ZUR PROBLEMATIK VON FREMDKÖRPEREINSPRENGUNGEN IM KOPF-HALS-BEREICH

Bundeswehrzentralkrankenhaus Koblenz

John Rudat

WMM, 58. Jahrgang (Ausgabe 10-11/2014; S. 357)

Zusammenfassung:

Hintergrund

Verletzungen im Gesicht und Kopf-Hals-Bereich bei kriegerischen Auseinandersetzungen waren in der Geschichte und sind in der Gegenwart ein wichtiges Thema. Zu Zeiten des amerikanischen Bürgerkriegs und des 1. Weltkrieges waren etwa 80 - 90 % aller Verletzungen durch Schusswaffen bedingt.

Bei den jüngsten Auseinandersetzungen im Irak und Afghanistan handelt es sich bei ca. 80 % der Fälle um Explosionsverletzungen. Die Kopf-Hals-Region ist in 42 % aller Verletzungen, die zu Repatriierungen von Soldaten führen, betroffen. Eine wesentliche Verletzungsentität ist hierbei die Fremdkörpereinsprengung nach Explosionsanschlägen. Fremdkörper in den Weichteilen können Infektionen verursachen und auch zu chronischen Schmerzzuständen bei Berührung führen.
In den vergangenen 12 Jahren wurden in der Abteilung VIIb – Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie des Bundeswehrzentralkrankenhauses Koblenz über 70 Patienten mit Fremdkörpereinsprengungen durch Explosionen behandelt. Es erfolgte eine umfassende Nachschau dieser teils sehr unterschiedlichen Patientenfälle, um Faktoren für eine optimale Therapie herauszuarbeiten.

Ergebnisse

Die Fremdkörpereinsprengungen stellen sich interindividuell mannigfaltig dar. Folgende Faktoren sind für die chirurgische Versorgung von Bedeutung:
• Größe und Material der Fremdkörper (z. B. Glas, Stein, Metall, Holz)
• Ausmaß der Einsprengungen,
• Einsprengungstiefe,
• relevante Begleitverletzungen und
• Zeitpunkt der Einsprengungsverletzung.

Es zeigte sich, dass eine möglichst frühzeitige und sorgfältige chirurgische Bergung der Fremdkörper auf dem Fragmentweg mit direkter Hartgewebs- und Weichteilrekonstruktion empfehlenswert ist. Bei noch offenen Wunden oder vor maximal 10 Tagen erfolgter Verletzung ist die Fremdkörperentfernung auf dem Perforationsweg ohne Erweiterung des Schadens einfach durchzuführen.
Bei länger zurückliegender Fremdkörpereinsprengung mit abgeheilten Wunden stellt sich die Entfernung als deutlich schwieriger dar. In diesen Fällen wurde zur Fremdkörperlokalisation eine Schichtbildgebung mittels Computertomographie durchgeführt (Abbildung 1). Es erfolgte eine umfangreiche 3-dimensionale Diagnostik mit präoperativer Markierung aller Fremdkörper am Bildschirm, die folglich auch 3D navigiert operativ entfernt wurden (Abbildung 2). Mit diesem Instrument wurden sehr gute Ergebnisse besonders bei tiefen, kleinen und alten Einsprengungsverletzungen erreicht. 

Schlussfolgerungen

Wenn immer möglich sind besonders im Kopf-Hals-Bereich eingesprengte Fremdkörper so früh wie irgend möglich (spätestens innerhalb von 10 Tagen nach Ereignis) zu entfernen.
Die 3D-Diagnostik und Therapie (Navigation) leistet nicht nur bei der rekonstruktiven Gesichtschirurgie, sondern auch bei der Fremdkörperentfernung einen wesentlichen Beitrag für eine erfolgreiche Behandlung.

Bildquelle: Bundeswehrzentralkrankenhaus Koblenz - Radiologie

Abb. 1: Beispiel einer Begleitverletzung durch Fremdkörpereinsprengung: Schicht eines CT mit 2 großen röntgendichten Fremdkörpern, die zur Zertrümmerung des linken Collum mandibulae führten (rote Pfeile)

Abb. 2: Präoperative Detektion und Markierung von röntgendichten Fremdkörpern in einer 3D - CT– Rekonstruktion mittels Brain- Lab® als Vorbereitung für 3D – navigiertes Operieren

Datum: 28.11.2014

Quelle: Wehrmedizinische Monatsschrift 2014/10-11

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