28.02.2012 •

GESUNDHEIT UND LEISTUNG IM KLIMA

1. Mitteilung: Hitze



Health and Performance in Climate

1st Communication: Heat



Aus der Laborabteilung IV -Wehrmedizinische Ergonomie und Leistungsphysiologie- (Leiter: Oberstarzt Prof. Dr. Dr. D. Leyk) am Zentralen Institut des Sanitätsdienstes der Bundeswehr Koblenz (Leiter: Flottenarzt Dr. H. Bergmann)¹, dem Institut und Poliklinik für Arbeitsmedizin, Umweltmedizin und Präventionsforschung der Universität zu Köln² und dem Institut für Physiologie und Anatomie der Deutschen Sporthochschule Köln³



von Karl Jochen Glitz¹, Uwe Seibel¹, Willi Gorges¹, Claus Piekarski² und Dieter Leyk¹,³

Hohe Umgebungstemperaturen beeinträchtigen häufig in nicht unerheblichem Maße die Gesundheit und Leistungsfähigkeit. Im gewerblichen und industriellen Bereich kann die Hitzewirkung durch Arbeitsschutzmaßnahmen weitgehend erträglich gestaltet werden. Unter militärischen Bedingungen entwickeln sich die Auswirkungen von Hitzeexpositionen auf den Menschen viel extremer.

Insbesondere in Verbindung mit hohen körperlichen Belastungen führen sie eher zu Gesundheitsgefährdungen und Leistungseinbußen als im zivilen Erwerbsleben. Daher sind spezielle Präventionsstrategien erforderlich, die an militärische Erfordernisse angepasst werden müssen.

Methode:

Die Koblenzer Forschungs- und Entwicklungseinrichtung bearbeitet das Themenfeld im Rahmen der Umweltergonomie und Bekleidung durch Literaturstudien, Labor- und Felduntersuchungen. Ergebnisse: In der vorliegenden Arbeit wird die Hitzewirkung beschrieben und daraus die Prävention hinsichtlich Personalauswahl, Akklimatisation, körperlicher Leistungsfähigkeit, Trinkmengen, Arbeitsorganisation etc. abgeleitet. Dazu gehört auch die Entwicklung einer neuen Körperkühlmethode als Voraussetzung für das langzeitige Tragen von Schutzbekleidung.

Schlussfolgerungen:

Die Beispiele belegen die Bedeutung der angewandten Klima- und Thermophysiologie für den Erhalt von Gesundheit und Leistungsfähigkeit. Gleichzeitig wird aber auch weiterer Forschungsbedarf deutlich. Er hat bei der NATO zur Einsetzung einer neuen wissenschaftlichen Arbeitsgruppe geführt, in der die Koblenzer Einrichtung mitarbeitet.

Summary

Background:

High ambient temperatures frequently have a not negligible effect on human health and performance. Occupational safety measures can make heat effects tolerable for workers in the commercial and industrial areas. However, in military settings heat stress can be much higher. In particular the combination of heat and a high degree of physical strain is more likely to result in health risks and performance losses compared to less strenuous civilian workplaces. Therefore, special prevention strategies must be developed that are adapted to military requirements.

Methods:

The research and development department in Coblenz uses laboratory and field tests as well as literature studies to develop prevention strategies in the area of environmental ergonomics and clothing. Results: The current paper describes the effects of heat and the prevention derived from it with regard to personnel selection, acclimation, physical fitness, fluid replacement, work organization, etc.. Part of heat prevention is an effective microclimate cooling system for a long tolerance time in protective clothing. A newly developed cooling method is introduced.

Conclusions:

The examples show the importance of applied climate and thermal physiology for the maintenance of health and performance. However, they also demonstrate the need for further research. The department in Coblenz collaborates in a new scientific NATO working group, which was recently initiated to close existing knowledge gaps in this area.

Keywords:

Heat effect, heat illness, heat prevention, microclimate cooling

1. Einleitung

Der Mensch soll sich ursprünglich in einem klimatischen Vorzugsraum entwickelt haben; nach bisheriger Kenntnis habe sich seine „Wiege“ im heutigen Südafrika befunden. Umso beeindruckender ist die nachfolgende Ausbreitung der Menschheit über alle Klimazonen der Erde, zumal kaum ein anderer Umweltfaktor die Gesundheit und Leistungsfähigkeit so bedeutsam beeinflusst wie das Klima. Voraussetzung für diese Siedlungsausweitung war neben der leistungsfähigen, autonomen Thermoregulation des Menschen seine Fähigkeit, sich in seinem Verhalten und durch technische Entwicklungen an diese Umwelt anzupassen.

Im zivilen Leben wird heute das Klima weitgehend als „beherrschbar“ angesehen. Das trifft insbesondere für die Hitze zu, deren belastende Wirkung durch Klimaanlagen in Wohn- und Geschäftsräumen und auch in Verkehrsmitteln (Kraft-, Schienen-, Luft- und Wasserfahrzeuge) reduziert wird. Selbst intensive Klimaeinflüsse im gewerblichen oder industriellen Bereich (Lebensmittelzubereitung, Wäschereien, Stahlproduktion etc.) können durch geeignete Arbeitsschutzmaßnahmen erträglich gestaltet werden.

Unter militärischen Bedingungen sind allerdings Hitzeexpositionen, insbesondere in Kombination mit hoher körperlicher Leistungsabforderung, in ihren Auswirkungen auf den Menschen viel extremer. Isolierende Schutzbekleidung kann den Hitzestress zusätzlich noch deutlich erhöhen. Spezifische Präventionsmaßnahmen für den militärischen Anwendungsfall haben daher eine noch wesentlich größere Bedeutung für den Erhalt von Gesundheit und Leistungsfähigkeit als im zivilen Bereich.

2. Hitzewirkung

Schon im Sitzen beträgt die metabolische Wärmeproduktion des Menschen circa 80 bis 100 W. Ohne angemessene Wärmeabgabe im Gleichgewicht zur Wärmeproduktion gerät die Wärmebilanz des Organismus bereits bei körperlicher Ruhe außer Kontrolle und die Körpertemperatur steigt auf kritische Werte.

Die notwendige Entwärmung erfolgt durch Konvektion, Konduktion, Radiation und Evaporation. Ist die Wärmebilanz im gemäßigten Klima noch problemlos ausgeglichen, so schränken in feucht-heißer Umgebung zu geringe Wärme- und Wasserdampfpartialdruckgradienten die Wärmeabgabe ein. Dies geschieht stets dann, wenn die Umgebungstemperatur die mittlere Hauttemperatur von 33 – 34 °C erreicht oder übersteigt. Ohne Temperaturgefälle oder sogar bei dessen Umkehrung ist dann eine Entwärmung auf konvektivem Wege nicht mehr möglich und kann nur noch evaporativ durch Schweißverdunstung erfolgen. Diese ist jedoch abhängig von der Fähigkeit der Umgebungsluft, ihrerseits Wasserdampf aufzunehmen. Im feucht-heißen Milieu kann es somit bereits in Ruhe zu hoher Wärmebelastung kommen.

Körperliche Arbeit steigert die metabolische Wärmentwicklung erheblich (Abb 1). Eine leichte Tätigkeit ist durch eine Erhöhung des Energieumsatzes um bis zu 200 W und eine schwere Arbeit durch eine Anhebung um bis zu 380 W definiert (1). Diese Wärmeenergie muss abgeführt werden, da beispielsweise eine einstündige Wärmebildung von insgesamt 333 W bei einer vollständigen Unterdrückung der Wärmeabgabe den Wärmeinhalt des Körpers um 1200 kJ vergrößern würde. Die Folge wäre eine lebensbedrohliche Steigerung der Körperkerntemperatur eines 70 kg schweren Menschen um bis zu 5 °C.

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Abb 1: Soldat bei körperlicher Arbeit in der Hitze. Foto: Bildkatalog über Einsätze der Bundeswehr

Soldaten sind durch Hitzeeinwirkung in besonders hohem Maße gefährdet, zumal sie einsatzbedingt nicht nur teilweise schwere körperliche Arbeit leisten müssen, sondern gleichzeitig ihre Entwärmung durch militärische Schutzbekleidung (zum Beispiel ballistischer Körperschutz) erheblich behindert wird. Das Ausmaß der körperlichen Belastungen des militärischen Alltags belegen vielfältige Vor-Ort-Analysen der Koblenzer Forschungsund Entwicklungseinrichtung. Beispielsweise wurden bei der Artillerie, bei den Pionieren, bei den Panzergrenadieren und bei der ABC-Abwehrtruppe Arbeitsumsatzsteigerungen weit über 420 W hinaus gemessen, die aus arbeitsmedizinischer und leistungsphysiologischer Sicht als körperliche Schwerstarbeit einzustufen sind. Sind diese Arbeiten in der Hitze zu verrichten, kann es in kurzer Zeit zu nicht kompensierbaren Wärmebelastungen kommen, die drastische Leistungseinbußen und sogar gesundheitliche Krisen zur Folge haben können.

Dabei sind nicht nur unmittelbar der Wärmehaushalt des Organismus, sondern durch den hohen Schweißverlust im Hitzestress auch der Flüssigkeitshaushalt in erheblichem Maße betroffen: Über längere Zeiträume können in der Hitze Schweißverluste von 1 l/h, kurzzeitig sogar bis zu 3 l/h auftreten. Ein Flüssigkeitsverlust von 1 – 3 % der Körpermasse führt schon zur Beeinträchtigung der physischen und psychischen Leistungsfähigkeit. Eine Dehydration über 10 % der Körpermasse ist lebensbedrohend, da der Flüssigkeitsverlust eine Hypovolämie mit verschlechterten rheologischen Eigenschaften des Blutes bewirkt.

Die Folgen von Flüssigkeitsmangel zeigen beispielsweise Erfahrungen einer US-Brigade im Irakkrieg. Nicht allein hohe Umgebungstemperaturen, sondern militärisch bedingte Einschränkungen der Flüssigkeitsversorgung verursachten hier einen deutlichen Anstieg der Hitzeerkrankungen (2).

Aber auch bei Soldaten der Bundeswehr sind vergleichbare Gesundheitsstörungen bei Hitzeexposition beschrieben: Während einer dreiwöchigen Übung in der Chihuhuan-Wüste, New Mexico, USA (Fort Bliss) waren von 278 Soldaten eines PzGrenBtl mindestens 45 Personen an den Folgen des heißen Klimas erkrankt und mussten ärztlich behandelt werden (3).

Nicht kompensierbare Hitzebelastungen führen bekanntermaßen zu unterschiedlichen Krankheitsbildern [vergl. Wenzel & Piekarski (4), Piekarski (5)], die nicht immer exakt gegeneinander abgegrenzt werden können:

Eine hitzeinduzierte übermäßige Vasodilatation der peripheren Blutgefäße verursacht eine Kreislaufstörung mit starker orthostatischer Charakteristik. Dieser Hitzekollaps entsteht durch ein Missverhältnis zwischen dem peripheren Gefäß- und dem verfügbaren, zirkulierenden Blutvolumen bei einer gleichzeitigen Verringerung des venösen Rückstroms. Dabei treten in der Regel keine Elektrolytverschiebungen und auch keine ausgeprägte Dehydration auf.

Bei großem Schweiß verlust führt ein unzureichender Flüssigkeitsersatz zur Hitzeerschöpfung durch Dehydration. Die Hitzeerschöpfung durch Salzmangel beruht auf einem übermäßigen Kochsalzverlust durch hohe Schweißmengen und trifft bevorzugt Nichtakklimatisierte.

Bei einer „generalisierten“ Überwärmung (Hitzschlag) kommt es zu einem Zusammenbruch der Thermoregulation, einem protrahierten Schock und bei extrem hohen Körperkerntemperaturen zur thermischen Gewebsschädigung, insbesondere des Zentralnervensystems (Ödem, subpiale Blutaustritte, Nekrosen). Selbst bei frühzeitiger Behandlung dieser seltenen Hitzeerkrankung ist die Prognose von der maximal erreichten Kerntemperatur abhängig und verschlechtert sich mit steigenden Werten drastisch; Krankheitsverläufe mit Körperkerntemperaturen über 42 °C sind fast immer tödlich.

Eine intensive, ungeschützte Sonnenbestrahlung von Kopf und Nacken führt zur lokalen Überwärmung des ZNS, vor allem des Gehirns (Sonnenstich) und kann ein Hirnödem sowie petechiale Blutungen hervorrufen. Leitsymptome sind in Abhängigkeit von der Ausprägung der Insolationswirkung Schwindel, Übelkeit mit Erbrechen bis hin zu kollaptischen Zuständen mit Bewusstlosigkeit. Nicht selten findet sich auch ein mehr oder minder ausgeprägter Meningismus.

3. Prävention

„As time goes on, newcomers will realize that those who have become acclimatized can get along in the heat if they manage to have water needed, for water in the form of sweat is their means of cooling. With clothing to protect them from winds blast and the suns radiation, and with adequate water to drink, they can do most of the work that they would perform elsewhere.” (6).

Diese Prognose zur Hitzeexposition haben Physiologen der Universität Rochester, USA, unter Leitung von E. F. Adolph als sogenannte Rochester Desert Unit in dem bis heute viel zitierten Grundlagenwerk Physiology of Man in the Desert (7) bereits 1947 abgegeben. Zwar ist das thermophysiologische Wissen inzwischen wesentlich erweitert worden, trotzdem enthält dieses Zitat die Grundlagen auch aktueller Präventionsempfehlungen, mit denen Leistungseinbußen und Gesundheitsgefährdungen in der Hitze begegnet werden können. Allerdings haben sich die Rahmenbedingungen merklich verschärft. Die schnelleren Verkehrsmittel, wie etwa das Flugzeug, bringen für Reisende innerhalb weniger Stunden unter Umständen extreme Klimawechsel mit sich. Am Ziel- bzw. Einsatzort werden insbesondere Soldaten hohe körperliche und physische Leistungen abverlangt, und mit steigender Bedrohung muss auch die Schutzwirkung militärischer Bekleidung steigen. Dieser Schutz bedingt jedoch auch eine höhere thermische Isolation und fördert möglichen Hitzestress.

3.1 Personalauswahl

Eine gezielte Personalauswahl ist bisher nur bedingt möglich, zumal eine valide Methode zur spezifischen Prognose der Hitzetauglichkeit fehlt. So weist die arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchung nach dem berufsgenossenschaftlichen Grundsatz G 30 Hitzearbeiten (8) lediglich Ausschlusskriterien (Erkrankungen des Herz-Kreislaufsystems, der Atmungsorgane, der Leber, der Nieren etc.) aus. Zwar ist in diesem Rahmen auch eine Fahrradergometrie durchzuführen, doch ist diese vorrangig eine Kreislauffunktionsprüfung und erlaubt keine sichere Prognose der Hitzetoleranz. Hier besteht weiterer Forschungsbedarf.

3.2 Hitzeakklimatisation

Die Akklimatisation ist mit komplexen physiologischen Anpassungen verbunden und steigert die Fähigkeit des Organismus, seine Wärmebilanz auch bei erhöhter Wärmebelastung ausgeglichen zu erhalten:

Akklimatisierte schwitzen effektiver, denn im Vergleich zu Nichtakklimatisierten setzt ihre Schweißproduktion früher ein und kann sich pro Zeiteinheit um das Doppelte steigern. Dadurch wird die Fähigkeit zur evaporativen Entwärmung verbessert, sodass Akklimatisierte bei vergleichbarer Belastung geringere Körperkerntemperaturen und bei submaximaler Arbeit auch niedrigere Herzschlagfrequenzen aufweisen. Erhöhte Elektrolytverluste, insbesondere Kochsalzverluste bei steigenden Schweißraten treten in der Regel lediglich in den ersten Tagen der Hitzeakklimatisierung auf. Eine ausgewogene Ernährung und ein zusätzliches Angebot von Kochsalztabletten oder elektrolyt - haltigem Hitzegetränk beugen in dieser Zeit einer Unterversorgung vor.

Mit zunehmender Hitzeakklimatisierung führt die vermehrte Schweißabgabe nicht mehr zu einem höheren Elektrolytverlust, da sich die Schweißosmolarität insbesondere durch eine Senkung des Kochsalzgehalts auf circa 1/10 im Laufe des Akklimatisationsprozesses reduziert. Entspricht die Nahrungsaufnahme von Akklimatisierten ihrem jeweiligen Energieumsatz, so ist auch eine ausreichende Elektrolytversorgung gesichert, und es kann dann auf eine zusätzliche Supplementierung weitgehend verzichtet werden (9).

Akklimatisationsbedingte Veränderungen der physiologischen Reaktionen auf eine erhöhte Hitzebelastung sind jedoch noch weitreichender und bewirken unter anderem mit einer Erhöhung des Herzschlagvolumens sowie mit Veränderungen des venomotorischen Tonus eine Verbesserung der Ökonomie des Herzkreislaufsystems unter Klimabelastung. Der Flüssigkeitshaushalt ist mit einer Steigerung des Gesamtkörperwassers um etwa 5 – 7 % und mit einer Erhöhung des Plasmavolumens von bis 30 % beteiligt. Eine umfassende Darstellung dieser Anpassungsvorgänge ist im Rahmen der wissenschaftlichen Arbeiten der NATO (RTO-MP- 076) zugänglich (10).

Die Steigerung der Hitzetoleranz ist auch mit dem Auftreten von sogenannten heat shock proteins verbunden. Dabei handelt es sich um unterschiedliche Proteine, die nach ihren Molekulargewichten verschiedenen Gruppen zugeordnet werden. Sie sind in der Lage, auf zellulärer Ebene vor Hitzeschäden, beispielsweise durch Bindung von denaturierten Proteinen oder Stärkung von Strukturproteinen, zu schützen. Durch eine weitere Aufklärung ihrer Funktion und Bedeutung werden verbesserte Therapien für Hyperthermieopfer erwartet.

Über die Dauer der Akklimatisationsvorgänge gibt es stark differierende Angaben: Sie reichen von 4 – 7 Tagen bis zu vier Wochen. Die Unterschiede beruhen unter anderem auf verschiedenen Akklimatisationsbedingungen, individuellen Charakteristika und jeweils vorgesehenen Einsatzbedingungen. So wird in der Regel davon ausgegangen, dass eine initiale Akklimatisationsphase von 7 Tagen die größten Anfangsrisiken einer Hitzearbeit an industriellen Arbeitsplätzen zu mindern hilft, während eine vollständige Akklimatisation bei Fortsetzung der Hitzearbeit über eine Periode von circa 4 Wochen zu erwarten ist. Ferner ist die erste Woche in der Regel ausreichend, um zu erkennen, ob sich ein Neuankömmling in der Hitze angemessen akklimatisieren kann. Nach den Erfahrungen aus dem deutschen Steinkohlenbergbau ist für etwa 1 % der mitteleuropäischen Bevölkerung keine für einen Hitzearbeitsplatz ausreichende Akklimatisation möglich. Die Betroffenen sind daher für diese Tätigkeiten nicht tauglich.

Im militärischen Kontext besteht weiterhin Forschungsbedarf hinsichtlich einer geeigneten Akklimatisationsstrategie zur Vorbereitung eines militärischen Einsatzes im Hitzeklima. Das betrifft Fragen eines optimalen Klimaprofils, der Dauer der Klimaexposition in der Anpassungsphase und auch der Höhe der körperlichen Belastung während des Akklimatisationsprozesses.

Der erreichte Akklimatisationszustand ist nicht von Dauer. Dieses Phänomen ist im zivilen Bereich für viele Hitzearbeitsplätze, zum Beispiel im Steinkohlenbergbau, beschrieben und auch bei Arbeitseinsätzen im tropischen Ausland bekannt. Eine Unterbrechung der regelmäßigen Exposition von nur einer Woche, etwa durch Urlaub, führt zu Akklimatisationseinbußen von circa 50 %. Drei Wochen ohne regelmäßige Klimabelastung bedingen einen vollständigen Verlust der Akklimatisation.

3.3 Bedeutung körperlicher Leistungsfähigkeit bei Hitzeexposition

Personen mit hoher körperlicher Leistungsfähigkeit weisen zum Teil eine schnellere Anpassungsfähigkeit an klimatische Belastungen auf, wie es in ähnlicher Weise bei Hitzeakklimatisierten zu beobachten ist: Sie schwitzen früher und effektiver; auch haben sie bei Belastungen geringere Herzschlagfrequenz- und Körperkerntemperaturanstiege als Untrainierte. Die Ursache ist möglicherweise die immer wiederkehrende erhöhte „metabolische Wärmeexposition“ während des Trainings. Auf diesem Wege kann ein guter körperlicher Trainingszustand Vorteile bei einer plötzlichen Hitzeexposition bieten; eine Garantie für eine gute Hitzetoleranz ist er jedoch nicht (s. o.).

Übergewicht ist dagegen ein bedeutender Risikofaktor für Hitzeerkrankungen, zumal mit einem hohen Körperfettanteil häufig auch eine geringere körperliche Leistungsfähigkeit einhergeht. Die Kombination beider Faktoren erhöhte bei männlichen amerikanischen Rekruten (BMI > 26) das Risiko einer Hitzeerkrankung um das neunfache (11).

3.4 Flüssigkeitshaushalt im heißen Klima

Unter den extremen Bedingungen von Expeditionen oder auch von militärischen Auseinandersetzungen hat der Flüssigkeitsmangel häufig ernste Folgen und das Bild des Verdurstenden in der Wüste ist in den Sprachgebrauch übergegangen. Der schwedische Geograph Sven Hedin (1865 – 1952) entkam beispielsweise in der Wüste Takla makan bei seiner ersten Asienexpedition (1893 – 1897) nur knapp diesem Schicksal. Seine mitgeführten Wasservorräte waren zu Expeditionsbeginn durch die zweitgrößte Sandwüste der Erde zu knapp bemessen, sodass er nach eigener Schilderung zwei Gefährten verlor und sogar sieben Kamele seiner Karawane verdursteten.

Eine regelmäßige und ausreichende Flüssigkeitsaufnahme ist Voraussetzung zum Erhalt der Gesundheit und der Leistungsfähigkeit. Erfahrungsgemäß wird jedoch häufig zu wenig getrunken, sodass sich eine unerwünschte „freiwillige“ Dehydration entwickelt, zumal das Durstgefühl beim Menschen vielfach erst verzögert einsetzt. Das Flüssigkeitsdefizit kann verhindert werden, wenn Schweißverluste durch häufiges Trinken unmittelbar ausgeglichen werden. Allgemeine Trinkempfehlungen von 150 – 250 ml pro ¼ h (12) werden für die meisten Hitzeexpositionen zutreffen (sogenanntes preventive drinking). Dieses Procedere berücksichtigt den Umstand, dass der Gastro-Intestinaltrakt in der Regel nur etwa 1 000 – 1 500 ml/h resorbieren kann. Schweißverluste im Gesamtvolumen von bis zu 12 l/d sind durchaus im Bereich des Möglichen und müssen durch notwendiges, gezieltes Nachtrinken aufgefüllt werden (Abb. 2).

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Abb 2: Probanden einer Felduntersuchung beim Trinken unter ABC-Schutzbedingungen in der Hitze. Foto: ZInstSanBw KOB, Laborabteilung IV

Gieriges Trinken großer Mengen kann im Extremfall durch Vagusreizung des überfüllten Magen-Darm-Kanals zu einem reaktiven Kreislaufzusammenbruch (sogenannter „Oasentod“) führen (13). Ebenso wenig scheint eine Hyperhydration für die Thermoregulation und die Arbeitsfähigkeit in der Hitze Vorteile zu bewirken (14).

Für den Nachweis einer ausreichenden Flüssigkeitsaufnahme kann näherungsweise die Urinfarbe (je heller, desto besser) ein erster Indikator sein. Ein dunkelgelber Urin ist als Warnsignal aufzufassen und verweist auf eine Konzentrierung des Urins aufgrund einer ausgeprägten Antidiurese, die bei Wassermangel durch eine erhöhte ADH-Ausschüttung entsteht. Bei chronischem Wassermangel ist die Bildung von Harnsteinen mit allen Folgen obstruktiver Erkrankungen der Harnorgane möglich.

3.5 Energiebedarf bei militärischen Tätigkeiten in der Hitze

Militärische Tätigkeiten sind so vielfältig, dass der Energieumsatz stark variiert. Auch in der Hitze ist der Energiebedarf vorrangig von der Arbeitsschwere abhängig und wird nur im geringen Maße durch eine hitzebedingte ineffektive Arbeitsweise erhöht. In der Bundeswehr wird der Energiebedarf in heißen Klimazonen bei leichten bis mittelschweren Arbeiten auf 12 500 – 17 000 kJ/d geschätzt (15). Dabei bleibt unberücksichtigt, dass dieser Rahmen bei sitzenden Tätigkeiten oder von Frauen mit geringem Körpergewicht auch unterschritten wird. Nur in Ausnahmefällen sieht der AU 46/40 (15) bei schweren körperlichen Arbeiten einen Bedarf von bis zu 19 000 kJ/d vor.

3.6 Arbeitsorganisation im heißen Klima

Eine übermäßige metabolische Wärmeentwicklung wird durch die Verringerung der Arbeitsschwere vermieden. Daher wissen erfahrene Soldaten, ihre Arbeitsintensität durch das sogenannte self pacing an das Klima anzupassen. Das Arbeitszeit-Pausen-Regime muss sich nach dem Klima und der Arbeitsschwere richten: Kurze Arbeitsphasen und häufige längere Arbeitsunterbrechungen sind zweckmäßig. Im trockenen Klima kann bei einer Lufttemperatur von 35 – 45 °C eine Unterbrechung von 15 oder 20 min pro Stunde notwendig sein (16). In den Arbeitspausen muss dem erwärmten Körper Gelegenheit zur Abkühlung (Schatten oder kühlere Bereiche, isolierende Bekleidung in sicherer Umgebung öffnen oder ablegen) gegeben werden. Schweißverluste müssen durch ausreichendes und planvolles Trinken ausgeglichen werden.

Die Wirkung der direkten Sonnenstrahlung kann durch das Verlegen von Arbeiten in kühle Tagesstunden oder durch die Schaffung von künstlichem Schatten mit Hilfe von Sonnensegeln, Tarnnetzen oder ähnlichem reduziert werden.

3.7 Hitzestress durch militärische Funktionsbekleidung

Die militärische Funktionsbekleidung ist vor allem eine Schutzbekleidung. Ihre Schutzeigenschaften, zum Beispiel ballistis che oder ABC-Sch utzbekleidung , können so aus geprägt sein, dass sie durch Bewegungsbehinderungen u nd hohes Gewicht zu erheblichen Energieumsatzsteigerungen und damit zur Erhöhung der metabolischen Wärmeentwicklung führen.

Die Evaporation von Schweiß könnte bei schwerer Arbeit b is zu 75 % der Entwärmung sichern, da die vollständige Verdunstung von 1 l Schweiß dem Or ganismus bis zu 2 400 kJ Wärme entziehen kann. Dieser Weg wir d jedoch durch die Isolation der Bekleidung eingeschrän kt, sodass Leistungseinbußen auftreten und die Einsatzzeiten zur Prävention von Hitzeerkrankungen dras tisch reduziert werden müssen. Bei großer Hitze lässt insbesondere die unter ABC -Schutzbedingungen notwendige Limitierung (< 30 min) keine effektive Arbeitsleistung mehr zu.

Eine gewisse Abhilfe ist durch die ergonomische Gestaltung v on Sc hutzbekleidung, durch die Akklimatisierung in ihrem Mikrok li ma und durch weitere Maßnahmen, die auch bei einer Hitzeexposition ohne diese Bekleidun g anzuraten sind, möglich (17). Aber selbst die Summe dieser Einzelm aßnahmen kan n auf D auer eine thermis che Überlastung des Soldaten nicht verhindern. Um die Standzeit in der Schutzbekleidung zu verlängern, ist einzig die Integration einer effektiven Körperkühlung Erfolg versprechend (vgl. Wehrmedizinischer Beirat, 18).

Eine derartige Körperkühleinrichtung in Einsatzreife existiert zurzeit weder im zivilen noch im militärischen Bereich. Daher wurde im Rahmen einer Sonderforschung mit technischer Unterstützung der Wehrtechnischen Dienststelle für Pionier- und Truppengerät (WTD 51) und des Wehrwissenschaftliches Instituts für Werk- und Betriebsstoffe (WIWeB) ein Demonstrator entwickelt und die grundsätzliche Eignung eines neuen Verfahrens durch Probandenuntersuchungen nachgewiesen. Die Methode (19) unterstützt die natürliche Thermoregulation, in dem vor allem die Schweißverdunstung (evaporative Entwärmung) gefördert wird. In einer weiteren Studie wird die praxisnahe Umsetzung mit dem Ziel der Entwicklung eines militärisch einsatzfähigen Schutzsystems geprüft (Abb. 3).

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Abb 3: Proband während der Erprobung einer neuen Körperkühlmethode auf dem Laufbandergometer in der Klimakammer. Foto: ZInstSanBw KOB, Laborabteilung IV

4. Schlussfolgerungen

Zum Erhalt von Gesundheit, Leistungsund Einsatzfähigkeit bei Hitzeexpositionen bestehen in vielen Bereichen und insbesondere hinsichtlich der Akklimatisationsstrategien deutliche Wissensdefizite. Diese können zunehmend weniger durch den zivilen Bereich behoben werden, da entsprechende Forschungsressourcen bei den deutschen Hochschulinstituten kaum noch verfügbar sind. Dadurch steigt die Bedeutung der Koblenzer Einrichtung auch auf dem Gebiet der Umweltergonomie und Bekleidung und weist sie vor dem Hintergrund der positiven Evaluierung durch den Wissenschaftsrat (20) als einen unverzichtbaren Bestandteil der wehrmedizinischen Forschung und Entwicklung aus.

Aufgrund ihrer Einsätze in allen Klimazonen der Erde misst auch die NATO der angewandten Klima- und Thermophysiologie hohe Bedeutung zu. Im Frühjahr 2010 wurde daher eine neue Research Task Group, in der auch die Koblenzer Forschungs- und Entwicklungseinrichtung mitarbeitet, eingerichtet. Das Aufgabengebiet Thermal Strain Management for Health and Performance Sustainment beinhaltet unter anderem die Personalauswahl für Hitzeexpositionen, die Hitzeakklimatisation, das Verhalten in Hitze, die Behandlung von Hitzeerkrankungen sowie technische Möglichkeiten der Körperkühlung. Die Autoren versprechen sich von dieser Kooperation eine verstärkte und problemorientierte Bündelung von Forschungsaktivitäten und wehrwissenschaftlichen Ressourcen sowie den vielfältigen Austausch von Erfahrungen auf internationalem Niveau zur Schließung derzeit noch bestehender Lücken in der angestrebten Verbesserung des Gesundheitsschutzes und der Einsatzfähigkeit deutscher Soldaten in klimatisch hoch belastenden Einsatzszenarien.

Literatur:

  1.  DIN 33403 T3: Klima am Arbeitsplatz und in der Arbeitsumgebung – Teil 3: Beurteilung des Klimas im Warm– und Hitzebereich auf der Grundlage ausgewählter Klimasummenmaße. Ausgabe: 2001-04
  2. Kaushik S, Stokes J: Hydrating the Force: Perspectives from operation Iraqi Freedom. RTO HFM Specialists?? Meeting on “Maintaining Hydration: Issues, Guidelines, and Delivery”. RTO-MP-HFM-086, 2004; 13-1 – 13-3
  3. Gorges W: Klimatisierung und Belüftung von Einsatzfahrzeugen. In: Glitz KJ, Gorges W, Dahms P: Heiße Klimazonen. Ergonomische Aspekte zur Gesundheit und Leistungsfähigkeit unter Hitzebelastung. Beitrag: v. Restorff W; Vorwort: Piekarski C; BMVg – FüSan I 2 (Hrsg.); Bonn 2004
  4. Wenzel HG, Piekarski C: Klima und Arbeit. Bayerisches Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung (Hrsg.); 2. Auflage; München 1982
  5. Piekarski C: Störungen und Erkrankungen durch klimatische Einwirkungen. In: Kühn HA und Schirrmeister J (Hrsg.): Innere Medizin. Berlin, Heidelberg, New York: Springer 1982; 1131-1139
  6. Adolph EF, Brown, AH: Summary and Conclusions. In: Adolph EF et al.: Physiology of man in the desert. (Monographs in the Physiological Sciences) New York, London: Interscience Publishers 1947; Chapter 21, 342- 351 (Zitat von S. 342 entnommen)
  7. Adolph EF et al.: Physiology of man in the desert. (Monographs in the Physiological Sciences) New York, London: Interscience Publishers 1947
  8. G 30 Hitzearbeiten. In: DGUV (Hrsg.): Grundsätze für arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen. Stuttgart: Gentner 2010
  9. Maughan RJ: Water and electrolyte requirements: effects of exercise and environment. American College of Sports Medicine Round Table Meeting on Hydration and Physical Activity. RTO HFM Specialists Meeting on “Maintaining Hydration: Issues, Guidelines, and Delivery. Boston, USA, December 2003 published in RTO-MP-HFM- 086; 2004
  10. Sawka MN, Castellani JW, Pandolf KB, Young AJ: Human adaptations to heat and cold Stress. RTO HFM Symposium on “Blowing Hot and Cold: Protecting against climatic extremes. RTO-MP-076; 2001
  11. Gardner JW, Kark JA, Karnei K et al.: Risk factors predicting exertional heat illness in male Marine Corps recruits. Med Sci Sports Exerc. 1996; 28: 939-944
  12. Aoyagi Y, McLellan TM, Shephard RJ: Interactions of physical training and heat acclimation. The thermophysiology of exercising in a hot climate. Sports Med. 1997; 23 (3): 173-210
  13. Piekarski C: Klima. Überwärmung. In: BWB (Hrsg.): Handbuch der Ergonomie. Stand 1993; Bd. 2, Kapt. A 9.6.3
  14. Sawka MN, Montain SJ, Latzka WA: Hydration effects on thermoregulation and performance in the heat. Comparative Biochemistry and Physiology 2001; Part A 128, 679-690
  15. AU (Allgemeiner Umdruck) 46/40 der Bundeswehr: Leitfaden für Ernährungsfragen in der Truppenarztpraxis. 1999 16. Pangert R, Bux K, Frener P: Hitzearbeit – Hitzepausen. Ergo-Med 2003: 82-89

 

Das vollständige Literaturverzeichnis ist bei den Verfassern erhältlich.

Datum: 28.02.2012

Quelle: Wehrmedizinische Monatsschrift 2011/12

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