Gesundheitsrisiken beim Apnoetauchen

Aus der Abteilung I – Maritime Medizin (Abteilungsleiter: Flottenarzt Dr. U. van Laak) des Schifffahrtmedizinischen Instituts der Marine (Leiter: Flottenarzt Dr. S. Neidhardt)

Ulrich van Laak

WMM, 60. Jahrgang (Ausgabe 2/2016; S.72-76)

Zusammenfassung

Unter Apnoetauchen versteht man das Tauchen mit angehaltenem Atem ohne Atemgasversorgung. Die kurzen Zeitspannen, die Apnoetaucher unter Wasser verbringen, sind mit kardiovaskulären und respiratorischen Effekten verbunden, die sich vom einfachen Luftanhalten an der Oberfläche unterscheiden und mit spezifischen gesundheitlichen Risiken einhergehen.

Apnoetauchen ist in den vergangenen Jahren zu einer Trendsportart avanciert und im Breitensport angekommen. Sämt-liche Tauchverbände bieten Ausbildung und Ausübung im Apnoetauchen „für Jedermann“ an. Apnoetauchen ist daher auch Gegenstand sportphysiologischer Untersuchungen mit Fokus auf der Adaptation des Herzkreislauf- und Lungensystems.

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Abb. 1: Auftauchphase nach Tieftauchen mit Monoflosse

Grundsätzlich können durch Apnoetauchen Gesundheitsprobleme resultieren: hypoxie-assoziierte Akutereignisse und Langzeitschäden, akute Lungenödeme oder Überdehnungen der Lungen durch bestimmte Atemtechniken. Die Erfahrungen aus dem Extremsport sind dazu geeignet, die Sicherheit des Apnoetauchens diesseits des Extremen im Sinne von Vorsorge, Früherkennung und insbesondere Reduktion akut lebensbedrohlicher Ereignisse zu erhöhen. Die Vermeidung von Ertrinkungsunfällen setzt die penible Beachtung von stets erforderlichen Absicherungsmaßnahmen voraus.

Schlüsselworte: Apnoe, Tauchen, Ertrinken, Langzeitschäden, Sportphysiologie

Keywords: apnea, diving, drowning, long term damage, sports physiology

Einführung

Das Tauchen mit angehaltenem Atem ohne technische Hilfsmittel ist die Urform des Tauchens. Sie unterliegt gerade in der heutigen zumeist hoch technisierten Unterwasserwelt für viele Genießer einem ganz eigenen Reiz. Apnoetauchen ist bei Beachtung bestimmter Regeln sehr sicher, das Risiko explodiert aber bei deren Missachtung. Die seit über 2 000 Jahren professionell in Apnoe tauchenden koreanischen und japanischen „Ama“ (tauchende Frauen) werden seit knapp 90 Jahren wissenschaftlich begleitet. Ihre von Generation zu Generation weitergegebenen Sicherheitsregeln beruhen auf Tradition und umfassen Tiefenbegrenzungen auf 20 Meter, Tauchzeiten von 60 bis maximal 120 Sekunden sowie klare Kälteschutz-, Erholungs- und Qualifizierungsregeln. Ama tauchen unfall- und langzeitfolgenfrei bis ins hohe Alter [11, 27].

Im Folgenden wird auf die Gesundheitsgefährdungen beim -Apnoetauchen eingegangen. Im Fokus stehen dabei der Breitensport und die Grenzbereiche der Apnoeathleten. Beim Apnoe-tauchen stellen durch Hypoxie bedingte Blackouts, Synkopen, Lungenödeme und Ertrinken die herausragenden medizinischen Notfälle dar [7].

Definition: Apnoetauchen
Unter Apnoetauchen versteht man das Tauchen mit angehaltenem Atem ohne Atemgasversorgung über eine Druckgasflasche mit Lungenautomat oder über eine andere Quelle. Die vergleichsweise kurzen Zeitspannen, die Apnoetaucher unter Wasser verbringen, sind mit kardiovaskulären und respiratorischen Effekten verbunden, die sich vom einfachen Luftanhalten an der Oberfläche unterscheiden und mit spezifischen Gefährdungen einhergehen.

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Abb. 2: Dynamische Disziplin mit Monoflosse
Grundsätzlich kann man das Apnoetauchen in drei Disziplinen aufteilen:

  • Tieftauchen (mit und ohne Hilfsmittel; Abbildung 1),
  • dynamisches Tauchen (Streckentauchen, mit und ohne Flossen; Abbildung 2) und
  • statisches Tauchen (Zeittauchen ohne Körperbewegung; Abbildung 3).

Apnoetauchen ist in den vergangenen Jahren zu einer Trendsportart avanciert und längst im Breitensport angekommen. Sämtliche Tauchverbände bieten nicht nur Ausbildung Apnoetauchen und dessen Ausübung „für Jedermann“ an, sondern -haben diesbezügliche Regelwerke geschaffen. Längst ist das Apnoetauchen deswegen auch Gegenstand sportphysiologischer Untersuchungen. Spitzenleistungen einzelner Extremsportler auf dem Weg zu maximalen Rekorden in Bezug auf Tiefe und Dauer der Leistungen in Apnoe überschreiten mitunter tauchphysiologisch sichere Limits. Daraus resultieren zum Teil schwerwiegende Gesundheitsprobleme sowie spektakuläre Todesfälle. Die Erfahrungen aus dem Extremsport sind aber auch dazu geeignet, die Sicherheit des Apnoetauchens für den Breitensport im militärischen Bereich zu erhöhen.

Die Weltrekorde im Apnoetauchen liegen bei > 210 m Tief-tauchen, > 230 m Streckentauchen und in der statischen Disziplin bei > 10 min Verweilen unter Wasser.

Im militärischen Kontext werden Apnoetauchübungen in der Tauch- und Schwimmausbildung sowohl als Stresstest bei der Eignungsauswahl wie auch zur Erhöhung des Selbstvertrauens mit dem Ziel besonnener Problemlösung unter Wasser eingesetzt. Um Rekorde geht es dabei ebenso wenig wie im Breitensport. Das Element Wasser ist immer dazu geeignet, nur bedingt kontrollierbare intensive Stressreaktionen auszulösen. Ob Stress über Angst zur Panik wird, hängt davon ab, wie sehr die Akklimatisation an die Unterwassersituation gelungen ist. Die militärische Ausbildung ist immer streng an diesen Zielen orien-tiert. Sie findet in speziellen Taucherübungshallen statt, wobei die Sicherheit der Apnoetaucher oberstes Gebot ist und durch direkte Begleitung des Apnoetauchers unter und über Wasser sichergestellt wird. Im Vordergrund steht das dynamische Apnoetauchen, das militärtypisch auch als „Unterwassermarsch in Apnoe“ geübt wird. Über das sich steigernde Selbstvertrauen werden auch die Anforderungen der Übinhalte parallel hoch gefahren.

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Abb. 3: Statische Disziplin

Physiologie, Pathophysiologie, Klinik

Große individuelle Unterschiede
Das Apnoetauchen ist durch große intra- und interindividuelle Leistungsunterscheide gekennzeichnet. Es gibt Menschen, denen die Adaptation an die Unterwasserwelt schlagartig gelingt, während andere eher mühsam ihren Weg suchen und Zeit benötigen. Unabhängig von der persönlichen Leistung ist der grundsätzliche Vorgang beim dynamischen Apnoetauchen immer der gleiche:

Nach entsprechender Vorbereitung folgt nach dem Start eine Phase des absoluten Wohlfühlens, die so lange anhält, bis der im Wesentlichen über den ansteigenden pCO2 getriggerte Atemreiz einsetzt. Dieser physiologische Abbruchpunkt zwingt Ungeübte rasch zum Atemholen an die Oberfläche. Zunehmende Erfahrung mit den eigenen Reaktionen ermöglicht es, diesen ersten Abbruchpunkt willentlich zu ignorieren, was dann mit mehr oder weniger Stress verbunden ist. Weil sich das Zwerchfell mit heftigen Faszikulationen bemerkbar macht, wird das Ganze sehr unangenehm. Diese sogenannte „Struggle-Phase“ leitet für die meisten den endgültigen Abbruchpunkt ein. Die Athleten im Apnoe-Tauchsport haben sich Mechanismen antrainiert, mit denen sie auch diesen „endgültigen Abbruchpunkt“ zum Teil noch sehr wesentlich hinauszögern können. Es ist nachvollziehbar, dass hieraus auch riskante Situationen resultieren können.

Beginnender oder manifester Verlust des Bewusstseins
Ereignisse mit beginnendem oder manifestem Bewusstseinsverlust beim oder unmittelbar nach Beendigung des Apnoetauchens sind unvermeidbar. In der „Szene“ spricht man allgemein von „Blackouts“. Die Gefahr eines Blackouts besteht grundsätzlich immer, wenn unter Wasser der Atem angehalten wird. „Schwimmbad-Blackout“ und die sogenannte „Flachwasser-ohnmacht“ sind mutmaßlich häufiger als weithin angenommen, weil sie bei entsprechender Absicherung zumeist folgenlos ablaufen. Gefährdungsanalytisch ist diese Dunkelziffer allerdings bedenklich. Denn pathophysiologische Überlegungen und neuere wissenschaftliche Erkenntnisse legen nahe, dass Apnoe--Blackouts nicht notwendigerweise harmlos sind. Sie stellen nämlich eigentlich schwerste Ereignisse akuter Hypoxie unter ungünstigsten Bedingungen dar. Der Bewusstseinsverlust tritt nach dem Aufbrauchen der allerletzten Sauerstoffspeicher in Blut- und Gewebespeichern ein. Kausale Ursache des Blackouts ist die absolute Hypoxie des ZNS. Es ist nicht auszuschließen, dass die Schwelle zu einer permanenten hypoxischen Schädigung des ZNS dann bereits erreicht ist. Der Handlungsspielraum der zur Absicherung eingesetzten Personen auf der Zeitachse ist in dieser Situation extrem schmal. Es besteht überdies Ertrinkungsgefahr. Um deren Häufigkeit einzudämmen, werden im internationalen Apnoe-Wettkampfsport „Blackouts“ mit Disqualifikation und Sperren geahndet. Neben Bewusstseinsverlust werden auch unwillkürliche Muskelbewegungen bei beginnendem Bewusstseinsverlust und unwillkür-liches Unterschneiden der Atemwege bei noch erhaltenem Bewusstsein („Loss of motorcontrol“) sanktioniert. Nicht wirklich im Fokus ist eine passagere, etwa 30 Sekunden dauernde kortikale Blindheit, über die Wettkämpfer allenfalls im vertraulichen Gespräch berichten.

„Schwimmbad-Blackout“
Mit diesem Begriff ist der Bewusstseinsverlust beim dynamischen Apnoetauchen gemeint, in seiner ursprünglichen Bedeutung nach vorangehender, wiederholter Hyperventilation, die pathophysiologisch absolut unerwünscht ist. Denn der dadurch abgesenkte pCO2 steigt dann verzögert an, sodass es zum Bewusstseinverlust durch Hypoxie bereits vor Einsetzen des über den pCO2 getriggerten Atemreizes kommen kann (Abbildung 4). Häufiger tritt der Bewusstseinsverlust beim dynamischen Apnoetauchen aber einfach deswegen ein, weil der Apnoetaucher – trainings-, prüfungs- oder wettkampfbedingt – das erste physiologische Warnsignal, den Tauchgang zu beenden, willentlich ignoriert. Das gelingt den meisten Apnoetauchern bereits nach wenig Übung. Diese Zeitspanne bis zum imperativen Atemzwang ist durch zunehmende Kontraktionen des Zwerchfells charakterisiert, während derer der durch das Unterwasserschwimmen ohnehin bis auf das zehnfache erhöhte Sauerstoffbedarf weiter steigt.

Selbst der absolute Endpunkt ist aber noch in gewissem Maße willentlich zu beeinflussen. Damit sich dieser Effekt im Sicheren einstellt, bedarf es allerdings jahrelanger Übung, insbesondere der Ökonomisierung des Schwimmstils, des Erlernens von Stoffwechsel reduzierenden Vorgängen mit Reduktion der Herzfrequenz und einer maximalen Ausnutzung der Sauerstoffspeicher.

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Abb. 4: Verlauf von pCO2 und pO2 bei Apnoe ohne und mit vorhergehender Hyperventilation (HV); pO2 nterschreitet bei vorhergehender HV die Blackoutschwelle, bevor pCO2 die Atemreizschwelle überschreitet.
Der Bewusstseinsverlust beim statischen Apnoetauchen folgt einem vergleichbaren Mechanismus. Aufgrund der vollkommenen körperlichen Ruhe ist der Sauerstoffverbrauch gegenüber dem dynamischen Apnoetauchen deutlich verringert, sodass die mögliche Zeit in statischer im Vergleich zu dynamischer Apnoe deutlich länger ist.

Bei nicht spezialisierten Apnoetauchern kann ohne Zeichen der Vorwarnung jederzeit eine unmittelbare Bewusstlosigkeit unter Wasser eintreten [3]. Die Gefährdungen ergeben sich vor allem durch leichtfertiges Experimentieren ohne Absicherung durch Dritte.

„Flachwasser-Ohnmacht“
Die Flachwasserohnmacht, die sich auf das tiefere Tauchen in Apnoe und mit angehaltener Luft bezieht, folgt einem anderen pathophysiologischen Pfad als der Schwimmbad-Blackout.

Beim Apnoe-Tieftauchen beträgt der paO2 mit Erreichen von beispielsweise fünf Metern Wassertiefe etwa 130 mm Hg. Die Kompression des Lungenvolumens gemäß dem Gesetz von Boyle--Mariotte führt zur gesteigerten Sauerstoffdiffusion aus den Lungen ins Blut. Unter Belastung kann der laufende Sauerstoffverbrauch bereits vor dem Auftauchen zu subnormalen paO2-Werten geführt haben. Beim Auftauchen dehnt sich das Gasvolumen in den Lungen dann wieder exponentiell aus. Der gleichzeitige Druckabfall lässt den paO2 kontinuierlich abfallen, bis er den gemischt-venösen Wert erreicht. Damit kann eine schlagartige Umkehr der Diffusionsrichtung eintreten, sodass die Alveolen dem Blut weiteren Sauerstoff entziehen, wodurch dann spätestens die Bewusstlosigkeit eintritt [3, 23]. Der Blackout setzt häufig erst knapp unter oder unmittelbar an der Wasseroberfläche ein. Die Erklärung hierfür ist die Kreislaufzeit des hypoxischen Bluts, bis es von den Lungen im Gehirn ankommt [16].

Hieraus erklären sich auch die Ereignisse mit beginnendem Bewusstseinsverlust, die sich „nur“ mit unwillkürlichen Muskelbewegungen manifestieren, weil die Sauerstoffversorgung an der Oberfläche nach den ersten Atemzügen rasch wieder hergestellt wird.

Sichere Dauer von Apnoetauchgängen?
Bei nationalen und internationalen Wettbewerben im Elite-Apnoe-tauchen wurde eine Häufigkeit von bis zu 6 % manifestem und 10 % beginnendem Bewusstseinsverlust beschrieben [14].

Bereits die klassische Pulsoxymetrie-Studie an japansichen Perlentaucherinnen – den Ama – [26] hat gezeigt, dass deren übliche Apnoetauchgänge auf durchschnittlich 10 m Wassertiefe über maximal 45 Sekunden mit einer mittleren SO2 von 98 % endeten. Bei für die Studie auf durchschnittlich 69 Sekunden verlängerten Apnoetauchgängen lag die mittlere SO2 bei diesen Profitaucherinnen nur noch bei 73 %.

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Abb. 5: Position des Körpers im Wasser beim Side-Stroke-Schwimmen (hier linke Körperhälfte tiefer im Wasser)

Bei einem Kollektiv schwedischer Rekordtaucher in der statischen Disziplin fiel eine erhöhte Pulsfrequenz unmittelbar vor und während der ersten 90 Sekunden in Wettkampfsituationen auf. Unter Hinweis auf dynamische Apnoe im Rahmen des qualifizierenden Unterwassertrainings von Marinesoldaten wird ausgeführt, dass die im Routinetraining sicheren Limits unter physischem und psychischem Stress möglicherweise nach unten zu korrigieren sind [17]. Die Ergebnisse deuten indirekt auf die herausragende Bedeutung einer ungestörten und gelungenen Vorbereitung auf Apnoetauchgänge hin.

Das U. S. Special Command empfiehlt für die „breite Masse“ eine Minute für das dynamische und zwei Minuten für das statische Apnoetauchen [29].

Der passagere oder manifeste Bewusstseinsverlust beim oder nach Apnoetauchen tritt ohne durch den Betroffenen verwertbare Warnzeichen auf. Selbst wenn eine initiale Aura bemerkt werden sollte, reicht weder die im Sekundenbereich zur Verfügung stehende Zeit aus, noch stehen unter Wasser oder an der Oberfläche sinnvolle Möglichkeiten der Selbsthilfe zur Verfügung. Es gibt beim statischen und dynamischen Apnoetauchen keinen verlässlichen Trainingseffekt, aus dem die Vermeidung von Hypoxie-Ereignissen sicher erlernbar wäre.

Aus der Literatur ergibt sich als Empfehlung eines sicheren -Limits im Bereich des 50-sten Perzentils aller Taucher von maxi-mal 60 Sekunden für das dynamische Apnoetauchen und 120 Sekunden für das statische Apnoetauchen, wenn man -„Sicherheit bei Apnoetauchgängen“ mit der Vermeidung von beginnendem oder manifestem Bewusstseinsverlust definiert.

Für „No-Limit“ Apnoetauchgänge, wie sie bei internationalen Apnoe-Wettkämpfen durchgeführt werden, ist eine intensive und zielorientierte Ausbildung erforderlich. Entscheidend sind hier penibel eingehaltene Absicherungsmaßnahmen.

Hyperinflation der Lungen
Durch antrainierte Hyperinflation ihrer Lungen erreichen -Apnoe-Spezialisten eine Erhöhung der Totalkapazität um bis zu 40 % unmittelbar vor dem Abtauchen [23]. Dieses als „Lungenpacken“ benannte Manöver ist ein glossopharyngealer Kunstgriff, den leider jeder erlernen kann, also auch „Hobby-Rekordler“. Wenn die Lungen „voll gepackt“ sind, drücken sie von beiden Seiten derart auf das gesamte Mediastinum, dass der venöse Rückstrom sistiert. Das Manöver funktioniert nur dann ohne Probleme, wenn unmittelbares Abtauchen sehr rasch zur exponentiellen Volumenreduktion der Lungen gemäß dem -Gesetz von Boyle-Mariotte führt. Ansonsten besteht die Gefahr einer Synkope vor dem Abtauchen oder einer Überdehnung der Lungen mit arterieller Gasembolie, Pneumothorax oder -Mediastinalemphysem [18, 20, 24, 25, 26].

Mit dem Manöver des Lungenpackens sind schon Erfahrene häufig überfordert. Für die „Apnoeisten“ im Breitensport oder das Experimentierverhalten Unerfahrener ist die Hyperinflation der Lungen kontraindiziert.

Lungenödem beim Apnoetauchen
Zu Lungenödemen kommt es regelhaft, wenn durch tiefenbedingte Kompression des vor dem Abtauchen maximal inspirierten Lungenvolumens das Residualvolumen unterschritten wird und Kompensationsmechanismen fehlen, wie sie geübte Apnoetaucher gelernt haben und einsetzen können [23]. Beim Ungeübten wird diese kritische Tiefe ab 30 m erreicht. Allerdings wird der zunächst nur schwer zu erreichende Effekt des unterschrittenen Residualvolumens gern durch Schwimmbadübungen in drei bis sechs Meter Tiefe simuliert, wenn aus Trainingsgründen nach maximaler Exspiration abgetaucht wird. Dann kommt es auch schon im sehr flachen Wasser zu durch Lungenunterdruck bedingten „klassischen“ Apnoetaucher-Lungenödemen [15].

Bis vor gut einem Jahrzehnt hat man sich mit der relativ einfachen Erklärung der Unterschreitung des Residualvolumens zufrieden gegeben. Neue physiologische Untersuchungen zur Immersion, zum Schwimmsport und zum Apnoetauchen haben zur Identifizierung weiterer zu berücksichtigender Ursachen für beginnende oder manifeste Lungenödementwicklung bei herz- und lungengesunden Personen geführt [5].

Immersions-, Schwimmer- und Taucherlungenödem

Das akute Immersions-, Schwimmer- und Taucherlungenödem ist erst seit einigen Jahren bekannt. Es betrifft meistens gesunde und unauffällige Wassersportler. Zunächst gab es dafür keine wegweisende Ursache. Auch die Terminologie ist noch uneinheitlich, zum Beispiel „Swimming Induced Pulmonary Edema“ (SIPE) oder „Diving Related Pulmonary Edema“ (DRPE). Betroffene Taucher haben häufig eher anstrengende Tauchgänge in Apnoe absolviert, wobei sämtliche Disziplinen des Apnoe-tauchens betroffen sind. Vergleichbare Lungenödeme wurden aber auch bei Gerätetauchern beschrieben. Insofern scheint das Phänomen bei Belastung im Wasser beinahe ubiquitär auftreten zu können.

2003 wurden Fälle von SIPE erstmals bei einer kleinen Kohorte beschrieben. Bei anstrengendem Oberflächenschwimmen im US Navy Side-Stroke-Schwimmstil trat bei drei zuvor gesunden Schwimmern ein einseitiges akutes Lungenödem auf [21]. Bei diesem typischen Schwimmstil der US Navy befindet sich immer eine Lunge tiefer im Wasser. Sie ist somit einem höheren hydrostatischen Druck ausgesetzt (Abbildung 5).

2004 berichtete die israelische Marine über 70 israelische Kampfschwimmer mit typischen SIPE-Symptomen, wie thorakale Beklemmungen, Dyspnoe, Husten, Hämoptysis und reduzierter Sauerstoffsättigung von im Mittel nur 88 %. In knapp 25 % der Fälle handelte es sich um Wiederholungsereignisse [31].

Bei Apnoe-Wettkämpfen in Tauchtiefen bis 75 Metern wurden 2008 bei 12 von 19 Freiwilligen zum Teil erhebliche akute Einschränkungen physiologischer Variablen (FVC, FEV1 und SaO2) als Hinweis auf ein beginnendes DRPE beschrieben [18].

Bei Immersion und Submersion führt ein hydrostatischer Druckgradient zur Blutvolumenverlagerung von der Peripherie über das venöse Gefäßbett nach zentral in den Brustkorb. Die Füllung des Lungengefäßbettes wird durch zentrales Blut-Pooling über den Tauchreflex und gegebenfalls durch kältebedingte periphere Vasokonstriktion vermehrt. Dabei trifft es insbesondere die Erfahrenen und gut Trainierten, denn der Tauchreflex wird durch regelmäßige Apnoe-Tauchgänge auftrainiert. Durch die sehr heftigen unwillkürlichen Zwerchfellkontraktionen in der „Struggle Phase“ eines Apnoe-Tauchganges wird weiteres Blut in den Brustkorb verlagert. Als kumulativer Effekt geht die Integrität der extrem zarten Alveolarmembranen verloren – mit der Folge, dass Flüssigkeit vom Lungenkapillarbett in die -Alveolen austritt [8, 13, 30].

Andere Wassersportler (Langzeitschwimmer, Schnorcheltaucher, Aquajogger und Triathleten) sind ebenso gefährdet wie Apnoetaucher [9, 18]. Aus dieser Population wird seit einigen Jahren über schwerere Verläufe bis hin zu fatalen Ereignissen berichtet. Das American College of Sports Medicine hat darauf mit einem Maßnahmenkatalog für Triathleten für deren Schwimmdisziplin reagiert, der den Verzicht auf vorherige Aufwässerung beinhaltet [1].

Nach derzeitigem Stand der Erkenntnisse wird die Alveolarmembran durch (Apnoe-) Tauchen und unterschiedlich motivierte Immersion insbesondere auf das Äußerste belastet durch [2, 4, 6, 10, 12, 22, 28]:

  • physischen und psychischen Stress,
  • hydrostatische Effekte,
  • durch Immersion bedingtes zentrales Blut-Pooling mit Hypervoläme,
  • Zwerchfellkontraktionen während der „Struggle Phase“,
  • Belastungshypertonie,
  • Kältestress und
  • bestimmte Körperlagen im Wasser.

Veranstalter unterschiedlichster Wassersport-Events, die betreuenden Notärzte und nicht zuletzt die Sportler selbst werden durch diese Form des Lungenödems vor sehr große Herausforderungen gestellt.

Ein beginnendes Lungenödem beim Wassersport zeigt sich durch Hustenreiz noch unter beziehungsweise im Wasser, Beklemmungen beim Einatmen, Dyspnoe und Hämoptysis. Körperlich gut Trainierte können die Erscheinungen auch nur angedeutet wahrnehmen, so dass beginnende Lungenödeme häufig deswegen übersehen werden, weil die Betroffenen nicht daran denken und nicht ärztlich vorstellig werden. Leichte SIPE / DRPE nehmen unbehandelt in der Regel spontan einen günstigen Verlauf.

Die Behandlung schwererer oder sehr schwerer Verläufe muss rasch durch notfallmedizinisch ausgebildetes ärztliches Personal erfolgen:

  • FiO2 = 1 (wie grundsätzlich bei allen Tauchunfällen),
  • halbsitzende Lagerung (anders als die Flachlagerung bei typischen Tauchunfällen),
  • Diuretika (Furosemid),
  • keine Flüssigkeitsgabe (anders als bei anderen Tauchunfällen),
  • Transport zur Intensivüberwachung mit Notarzt-Begleitung.

Kernaussagen / Schlussfolgerungen

  • Apnoetauchen ist bei Beachtung der Regeln eine grundsätzlich sichere Sportart und bei der militärischen Tauchausbildung unter Beachtung der erforderlichen Rahmenbedingungen ein grundsätzlich sinnvoller Baustein der Übungskataloge.
  • Die Leistungsfähigkeit unter Wasser ist stark trainingsabhängig und unterliegt vielen inter- und intraindividuellen Variablen.
  • Gefahrensituationen ergeben sich aus plötzlichem Bewusstseinsverlust, der ohne Vorwarnzeichen einsetzt und unterschiedliche Ursachen haben kann, die aber alle mit einer Hypoxie des ZNS zusammenhängen.
  • Durch Immersion im Wasser, aggraviert durch physischen und psychischen Stress, kann es auch bei gesunden und gut trainierten Wassersportlern zu einem Lungenödem kommen.
  • Unter den hohen Sicherheitskautelen der militärischen Tauch-ausbildung ist das Apnoetauchen ein äußerst wichtiger Baustein auf dem Weg, Selbstvertrauen und Handlungs-sicherheit unter Wasser zu erlernen.
  • Ohne die Sicherheit etablierter Übungskataloge unter der Aufsicht erfahrener Apnoetauchausbilder sind Apnoetauchübungen im militärischen Kontext zu unterlassen.

Literatur

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  2. Boussugers A, Pinet C et al.: Haemoptysis after breath-hold diving. Eur Respir J 1999;13: 697-699.
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  9. Henckes A, Arvieux J et al.: Hemoptysis and pneumomediastinum after breath-hold diving in shallow water: A case report. Undersea Hyperb Med 2011;38: 213-216.
  10. Henckes A, Lion F et al.: Pulmonary oedema in scuba-diving: Frequency and seriousness about a series of 19 cases. Ann Franc d’Anesth Réanimation 2008;27: 694-699.
  11. Hong SK, Henderson J, Olszowka A et al.: Daily diving pattern of Korean and Japanese breathhold divers (ama). Undersea Biomed Res 1991;18: 433-443.
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Bildquellen:

Abb. 1 - 3: Anna von Boetticher, International Association for Develop-ment of Apnea (AIDA), Deutschland
Abb. 4: U.van Laak, Kronshagen
Abb. 5: http://www.enjoy-swimming.com/sidestroke-swimming- technique-1.html, mit freundlicher Genehmigung von Christophe Keller

 

Datum: 03.03.2016

Quelle: Wehrmedizinische Monatsschrift 2016/2

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