06.03.2014 •

    FACHSANITÄTSZENTRUM MUNSTER: MACHT WAS HE(E)R!

    H. Siemon

    Nach dem Abschluss der laufenden Umstrukturierung der Bundeswehr wird der größte Heeresstandort Deutschlands auch weiterhin in der Lüneburger Heide liegen. Schon immer war der Bereich Munster-Bergen ein Zentrum der Ausbildungs- und Übungstätigkeit der Kampftruppe gewesen. Diese Sonderstellung wird durch den strukturbedingten Wegfall anderer Übungsplätze weiter gestärkt. Der Verbund der drei Übungsplätze Munster Nord, Munster Süd und Bergen im dünn besiedelten und strukturschwachen Nord-östlichen Niedersachsen stellt sich funktionell als ein durchgehendes Übungsgebiet von etwa 50x20 km dar, davon ist die Hälfte der Fläche militärisches Territorium.

    In Munster sind die Panzerlehrbrigade 9 und das Ausbildungszentrum des Heeres stationiert. Zudem trainieren hier während der Zeiten maximalen Übungsbetriebes zusätzlich bis zu 6000 deutsche Soldaten. Der Truppenübungsplatz Bergen ist ein NATO-Übungsplatz, den neben der Bundeswehr auch Soldaten alliierter Nationen in großem Umfang nutzen. Zudem befindet sich in Bergen eine Garnison der britischen Armee. 

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    In der Masse betreffen die mit dem Übungsbetrieb zusammenhängenden Aufgaben unbestreitbar die Truppenübungsplatzkommandantur und die Bundeswehrdienstleistungszentren in Bergen und Munster. Einen sehr wesentlichen und sehr umfangreichen Auftrag hat aber auch der Sanitätsdienst der Bundeswehr im Rahmen des Regionalprinzips, der durch das Fachsanitätszentrum Munster ganzjährig wahrgenommen wird.
    Dieses hat gemeinsam mit der Sanitätsstaffel in der Kaserne des Ausbildungszentrums eine Personalstärke von knapp 200 Soldaten und etwa 20 Zivilisten.
    Eine Hauptaufgabe für das Fachsanitätszentrum Munster ergibt sich aus der intensiven Übungstätigkeit und der daher erforderliche Notfallbereitschaft auf den drei Übungsplätzen. Aus der Vielzahl der verschiedenen Übungsmöglichkeiten resultiert ein komplexes Gemenge von unterschiedlich zusammengesetzten Anwesenheitsdiensten und der sogenannten raumdeckenden Versorgung. Nicht nur wegen der räumlichen Dislozierung, sondern auch wegen der Anzahl des dafür erforderlichen Personals ist die Sicherstellung dieser Notfallbereitschaften eine der Herausforderungen an das Fachsanitätszentrum Munster. Eine ständige enge Kooperation von übender Truppe, Kommandantur und Sanitätsdienst ist dafür unerlässlich. Das Fachsanitätszentrum Munster hat auf diese Aufgabe mit der Aufstellung einer Koordinierungszentrale reagiert, in der nicht nur die Kommunikation mit den anderen am aktuellen Übungsgeschehen Beteiligten geführt wird, sondern wo auch die Ausbildungs- Übungs- und Einsatzplanung des rettungsdienstlich eingesetzten Sanitätspersonals erfolgt. Auch die fallweise erforderlichen Verstärkungen durch Kommandierung von Personal anderer Sanitätseinrichtungen werden von hier organisiert und beantragt.
    Dieser intensiv heeresbezogene Aufgabenanteil des Sanitätsdienstes im Standort Munster hat mich von jeher fasziniert. Die Leitung der Sanitätseinrichtung in Munster war seit Jahren meine Wunschverwendung. Diese Absicht hat sich im November 2012 endlich erfüllt! Sicherlich hat sich mit diesem Wunsch meine langjährige Vergangenheit in Einheiten und an Standorten des Heeres mit ständigem Kontakt zur Kampftruppe prägend durchgesetzt. Die in dieser Zeit gemachten Erlebnisse während vieler Übungen, besonders aber die in sieben Auslandseinsätzen gewonnenen Erfahrungen hoffe ich jetzt, in den letzten vier Jahren meiner Dienstzeit, noch einmal im täglichen Dienst umsetzen zu können.
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    Morgennebel.
    Die zweite Hauptaufgabe für das Fachsanitätszentrum Munster ist die Sicherstellung der truppenärztlichen Versorgung nicht nur für die etwa 6 500 in Munster und Bergen stationierten Soldaten, sondern gemäß dem Regionalitätsprinzip auch für die schon erwähnten Übungsteilnehmer. Ich muss hier noch einmal betonen: Es handelt sich dabei größtenteils um Soldaten der Kampftruppe im körperlich extrem anspruchsvollen Übungs- und Ausbildungsdienst. Das sich dann daraus ergebende Patientenaufkommen ist zu Zeiten maximalen Übungsbetriebes in den normalerweise betriebenen zwei Behandlungseinrichtungen in Munster und einer in Bergen nicht mehr zu bewältigen. In den Lagern Trauen und Hörsten sind dann zusätzliche Sanitätsbereiche einzurichten und zu betreiben. Gewiss ist die truppenärztliche Tätigkeit für die meisten Sanitätsoffiziere der Bundeswehr nichts Unbekanntes, und auch die älteren haben daran zumindest noch eine blasse Erinnerung. Aber in dieser extremen Form der Arbeitsbelastung ist sie sicher nur den wenigsten vertraut. Auch ich habe hier Neuland betreten müssen und das nach siebzehn Jahren in der Leitung von Sanitätszentren!
    Der truppenärztliche Versorgungsauftrag gilt für eine sehr hohe Patientenzahl.  Dabei besteht eine tägliche Herausforderung darin, Dissimulation und Symptom-Bagatellisierung besonders bei den Übungsteilnehmern in deren Drang, sich im Übungsgeschehen selbst zu beweisen, zu erkennen. Auch führt die Zielausrichtung der Einheiten auf den Übungserfolg zu einem veränderten Vorstellungsverhalten der Soldaten.
    Dass natürlich auch bei unseren Patienten diejenigen nicht fehlen, die an minimalen Gesundheitsstörungen schwer leiden, sei an dieser Stelle nicht verschwiegen.
    Dazu kommt eine Zahl von etwa 6 000 Begutachtungen (gem. BA 90/5) pro Jahr.
    Gerade für junge Sanitätsoffiziere in der Phase des beruflichen „Freischwimmens“ ist die Arbeit in diesem Spannungsfeld eine sehr fordernde Aufgabe. Zudem bietet der Standort Munster, zumindest für den oberflächlichen Betrachter, einen allenfalls sehr spröden Charme. Es fehlt ihm an Vielem, was junge Ärzte anzieht, und fällt im Vergleich mit den benachbarten Garnisonen Hamburg, Lüneburg und Hannover zumindest in Fragen des Lifestyles deutlich ab. Dabei darf man nicht vergessen, es gibt in Munster eine Vielzahl sportlicher Möglichkeiten und eine Menge ursprünglich belassener Natur, auch außerhalb der Truppenübungsplätze.
    Eine Steigerung der Attraktivität darüber hinaus muss und kann nur in der Arbeitsumgebung selbst geschaffen werden. Mein Bestreben ist es daher, den jungen Kolleginnen und Kollegen ein abwechslungsreiches Arbeitsumfeld mit der Möglichkeit zur Entwicklung eines eigenen beruflichen „Standings“ sowie zum Erwerb allgemeinmedizinischer Weiterbildungszeiten zu bieten. 
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    Such- und Räumdienst.

    In Bezug auf fachliche Abwechslung – zumindest allgemeinmedizinisch-truppenärztlich – sind das Fachsanitätszentrum und der Standort Munster nur schwer zu übertreffen: zusätzlich zu den genannten Aufgaben betreiben wir zwei betriebsmedizinische Arztgruppen und eine fliegerärztliche Untersuchungsstelle. Einzigartig in der Bundeswehr ist zudem die tägliche Anwesenheitsbereitschaft beim Suchen und Räumen von Munition aus den Überresten der C-Waffen-Fabrikation zweier Weltkriege auf dem Übungsplatz Munster Nord, die spezielle Ausbildung erfordert.
    Auch die Möglichkeit zur interdisziplinären Zusammenarbeit mit der Zahnarztgruppe – mit acht Behandlungsstühlen und zwei Oralchirurgen ist sie die größte der Bundeswehr – ist eine herausragende Besonderheit des Standortes.
    Diese vielfältigen Aufgaben für das Fachsanitätszentrum Munster fordern, insbesondere bei der derzeitigen angespannten Personallage, natürlich ihren Tribut in Form einer sehr hohen persönlichen Arbeitsbelastung für das gesamte Sanitätspersonal. Gerade in Phasen konkurrierender gleichrangiger Ansprüche auf sanitätsdienstliche Leistungen zwingt dies den Dienststellenleiter intern wie extern fast häufiger in die Rolle des ausgleichenden Vermittlers als in die des militärischen Führers. Nach zwei Jahrzehnten der Tätigkeit in Sanitätsbereichen und Sanitätszentren, drei Jahren im Verteidigungsministerium und mehreren Auslandseinsätzen hoffe ich, dieser „bipolaren“ Führungsaufgabe im Fachsanitätszentrum Munster gerecht werden zu können.

    Datum: 06.03.2014

    Quelle:

    Wehrmedizin und Wehrpharmazie 2013/4

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