EINE NACHT MIT VENUS - EIN LEBEN MIT MERKUR

Hepatitis-B-Durchbruchinfektion nach erfolgter Grundimmunisierung - Implikation für die modifizierte Impfweisung der Bundeswehr

One Night with Venus – a Life with Mercury

Hepatitis B break-through Infection after Basic Immunization - Implication for the German Armed Forces Modified Vaccination Directive

Aus dem Fachbereich Tropenmedizin¹ (Leiter: Oberfeldarzt Dr. H. Sudeck), Bundeswehrkrankenhaus Hamburg (Chefarzt: Generalarzt Dr. J. Hoitz), dem Sanitätszentrum Plön² (Leiter: Oberfeldarzt Dr. R. Fortkort) und der Abteilung A³ (Abteilungsleiter Admiralarzt Dr. S. Apel) des Kommandos Sanitätsdienst der Bundeswehr (Befehlshaber und Inspekteur des Sanitätsdienstes der Bundeswehr: Generaloberstabsarzt Dr. I. Patschke)

Winfried Maaßen¹, E. Gangl², Dorothea Wiemer¹, Kay Erkens³, Ralf Matthias Hagen¹, Hagen Frickmann¹

WMM, 58. Jahrgang (Ausgabe 9/2014; S. 328-331)

Zusammenfassung:

Hintergrund: Die zum Schutz der Einsatzkräfte der Bundeswehr eingesetzte Impfung gegen Hepatitis B liefert eine solide Immunprotektion bei guter Verträglichkeit. In seltenen Fällen kann es dennoch zu Durchbruchinfektionen kommen.

Dies kann zum einen am mangelnden immunologischen Ansprechen liegen; man spricht dann von Non-Respondern oder Low-Respondern. Ferner können im Oberflächenantigen mutierte Hepatitis-B-Viren (HBV) sowie seltene Genotypen aufgrund veränderter Antigenstruktur den Impfschutz durchbrechen.
Falldarstellung: Ein 27-jähriger Soldat stellte sich mit Anti- HBc-Serokonversion 3,5 Jahre nach erfolgter Hepatitis- B-Grundimmunisierung zur weiteren Abklärung vor. Ein protektiver HBs-Antikörpertiter konnte nachgewiesen werden. Die HBs-Antigentestung, die HBe-Antikörpertestung sowie die PCR auf zirkulierende HBV-DNA blieben negativ. Die Konstellation ist vereinbar mit einer vorausgegangenen akuten HBV-Durchbruchinfektion mit anschließender Heilung im Sinne einer immunologischen Kontrolle.
Schlussfolgerungen: Trotz Hepatitis-B-Impfung können seltene Fälle von Durchbruchinfektionen nicht gänzlich ausgeschlossen werden. Durch die neue Weisung zur Anti-HBs-Titerbestimmung nach Grundimmunisierung trägt der Sanitätsdienst der aktuellen Empfehlung der Ständigen Impfkommission (STIKO) Rechnung, die es ermöglicht, Non-Responder oder Low-Responder zu identifizieren und ihnen ein erweitertes Immunisierungsschema anzubieten. Durchbruchinfektionen bei bestehendem Immunschutz heilen in den meisten Fällen immunologisch aus.
Schlagwörter: Hepatitis-B; Durchbruchinfektion; Impfung; Non-Responder; Escape-Mutante

Summary

Background: The vaccine used for protection of deployed soldiers of the German Armed forces against hepatitis-B provides a firm immunoprotection associated with good tolerance. In rare cases, however, break-through infections may occur. This may be due to an insufficient immunological response by non-responders or low-responders. Furthermore, hepatitis-B-viruses (HBV) with mutations of the gene coding for the surface antigen as well as rare genotypes can break through the vaccine-induced immunoprotection.
Case report: A 27-years-old male soldier presented with an anti-HBc-seroconversion 3.5 years after basic immunization against hepatitis-B for further investigations. A protective anti- HBs-titre could be demonstrated. HBs-antigen-testing, HBe-antibody-testing, as well as PCR for circulating HBVDNA remained negative. The constellation is in line with a previous acute break-through infection and subsequent cure by immunological control.
Conclusions: Rare cases of break-through infections cannot be completely avoided in spite of hepatitis-B-vaccination. The new directive for anti-HBs-titre testing after basic immunization by the German Armed Forces Medical Service is in line with the up-to-date recommendations of the German Standing Committee on Vaccination (STIKO). It allows the identification of non-responders or low-responders to offer an extended vaccination scheme to them. Break through infections in spite of existing immunoprotection in most cases result in immunological cure.
Keywords: hepatitis B; break through infection; vaccination, non-responder; escape mutant

Kasuistik

Der Soldat war zum Zeitpunkt der Vorstellung am Fachbereich Tropenmedizin am Bernhard-Nocht Institut, Bundeswehrkrankenhaus Hamburg, 27 Jahre alt. Vor 3,5 Jahren war eine Hepatitis- B-Grundimmunisierung mit drei Hepatitis-A/B-Kombi- nationsimpfungen (Twinrix®) durchgeführt und regelrecht abgeschlossen worden. Etwa ein Dreivierteljahr später wurde im Rahmen der militärärztlichen Begutachtung vor geplantem Einsatz eine Hepatitis-B-Serologie durchgeführt, wobei negative Ergebnisse für HBs-Antigen (Oberflächen- bzw. „Surface“-Antigen der Hepatitis-B-Viren) sowie HBc-(IgG/IgM-gesamt-)-Antikörper (Antikörper gegen das innere Strukturprotein bzw. „Core“-Antigen der Hepatitis-B-Viren) festgestellt werden konnten. Somit ergab sich zu diesem Zeitpunkt kein Hinweis auf eine aktive oder stattgehabte HBV-Infektion. Ein HBs-Antikörpertiter zur Objektivierung des Impferfolgs war – in Übereinstimmung mit den damaligen Empfehlungen („Weisung einsatzbezogener Impf- und Prophylaxemaßnahmen der Bundeswehr“ in der 8. Fassung) – nicht durchgeführt worden. Etwa zweieinhalb Jahre später wurde im Rahmen der militärärztlichen Begutachtung vor geplanter Weiterverwendung wieder eine Hepatitis-B-Serologie veranlasst. Bei erneut negativem HBs-Antigen fand sich ein protektiver HBs-Antikörpertiter von 232 IE/L (angestrebt nach Impfung: > 100 IE/L). Allerdings konnten nun HBc-(IgG/IgM-gesamt-)-Antikörper nachgewiesen werden, vereinbar mit einer funktionell ausgeheilten HBV-Infektion. Die Transaminasen lagen im Normbereich.
In einer Kontrolluntersuchung zum Ausschluss einer unspezifischen Reaktion oder Probenverwechslung konnte ein negatives HBs-Antigen bei positivem HBc-Antikörperbefund bestätigt werden. HBe-Antikörper (gegen das Membran- bzw. „Envelope“- Antigen der Hepatitis-B-Viren) ließen sich nicht nachweisen. Eine zum sicheren Ausschluss einer kryptogenen aktiven HBV-Infektion durchgeführte PCR auf HBV-DNA blieb negativ (Nachweisgrenze: 20 IU/ml bzw. 120 Kopien/ml) (Tabelle 1).

Eine ausführliche Anamnese einschließlich der Sozialanamnese des Patienten ergab keinen Anhalt für eine Blutübertragung, z. B. im Rahmen von Kampfhandlungen, durch Ersthilfe bei Unfällen oder eine vergleichbare Exposition. Dafür fanden sich eindeutige Hinweise auf eine mögliche sexuelle Transmission.

Interpretation der Befunde

Im Zeitraum zwischen der militärärztlichen Begutachtung vor Einsatz vor knapp drei Jahren und der Folgeuntersuchung vor geplanter Weiterverpflichtung drei Monate vor Vorstellung muss es zu einer Durchbruchinfektion mit Hepatitis-B-Viren gekommen sein. Eine mit dem „gentechnisch“ hergestellten Surface- Antigen durchgeführte Impfung führt lediglich zur Bildung von HBs-Antikörpern, nicht jedoch zur Bildung von HBc-Antikörpern. Die bestätigte HBc-Serokonversion ist nur durch einen immunologisch wirksamen Kontakt gegenüber dem Virus zu erklären. Dies setzt regelhaft eine Infektion voraus, bei der die eindringenden Viren nicht durch vorbestehende, in hoher Konzentration zirkulierende neutralisierende HBs-Antikörper markiert und immunologisch eliminiert werden können. In der Folge wird HBc-Antigen auf der Oberfläche von Hepatozyten exprimiert [1].
Die anamnestischen Hintergründe legen eine sexuelle Übertragung nahe. Alternative Risikofaktoren für eine parenterale Virusübertragung konnten nicht gesichert werden. Eine Partneruntersuchung wurde empfohlen, Ergebnisse wurden jedoch nicht offengelegt. Der Übertragungsmodus konnte somit nicht gesichert werden.
Der drei Monate vor Vorstellung des Patienten gemessene, protektive Anti-HBs-Titer bei negativem HBs-Antigen und negativem HBV-DNA-Befund belegt eine Ausheilung der Durchbruchinfektion im Sinne einer immunologischen Kontrolle. Somit stellt das stattgehabte Infektionsereignis kein Hindernis bezüglich der vom Patienten angestrebten Weiterverpflichtung als Soldat dar. Dennoch ist eine Persistenz viraler DNA im Nukleus der Leberzellen anzunehmen, wie im Folgenden näher erläutert wird.

Übertragungsmodi der HBV-Infektion

HBV-Infektionen werden parenteral erworben, also durch Übertragung von kontaminiertem Blut sowie sonstigen infektiösen Körperflüssigkeiten, z. B. beim ungeschützten Geschlechtsverkehr [2]. Auch im Speichel können Viruskonzentration über 108 Viruskopien / ml erreicht werden, so dass selbst das Küssen mit einem Übertragungsrisiko assoziiert sein kann [3], was durch ubiquitäre Läsionen an der Mundschleimhaut, z. B. durchs Zähneputzen, begünstigt wird.
Für nichtgeimpfte Beschäftigte im Gesundheitswesen sowie Impf-Non-Responder besteht auch das Risiko der beruflich bedingten HBV-Übertragung. Das Infektionsrisiko bei Nadelstichverletzung an einer Indexperson mit aktiver HBV-Infektion ist mit etwa 30 % sehr hoch [4], verglichen mit dem deutlichen geringeren Risiko der HCV- (3 %/Nadelstichverletzung) oder HIV-Transmission (0,3 %/Nadelstichverletzung). Die Zahl der jährlichen beruflich bedingten HBV-Übertragungen wird weltweit auf 66 000 geschätzt [4].

Impfprävention der HBV-Infektion

Zum Schutz vor HBV-Infektionen steht ein gut verträglicher Totimpfstoff zur Verfügung. Geimpft wird mit Epitopen des Surface-Antigens (HBs-Antigen). Typischerweise werden zwei intramuskuläre Impfungen im Abstand von vier Wochen verabfolgt; mit einer 3. Impfung nach einem halben bis einem Jahr wird die Grundimmunisierung schließlich komplettiert. Seit 1997 ist die Immunisierung von Kindern und Jugendlichen bis zum 18. Lebensjahr Bestandteil der „allgemein empfohlenen Impfungen“ gemäß der „Ständigen Impfkommission“ (STIKO) des RKI. Impftiterkontrollen sind bei allgemeiner Indikation nicht vorgesehen. Jedoch empfiehlt die STIKO bestimmten Risikogruppen mit beruflicher Exposition eine Titerkontrolle vier - acht Wochen nach Abschluss der Grundimmunisierung, um Non-Responder (kein Impftiter) oder Low-Responder (Titer 10 - 99 IE/ml) frühzeitig zu erkennen und gezielt nachimpfen zu können. Ein protektiver Anti- HBs-Impftiter wird ab >100 IE/ml angenommen [5]. Hinsichtlich des exakten Modus der Nachimpfung von Non- oder Low-Respondern über die 6. Impfung hinaus besteht keine Einigkeit [6]. Seit 2013 empfiehlt die STIKO auch bei möglichen Ersthelfern (u. a. Polizei und Feuerwehr) eine Titierkontrolle [5]. Der Sanitätsdienst der Bundeswehr trägt den STIKO-Empfehlungen Rechnung und hat inzwischen eine Impftiterkontrolle nach HBV-Impfung angewiesen [8].
Epidemiologische Erhebungen geben Grund zu der Annahme, dass in den meisten Fällen selbst bei erreichtem Impftiter von 10 IE/ml ein langjähriger, ggf. sogar lebenslanger Schutz vor chronischen HBV-Infektionen besteht ([6]. Dem gegenüber stehen glaubhaft dokumentierte Berichte von Chronifizierungen nach Durchbruchinfektionen bei Low-Respondern [7], so dass die Forderung eines protektiven Titers von >100 IE/ml angemessen erscheint. Bei einmaligem Erreichen eines Impftiters 100 IE/ml wird eine routinemäßige Auffrischung der HBV-Impfung seitens der STIKO nicht mehr für nötig erachtet, es sei denn, es besteht ein „besonders hohes individuelles Expositionsrisiko“. Ein solches Expositionsrisiko muss bei Einsatzkräften, die grundsätzlich für Kampfhandlungen mit potenziellem Blutkontakt in HBV-Hochprävalenzregionen zur Verfügung stehen [9, 10], generell angenommen werden. Folgerichtig sollte eine Titerkontrolle nach zehn Jahren und ggf. eine Empfehlung zur Auffrischung des HBV-Impfschutzes für Einsatzkräfte erwogen werden.

Die Hepatitis-B-Impfung gilt bei insgesamt sehr guter Wirksamkeit als gut verträglich. Initiale Verdachtsmomente eines erhöhten Risikos für Encephalitis disseminata (multiple Sklerose) konnten in Studien nicht belegt werden [11]. In jedem Fall überwiegt angesichts des erhöhten HBV-Expositionsrisikos im bewaffneten Konflikt in der Nutzen-Risiko-Abwägung der protektive Benefit.

Konsequenzen einer durchgemachten, immunologisch kontrollierten HBV-Infektion

Wenngleich 90 % der akuten HBV-Infektionen im Erwachsenenalter ausheilen [12], also durch HBs-Antikörper-Bildung immunologisch kontrolliert werden, sollte dennoch die Infektionsprävention im Vordergrund stehen. Grund ist, dass immunologisch kontrollierte HBV-Infektionen nicht mit einer sterilen Heilung gleichzusetzen sind, da dennoch sogenannte „covalently closed circular- (ccc-) DNA“ im Nukleus infizierter Hepatozyten – über Jahrzehnte bis lebenslang – verbleibt [13].
Kommt es daher im Verlauf des Lebens nach durchgemachter HBV-Infektion zu einer schweren Immunfunktionsstörung, sei es durch eine HIV-Infektion im AIDS-Stadium oder iatrogen, z. B. im Zusammenhang mit einer Knochenmarkstransplantation, so kann es zu einer Reaktivierung kommen. Belastbare Daten zur Häufigkeit von Reaktivierungen von HBV-Infektionen bei anti-HBs-positiven Patienten unter Immunsuppression fehlen, jedoch sind solche Fälle in Fallsammlungen glaubhaft belegt [14, 15]. Die Diagnose einer ‚ausgeheilten‘ Hepatitis-B Infektion darf daher die Liste anamnestischer Vorerkrankungen zeitlebens nicht verlassen.

Mögliche Gründe für die beobachtete HBV-Durchbruchinfektion

Warum es im konkreten Fall zu einer HBV-Durchbruchinfektion trotz abgeschlossener Grundimmunisierung kam, bleibt letztlich unklar. Denkbar wären zwei Szenarien:

Szenario 1 geht davon aus, dass es sich bei dem Patienten um einen Non-Responder oder Low-Responder handelte. Nach Abschluss der Grundimmunisierung war keine Anti-HBs-Titerbestimmung durchgeführt worden. Dieses Vorgehen entsprach der damaligen Empfehlungslage. Nichtsdestotrotz ermöglicht dies keine retrospektive Beurteilung des Immunschutzes nach Impfung. Denkbar wäre somit, dass es bei unzureichendem Titer zirkulierender HBs-Antikörper zu einer Infektion von Hepatozyten und in der Folge – nach Präsentation des HBc-Antigens auf den Hepatozyten – zur Bildung von HBc-Antikörpern kam. Unter dem Trigger der Infektion wurde dann die HBs-Serokonversion eingeleitet oder geboostert, so dass die Infektion immunologisch kontrolliert und an der Chronifizierung gehindert werden konnte. Dies würde den 3 Monate vor Vorstellung des Patienten gemessenen protektiven Anti-HBs-Titer erklären, selbst wenn initial ein Non-Responder- oder Low-Responder- Status vorlag.

Durch die neue Weisungslage, die vier - acht Wochen nach Grundimmunisierung eine Titerbestimmung für unsere Soldaten vorsieht, werden sich solche Ereignisse zumindest partiell verhindern lassen, indem bei den Non-Respondern oder Low-Respondern konsequent weitergeimpft wird [6].

Der zweite mögliche Infektionsmodus geht davon aus, dass der Patient einen normalen Titeraufbau nach Immunisierung zeigte, es jedoch zur Infektion mit einer HBV-Escape-Mutante gekommen ist. Durch Mutationen im HBs-Antigen kann dessen Antigenstruktur so stark verändert sein, dass die Impfantikörper keine protektive Immunität gewährleisten können [16]. Bei Infektionen mit solchen Hepatitis-B-Virusmutanten kommt es entsprechend trotz eines bestehenden Impfschutzes zur Durchbruchinfektion. Ähnliches kann bei HBV-Genotypen passieren, die phylogenetisch weit von den in der Impfung verwendeten häufigen Genotypen A und D entfernt liegen, z. B. bei Infektion durch den sehr seltenen Genotyp F [17, 18]. Glücklicherweise sind kritisch HBs-mutierte Viren selten [16]. Ferner scheint die immunologische Kompetenz, protektive Antikörper gegen das HBs-Antigen des Wildtyp-Virus vom Genotyp A oder D bilden zu können, auch die Eignung zur immunologischen Reaktion auf mutiertes oder aufgrund des Genotyps andersartiges HBs zu implizieren. In der Praxis heilen Durchbruchinfektionen durch die erwähnten HBs-modifizierten Viren meist innerhalb weniger Monate immunologisch aus [18], sofern zuvor eine normale Impfreaktion gegen das Wildtyp-HBs-Antigen zu verzeichnen war. Da jedoch Hepatozyten infiziert waren, persistiert auch in solchen Fällen die ccc-DNA im Nukleus.

Da der Patient zum Untersuchungszeitpunkt nach immunologisch ausgeheilter Infektion keine Virämie mehr aufwies, war eine diagnostische Untersuchung des Genotyps oder eventueller Mutationen im für das HBs-Antigen kodierenden Genabschnitt aus dem Blut nicht möglich.

Konsequenz für die Praxis

Da der Präventionsaspekt im Vordergrund steht, ist auf prophylaktischen Impfschutz zu achten. Durch die aktuelle Weisung zur HBV-Impfkontrolle ist dafür innerhalb des Sanitätsdienstes die organisatorische Grundlage geschaffen [8]. Bei Non-Respondern oder Low-Respondern ist durch Nachimpfungen protektiver Impfschutz sicherzustellen. Für diesbezügliche technische Fragen steht die Impfhotline des KdoSanDstBw (90- 6227-7555 oder 089-1249-7555) zur Verfügung. Bei speziellen Fragestellungen kann auch eine Vorstellung in der Ambulanz des Fachbereichs Tropenmedizin vereinbart werden (90-7947- 28700 oder 040-6947-28700).

Durchgemachte, immunologisch kontrollierte HBV-Infektionen stellen keinen Hinderungsgrund für eine Weiterverpflichtung im Sinne einer Gesundheitsziffer dar, wie sie gegebenenfalls im Fall einer chronischen HBV-Infektion zu vergeben wäre. Aufgrund des dauerhaften Persistierens von ccc-DNA im Kern infizierter Hepatozyten darf eine HBV-Infektion jedoch nie als steril ‚ausgeheilt‘ betrachtet werden, da im – gleichwohl seltenen – Fall einer schweren Immunsuppression mit einer Reaktivierung gerechnet werden muss. Die Persistenz viraler Sequenzen im Nukleus humaner Zellen, auch typisch für die HIV-Infektion, stellt zum gegenwärtigen Entwicklungsstand der Medizin ein therapeutisches Dilemma dar. Verträgliche und sichere Therapeutika, die virale Erbinformation wieder aus dem Zellkern humaner Zellen entfernen, stehen gegenwärtig nicht zur Verfügung und bleiben ein Ziel zukünftiger infektiologischer Forschung.

Ein gleichbleibendes Intensitätsniveau der Bundeswehreinsätze im Rahmen des „level of ambition“ (Konzeption der Bundeswehr) vorausgesetzt, dürfte das Hauptinfektionsrisiko innerhalb der Truppe nicht einsatzassoziiert, sondern sexueller Natur sein, von den Nadelstichverletzungen des Sanitätspersonals abgesehen. Auch der hier geschilderte Fall bildet keine Ausnahme.
Es erscheint naiv, dieses menschliche Grundbedürfnis durch dienstrechtliche Sanktionen nachhaltig unterbinden zu wollen. Der Schriftsteller Matt Groening fasste das Problem zu einem zeitlos süffisanten Bonmot zusammen: „When authorities warn you of the sinfulness of sex, there is a lesson to be learned. Do not have sex with the authorities.“ Immer sollte der Präventionsgedanke im Vordergrund stehen. Der Truppenarzt ist hier erster Ansprechpartner und Berater des Soldaten! Neben Aufklärung, der konsequenten Aufforderung zu „safer sex“ und dem niedrigschwelligen Angebotes von Verhütungsmitteln („Kondome zum Mitnehmen“), kommt hier der Strategie der präventiven Vakzinierung mit nachfolgender Impftiterkontrolle eine besondere Bedeutung zu, um die HBV-Übertragung wirksam zu verhindern.

Interessenkonflikt

Die Autoren erklären, dass kein Interessenkonflikt im Sinne der Richtlinien des International Committee of Medical Journal Editors besteht.

Literatur

  1. Eddlestone AL, Mondelli M: Immunopathological mechanisms of liver cell injury in chronic hepatitis B virus infection. J Hepatol 1986; 3(Suppl 2): 17-23.
  2. Sagnelli E, Sagnelli C, Pisaturo M, et al.: Epidemiology of acute and chronic hepatitis B and delta over the last 5 decades in Italy. World J Gastroenterol 2014; 20: 7635-43.
  3. Kubo N, Furusyo N, Sawayama Y, et al.: A patient in whom only Hepatitis B virus (HBV) was thought to have been contracted, by kissing, from a same-sex partner coinfected with HBV and human immunodeficiency virus-1. J Infect Chemother 2003; 9: 260-4.
  4. Wicker S, Gottschalk R, Rabenau HF: Gefährdungen durch Nadelstichverletzungen. DtschArztebl 2007; 104: A3102-7.
  5. Anonym: Indikations- und Auffrischimpfungen. Epi Bull 2013; 34: 319-27.
  6. Anonym: Wissenschaftliche Begründung für die Änderung der Empfehlung zur Impfung gegen Hepatitis B. Epi Bull 2013; 36/37: 371-81.
  7. O’Halloran JA, De Gascun CF, Dunford L, et al.: Hepatitis B virus vaccine failure resulting in chronic hepatitis B infection. J Clin- Virol 2011; 52: 151-54.
  8. KdoSanDstBw UA VI: Infektinfo 19. 29.04.2014.
  9. Freshwater DA: Hepatitis B and C in the armed forces. J R Army Med Corps 2013; 159: 169-74.
  10. Frickmann H, Sturm D, Finke EJ: Infektionsrisiken durch Fremdgewebseinsprengung und sexuelle Gewalt im asymmetrischen Konflikt. Wehrmed Mschr 2014; 58: 2-9.
  11. Schneeweiß B, Pfleiderer M, Keller-Stanislawski B: Impfsicherheit heute. DtschArztebl 2008; 105: 590-5.
  12. Sherlock S: The natural history of hepatitis B. Postgrad Med J 1987; 63(Suppl 2): 7-11.
  13. Rehemann B, Ferrari C, Pasquinelli C, et al.: The hepatitis B virus persists for decades after patients’ recovery from acute viral hepatitis despite active maintenance of a cytotoxic T-lymphocyte response. Nat Med 1996: 2: 1104-8.
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  15. Seetharam A, Perillo R, Gish R: Immunosuppression in patients with chronic hepatitis B. Curr Hepatology Rep 2014; 13: 235-44.
  16. Gerlich WH, Glebe D: Hepatitis B-Impfung: altbewehrt, doch nicht perfekt. Hepatitis&more 2010; 2: 30-6.
  17. Tacke F, Amini-Bavil-Olyaee S, Heim A, et al.: Acute hepatitis B virus infection by genotype F despite successful vaccination in an immune-competent German patient. J Clin Virol 2007; 38: 353-7.
  18. Stramer SL, Wend U, Candotti D, et al.: Nucleic acid testing to detect HBV infection in blood donors. N Eng J Med 2011; 364: 236-47.

Tabelle 1: Anamnestischer Ablauf der Serokonversion

 

Datum: 01.10.2014

Quelle: Wehrmedizinische Monatsschrift 2014/9

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