15.11.2017 •

    Abteilung II – Arbeitsmedizin

    Aus der Überwachungsstelle für Öffentlich- Rechtliche Aufgaben im Sanitätsdienst der Bundeswehr (ÜbwStÖffRechtlAufgSanDstBw) West Koblenz (Leiter: Oberstarzt Dr. S. Hartwig)

    Seit November 2015 ist die „Schwerpunktdienststelle für Arbeitsmedizin“ in der Rhein-­Kaserne am Standort Koblenz untergebracht. Neben der Inlandsbetreuung obliegt der ­ÜbwStÖffRechtlAufgSanDstBw West im Fachgebiet Arbeitsmedizin die weltweite Fach­auf­sicht in den Einsatzgebieten sowie in den Auslandsdienststellen im medizinischen Arbeits-, Umwelt- und Strahlenschutz, dazu verweise ich auf den Artikel des Leiters Fachaufgaben Einsatz.

    Als Facharzt für Arbeitsmedizin besteht eine Aufgabe des Arbeitsschutzarztes in der regelmäßigen Besichtigung der Dienststellen im Aufsichtsbereich, welcher im Falle der ÜbwStÖff­RechtlAufgSanDstBw West die Bundesländer Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Hessen und das Saarland einschließt. Das Augenmerk liegt hier ebenfalls auf den Aufgabengebieten Arbeits-, Umwelt- und Strahlenschutz. 

    Unterstützung erfolgt durch drei arbeitsmedizinische Assistenten mit entsprechendem Ausbildungstätigkeitsnachweis (ATN).

    Aufgrund der Eigenvollzugskompetenz hat der Arbeitsschutzarzt in der Bundeswehr die gleiche Wertigkeit wie ein staatlicher Gewerbearzt. Dabei gilt es darauf zu achten, dass die Gesetzesvorlagen, wie z. B. das Arbeitsschutzgesetz, mit all ihren Vorschriften, Regeln und Verordnungen im Sinne der Prävention auch umgesetzt werden. 

    Bei den Besichtigungen interessiert der Mensch an seinem Arbeitsplatz: Ergonomie, Arbeitsverhältnisse, Arbeitsstätte, individuelle Belastungen (insbesondere psychische) und Beanspruchungen, Sozialräume, Hygienebedingungen und Umweltbelastungen stehen dabei im Fokus sowie die Aufarbeitung eventueller Unfallereignisse. Unfälle sind immer etwas Tragisches. Mit diesen Besuchen möchte der Arbeitsschutzarzt vor allen Dingen helfen, Unfälle möglichst zu minimieren.

    Gutachterliche Stellungnahmen zu Berufskrank­heiten (BK) von Zivilbediensteten infolge arbeitsbedingter Gesundheitsschäden als Äquivalent zu Wehrdienstbeschädigungen bilden einen weiteren Schwerpunkt.

    Aspekte aus dem Alltag:

    Schimmel

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    Abb. 1: Schimmelbildung.
    Der Arbeitsschutzarzt wird auch bei infrastrukturellen Problemen involviert, beispielsweise nehmen die Schimmelpilzschäden in Arbeits- und Unterkunftsbereichen deutlich zu, die einer raschen Intervention bedürfen. In enger Zusammenarbeit mit der Abteilung I – Präventivmedizin und Hygiene – werden darüber hinaus interdisziplinäre Beratungen kommunikationstechnisch und vereinzelt vor Ort durchgeführt. Zunehmend zeigt sich, dass einige Kasernenanlagen aufgrund ihres Alters und/oder mangelnder Gebäudeinstandhaltung Einschränkungen in der Nutz- und Bewohnbarkeit aufweisen. Häufigste Ursachen für Feuchtigkeit und damit Schimmel sind fehlende oder verstopfte Drainagen an Gebäuden. An einigen Standorten werden dann Gebäude gesperrt und unmittelbare Sanierungsarbeiten eingeleitet. Dies wird entsprechend durch die Bundeswehrdienstleistungszentren organisiert und umgesetzt. 

    Berufskrankheiten

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    Abb. 2: Inhalations-Exposition
    Zu einem Berufskrankheitenverfahren bei Tarifbeschäftigten der Bundeswehr gehört die Erstellung eines medizinischen Zusammenhanggutachtens. Dabei ist aktuell folgende Beobachtung auffällig: Während im Zivilbereich die „Lärmschwerhörigkeit“ als häufigste Berufskrankheit vorkommt, sind dies bei den (auch ehemaligen) Tarifbeschäftigten der Bundeswehr durch Asbest hervorgerufene Berufskrankheiten. Dies ist der Tatsache geschuldet, dass die Entwicklung einer durch Asbest verursachten Erkrankung bis zu 30 Jahre betragen kann. In die Gruppe der durch Asbest indizierten Berufskrankheiten fallen Asbeststaublungenerkrankungen (Asbestosen), Lungenkrebs oder Kehlkopfkrebs in Verbindung mit Asbestose und durch Asbest verursachte Mesotheliome. Eine Entschädigung beginnt ab einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 20 %. Oft wird bei dieser schlimmen Erkrankung eine Vollrente ab Ausbruch der Erkrankung gewährt. Dies entspricht bei 100 % MdE 2/3 des bisherigen Verdienstes, leider keine Seltenheit. 

    Die Verwendung bzw. der Einsatz von Asbest ist erst seit 1993 in Deutschland verboten. Aus dieser Kenntnis heraus raten wir Arbeitern, die nicht beprobte Gebäude handwerklich sanieren etc., im Zweifel immer zur persönlichen Vollschutzausrüstung (PSA), also Ganzkörperschutz einschließlich FFP3 - Maske, solange nichts anderes bekannt ist. Pflichtvorsorgen vor Aufnahme derartiger Tätigkeiten sowie eine regelmäßige medizinische Nachbetreuung sind unabdingbar. Beschäftigten der Bundeswehr, die beruflichen Umgang mit Asbest hatten, wird durch den Organisationsdienst nachgehende Untersuchungen (ODIN) eine lebenslange Nachsorge angeboten. 

    Impfungen 

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    Abb. 3: Höhenarbeit.
    Auch in diesem Bereich der Individualprävention wird der Arbeitsschutzarzt – beratend tätig, Beispiele: Für die Zeit- und Berufssoldaten im Hinblick auf Auslandseinsätze unter besonderen klimatischen oder gesundheitlichen Belastungen gibt es klare Richtlinien. Nicht so eindeutig sind die Regelungen für den Kreis der zivilen Beschäftigten der Bundeswehr. Hier haben die arbeitsmedizinischen Vorsorgen durch den Betriebsarzt vornehmlich beratenden Charakter, z. B. werden Impfempfehlungen ausgesprochen. Diesbezüglich geben Titerbestimmungen Auskunft, ob eine ausreichende Immunität anzunehmen ist. Sinnvoll ist dies z. B. bei der Tetanus-Prophylaxe in Form eines Tetanus-Anti­toxin-Spiegels, da Komplikationen hinreichend bekannt sind. Nach einer stattgehabten Impfung gegen Hepatitis B sollte einmalig eine Erfolgskontrolle durch eine Titerbestimmung erfolgen. Bei ausreichendem Schutz sind weitere Auffrischimpfungen nicht notwendig. Eine Ausnahme sind Patienten mit humoraler Immundefizienz und ggf. Personen mit besonders hohem individuellen Expositionsrisiko. Falls dennoch einmal nachgeimpft wird, ist dies zwar unnötig, aber unproblematisch, hier sind bei genetisch hergestelltem Impfstoff keine gravierenden Komplikationen beschrieben. Dies wird immer wieder kontrovers diskutiert. Oder Anregungen zur individuellen Beratung zur Pneumokokken­impfung durch Betriebsärzte:

    Die Ständige Impfkommission (STIKO) am Robert-­Koch-Institut (RKI) empfiehlt Schweißern, sich gegen Pneumokokken impfen zu lassen. Diese Empfehlung gilt für Personen, die am Arbeitsplatz Schweißrauchen/Metalloxiden aus­gesetzt sind. Damit hat das RKI zum ersten Mal eine berufliche Indikation für eine Pneumokokken-Impfung in seine Impfempfehlungen aufgenommen. Die Impfung soll die bei Schweißern häufig auftretende Pneumokokkenpneumonie verhindern.

    Vorsorge/Eignung/Tauglichkeit

    Das Spannungsfeld der drei Begrifflichkeiten ist hochaktuell. Dabei sollen Synergieeffekte zwischen Truppenarzt / Personalarzt und Betriebsarzt genutzt werden. Hier gilt es, unnötige oder auch doppelte Untersuchungen zu vermeiden. Während Vorsorge vornehmlich der Eigenprävention der betroffenen Person dient, zielt die Eignung und Tauglichkeit auf die Verwendungsfähigkeit hin. Nach der Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV) unterscheidet man zwischen Pflicht-, Angebots- und Wunschvorsorgen. Pflichtvorsorgen sind bei Grenzwertüberschreitungen regelmäßig zu veranlassen und zu dokumentieren. Angebotsvorsorgen sind dem Beschäftigten in regelmäßigen Abständen anzubieten und zu dokumentieren. Wunschvorsorgen sind zu ermöglichen, es sei denn, aufgrund der Beurteilung der Arbeitsbedingungen (Gefährdungsbeurteilung) ist nicht mit einem Gesundheitsschaden zu rechnen. Ein evtl. Untersuchungsergebnis darf nicht weitergeleitet werden.

    Eignungsuntersuchungen (z. B. Absturzgefährdung) sind beim Personal- und vertrauensärztlichen Dienst der Bundeswehr durchführen zu lassen, bei Soldaten beim Truppenarzt.

    Die Frage der Eignung stellt sich am Anfang einer Tätigkeit. Dabei muss das Ergebnis dem Arbeitgeber bekannt gemacht werden. Die Frage der Tauglichkeit kann jederzeit gestellt werden, ebenfalls mit Anspruch auf ein Ergebnis. Gegenwärtig werden Kompromisse erarbeitet, die der effizienten Begutachtung/Vorsorge Rechnung tragen. Arbeitsschutzärzte leisten dabei ihren Beitrag. 


    (Abb.: ÜbwStÖffRechtlAufgSanDstBw West ­KOBLENZ)


    Anschrift des Verfassers:

    Oberfeldarzt Dr. Stephan Heinz
    Facharzt für Innere, Allgemein- und Arbeits­medizin
    ÜbwStÖffRechtlAufgSanDstBw West KOBLENZ
    Leiter Abt II
    Andernacherstraße 100
    56070 Koblenz
    E-Mail: stephanfranzheinz@bundeswehr.org

    Datum: 15.11.2017

    Quelle: Wehrmedizin und Wehrpharmazie

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