Alle CAE-Patientensimulatoren nutzen das gleiche physiologische Modell.
Alle CAE-Patientensimulatoren nutzen das gleiche physiologische Modell.
Quelle: CAE Healthcare
30.09.2022 •

Mathematische Modelle: Revolution in der medizinischen Ausbildung?

Simulation ermöglicht es, aus Erfahrungen zu lernen, ohne sich und andere den Mühen und Gefahren der Wirklichkeit auszusetzen. Sie vermittelt wertvolles Erfahrungswissen für die Momente, auf die es ankommt – sowohl für Einzelne als auch Teams. Das ist seit langem üblich in der Luftfahrt, in der Gefechtsausbildung und bis zu einem gewissen Grad auch in der Medizin. Hier steht der Schutz des Patienten im Vordergrund, der nicht als Versuchs-Objekt herhalten soll.

Simulation muss sich „echt“ anfühlen, um wirksam zu sein: Im Flugsimulator sorgen ein täuschend echtes Cockpit und realistisches Flugverhalten dafür, dass Piloten ein Höchstmaß an Immersion erfahren und den Wert der Simulation anerkennen. Medizinisches Personal benötigt eine klinische Umgebung (z. B. Notaufnahme) und einen Patientensimulator, der sich wie ein Patient verhält. Wenn Teilnehmer nicht in eine realistische Simulation eintauchen können, drohen zwei Probleme: Erstens wird die Sitzung nicht ernst genommen und die Gelegenheit zum Erfahrungslernen ist vertan. Zweitens (und wesentlich dramatischer) wird auf Basis unrealistischer Simulation etwas Falsches gelernt, so dass die Teilnehmer in einer realen Situation die falschen Maßnahmen ergreifen (sogenanntes “negatives Training”). Ist die Simulation hingegen realistisch, erkennen die Lernenden die Realitätsnähe der Situation an und bauen dadurch Erfahrungswissen auf. 

Doch wie wird eine Simulation „realistisch“? In der Luftfahrt wird der Realismus des Flugsimulators automatisiert: Das technische System Flugzeug ist zu komplex, um die Simulation durch einen Instruktor manuell in Echtzeit durchführen zu können. Programme berechnen daher mit mathematischen Modellen das Verhalten des Flugzeugs. Ein Strömungsabriss etwa findet nicht manuell gesteuert „irgendwann“ statt, sondern genau dann, wenn das Wetter, die Geschwindigkeit und die Maßnahmen der Crew dazu führen. Im anschließenden Debriefing ist dann nicht die Qualität der Simulation, sondern das Verhalten der Teilnehmer Thema.

Wissenschaftlich fundierte mathematische Modelle gibt es auch für die ebenso komplexe menschliche Physiologie und die auf sie einwirkenden Einflüsse wie Medikamente, Geräte (z. B. Beatmungsgeräte) und Pathologien. Ein geeignetes physiologisches Modell kann z. B. mit einem komplexen Krankheitsbild programmiert werden. Schon eine „einfache“ Anaphylaxie ist in Wirklichkeit komplex: Verringerter Gefäßwiderstand, Flüssigkeitsmangel durch Plasmaaustritt ins Gewebe und erhöhter Bronchialwiderstand reagieren auf Sauerstoff-, Flüssigkeits- und Adrenalingabe. Die Vorteile gegenüber der manuellen Steuerung sind vielfältig: Standardisierte und objektivierbare Symptome und realistische Reaktionen auf Maßnahmen führen zu qualitativ hochwertiger Ausbildung. Ausbildende können sich außerdem ganz auf die Lernenden und deren Verhalten konzentrieren und sind nicht mit der Bedienung der Simulation beschäftigt.  

CAE hat daher ein realistisches physiologisches Modell entwickelt und in Zusammenarbeit mit der American Society of Anesthesiologists (ASA) unter Anwendung dieses einzigartigen Physiologie-Modells ein Serious Game (SimSTAT) konzipiert, das Teilnehmer in realitätsnahe, klinische Situationen versetzt, mit denen sie umgehen müssen. Es wird bei der obligatorischen Re-Zertifizierung amerikanischer Anästhesisten als Prüfungsinstrument eingesetzt. Das Programm beobachtet und bewertet die Leistung der Teilnehmer nach festen Regeln, kein menschlicher Prüfer nimmt teil. Da ein solches Examen bei Nichtbestehen ernste Konsequenzen haben kann, ist hier eine besonders hohe Qualität der Simulation erforderlich. Die Programmierung erfolgte durch ein Team aus Klinikern von ASA und CAE. Nach der Auswertung von etwa 100.000 Durchläufen und 500 Millionen Datenpunkten können wir feststellen: Trotz teilweise niedriger Bestehensrate (etwa 4 % im ersten Anlauf, 80 % nach 20 Sitzungen) gibt es keine Beschwerden über die Qualität von Physiologie und Szenarien.

Eine anonymisierte Auswertung der Leistung der Testkandidaten erlaubt die objektive Feststellung von Ausbildungslücken in der Teilnehmergruppe. Künftig kann eine gezielte Bildungsintervention das Niveau sehr effizient verbessern. Bei dieser von CAE geführten Erhebung handelt es sich um die größte Anwendung automatisierter objektiver Leistungsmessung unter Verwendung eines physiologischen Modells. Eines Modells im Übrigen, das unter der Bezeichnung „Maestro“ alle CAE-Patientensimulatoren steuert und ebenso als Maestro Evolve und Maestro Embody in Online-Versionen mit und ohne Instruktor zur Verfügung steht.

Literaturverzeichnis beim Verfasser


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