SCHUSSVERLETZUNG EINES EINHEIMISCHEN ARBEITERS DES PRT KUNDUZ

In jedem Auslandseinsatz der Bundeswehr findet sich meistens auch ein Zahnarzt als ein Bestandteil der sanitätsdienstlichen Versorgung der Soldaten.

Oftmals ist man geneigt, den Zahnarzt auf die Zahnreinigung und die Versorgung von Zähnen mit Füllungen als alleinige Aufgabe zu reduzieren. Dieser Beitrag soll zeigen, dass der Zahnarzt im Einsatz nicht nur originär zahnärztliche Therapien durchführt, sondern darüber hinaus aufgrund seiner spezifischen Fachkenntnisse in der interdisziplinären Versorgung traumatisierter Patienten unabdingbar ist.

Das Rettungszentrum der Bundeswehr in Kunduz stellt die sanitätsdienstliche Versorgung der Role 2 dar. Dazu sind dort ein Facharzt für Anästhesie (gleichzeitig Leitender Notarzt), ein Assistenzarzt Anästhesie, ein Facharzt für Chirurgie (gleichzeitig Klinischer Direktor), ein Chirurgieassistent, ein Truppenarzt und ein Zahnarzt eingesetzt (Stand 20. Ktgt).

Das Diagramm zeigt die Verteilung der Verletzungsmuster, die typischerweise in Gefechtssituationen auftreten.

Mit 7% sind dort die Explosionsverletzungen aufgeführt, gefolgt von den Verletzungen am Rumpf ohne chirurgische Beteiligung. Auf Platz drei kommen die Patienten, die infolge eines Gefechtes verwundet wurden und daran versterben (12%). 15% der Verletzten zeigen ein Verletzungsmuster, welches hier nicht aufgeführt wurde, wobei an fünfter Stelle die Patienten kommen, die Verletzungen des Rumpfes aufweisen, welche chirurgischer Natur sind.

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Die meisten Verletzungen finden sich im Bereich des Kopfes, mit fast einem drittel der gesamten Verletzungsmuster. 31% aller Verletzungen, die Patienten in Gefechtssituationen erleiden, betreffen den Bereich des Kopfes. Die Manigfaltigkeit der Verletzungsmuster im Kopf-Gesichtsbereich, mit einer eventuellen oralen Beteiligung fordern ab und zu auch den Rat des Zahnarztes bei der Behandlung mit ein (Kieferbruch, Avulsion der Zähne, usw...).

Zusätzlich zur Ausstattung der zahnärztlichen Ambulanz wurde Wert auf eine oralchirurgische Ausstattung gelegt. Damit ist die Primärersorgung von Verletzungen des Mund-, Kiefer-, Gesichtsbereiches möglich. Bei der Versorgung dieser speziellen Traumata sind die Kenntnisse des Zahnarztes über die anatomischen Beziehungen im Kopf- Hals-Bereich von besonderer Bedeutung. Der hier dargestellte Fall zeigt exemplarisch die Versorgung einer solchen Mund-Kiefer- Gesichtsverletzung.

Am Freitag den 25. September 2009 wurde ein LKW der im Auftrag der ISAF Material transportierte, beschossen. Dabei durchschlug ein Projektil die Fahrerscheibe und verletzte den afghanischen Fahrer am Unterkiefer links Regio 35. Der Verletzte wurde daraufhin zum Deutschen Feldlager nach Kunduz gebracht und kreislaufstabil mit einer ca. 5 cm großen mäßig blutenden Wunde am linken Unterkiefer, im Rettungszentrum des Feldlagers eingeliefert.

Vor der Einleitung der Analgesie, die noch ein Mitagieren des Patienten ermöglichte, wurde der Patient an das Monitoring angeschlossen. Die eingehende Untersuchung stellte ein im Unterkieferknochen links steckendes Geschoss dar, welches in Haut und Muskulatur einen ca. 5 cm großen Defekt verursacht hatte. Mehrere kleine Einsprengungen verteilt über die linke Gesichtshälfte von der Schläfe bis zum Hals (Bild 2) waren für die Primärversorgung zunächst ohne Relevanz. Nach Sicherung der Vitalfunktionen und Analgesie, wurden zwei Röntgenaufnahmen (PSA und HWS) angefertigt, die übereinstimmend eine Fraktur der Mandibula ausschlossen (Bild 1).

In der anschließenden problemlosen Intubationsnarkose erfolgte die Entfernung des Projektils durch die Eintrittswunde (Bild 3 und 4). Auftretende Blutungen konnten durch Elektrokoagulation gestillt werden. Des weiteren wurde ein Debridement der Wunde durchgeführt und die Wunde mit Kochsalz-Lösung gespült. Es erfolgte ein Wundverschluss in mehreren Schichten mit eingelegter Drainage (Bild 5).

Prophylaktisch wurde eine Antibiotikatherapie mit 600 mg Clindamycin/Tag begonnen (Bild 6).

Nach unkomplizierter und reizloser postoperativer Wundheilung wurde die Drainage entfernt (Bild 7) und der Patient in die ambulante Weiterbehandlung nach Mazar e Sharife entlassen.

Der hier dargestellte Fall macht die Notwendigkeit der oralchirurgischen Ausstattung des PRT Kunduz deutlich und zeigt, mit welchen Fragestellungen der Zahnarzt neben seiner sonst üblichen Tätigkeit auch konfrontiert werden kann und dass neben den allgemeinen zahnärztlichen Kenntnissen auch oralchirurgische Grundfertigkeiten hin und wieder gefragt sind.

Während des 20- Kontingentes wurden insgesamt 4 Patienten mit direkter Beteiligung des Kopfes infolge von Anschlägen im Rettungszentrum behandelt, wobei einer aufgrund der Schwere der Verletzung verstorben ist.

Wirft man einen Blick auf die Schutzausstattung des Soldaten, so findet sich ein relativ guter Schutz des Kopfes und des Rumpfes (Splitterschutzweste und Helm), aber im Bereich der Extremitäten und des Gesichtes einen eher weniger ausgeprägter Schutz, so dass mit großer Wahrscheinlichkeit mit einer Verletzung der Extremitäten und des Gesichtes zu rechnen ist.

Gerade die Traumatologie im Bereich des Gesichtes, vor allem mit einer dentalen Beteiligung, stellt oftmals ein Problem für die Humanmediziner dar, da die spezielle Anatomie nicht in das Alltagsgeschäft der Chirurgen gehört, so dass dann der Zahnarzt als Fachspezialist für dentale Fragestellungen gerufen wird, wie der oben geschilderte Fall zeigt.

Man kann abschließend sagen, dass das Arbeiten im Schockraum oftmals als eine interdisziplinäre Arbeit gesehen werden kann, bei welcher der Patient im Mittelpunkt des Interesses steht. Der Patient sollte der alleinige Nutznießer des vorhandenen Wissens sein. Gerade aus diesem Grund ist die Kommunikation untereinander sehr wichtig und es tut gut zu wissen, welche Ressourcen man nutzen kann. Die Zusammenarbeit und der kollegiale Austausch war in meiner Zeit sehr gut und lässt keinen Grund der Verbesserung erkennen. Es hat mir sehr viel Spaß gemacht im Rettungszentrum mitarbeiten zu dürfen.

Datum: 14.03.2011

Quelle: Wehrmedizin und Wehrpharmazie 2010/4

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