AUS DEM HUMAN FACTORS AND MEDICINE (HFM) PANEL DER NATO SCIENCE AND TECHNOLOGY ORGANIZATION (STO)

Peter Mees

WMM, 58. Jahrgang (Ausgabe 9/2014; S. 334-337)

Auch in dieser Ausgabe soll auf Ergebnisse der multinationalen wissenschaftlichen Zusammenarbeit in der NATO Science and Technology Organization (STO) hingewiesen werden, die sich dieses Mal den Themen Training von Sanitätspersonal und Beurteilung der Verwendungsfähigkeit für Auslandseinsätze von Soldatinnen und Soldaten mit gesundheitlichen Einschränkungen befassen.

MP-HFM-224: Training NATO Special Forces Medical Personnel: Opportunities in Technology-Enabled Training Systems for Skill Acquisition and Maintenance

Im April 2014 wurde der Bericht über einen dreitägigen Workshop veröffentlicht, der im Jahre 2012 beim NATO Special Operations Headquarter (NSHQ) in Chievres (Belgien) stattfand. Hier wurden aktuelle Entwicklungen und zukünftige Möglichkeiten des Trainings von Personal aufgezeigt und diskutiert, welches bei Spezialkräften für die medizinische Versorgung eingesetzt wird. Insgesamt 17 Nationen waren vertreten.
Nachfolgend wird die Zusammenfassung des „Technical Evaluation Report“ wiedergegeben, der allen, die mit der Weiterentwicklung des Trainings von Sanitätspersonal - nicht nur bei Spezialkräften - betraut sind, wertvolle Hinweise für die eigene Arbeit gibt.

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Executive Summary:
NATO Special Operations Forces (SOF) require highly trained, flexible, physically fit medical providers with advanced scope of practice compared to their conventional counterparts because of the austere, isolated, frequently clandestine SOF environment. Current national SOF medical scope of practice and training is highly variable and may not meet operational requirements causing increased risk to SOF. Furthermore, technology used to augment training, such as medical simulation and simulators, is equally variable. To discuss these issues, the NATO Research and Technology Organization (RTO) and the NATO Special Operations Headquarters (NSHQ) sponsored the Human Factors and Medicine (HFM) Panel 224 Research Workshop (RWS) in Chievres, Belgium, 18–20 April 2012. The HFM 224 Panel, comprised of experts in combat medicine, special operations medical support, medical training, medical simulation, academia and industry from 17 nations, was a unique blend of academic and technical expertise informed by extensive operational experience. The result was a comprehensive discussion on the current state of curricula, medical simulators and simulation and its applicability to training SOF medical providers and operators. HFM-224 key panel findings for consideration by senior medical and military leaders include:

  • SOF medical training must start with clear end-state objectives and supporting curriculum before considering investment in simulation technology. Curriculum objectives should drive simulation needs.
  • Multiple military-oriented prehospital medical curricula are currently available. The Panel agreed that MILITARY PREHOSPITAL TRAUMA LIFE SUPPORT (M-PHTLS) curriculum, because of Prehospital Trauma Life Support (PHTLS) program recognition by 20 NATO nations and its ties to the Committee on Tactical Combat Casualty Care (CoTCCC), is an optimal starting point for nations wishing to establish medical interoperability with Alliance SOF medical elements if an established comparable curriculum is not already in place.
  • SOF medical curriculum should foster skill acquisition, team coordination between medical providers, SOF Operators, and SOF commanders, and provide enough foundational knowledge to facilitate the independent judgment and decision-making the SOF environment demands.
  • SOF medical curriculum must address both medical provider and SOF operator medical skills because the SOF operator is frequently the individual providing initial lifesaving interventions.
  • SOF combat medical simulation should use modern simulation principles, adult learning methods, blended learning techniques, and double loop learning models to optimize curriculum objectives.
  • Nations should collaborate on curriculum development t and technology procurement to share cost burdens and increase buying power through agencies like the NATO Support Agency or U.S. Program Executive Office for Simulation Training and Research Integration (PEO STRI) foreign military program, SOF medical training program and SOF medic curriculum designed to meet SOF requirements, should be emulated.
  • Presently, no simulation product meets all SOF medical training requirements. SOF training programs should use the combination of simulators, live models, manikins, partial task trainers, or standardized actors that best meet training objectives. Current simulator technology is insufficiently developed to effectively replace live tissue models for essential skills required of SOF medical providers.
  • The NSHQ’s SOF Allied Centre for Medical Education (ACME), SHAPE, Belgium, will be a primary source for nations seeking SOF specific training and combat medical simulation expertise to augment their current national medical training systems and grow their SOF medical support programs.

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The HFM-224 Panel recommends readers consider the full RWS proceeding as a guidepost for future SOF medical training and simulation program development. The Panel also feels some of these findings are relevant and applicable to the wider NATO medical community.

Der vollständige Bericht kann aus dem Internet unter http://www.cso.nato.int/Pubs/rdp.asp?RDP=STO-MP-HFM-224 heruntergeladen werden.

TR-HFM-174: A NATO Guide for Assessing Deployability for Military Personnel with Medical Conditions
Im Juni 2014 wurde der Bericht der Research Task Group (RTG) 174 veröffentlicht, der Empfehlungen zur Beurteilung der gesundheitlichen Eignung von Soldaten vor Auslandseinsätzen macht. Insgesamt hatten Experten aus sechs Nationen, unter Abstützung auf die Expertise von klinischen Spezialisten in ihren Heimatländern, über mehr als drei Jahre an der Erstellung eines umfassenden und teilweise sehr detaillierten Kataloges der häufigsten bei militärischem Personal anzutreffenden Gesundheitsstörungen gearbeitet. Von deutscher Seite war Oberfeldarzt Dr. Andreas Grove vertreten, der insbesondere mit den statistischen Auswertungen der deutschen „Medical evacuations due to sickness“ aus dem Patients Evacuation Control Center (PECC) des Sanitätsführungskommandos (heute: Kommando Sanitätsdienst der Bundeswehr) wichtige Daten zur Prävalenz der einzelnen zur Ablösung führenden Erkrankungen liefern konnte.

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Für die Erstellung der Beurteilungskriterien wurden folgende Ziele festgelegt:

  • Reduzierung des individuellen gesundheitliche Risikos,
  • Verbesserung der Sicherheit für die Angehörigen der eingesetzten Einheit,
  • Unterstützung des Erfolgs der jeweiligen Mission,
  • Verringerung der Belastung für im Einsatzland eingesetzte Sanitätseinrichtungen.

Ein Problem für die RTG war, dass für Erkrankungen im Einsatz kein z. B. dem NATO Trauma-Register vergleichbares Dokumentationssystem existiert. Insofern konnte nicht auf einsatzspezifische Daten zurückgegriffen werden. Die RTG erarbeitete deshalb generelle Empfehlungen zur Beurteilung der Verwendungsfähigkeit für alle denkbaren Arten von Erkrankungen vor dem Hintergrund aller möglichen denkbaren Einsatzszenarien. Für mehr als 30 chronische Erkrankungen, die für Ablösungen aus dem Einsatz wegen Erkrankung eine hohe Prävalenz aufwiesen, wurden detaillierte Empfehlungen im Sinne einer „Subject Matter Expert Opinion“ erarbeitet.
Zur Bewertung der Verwendungsfähigkeit für den Einsatz schlägt der Bericht konzeptionell einen „Red-Yellow-Green“- Approach vor, um das Ausmaß des Risikos zu bewerten, dass eine Soldatin / ein Soldat den vorgesehenen Einsatz aus gesundheitlichen Gründen nicht erfolgreich beenden kann. Grundlage der Bewertung sind fünf Kriterien (Abbildung 1).
Aus der Erfüllung / Nichterfüllung dieser fünf Kriterien wird der „RED – YELLOW – GREEN“-Status für die aktuelle Einsatzverwendungsfähigkeit der Soldatin / des Soldaten ableitet: Lautet im Falle einer Begutachtung die Beurteilung „YELLOW“, so ist unter Berücksichtigung der individuellen gesundheitliche Situation des Beurteilten (z. B. Erfahrung im Umgang mit der Erkrankung), der spezifischen Situation im vorgesehenen Einsatz (Hitze / Kälte, Staubbelastung, Infektionsrisiken usw.) und der vorgesehenen Tätigkeit (z. B. Heben von schweren Lasten, Tragen von Schutzbekleidung) eine individuelle Bewertung unter Hinzuziehung spezifischer Fachexpertise durch einen „Senior Medical Officer“ vorzunehmen.

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Bei der Beurteilung, wie eine bestehende Gesundheitsstörung im Hinblick auf die „Red-Yellow-Green“-Klassifizierung zu beurteilen ist, wird eine Bewertungsmatrix vorgeschlagen, die auf der einen Seite die Wahrscheinlichkeit einer Exacerbation während des Einsatzes betrachtet und gleichzeitig berücksichtigt, welche Konsequenzen eine solche für die Soldatin / den Soldaten haben würde (Abbildung 3).

In Kapitel 3 des Berichtes (Titel: SPECIFIC DISEASE ALGORITHMS AND GUIDANCE) werden in 17 Unterkapiteln Entscheidungsempfehlungen für die Beurteilung bestehender Gesundheitsstörungen gegeben. Im ersten Teil werden die „RED - DO NOT DEPLOY“ – Erkrankungen beschreiben, systematisch geordnet von „Anaphylaxis and Allergy“ über „Musculoskeletal“ bis zu „Vision / Ophthalmology“. Die Bewertungskriterien werden kurz, prägnant und gut nachvollziehbar vorgestellt. Als Beispiel werden in Abbildung 4 die Kriterien für die „RED“ - Beurteilung der Hypertonie abgebildet:
In Kapitel 3.3 werden Entscheidungspfade für die häufigsten Gesundheitsstörungen aufgezeigt. Beispielhaft ist dieses in Abbildung 5 für stattgehabte Hirnverletzungen dargestellt.
Ergänzend werden jeweils eine kurze Definition des Krankheitsbildes, die diagnostischen Kriterien sowie Empfehlungen von vor einer Entsendung in den Einsatz zu empfehlenden bzw. notwendigen Untersuchungen gegeben.

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In insgesamt sechs Anlagen beschreibt der Report den aus Sicht der RTG zu empfehlenden Umfang an periodischen Untersuchungen („Periodic Health Assessments“), die unabhängig von einer bevorstehenden Entsendung in den Einsatz für erforderlich gehalten werden. Ferner wird auf die offenen Fragen (u. a. fehlendes Register) und mögliche Hindernisse (u. a. Akzeptanz eines „Periodic Health Assessment“ seitens der militärischen Führung) eingegangen. Darüber hinaus werden Beispiele für die Struktur und Durchführung von „Medical Profiling and Perodic Health Assessments“ gegeben, wie sie zum Teil bereits Anwendung finden (z. B. in Belgien). Auch eine pragmatische Vorgehensweise bei Erteilung von Ausnahmegenehmigungen („Waiver Process“) wird dargestellt, die auf der oben beschriebenen „RED-YELLOW-GREEN“-Bewertung aufbaut. Nicht zuletzt wird ab dem 40. Lebensjahr für jede Soldatin / jeden Soldaten eine Bewertung des cardiovaskulären Risikos empfohlen und nach Art und Umfang vorgestellt sowie eine Liste von Arzneimitteln veröffentlicht, deren Einnahme / Anwendung mit einer Einsatzentsendung nicht vereinbar ist.

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Zusammenfassende Bewertung 
Der Bericht der RTG STO-TR-HFM 174 „A NATO Guide for Assessing Deployability for Military Personnel with Medical Conditions“ gibt sowohl dem begutachtenden Arzt als auch denjenigen, die für die Erarbeitung der jeweiligen nationalen Verwendungsfähigkeits- bzw. Begutachtungsbestimmungen für militärisches Personal zuständig sind, ein sehr gut handhabbares Hilfsmittel an die Hand. Er ist darüber hinaus geeignet, die im Sinne des Gesundheitsschutzes der Soldatinnen / Soldaten einerseits, als auch im Sinne der militärischen Auftragserfüllung andererseits aus sanitätsdienstlicher Sicht anzuwendenden Methoden und Kriterien auch gegenüber der militärischen Führung transparent und verständlich zu machen.
Eine vollständige Kopie des Berichtes steht im Internet unter https://www.cso.nato.int/Pubs/rdp.asp?RDP=STO-TR-HFM-174 zum Download zur Verfügung.

 

Abb. 1: Fünf Kriterien, die den erfolgreichen Abschluss eines Einsatzes für eine Soldatin / einen Soldaten definieren.

Abb. 2: „RED-YELLOW-GREEN“-Definition für die Beurteilung der Einsatzverwendungsfähigkeit

Abb. 3: „Red-Yellow-Green Pre-Deployment Medical Risk Approach

Abb. 4: Beispiel aus STO-TR-HFM 174, Kapitel 3.2: „RED“-Kriterien für die Beurteilung der Hypertonie

Abb. 5: „Algorhithms and Guidance“ für die Diagnose „Traumatic Brain Injury“

Datum: 23.09.2014

Quelle: Wehrmedizinische Monatsschrift 2014/9

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