12.04.2011 •

EINFÜHRUNG EINES ZIELSYSTEMS AN DER SANITÄTSAKADEMIE DER BUNDESWEHR – WESENTLICHE ERKENNTNISSE"

Rahmenbedingungen

Schon zu Beginn dieses Jahrzehnts sollte im
Rahmen der Transformation die Bundeswehr
von Grund auf erneuert werden.

Dabei sollten u.a. die Wahrnehmung der Kernaufgaben durch Optimierung der Kernleistungsprozesse verbessert, die externe Leistungserbringung verstärkt sowie Aufgaben und Verantwortung auf nachgeordnete Ebenen verlagert werden. Diese Vorhaben und die damit einhergehende Verschlankung erforderten die Führungsunterstützung durch ein professionelles Controlling, um einen Verlust steuerungsrelevanter Informationen zu vermeiden.¹

Controlling im Geschäftsbereich des BMVg und somit auch im Sanitätsdienst der Bundeswehr hat zum Ziel, der jeweiligen Führungsebene die notwendigen Informationen zur erfolgreichen Steuerung und Leitung des Verantwortungsbereiches zur Verfügung zu stellen. Das Handeln der Entscheidungsträger ist dauerhaft an einer effektiven und effizienten Leistungserbringung auszurichten.1), 2)

Gegenstand des Controllings sind die in der Verantwortung des jeweiligen Entscheidungsträgers liegenden Aufgabenfelder. Hier unterstützt es bei der Zielbildung und verbessert die Qualität der Entscheidungsvorbereitung(- findung). Im Einzelnen geschieht dies durch das Gewinnen bzw. Sammeln, Analysieren, Strukturieren sowie durch das Darstellen der benötigten Informationen.¹

An der Sanitätsakademie der Bundeswehr (SanAkBw) wird durch Controlling schon seit Jahren eine Kosten- und Leistungsrechnung in Form der Kostenträgerrechnung durchgeführt. Durch die ergänzende Entwicklung und Implementierung eines Ziel- und Kennzahlensystems sollte auch an der SanAkBw die Optimierung von Führungsentscheidungen infolge der verbesserten Informationsgrundlage wesentlich vorangebracht werden.

Das hierzu in der Bundeswehr genutzte Controllinginstrument ist das Managementsystem der Balanced Scorecard (BSC = „ausgewogene Zielkarte“ oder auch „ausgewogener Berichtsbogen“). Die BSC ist ein methodischer Ansatz zur Strategiekommunikation und - steuerung. Dabei werden im Rahmen eines regelmäßig wiederkehrenden Zielbildungsund Zielfindungsprozesses die grundlegenden strategischen Ziele der Bundeswehr identifiziert und priorisiert. Diese werden konkretisiert, indem sie mit Hilfe von Kennzahlen messbar und durch Zielvorgaben steuerbar gemacht werden. Durch die Zuordnung von Maßnahmen und Verantwortlichkeiten werden sie schließlich in operatives Handeln umgesetzt.

Die BSC ist ein Verbindungsglied zwischen Strategiefindung und -umsetzung. Dabei werden die traditionellen finanziellen Kennzahlen durch Perspektiven (Beispiel Bundeswehr: Ressourcen, Befähigung, Prozesse und Leistung) ergänzt und Ursache-Wirkungszusammenhänge festgestellt. 1), 3), 9), 10)

Der sinnvolle Einsatz der BSC setzt zusätzlich zum operativen Controlling ein strategisches Controlling voraus. Unter strategischem Controlling wird dabei die grundsätzliche Verfolgung mittel- bis langfristiger Ziele (zeitliche Reichweite 2 oder mehr Jahre) mit andauernder und dienststellenübergreifender Bedeutung verstanden. Das operative Controlling betrachtet dagegen die Realisierung eher kurzfristig relevanter Ziele (zeitliche Reichweite i.d.R. 1 bis 2 Jahre) mit dienststelleninternem Schwerpunkt. 4), 5)

Da das Controlling an der SanAkBw bei der Bereitstellung der zur erfolgreichen Steuerung und Leitung notwendigen Informationen für die Führungsebenen sehr stark operativ ausgerichtet ist - bereits der Amtschef des Sanitätsamtes stützt sich in seinem Führungsprozess auf ein hauptsächlich operativ orientiertes Controlling2) _ , wurde auf die Entwicklung einer eigenen BSC für die SanAkBw bewusst verzichtet (Abb. 1).

Gleichwohl wurde in Anlehnung an die Methode der Balanced Scorecard ein Zielsystem an der SanAkBw in folgenden Schritten implementiert:

  • Entwickeln eines Leitbildes (Strategie/ Vision),
  • Ableiten eines Zielsystems,
  • Erstellen eines Kennzahlensystems,
  • Aufbau eines Berichtswesens für die Akademieführung (Abb. 2).

Erarbeitung eines Ziel- und Kennzahlensystems

Einleitend wurde im Oktober 2007 durch Controlling zu diesem Thema eine Kick-Off- Veranstaltung durchgeführt. Hierbei wurde der Führungsebene (Kommandeure und Bereichsleiter) zu den oben genannten Rahmenbedingungen vorgetragen. Schwerpunkte bildeten die Zielsetzung, der Gegenstand, die Aufgaben und die Instrumente des Controllings.

Es wurde verdeutlicht, dass auch die SanAkBw zukünftig verstärkt versuchen musste, ihr Handeln in der Auftragserfüllung effizienter und effektiver zu gestalten. Zu diesem Zweck sollte ein Ziel- und Kennzahlensystem auf Basis des oben geschilderten Vorgehens an der SanAkBw eingerichtet werden (Abb. 3).

Entwickeln eines Leitbildes

Das Leitbild steht am Anfang der Überlegungen zur Entwicklung einer BSC und somit auch zur Erarbeitung eines Zielsystems nach der Methode der BSC.

Es bildet eine umfassende, verständliche Darstellung der zukünftigen Ausrichtung allen Handelns in der Dienststelle ab.

Wesentlich beeinflusst wird es durch die Mission (den Auftrag), aber auch durch die Leitbilder vorgesetzter Dienststellen sowie die Vorstellungen des Dienststellenleiters (festgehalten beispielsweise in Form seiner Jahresweisung).

Das Leitbild muss so gestaltet werden, dass dem Führungspersonal und den Mitarbeitern / Soldaten verdeutlicht wird, was zukünftig priorisiert anzustreben, auszubauen und zu erreichen ist. Es soll als Richtschnur des Handelns dienen, so dass jeder Mitarbeiter / Soldat der Dienststelle auch ohne detaillierte Vorgabe imstande ist, im Sinne der Dienststellenleitung zu handeln (vgl. Auftragstaktik).

Durch seinen richtungweisenden Charakter wird das Leitbild zum Mittel der Selbstdisziplinierung für Vorgesetzte und Mitarbeiter. Sie sollen sich an den selbst gesetzten Prinzipien orientieren und messen lassen. Das Leitbild soll mit seiner Zukunftsvision motivierend wirken und die Angehörigen der Dienststelle zum Mitmachen und Mitgestalten auffordern.

Das Leitbild wird zwar von der Führung vorgegeben. Es ist aber aus o.g. Gründen mit den Mitarbeitern abzustimmen. Noch förderlicher für ein gelebtes Leitbild ist die Einbeziehung der Teileinheiten einer Dienststelle in seine Erarbeitung. Die gemeinsame Entwicklung soll zu einer stärkeren Identifikation mit dem Auftrag führen und das „Wir-Gefühl“ in der Dienststelle stärken.

Das Leitbild soll in knapper Form (eine Seite) Aussagen zu folgenden Themen enthalten:

  • Sinn und Zweck (ergeben sich aus dem Auftrag: Wofür sind wir da? Was tun wir? Wozu gibt es uns? Was wollen wir zukünftig tun und wie wollen wir von anderen gesehen werden?),
  • Werte, Normen und Verhaltensgrundsätze (z.B. Führungs- und Kommunikationsstil, Einstellung zu Innovation, Regeln zum Umgang miteinander, gegenüber anderen Dienststellen und gegenüber der Öffentlichkeit),
  • Ziele und Visionen (angestrebter Optimalzustand in der Zukunft: Wo wollen wir realistisch hin?).

Am Schluss der Entwicklung eines Leitbildes steht idealerweise die Ableitung / Festlegung

der Strategie, als der grundsätzlichen Vorgehensweise zur Realisierung des Erfolges einer Organisation. Es empfiehlt sich, diese über eine strategische Stoßrichtung („Slogan“) auszudrücken. 6), 7)

An der SanAkBw wurde das Leitbild in mehreren Workshops im Zeitraum November 2007 bis Juni 2008 entwickelt. Hier waren grundsätzlich der Akademiekommandeur, die Lehrgruppenkommandeure und Bereichsleiter, der S1 Offizier, der Personalratsvorsitzende und Controlling anwesend.

Dabei wurden in den ersten Arbeitstreffen zu den drei o.g. Themen jeweils zahlreiche Thesen als Diskussionsgrundlage erarbeitet. Letztere wie auch eingebrachte Vorschläge für Leitsätze dienten als Substanz für die anschließend notwendige „Feinarbeit“. Diese konnte allerdings erst nach Wechsel des Akademiekommandeurs (Januar 2008) erfolgen. Unter Einsatz eines kompetenten externen Moderators wurden in einem Workshop die o.g. vorhandenen aber auch völlig neu erarbeitete Thesen grundlegend diskutiert, teils verworfen, teils weiterentwickelt und zuletzt eingegrenzt, ausgewählt und abschließend formuliert.

Hier gilt es hervorzuheben, dass sich der Wechsel des Akademiekommandeurs mit dessen neuen Vorgaben konsequenterweise auch in den inhaltlichen Arbeiten zum Leitbild sehr stark auswirkte. Insbesondere die Kernaussage des Leitbildes wurde in seiner Intention entsprechend den Vorstellungen des neuen Akademiekommandeurs neu ausgerichtet. Nach den Workshops waren die Kommandeure und Bereichsleiter jeweils beauftragt, sich zunächst bis auf Chefebene und später schließlich mit allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im jeweiligen Verantwortungsbereich mit den Thesen des Leitbildes auseinanderzusetzen und eigene (Verbesserungs- )Vorschläge zu erarbeiten. Durch Anhörung von Vertretern der Teilnehmer ausgewählter Lehrgänge zum Ergebnis des letzten Workshops wurden schließlich auch die „Kunden“ der SanAkBw in die Erarbeitung des Leitbildes SanAkBw mit einbezogen.

Der noch fehlende Slogan wurde in Form eines Wettbewerbs ermittelt. Hierzu rief der Akademiekommandeur im Rahmen des Quartalsappells im Juni 2008 erfolgreich auf (Abb. 4).

Schließlich stellte der Akademiekommandeur das Leitbild mit Slogan in der Personalversammlung am 04. Dezember 2008 letztmalig zur Diskussion und setzte es nach einstimmiger Annahme im Quartalsappell am 15. Dezember 2008 offiziell in Kraft. Hier das Leitbild Sanitätsakademie der Bundeswehr in seiner derzeitigen Fassung: (Abb. 5).

Ableitung eines Zielsystems

Ein Zielsystem bildet die Ziele einer Organisation ab. Dabei sind die einzelnen Ziele gedanklich vorweggenommene SOLL-Zustände, die in der Zukunft liegen, real sein sollen, bewusst gewählt werden, deren Erreichen wünschenswert ist und die nur durch Handlung erreicht werden können. Ziele haben somit eine Motivationsfunktion, denn nur durch identifizierte Ziele kann es Erfolge und durch diese Anerkennung geben. Ferner besitzen sie eine Orientierungsfunktion, denn das Erreichen eines unbekannten Ziels ist fraglich, da Abweichungen nicht korrigiert werden können, wenn nicht bekannt ist, was eine Abweichung darstellt. Auch die Koordination der einzelnen Aktivitäten ist ohne explizites Ziel fast unmöglich.

Das Zielsystem als Ganzes ist die auf dem gegenwartsbezogenen SOLL-Zustand (z.B. STAN-Auftrag) aufbauende Umschreibung der zukünftigen Positionierung / Ausgestaltung der eigenen Dienststelle.

Da das Leitbild eine umfassende, verständliche Darstellung der zukünftigen Ausrichtung allen Handelns in einer Dienststelle abbildet, ist es wesentliche Grundlage für die Entwicklung eines Zielsystems. Das Zielsystem einer Dienststelle ist daher idealtypischerweise aus dem Leitbild abzuleiten.

Oder anders formuliert: Um das Leitbild mit seiner Vision zu realisieren, ist ein Zielsystem erforderlich. Dazu werden zunächst strategische Ziele aus dem Leitbild entwickelt und diese dann in operative, messbare Ziele heruntergebrochen. Dabei sind folgerichtig die gleichen Vorgaben wie schon bei der Erstellung des Leitbildes zu berücksichtigen: der (STAN-)Auftrag – die Schwerpunkte der übergeordneten Fach-/Führungsebene(n) (z.B. Leitbild und Zielssystem, Jahresweisung) – die Vorstellungen des Dienststellenleiters (z.B. Jahresweisung).

Die Erarbeitung eines Zielsystems stellt eine komplexe und anspruchsvolle Aufgabe für den Dienststellenleiter und die Führungsebenen dar. Sie erfordert einen aufwendigen Kommunikationsprozess. Hier haben sich die Gruppenarbeit und die Durchführung von Workshops bewährt. Der Leiter jeder Dienststelle trägt die Verantwortung für die Erstellung seines dienststellenspezifischen Zielsystems. Der Controller dient als kompetenter Ansprechpartner. Er achtet u.a. auf die Einhaltung der Anforderungen an das Zielsystem. Dazu gehören Realisierbarkeit, Widerspruchslosigkeit, Durchsetzbarkeit, Verständlichkeit und Aktualität.

Um sicherzustellen, dass bei der Formulierung der Ziele und richtungweisenden Festlegung des zu erreichenden Sollzustandes seiner Dienststelle auch seine Vorstellungen und Vorgaben berücksichtigt werden, muss der Dienststellenleiter aktiv an der Realisierung des Zielsystems mitarbeiten. Er sollte z.B. bei Workshops mit der gesamten Dienststellenführung anwesend sein. Um eine möglichst hohe Effektivität bei der Arbeit zu erreichen, sollte der darin einbezogene Personenkreis aber auch nicht zu groß gewählt sein. 1), 3), 6), 7), 11)

An der Sanitätsakademie wurde mit der Erarbeitung des Zielsystems im August 2008, unmittelbar nach Abschluss des Wettbewerbs zur Findung eines Slogans begonnen. Hierzu hat Controlling zunächst stichwortartig strategische und operative Ziele aus dem Leitbild der SanAkBw abgeleitet und mit den Vorstellungen des Akademiekommandeurs abgestimmt.

Zur Veranschaulichung: (Abb. 6).

Dieses Konstrukt diente dem „erweiterten Führungskreis“ als Basis für weitere Workshops im Herbst 2008 (z.T. mehrtägig und außerhalb des Standortes) zur Entwicklung der strategischen und operativen Ziele. Als Ergebnis wurden vier strategische Ziele formuliert und diesen stichwortartig unterschiedlich viele operative Ziele zugeordnet. Für deren weitere, sich nun anschließende Bearbeitung, sprich Operationalisierung, wurden für diese mit Hilfe der Methode des Brainstormings jeweils Schlagwörter erarbeitet und die jeweilige Federführung festgelegt. Die Arbeitsergebnisse wurden durch Controlling mit dem Akademiekommandeur jeweils nach den Workshops nochmals eingehend besprochen und entsprechend den Vorstellungen des Kommandeurs fortgeschrieben.

Zur Veranschaulichung: (Abb. 7).

Entwicklung eines Kennzahlensystems und Berichtswesens

Es ist notwendig, die erarbeiteten Ziele zu operationalisieren. Die Operationalisierung von Zielen bedeutet zunächst das Herunterbrechen von (Bereichs-) Zielen in Teilziele (an der SanAkBw: strategische in operative Ziele). Vor allem aber müssen die Ziele präzisiert, definiert (Zielinhalt, -ausmaß, -termin) und messbar gemacht werden (inkl. der Festlegung von Schwellenwerten). Darüber hinaus müssen Verantwortlichkeiten zugeordnet und zielführende Maßnahmen bestimmt werden. Den Zielen werden hierzu Kennzahlen (Definition: „Zahlen, die messbare relevante Daten und Fakten zusammenfassen und in einen größeren Zusammenhang stellen“) zugeordnet. Um den Zielerreichungsgrad zu messen (SOLL/IST-Vergleich), bilden diese den aktuellen Zustand ab. So können Abweichungen erkannt und Prozesse zu deren Behebung initiiert werden. Dabei ist das Kennzahlensystem – die Summe aller Kennzahlen im Zielsystem einer Dienststelle – kein starres, sondern vielmehr ein „lebendes“ Konstrukt. Die Kennzahlen sollen regelmäßig auf ihre Eignung hin überprüft und ggfs. angepasst, ersetzt oder ganz gestrichen werden. Auch neue Kennzahlen können jederzeit aufgenommen werden. Die Dokumentation der Kennzahlen geschieht in Form von Kennzahlensteckbriefen.

An der SanAkBw wurden in Verantwortung der jeweiligen Federführenden im Zeitraum November 2008 bis März 2009 die erarbeiteten operativen Ziele unter Nutzung des von Controlling hierzu bereitgestellten Kennzahlensteckbriefes operationalisiert (Abb. 8).

In den meisten Fällen geschah dies in Form von Arbeitsbesprechungen bzw. Arbeitsgruppen. Alle erarbeiteten Kennzahlen mit den entsprechenden Steckbriefen wurden anschließend im „erweiterten Führungskreis“ im

Rahmen eines zweitägigen Workshops diskutiert. Falls nötig wurden sie umformuliert, gekürzt oder ergänzt. Manche wurden verworfen und andere dagegen neu erarbeitet. Diese Arbeitsbesprechung fand Ende März 2009, wiederum außerhalb der Kaserne und gelenkt durch den bereits bewährten externen Moderator, statt. In Nachbereitung dieses zweitägigen Arbeitstreffens wurde das Ziel- und Kennzahlensystem, wieder unter Berücksichtigung weiterer Vorgaben durch den Kommandeur, nochmals weiterentwickelt. Dabei wurde auch fachliche Beratung (Bewertung der Konsistenz) durch das Institut für Controlling der Fakultät für Wirtschafts- und Organisationswissenschaften der Universität der Bundeswehr München eingeholt. Mit der abschließenden Besprechung Ende Juli bzw. - nach Wechsel von Lehrgruppenkommandeuren - am 01.10.2009 wurden die Entwicklungsarbeiten am Ziel- und Kennzahlensystem (4 strategische und 15 operative Ziele, 44 Kennzahlen) vorerst abgeschlossen. Im Schwerpunkt ist das Ziel- und Kennzahlensystem der SanAkBw auf ein Ausbildungscontrolling ausgerichtet. Gemäß dem Leitbild sollen die Effektivität, Bedarfsorientierung und vor allem die Qualität der Ausbildung gesteigert und die Auslastung der SanAkBw verbessert werden (Abb. 9).

Nach Einrichtung und Erprobung der Kennzahlen im IV. Quartal 2009 befindet sich das Ziel- und Kennzahlensystem der SanAkBw seit 01.01.2010 im Wirkbetrieb. Dabei geben die Federführenden die gemessenen Daten ihrer jeweiligen Kennzahlen elektronisch in sog. Eingabetools ein, die mit dem Berichtswesen des Kommandeurs verknüpft sind. Durch dieses Berichtswesen wird mit der ständig abrufbaren Visualisierung der IST-Situation das Ziel des Kennzahlensystems erreicht. Es schafft Transparenz hinsichtlich der Erreichungsgrade der zu erfüllenden Ziele und liefert der Akademieführung wichtige entscheidungs- und steuerungsrelevante Informationen (Abb. 10 und 11).

Wesentliche Erkenntnisse bei der Erstellung und Anwendung eines Ziel- und Kennzahlensystems an der Sanitätsakademie der Bundeswehr

Die eigenen gemachten Erfahrungen bei der Erarbeitung des Ziel- und Kennzahlensystems für die SanAkBw (vom Leitbild bis hin zu den Kennzahlen) und bei dessen Anwendung (Wirkbetrieb mit Berichtswesen), verbunden mit den Erkenntnissen als Planungsstabsoffizier (Controller) beim Streitkräfteamt (2004 – 2006) sowie aus dem Austausch mit Controllern anderer Dienststellen sind Grundlage für folgende Thesen:

a. Das Ziel- und Kennzahlensystem steht und fällt mit dem Dienststellenleiter

Der Dienststellenleiter trägt die Gesamtverantwortung für die Aufgabenerfüllung seiner Dienststelle. Er gibt für seinen Verantwortungsbereich die Marschrichtung vor. So entscheidet er auch, in welcher Form und mit welchen Inhalten er zur Unterstützung seines Führungsprozesses ein Ziel- und Kennzahlensystem nutzen will (vgl. oben „Ableitung eines Zielsystems“). Er verleiht dem Leitbild und dem daraus abzuleitenden Ziel- und Kennzahlensystem seine entscheidende Prägung. Damit gehen letztlich Zielvereinbarungen mit den ihm unterstellten Führern einher. Folgerichtig sollte der Dienststellenleiter z.B. bei Workshops zur Erarbeitung des Leitbildes, von Zielen oder Kennzahlen anwesend sein. Kann er bei solchen Veranstaltungen nicht zugegen sein, bedeutet dies meist nicht unerhebliche Mehrarbeit. Die Arbeitsergebnisse müssen extra vorgetragen und in aller Regel entsprechend seinen Vorstellungen nochmals überarbeitet werden.

Der erstmaligen Einführung eines Ziel- und Kennzahlensystems wird wie allen Neuerungen bzw. Veränderungen naturgemäß zunächst mit Skepsis wenn nicht Ablehnung begegnet. Durch seine persönliche Anwesenheit, sein Mitwirken und seine direkten Vorgaben unterstreicht der Dienststellenleiter zudem die Bedeutung, die er ganz persönlich dem Zielsystem beimisst. So beeinflusst der Dienststellenleiter auch sehr wesentlich die Akzeptanz der Einführung und Anwendung eines Ziel- und Kennzahlensystems durch seine Mitarbeiter. Auf diese Weise unterstützt er schließlich auch Controlling in seiner Arbeit.

b. Ziele bzw. Kennzahlen müssen mit Verantwortung verknüpft sein

Die Einhaltung dieses Grundsatzes gestaltet sich dort relativ einfach, wo formulierte Ziele und deren Kennzahlen beispielsweise auf Vorgaben wie dem STAN-Auftrag oder der Jahresweisung des Dienststellenleiters beruhen. Werden aus dem Leitbild über bestehende Vorgaben hinaus Ziele abgeleitet, ist mit deren Umsetzung jedoch i.d.R. noch niemand beauftragt. Insbesondere bei der Operationalisierung solcher (SanAkBw: operativen) Ziele und der damit einhergehenden Entwicklung von geeigneten Kennzahlen sollten daher frühzeitig bzw. vorrangig die entsprechenden Verantwortlichkeiten festgelegt werden.

Hinsichtlich der Akzeptanz des Ziel- und Kennzahlensystems sollte dabei beachtet werden, dass die Erfüllung dieser neuen Ziele regelmäßig mit zusätzlicher Arbeit für die jeweiligen Verantwortlichen verbunden sein wird.

c. Der Wirkbetrieb des Ziel- und Kennzahlensystems muss verwertbare Ergebnisse liefern, sollte dabei aber möglichst unauffällig im Hintergrund laufen.

Der zu leistende Aufwand für den Aufbau und die Anwendung eines Zielsystems ist nur dann gerechtfertigt, wenn im Wirkbetrieb der Dienststellenleitung die für den Führungsprozess erwarteten entscheidungs- und steuerungsrelevanten Informationen bereitgestellt werden können. Kann darüber hinaus der Wirkbetrieb so organisiert werden, dass hierfür durch alle Betroffenen möglichst wenig zusätzliche Arbeit zu erbringen ist, wird sich dies insgesamt positiv auf dessen Akzeptanz in der Dienststelle auswirken.

d. Auf Transparenz müssen Maßnahmen folgen

Ein wesentlicher Vorteil des Ziel- und Kennzahlensystems im Wirkbetrieb liegt in der Schaffung von Transparenz. Im Berichtswesen präsentiert Controlling quasi aus einer Hand automatisch und regelmäßig der Dienststellenleitung alle für den Führungsprozess wichtigen Informationen zum Sachstand der Zielerfüllung (Zielerreichungsgrad). Erkenntnis ist aber erst der erste Schritt auf dem Weg zur Besserung. Festgestellte Abweichungen zum SOLL-Zustand dürfen nicht nur angesprochen bleiben, sondern die definierten Maßnahmen zur Verbesserung der Situation müssen durch die jeweiligen Verantwortlichen dann auch ergriffen und umgesetzt werden.

e. Kosten sind für die Dienststelle i.d.R. eine wenig steuerungsrelevante Größe

Das vorgegebene Ziel der Kosten- und Leistungsrechung (KLR) an der SanAkBw ist im Wesentlichen die Ermittlung der Kosten für die einzelnen an der SanAkBw durchgeführten Lehrgänge (Kostenträger). Dabei hat der Kommandeur SanAkBw aber nur sehr wenig Einfluss auf die extern festgelegte Lehrgangsstruktur (Art und Anzahl der Lehrgänge) und die vorgegebenen Lehrstoffpläne (inkl. Unterrichtende). Auch die Höhe und Zusammensetzung der Kostenarten (Personal-, Material-, Verwaltungs- und kalkulatorische Kosten) stellen für den Dienststellenleiter kaum bis nicht veränderbare Größen dar. Von daher sind die an der SanAkBw entstehenden Kosten für den Dienststellenleiter kaum von entscheidungs- und steuerungsrelevanter Bedeutung.

Lediglich die Kosten je Lehrgangsteilnehmer können durch eine optimierte Auslastung der lehrgangsgebundenen Ausbildung an der SanAkBw so gering als möglich gehalten werden.

Insgesamt betrachtet sind die Kennzahlen im Zielsystem der SanAkBw in ihrer Ausrichtung auf ein Ausbildungscontrolling (siehe oben) daher folgerichtig nahezu ausschließlich qualitativer Natur (sog. „weiche“ Kennzahlen).

f. Die Schwierigkeit bei der Definition der Grenzwerte bei der Zielerreichung

Dem Dienststellenleiter sollen die Kennzahlen mit ihrer „Ampelfunktion“ signalisieren, ob Handlungs- und Entscheidungsbedarf besteht. Mit der Definition der Grenzwerte („rot-gelb-grün“) muss der Dienststellenleiter zusammen mit den jeweiligen Verantwortlichen daher festlegen, wann die definierten Ziele nicht erreicht sind und deswegen akuter Handlungsbedarf besteht, teilweise erreicht sind und infolge dessen Handlungsbedarf absehbar ist, bzw. erreicht sind und somit kein Handlungsbedarf vorliegt. 3), 8)

Insbesondere dann, wenn bei den zu treffenden Maßnahmen zur Erfüllung eines Ziels Abhängigkeit von externen Dienststellen bzw. äußeren Umständen besteht, kann hier folgende Problematik entstehen. Entweder wird ein „idealistischer“ Ansatz verfolgt und beispielsweise bei einer Kennzahl „Dienstpostengerechte Ausbildung“ nur fertig ausgebildetes bzw. voll lizensiertes (100%) Personal akzeptiert. Bei entsprechend streng festgelegen Grenzwerten muss unter gegebenen ungünstigen Rahmenbedingungen (hohe Fluktuation, Zuversetzung von nicht ausgebildetem Personal, unzureichende Ausbildungsmöglichkeiten etc.) sehr wahrscheinlich von dauerhafter Nichterreichung („rot“) des Ziels ausgegangen werden.

Oder die in absehbarer Zukunft vorhersehbare Realität unerwünschter, aber nicht veränderbarer Umstände wird berücksichtigt und die Grenzwerte entsprechend niedriger definiert (z.B. „grün“ wird bereits angezeigt, wenn der Anteil des dienstpostengerecht ausgebildeten bzw. lizensierten Personals 75% beträgt). Dann können, allerdings unter Inkaufnahme eines Qualitätsverzichts, für die Dienststelle relevante Veränderungen erfasst und auch dargestellt werden.

g. Das Einfache hat Erfolg

Um den Erfolg bei der Erarbeitung, Einführung und Anwendung des Ziel- und Kennzahlensystems mit Berichtswesen für den Kommandeur bei geringst möglichem Aufwand und größtmöglicher Akzeptanz durch alle Beteiligten in der Dienststelle sicherzustellen, wurde dieses zunächst möglichst einfach gehalten. Hierzu gehören der bewusste Verzicht auf mehr als eine operative Ziel- und Kennzahlenebene sowie auf eine Gewichtung der Ziele und Kennzahlen untereinander. Bei Messung des Zielerreichungsgrades durch mehrere Kennzahlen setzt sich „einfach“ die jeweils schlechteste „Ampelfarbe“ durch. Auch technisch gesehen ist das o.g. auf Eingabetools basierende Berichtswesen für den Kommandeur relativ einfach gehalten. Die darin abgebildeten Informationen sind relativ übersichtlich, verständlich und rasch nachvollziehbar. Es ist „nur“ EXCEL gestützt, ACCESS wird absichtlich nicht genutzt.

h. Der Einsatz eines externen Moderators hat sich bewährt

Frei nach der Redensart „Der Prophet im eigenen Land ist nichts wert“ hat es sich bewährt, bei Workshops einen kompetenten externen Moderator einzusetzen. Dieser ist in bestehende hierarchische Strukturen der Dienststelle nicht eingebunden und grundsätzlich frei vom Verdacht, voreingenommen zu sein oder gar eigene Interessen zu verfolgen. Dadurch ist er i.d.R. besser als jeder interne Moderator in der Lage, eine Arbeitsbesprechung möglichst geordnet und zügig zu einem guten Ergebnis zu führen und dabei auch kritische Punkte einer Entscheidung zuzuführen.

Fazit

Bei Erfüllung folgender Voraussetzungen,

  • der Dienststellenleiter will ein Ziel- und Kennzahlensystem zur Unterstützung seines Führungsprozesses tatsächlich nutzen und einführen und artikuliert dabei seine Vorstellungen,
  • es werden grundlegende und durch die Dienststelle realisierbare Ziele abgebildet und mit für die Dienststellenleitung entscheidungs- und steuerungsrelevanten Kennzahlen verfolgt,
  • die hierfür durch Controlling zusammengestellten und präsentierten Informationen und die dabei genutzten Organisationsmittel (inkl. Berichtswesen) sind übersichtlich, rasch nachvollziehbar, klar und verständlich,
  • aufgezeigten Defiziten im Zielerreichungsgrad wird durch jeweils zuständig Verantwortliche mit identifizierten geeigneten Maßnahmen begegnet,
  • der erkennbare Nutzen für den Führungsprozess rechtfertigt den für den Aufbau und Wirkbetrieb möglichst gering zu haltenden Aufwand,

wird das Ziel- und Kennzahlensystem (inkl. Berichtswesen) erfolgreich sein. Es wird so durch die Dienststellenleitung und alle Betroffenen als geeignetes Instrumentarium zur Unterstützung des Führungsprozesses akzeptiert und dauerhaft genutzt werden.

Literatur beim Verfasser

Datum: 12.04.2011

Quelle: Wehrmedizin und Wehrpharmazie 2011/1

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