenhäusern. Dazu gehörte auch der notwendige Schritt weg von der Individualmedizin, hin zur Versorgung von vielen Patienten. Eine Situation, die in Deutschland selten vorkommt und dann mit einer Vielzahl von medizinischem Fachpersonal beherrscht wird.

Das Berufsbild des Geschwaderarztes ist fachlich vielseitig und bringt junge Ärzte sehr früh in alleinige Verantwortung für komplexe Situationen. So wird Erfahrung für spätere klinische Führungspositionen generiert. Das macht, neben vielen weiteren Aspekten, die die Arbeit mit seegehenden Einheiten mit sich bringt, die Attraktivität dieses Berufsbildes aus.

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 Abb. 4: Erschöpfte Schiffsärztin auf dem Rücktransit nach Limassol/CYP nach mehr als 24 Stunden Einsatz

Datum: 31.01.2011

Quelle: Wehrmedizin und Wehrpharmazie 2010/4

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