Portrait eines jungen Sanitätsoffiziers

Aus dem Bundeswehrkrankenhaus Hamburg

L. Hönig

Mein Name ist Lars Hönig, ich bin 30 Jahre alt und Weiterbildungsassistent der Abteilung X am Bundeswehrkrankenhaus Hamburg. Vor einiger Zeit bat mich mein Chefarzt eine Vorstellung für die Wehrmedizin und Wehrpharmazie zu schreiben.

Anfänglich fragte ich mich „Was soll ich denn da als junger Assistenzarzt so schreiben?...“. Doch dann dachte ich mir, dass ich mit meiner Geschichte vielleicht jüngeren Kollegen zeigen kann, welche Wege man bei der klinischen Verwendung  und auch den Folgeverwendungen einschlagen kann; aber auch welche Erfahrungen mich dazu gebracht haben meinen eigenen Weg zu gehen. 

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EFMB Verwundetenversorgung nach TCCC. (Bild: US-Army Europe)

So sitze ich nun auf meiner Stube in Feldkirchen, draußen sind es aktuell -6°C bei herrlichem Sonnenschein und viel Schnee, und schreibe an dem Artikel. Was ich hier unten, fernab von der schönsten Stadt der Welt mache? ZA EAKK für mobile Sanitätskräfte, da ich in absehbarer Zeit nach Afghanistan verlege.

Aber nun der Reihe nach.

Warum überhaupt „Arzt bei der Bundeswehr“? Diese Frage höre ich häufig, wobei die Antwort – zumindest in meinen Augen – so nahe liegt.

Schon früh hatte ich den Wunsch Arzt zu werden. Dieser wurde während meiner Schulzeit durch zweimalige Aufenthalte im Township in Port Elizabeth, Südafrika, in dem ich mit einer Hilfsorganisation Entwicklungsarbeit leistete, verstärkt. Jeweils vier Wochen waren wir täglich in einem der größten Townships Südafrikas unterwegs: Wir gaben Erste-Hilfe- und Aidspräventionskurse, halfen einen Kindergarten und eine Schule mit aufzubauen und richteten Computer ein, welche wir Monate zuvor mit einem Container verschifft hatten.

All das mit und für Menschen, die mitunter zu den ärmsten des Landes gehören und trotz ihrer schwierigen Lebensumstände, immer lebensfreudig, zuvorkommend und hilfsbereit waren, und von denen wir bei gemeinsamen Abenden wunderbare Gastfreundschaft erfahren haben.

Bei diesen Aufenthalten habe ich schnell gemerkt, dass mir das Arbeiten im Ausland, vor allem auch mit Menschen mit unterschiedlichen Kulturen, viel Freude bereitet. So wurde mir schon vor dem Abitur klar, dass ich einen Beruf suchte, bei dem ich mit Menschen zusammenarbeiten und ihnen helfen kann. Arzt – war eine ideale Lösung.

Allerdings wusste ich auch schon früh, dass ich mir eine rein klinische Tätigkeit oder den immer gleichen Tagesablauf bis zur Rente in einer Praxis nicht vorstellen konnte. Nachdem ich mich im Freundes- und Bekanntenkreis umgehört habe, war für mich klar, dass die Bundeswehr genau das abwechslungsreiche Tätigkeitsspek­trum bot, wonach ich Ausschau hielt.

Nach meiner Bewerbung an der OPZ und der Einstellung als SanOA begann ich meine Grundausbildung an der Offizierschule der Luftwaffe (OSLw) in Fürstenfeldbruck. Wir waren damals das Pilotprojekt einer Allgemeinmilitärischen Grundausbildung aller SanOA Luftwaffenuniformträger an der OSLw und waren sowohl materiell als auch von Seiten der Ausbilder gut aufgestellt. In zwei Züge aufgeteilt und jeweils von einem Oberleutnant aus dem Objektschutz der Luftwaffe geführt, haben wir als junge Flieger SanOA viel militärisches Handwerkszeug gelernt. Die Zugführer waren in unseren Augen „alte Hasen“ und haben bereits „alles erlebt“. Dies lag unter anderem daran, dass sie aufgrund ihrer Vorverwendungen als Ausbilder, auch an der  Luftlande- und Lufttransportschule in Altenstadt, bereits viele Soldaten ausgebildet haben. Dort haben sie neben den Einzelkämpfern auch Überleben Land ausgebildet. Sie wussten wie man Soldaten führen muss um sie richtig zu motivieren und sie an ihre Grenzen zu bringen. Beide sind uns als gute Vorgesetzte Vorbild gewesen, vor allem da sie selbst nach Dienstschluss jederzeit ein offenes Ohr für uns hatten und uns zeigten was Chorgeist und Kameradschaft bedeutet, und ich muss sagen, dass ich mir vieles von ihnen abgeschaut habe.

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Verleihung Expert Field Medical Batch (EFMB). (Bild: US-Army Europe)
Anschließend folgte das Humanmedizinstudium an der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz. Aufgrund der Anbindung an die SanStff Mainz und die dort ansässigen Feldjäger konnte ich während meiner gesamten Studienzeit an vielen militärischen Ausbildungen teilnehmen. So verbrachte ich nicht nur viel Zeit auf dem Truppenübungsplatz, sondern bildete später auch Feldjäger und Reservisten zum Einsatz­ersthelfer A aus. Durch letztere fand in dieser Zeit zum ersten Mal die Verbindungsaufnahme zum amerikanischen Militär statt, welches im nahegelegenen Wiesbaden stationiert ist. Über dieses konnte ich nicht nur in die taktische Medizin rein schnuppern, sondern auch bei vielen Kursen teilnehmen und sogar als Ausbilder arbeiten. Es war äußert interessant zu sehen wie eine andere Armee funktioniert, insbesondere im medizinischen Bereich, da ich dort das allererste Mal mit taktischer Medizin zu tun hatte. Aber auch Führungsverhalten und Problemlösungen sind anders als ich diese bis zu dem Zeitpunkt von Seiten der Bundeswehr erlebt habe. Auch der Spaß kam nicht zu kurz und es bildeten sich auch Freundschaften, welche bis heute bestehen.

Später ergab sich die Möglichkeit innerhalb der Semesterferien am Expert Fiel Medical Badge (EFMB) der US-Streitkräfte teilnehmen zu können. Dieses gehört mit einer Bestehensquote von ca. 18 % zu den am schwersten zu erlangenden Abzeichen, welche von medizinischem Personal erworben werden können. Einmal im Jahr finden sich knapp 300 Soldaten vom gesamten Kontinent auf dem größten Truppenübungsplatz Europas in Grafenwöhr ein um innerhalb von knapp drei Wochen um dieses Abzeichen zu kämpfen. Für die Veranstaltung ist eben so viel Funktionspersonal nötig wie Teilnehmer eintreffen. Der hohe Stellenwert der Auszeichnung wird durch die Verleihung der Abzeichen durch den Kommandeur aller in Europa stationierten US-Truppen unterstrichen.

Nun war ich zwar die Zusammenarbeit mit dem amerikanischen Militär bereits gewohnt, jedoch schafften sie es mich wieder zu überraschen, nachdem wir in einer typischen Unterkunft auf dem Truppenübungsplatz untergebracht waren. So fanden wir uns in einer „barack“ mit sicherlich über 50 weiteren Soldaten ein; der „persönliche“ Bereich war etwa ein halber Quadratmeter vor und neben dem Bett. Anfänglich war dies für uns zwar etwas gewöhnungsbedürftig, vor allem wenn man von Lehrgängen „Stube 2000“ mit Einzelbelegung gewöhnt war; recht schnell fand man sich jedoch in der Gemeinschaft wieder. Für uns als „Ausländer“ gab es keinerlei Sonderbehandlung und wir kamen schnell mit den anderen Soldaten aus allen Dienstgradgruppen ins Gespräch. Fast alle waren bereits mindestens einmal im Einsatz, was eine Einsatzdauer von mindestens sechs Monaten, oder sogar eher einem Jahr, bedeutet. So konnte man sich neben verschiedenen Tipps und Tricks der Einsatzmedizin auch viele interessante Geschichten über den Einsatz und die Erfahrungen der Kameraden anhören. Der Lehrgang an sich war nicht nur körperlich, sondern auch geistig fordernd. Innerhalb kürzester Zeit versuchten wir uns amerikanische Standards zu verinner­lichen und uns neben Völker- und Kriegsgefangenenrecht auch noch „Field Sanitation“ anzueignen. So wissen wir jetzt nicht nur wieviel Löffel Chlor nötig sind um Trinkwasser in einem 8 000 Liter Wassertank aufzubereiten, sondern auch wie viele Latrinen ein Kriegsgefangenenlager benötigt oder wieviel Tonnen Müll dieses bei einer Selbstversorgung produziert. Glücklicherweise sorgten diese Fragen auch bei unseren amerikanischen Kameraden für Kopfzerbrechen. Neben dutzend weiteren praktischen Prüfungen mussten wir uns sowohl tags, als auch nachts durch das bayerische Dickicht navigieren und bei nicht mehr als Mondschein Navigationspunkte mit Karte und Kompass ausfindig machen. Besonders bei den praktischen Prüfungen war es interessant zu sehen wie amerikanische Kameraden an diese herangegangen sind und wie deren Lösungsstrategien aussahen. Alles in allem habe ich in diesen Wochen sehr viel gelernt und das Beste für mich mitgenommen. Vor allem bei dieser Ausbildung musste ich feststellen wie sehr mich neben der Einsatzmedizin insbesondere die internationale Zusammenarbeit interesseiert, da es immer wieder spannend ist verschiedene Herangehensweisen zusammen zu führen und gemeinsam eine optimale Lösung zu finden. 

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EFMB Landnavigation. (Bild: US Arms Europe)

Nach meiner Versetzung an das BwKrhs Hamburg in die Abteilung X: Anästhesie, Intensiv­medizin, Notfallmedizin und Schmerztherapie bot sich mir erneut die Möglichkeit am EFMB teilzunehmen. Diesmal sogar als sogenannter „Test Board Member“. Das Test Board ist ein über­geordnetes Organ, welches für die Ein­hal­tung der scharfen Test-Standards und die Klärung möglicher Einsprüche zuständig ist. Noch nie zuvor war ein alliierter Soldat Mitglied in diesem Gremium, was für mich eine besondere Ehre war. Besonders spannend war für mich dabei, dass ich das gesamte Ereignis diesmal aus Seiten des Planungs- und Organisationsstabs sehen konnte. Es war faszinierend mitzubekommen wie die verschiedenen Stabsabteilungen das Event vorbereitet hatten und für den reibungslosen Ablauf miteinander arbeiteten. Natürlich wurden hierzu über den Tag mehrere Briefings abgehalten; besonders überrascht war ich wie sehr der verantwortliche Projektoffizier an meiner Meinung und meiner Sicht der Dinge interessiert war. Ich hatte dort die Gelegenheit zu sehen wie ein großer alliierter Stab funktioniert und handelt, da die Strukturen und das Miteinander sich von den unseren doch unterscheiden.

Die danach beginnende erste klinische Tätigkeit am BwKrhs Hamburg wurde mir, in einer für mich noch fremden Stadt, nicht nur durch eine sehr gute medizinische Ausbildung, sondern auch durch Kameradschaft in einem klasse Team vereinfacht. Ich konnte relativ früh am hauseigenen Simulationszentrum des BwKrhs mitarbeiten und mich so im Zuge der Ausbildung mit einbringen. Vor allem durch die enge Verbindung zum Ausbildungs- und Simula­tionszentrum Kommando SES Teileinheit Hamburg konnte ich viele Rettungsassistenten/Notfallsanitäter und Einsatzersthelfer B in Einsatzmedizin ausbilden und durch verschiedene Simulationen führen, wobei auch hier der Austausch mit den Teilnehmern für mich eine Priorität darstellte. Die zusätzlich angebotenen Ausbildungen wie der „Common Trunk SanOffz“ halfen neben der Arbeit in der interdisziplinären Notaufnahme über den Tellerrand zu schauen und sich medizinisch etwas breiter aufstellen zu können.

Während der ersten klinischen Verwendung kristallisierte sich recht schnell der Wunsch heraus nachfolgend in den Einsatzpool SanOffz RettMed zu gehen und nicht als Truppenarzt eingesetzt zu werden. Nachdem meine Bewerbung angenommen wurde und der klinische Abschnitt beendet war, begannen die vielen einsatzvorbereitenden Ausbildungen. Darunter auch die ZA EAKK für mobile Sanitätskräfte auf der ich mich gerade befinde. Die Lehrgänge vor dem ersten Einsatz helfen einem den nötigen Anforderungen gerecht zu werden. Dies wird mir vor allem bei der Kohäsionsausbildung mit den fliegenden Einheiten klar, bei welcher man unter Einsatzbedingungen übt Patienten zu versorgen.

Die Ausbildungen bringen einen mit alten Freunden und neuen Kameraden zusammen, vermitteln einsatzbezogenes Wissen und bereichern einen um wertvolle Erfahrungen; bringen einen aber natürlich auch für längere Zeit weg von Zuhause. Umso wichtiger ist es, dass Familie und Freunde hinter einem stehen und einem Rückhalt bieten. Alleine in Bezug auf meinen Auslandseinsatz habe ich in den letzten Monaten schon eine Menge Klärungsbedarf mit Freunden gehabt. Wobei ich festgestellt habe, dass das Aussprechen von Ängsten und Sorgen häufig Erleichterung bringt und somit alle Seiten etwas entspannter an die Sache herangehen können.

Dieses Jahr werde ich meinen ersten Auslandseinsatz in Masar-e Scharif als Arzt auf einer CH-53 MEDEVAC absolvieren. Danach folgen zwei weitere Jahre im Einsatzpool SanOffz RettMed mit mindestens zwei weiteren Einsätzen, bevor es dann zurück an die Klinik und in Richtung Facharzt geht. Zwischendurch wird es noch weitere Aus- und Fortbildungen, bestimmt auch im internationalen Rahmen, geben. Nur eines steht für mich fest - meinen  abwechslungsreichen Beruf habe ich gefunden!

Datum: 31.03.2016

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