Abteilung III der Überwachungsstelle West – mehr als ein Veterinäramt für die Bundeswehr

W. Korthäuer, F. Bonacker, M. Mewes-Beyer

Die Abteilung Veterinärwesen übernimmt zahlreiche Aufgaben der zivilen Veterinärämter und Ämter für Verbraucherschutz in Liegenschaften der Bundeswehr in Nordrhein-Westfalen, Hessen, Rheinland-Pfalz und dem Saarland. Dies betrifft gemeinsam mit der Abteilung IV den Verbraucherschutz im Bereich des Lebensmittelrechtes sowie den Vollzug der Tierschutz- und Tiergesundheitsgesetzgebung als Alleinstellungsmerkmal.

Neben diesem öffentlichen-rechtlichen Auftrag leistet die Abteilung III aber zusätzlich zahlreiche Dienstleistungen in einem weiten Spektrum für die Bundeswehr. Dieses reicht von der Erstellung lebensmittelhygienischer Infrastrukturgutachten über lebensmittelhygienische Beratungen zum Betrieb von Feldküchen am Tag der Bundeswehr bis hin zur Behandlung von Diensthunden und der Überprüfung der Einsatzfähigkeit von Diensthundeteams. Weitere Aufgaben sind das Auditieren von Lieferbetrieben für Waren tierischer Herkunft wie Wurstwaren oder Molkereiprodukte. Auch das Prüfen der Voraussetzungen zum Einbringen von Privattieren in Liegenschaften der Bundeswehr gehört zu den Dienstleistungsaufgaben der Abteilung III. 

Selbstverständlich werden diese Aufgaben auch regelmäßig von Angehörigen der Abteilung im Auslandseinsatz und in einsatzgleichen Verpflichtungen wahrgenommen. Der beträchtliche Umfang der wahrzunehmenden Aufgaben ist auch daran zu erkennen, dass die Abteilung Veterinärwesen mit derzeit 7 Sanitätsoffizieren und 2 Portepeeunteroffizieren die personell stärkste Abteilung der Überwachungsstelle darstellt. Funktionell ist die Abteilung in die drei Arbeitsbereiche Lebensmittelhygiene und Infrastruktur, Tiergesundheit sowie Tierschutz und Diensthundewesen gegliedert, die jeweils von einem qualifizierten und erfahrenen Sanitätsstabsoffizier Veterinär geleitet werden. Alle Inspektionen erfolgen grundsätzlich risikoorientiert und qualitätsgesichert. An den Abteilungen III der Überwachungsstellen ist die Weiterbildung zum Fachtierarzt für öffentliches Veterinärwesen und teilweise auch für Lebensmittelhygiene möglich.

Welche Tätigkeiten sich hinter den Begriffen „Verbraucherschutz“, lebensmittelhygienischen Infrastrukturgutachten“, „Tierschutz in der Bundeswehr“ oder „Tiergesundheitsinspektionen“ verbergen soll an aktuellen Fallbeispielen aus der Abteilung schlaglichtartig gezeigt werden.

Mikrobielle Risiken in Lebensmitteln

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Grafik. 1: tägliche Neuerkrankungen beim Norovirus Ausbruch Baumholder 2015
Trotz der erfolgreichen Bemühungen der Europäischen Union einen hohen Standard bezüglich der Lebensmittelsicherheit zu erreichen und diesen ständig zu verbessern, gehen von einzelnen Lebensmitteln zumindest zeitweise spezifische Gefahren aus. Bekannte Beispiele aus der Presse sind z. B. Tiefkühlerdbeeren aus China, die gemäß dem Bericht des Bundesinstitus für Risikobewertungen (BfR] im Jahr 2012 zu einem Norovirus-Ausbruch mit über 11000 Erkrankten in Deutschland geführt haben. Noch weit dramatischer verlief der lebensmittelbedingte Ausbruch mit dem hochpathogenen Escherichia coli Stamm EHEC O104:H4 im Jahr 2011. Hierbei erkrankten nach Angabe des Robert Koch Instituts insgesamt knapp 4000 Personen sehr schwer, viele behielten bleibende Schäden und 53 Personen verstarben. Auslöser waren mit dem Erreger kontaminierte Sprossen von Bockshornkleesamen. Beide Ereignisse führten aufgrund der einschlägigen Empfehlungen des BfR auch zu Konsequenzen der Lebensmittelüberwachung in der Bundeswehr. So dürfen beispielweise Tiefkühlbeeren und Sprossen nur noch erhitzt für die Patientenverpflegung in den Bundeswehrkrankenhäusern verwendet werden. Die häufigsten durch Lebensmittel hervorgerufenen Erkrankungen werden durch Salmonella enteritidis spp. oder Campylo­bacter spp. hervorgerufen. Beide Erreger kommen besonders häufig in rohem Geflügelfleisch aber auch z. B. in rohem Schweinefleisch vor. Bei einem Ausbruchsgeschehen mit diesen Erregern ist regelmäßig die Einsatzbereitschaft der Truppe stark beeinträchtigt. In Einzelfällen können auch einzelne Erkrankte schwere Folgen davontragen, wenn sie beispielweise als Dauerausscheider nicht mehr mit offenen Lebensmitteln beruflich umgehen dürfen. 

Um die Ursache bei einem Ausbruchsgeschehen schnellstmöglich zu finden, wird die Überwachungsstelle bei dem Verdacht eines Ausbruches unverzüglich durch den Truppenarzt informiert. Aus den Abteilungen I (Hygiene) und III (Veterinärwesen) der Überwachungsstelle wird dann ein interdisziplinäres Ausbruchsteam gebildet, das die epidemiologischen Ermittlungen vor Ort unverzüglich aufnimmt und Sofortmaßnahmen anordnet. Für die epidemiologischen Ermittlungen sind darüber hinaus die Untersuchungen von Lebensmittelproben, von mikrobiologischen Abklatschuntersuchungen aber auch von Stuhlproben der Erkrankten durch das zuständige Zentralinstitut des Sanitätsdienstes essentiell.

Synergie durch Interdisziplinäres Arbeiten

Als Beispiel für das Management durch ein interdisziplinäres Ausbruchsteam der Überwachungsstelle West wird hier der Norovirus-Ausbruch auf dem Truppenübungsplatz Baumholder im Jahr 2015 kurz skizziert. Bei dem Ausbruch erkrankten insgesamt 95 Personen. Das Maximum mit 67 Neuerkrankungen fand am dritten Tag statt (Grafik 1). Zu diesem Zeitpunkt befanden sich etwa 1050 Personen auf dem Übungsplatz. Am gleichen Tag wurden auch durch ÜbwSt West die Vor-Ort-Ermittlungen aufgenommen und erste Anordnungen getroffen. Die meisten Erkrankten litten an Diarrhö (97 %) und Erbrechen (69 %).

Bemerkenswerter Weise wies das gesamte Küchenpersonal im Lager Aulenbach mit 83 % die höchste Inzidenz der Erkrankten nach Einheiten auf, obwohl die ersten Ausbruchsfälle in der übenden Truppe bekannt wurden. Für die beiden einzigen symptomlosen Küchenkräfte der Truppenküche wurde durch den zuständigen Amtsarzt ein zeitweiliges Tätigkeitsverbot ausgesprochen. Der Übungsbetrieb sowie der Betrieb der Truppenküche mussten für 9 Tage eingestellt werden. Dies war notwendig, da Noroviren hochkontagiös sind und eine sehr hohe Tenazität besitzen. Durch die häusliche Quarantäne der Erkrankten und die engagierten Reinigungs- und Desinfektionsmaßnahmen, die durch den SanHygZug des ResLazRgt 21 RENNEROD durchgeführt wurden, konnte der Übungsbetrieb bereits ab dem 15.02.15 wieder aufgenommen werden. Zu diesem Zeitpunkt konnten auch mit den Ergebnissen der Laboruntersuchungen andere Krankheitsursachen ausgeschlossen werden. Durch das stringente Vorgehen der Abteilungen I und III konnte der Noro­virus Ausbruch innerhalb kurzer Zeit erfolgreich eingedämmt werden.

Lebensmittelhygienische Infrastrukturgutachten

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Abb.1: Neubau Longierhalle an der Sportschule der Bundeswehr
Der Norovirus Ausbruch in Baumholder mit der höchsten Inzidenz beim Küchenpersonal ist ein gutes Beispiel wie epidemiologische Expertise in lebensmittelhygienische Infrastrukturgutachten einfließt und warum diese im Zuständigkeitsbereich der Abteilung Veterinärwesen liegen. Im Gutachten für die hauptsächlich betroffene Truppenküche wurden bereits im Jahr vor dem Ausbruchsgeschehen mehrere, für den Ausbruch relevante, infrastrukturelle Defizite aufgezeigt. Das gespülte Kochgeschirr wurde beispielweise durch den unreinen Bereich der Spülküche über den Speisesaal in den Produktionsbereich gebracht. Hierbei besteht eine umfangreiche Gefahr der Kontamination der Lebensmittelbedarfsgegenstände mit Noroviren. Auch das ­Küchen­personal kann sich hierbei infizieren. Der Weiterbetrieb der Küche wurde deshalb nur noch unter Auflagen und zeitlich befristet gestattet. Da sich hiermit die lebensmittelhygienischen Risiken nicht dauerhaft oder nur mit hohem Aufwand beherrschen lassen, wird die Truppenküche im Lager Wilhelmswald mittelfristig als zentrale Produktionsstätte für Baumholder genutzt werden. Die Truppenküche in Aulenbach wird dann nur noch als Speisenausgabestelle oder Teilküche betrieben werden. Hierzu muss die Küche in Wilhelmswald allerdings erst umfangreich nach den Vorgaben der Abteilung III saniert und ertüchtigt werden. Für die übende Truppe steht dann in Kürze auch die ebenfalls sanierte Küche 319 wieder zur Ver­fügung. Langfristig ist dennoch der Neubau eines Wirtschaftsgebäudes mit Feldkochplätzen zwingend erforderlich. 

Allgemein gesprochen werden in den veterinärmedizinischen Infrastrukturgutachten alle Maß­nahmen skizziert um kurz-, mittel und langfristig eine hohe Lebensmittelsicherheit zu gewährleisten. Neben der Infrastruktur werden hierzu auch Vorgaben bezüglich sicherer Betriebskonzepte und einzuhaltender Fristen gesetzt. Die Gutachten liefern so einen wichtigen Rahmen für eine zukunftsweisende Ausrichtung und Weiterentwicklung der Verpflegungs- und Betreuungseinrichtungen und sind fester Bestandteil der standortgebundenen Verpflegungs- und Betreuungskonzepte. Bei der Umsetzung der geforderten Baumaßnahmen unterstützt die Abteilung Veterinärwesen umfangreich und möglichst von Anfang an.

Diensttiere und Tierschutz

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Abb. 2: Zahnerkrankung eines ausgemusterten, im Gnadenbrot gehaltenen Diensthundes
In Warendorf verfügt die Bundeswehr über eine traditionsreiche Stallanlage für die Haltung der Pferde der Soldaten der Sportfördergruppe. Bei den umfangreichen Umbauten und Sanierungsprojekten der Sportstädte konnte die Überwachungsstelle West umfangreiches Know-how einbringen um in den denkmalgeschützten Gebäuden einen zeitgemäßen Tierschutz bei der Ausbildung und Haltung der Hochleistungspferde sicherzustellen. So verfügt z. B. die neugebaute Longierhalle über einen modernen, speziell gedämpften Boden und eine Sprühanlage um die Staubbildung durch die Einstreu zu minimieren.

Der Tierschutz spielt bei allen Fragen im Umgang mit Wirbeltieren im Bereich der Bundeswehr inzwischen eine selbstverständliche Rolle, da ein sorgsamer Umgang mit unseren Mitgeschöpfen einen wichtigen Pfeiler für die Akzeptanz der Bundeswehr in der Bevölkerung darstellt.

Erkranken bundeswehreigene Diensthunde der Feldjäger oder Fallschirmjäger ist die Überwachungsstelle West Abteilung III der erste Ansprechpartner. Aufgrund des sehr hohen Ausbildungsstandes der Diensthundeführer können diese meist einen genauen Vorbericht zur Erkrankung ihres Diensthundes (DH) liefern. Immer häufiger werden auch mit dem Handy aussagekräftige Bilder übersandt, so dass durch die Veterinäre das weitere Vorgehen telefonisch festgelegt werden kann. Die Bundeswehr stellt dabei nicht nur für die aktiven, sondern auch für die ausgemusterten und im Gnadenbrot gehaltenen Diensthunde eine gute tierärztliche Versorgung sicher.

Grundsätzlich erfolgen die Behandlungen der DH durch Veterinäre der Überwachungsstelle vor Ort oder an der modernen Diensthundeklinik der Bundeswehr in Ulmen. Bei Erkrankungen an Wochenenden oder in Notfällen dürfen aber auch zivile Tierärzte auf Weisung eines Veterinärs der Überwachungsstelle angefahren werden. In Ausnahmefällen kann die Erlaubnis auch nachträglich erteilt werden.

Tierseuchen- und Zoonosen Prophylaxe

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Grafik 2: Ausschnitt aus dem Tierseuchenalarmplan der Überwachungsstelle West
Auf größeren Geländeflächen der Bundeswehr, z. B. Truppenübungsplätzen, wird das Gras durch Beweidung mit Schafen und Ziegen kurzgehalten. Die Tiere wirken auch intensiv einer Verbuschung der Landschaft entgegen und sorgen so für den Erhalt ökologisch sehr artenreicher Biotope. In der Regel werden die Schafe in Wanderschafherden, die zivilen Pächtern gehören, gehalten. Tritt bei den Tieren der Verdacht einer anzeigepflichtigen Tierseuche, z. B. der Maul- und Klauenseuche auf, muss sofort die Überwachungsstelle West Abteilung III informiert werden. Diese wird dann unverzüglich die durch das Tiergesundheitsgesetz vorgeschriebenen Maßnahmen in enger Abstimmung mit den zivilen Veterinärämtern veranlassen.

Die Veterinäre der Überwachungsstelle können hierzu über den eigenen Offizier Führungsbereitschaft (OffzFü) der Überwachungsstelle jederzeit erreicht werden. Sie begeben sich dann schnellstmöglich in die Überwachungsstelle um den Tierseuchenverdacht gemäß dem elektronischen Tierseuchenalarmplan der Dienststelle abzuarbeiten. In dem stets aktuell gehaltenen PowerPoint-basierten Alarmplan sind alle erforderlichen Dokumente mit Verlinkung hinterlegt, so dass diese innerhalb kürzester Zeit aufgerufen und bearbeitet werden können.

Eine wichtige Maßnahme des Tierseuchenalarmplanes ist auch das Herstellen der Einsatzbereitschaft für einen Bestandsbesuch. Im Mittelpunkt steht hierbei der sogenannte „UPD-Koffer“. „UPD“ ist nicht die Abkürzung einer politischen Partei sondern steht vielmehr für Untersuchung, Probennahme und Diagnostik. Der Inhalt des Koffers entspricht auch der Ausstattung der zivilen Veterinärämter. Neben der eigentlichen Untersuchung und Probennahme ermöglicht der Inhalt auch die Dokumentation und einen guten Infektionsschutz um ggf. auf den Menschen übertragbare Krankheiten, wie die aviäre Influenza, und insbesondere auch die Weiterverbreitung einer hochkontagiösen Tierseuche zu verhindern. Die Anwendung des Tierseuchenalarmplanes wird regelmäßig gemeinsam mit den Kollegen, die für die zivile Tierseuchenbekämpfung zuständig sind, geübt.

Gerade das frühzeitige Erkennen von Zoonosen im Inland wie im Auslandseinsatz, also vom Tier auf den Menschen übertragbaren Krankheiten wie beispielweise Q-Fieber, Tuberkulose, Echinokokkose oder Tollwut, sind ein wichtiger und kaum noch wegzudenkender Beitrag des Veterinärwesens im Sinne des „One Health“-Gedankens für die Bundeswehr. 

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Abb. 3: Diagnostische Blutprobenentnahme beim Schaf unter Schutzausstattung zur Vorbereitung der Tierseuchenübung 2016

(Abb.: Alle ÜbwStÖffRechtlAufgSanDstBw West)

Anschrift des Verfassers:
Oberfeldveterinär Dr. med. vet. WalterKorthäuer
Fachtierarzt für Öffentliches Veterinärwesen
ÜbwStÖffRechtlAufgSanDstBw West
Leiter Abt III
Andernacher Str. 100
56070 Koblenz
E-Mail: walterkorthäuer@bundeswehr.org


Datum: 05.12.2017

Quelle: Wehrmedizin und Wehrpharmazie 3/2017

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