EINFLUSS DER KÖRPERLICHEN LEISTUNGSFÄHIGKEIT AUF ÜBERLASTUNGSBESCHWERDEN UND VERLETZUNGEN IM RAHMEN DER ALLGEMEINEN MILITÄRISCHEN GRUNDAUSBILDUNG

1 Sanitätsregiment 32, Weißenfels, 2 Bereich Arbeitsmedizin der Medizinischen Fakultät der Otto-von-Guericke-Universität, Magdeburg, 3 Sanitätszentrum Rotenburg, Rotenburg (Wümme), 4 Kommando Sanitätsdienst der Bundeswehr, Koblenz

Lisa Müller-Schilling1, 2, Nils Gundlach3, Irina Böckelmann2, Stefan Sammito2,4

WMM, 58. Jahrgang (Ausgabe 10-11/2014; S. 359)

Zusammenfassung:

Zielsetzung

Am Anfang einer jeden soldatischen Karriere steht die militärische Grundausbildung (GA), die dem Erwerb der soldatischen Grundfähigkeiten und der benötigten körperlichen Leistungsfähigkeit dient.

Die dabei auftretende erhöhte körperliche Belastung ist mit dem Risiko für das Auftreten von Überlastungsbeschwerden und Verletzungen vergesellschaftet. Studien aus den US-amerikanischen Streitkräften zeigen, dass das Verletzungsrisiko für Rekruten, die den Advanced Physical Fitness Test am Anfang des Basic Combat Training nicht bestanden haben, durch ein 8-wöchiges Pretraining signifikant verringert werden kann (Knapik et al., 2001; 2003). Inwiefern die körperliche Leistungsfähigkeit zu Beginn der GA die Häufigkeit von Verletzungen und die daraus resultierenden Dienstausfälle beeinflusst und ein Pretraining nach amerikanischem Vorbild auch für Berufsanfänger der Bundeswehr sinnvoll wäre, sollte im Rahmen dieser Studie untersucht werden.

Methode

Die Daten von insgesamt 372 Probanden (Alter 20,4 ± 1,9 Jahre) aus vier aufeinanderfolgenden GA-Quartalen wurden ausgewertet. Die erhobenen Befunde wurden hinsichtlich Überlastungsbeschwerden und Verletzungen gesichtet und die ausgesprochenen Dienstbefreiungen dokumentiert. Anschließend erfolgte eine Quartileneinteilung der körperlichen Leistungsfähigkeit anhand der Gesamtpunktzahl im Basis-Fitness-Test und eine Analyse der Ausfalltage mit eingeschränkter (eV) sowie mit vollständiger Verwendungsunfähigkeit (vV) basierend auf dieser Einteilung. Nachfolgend wurden alle Konsultationen hinsichtlich der Verletzungsart ausgewertet und ein Vergleich mit vorliegenden Verletzungszahlen aus der GA vorgenommen sowie ein Vergleich der Ausbildungsinhalte durchgeführt. Alle Probanden hatten schriftlich der Auswertung Ihrer Gesundheitsakte und Fitnesswerte zugestimmt.

Ergebnisse

141 von 372 Probanden (38 %) stellten sich im Laufe der GA mit einem Überlastungssyndrom oder einer Verletzung beim Truppenarzt vor. Dabei entfielen 62 % aller Beschwerden auf die untere Extremität. Die durchschnittliche Einschränkung der Verwendungsfähigkeit (vV und eV) betrug 6,6 ± 6,4 Tage, wobei die Probanden 0,6 ± 2,5 Tage im Status „vV“ und 6,0 ± 6,0 Tage im Status „eV“ waren. Es stellte sich sowohl für die Gesamtanzahl als auch für die Tage der vV und eV kein signifikanter Einfluss der körperlichen Leistungsfähigkeit in der Varianzanalyse (Gesamt: p = 0,152, vV: p = 0,375, eV: p = 0,119) dar, wobei tendenziell die Gruppe mit der niedrigsten und höchsten Leistungsfähigkeit die meisten Ausfalltage aufwiesen. Außerdem zeigte sich mit durchschnittlich 0,71 Verletzungen/1000 h, dass die Verletzungszahlen im Vergleich zu einer ersten Erhebung aus dem Jahr 2008/2009 (2,27 Verletzungen/1000 h) (Sammito, 2011), insgesamt geringer ausfielen. Die „grüne Ausbildung“ wies hierbei eine Verletzungshäufigkeit von 0,63 Verletzungen/1000h auf, während der Dienstsport mit 1,98 Verletzungen/ 1000 h ein höheres Verletzungsrisiko aufwies. Das Winterquartal war bei der „grünen Ausbildung“ am verletzungsträchtigsten, während beim Dienstsport das Sommerquartal besonders verletzungsintensiv war. Bei den Ausbildungsinhalten überwiegen insbesondere Schießstunden im Rahmen des neuen Schießausbildungskonzepts der Bundeswehr.

Diskussion / Schlussfolgerung

In der Auswertung ließ sich kein signifikanter Einfluss der körperlichen Leistungsfähigkeit am Beginn der GA auf das Auftreten von Überlastungssyndromen oder Verletzungen, sowie auf die daraus resultierende Dauer des Dienstausfalls feststellen. Dies zeigt, auch wenn durch die freiwillige Teilnahme an der Studie eine Veränderung der Ergebnisse abschließend letztlich nicht ausgeschlossen werden kann, die gute Eignung der jetzigen Form der GA für die Ausbildung von Rekruten verschiedenster Fitnesslevel.
Positiv ist der Rückgang der Verletzungszahlen zu verzeichnen, was auf geänderte Ausbildungseinheiten in der GA zurückzuführen ist. Allerdings ist herauszustellen, dass 62 % der erfassten Verletzungen die untere Extremität betrafen, was deren besondere Bedeutung für Einschränkungen während der GA zeigt. Dabei ist ein besonderes Augenmerk auf die „grüne Ausbildung“ zu legen, da bei dieser insgesamt 53 % aller Verletzungen auftraten. Durch die hohe Stundenzahl zeigte sich jedoch nur eine Verletzungshäufigkeit von 0,63 Verletzungen/1000 h, wobei sich die Hindernisbahn als Bestandteil dieser mit 3,55 Verletzungen/ 1000 h im Vergleich besonders verletzungsreich darstellte. Zu bedenken ist hierbei, dass gerade durch die Hindernisbahn die Bewegungsabläufe, die ggf. im späteren Einsatz benötigt werden, besonders gut trainiert werden können.
Insgesamt ist somit eine Anhebung des Fitnesslevels mit dem Ziel der Verletzungsprevention durch ein Pretraining nach amerikanischem Vorbild vor der GA unnötig, da keine signifikante Senkung des Verletzungsrisikos zu erwarten wäre.

 

Datum: 01.12.2014

Quelle: Wehrmedizinische Monatsschrift 2014/10-11

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