EINSATZORIENTIERTE ERGÄNZUNGSAUSBILDUNG

FÜR RETTUNGSMEDIZINER AM BWKRHS HAMBURG

Zu den ureigensten Aufgaben des modernen Sanitätsdienstes der Bundeswehr gehört die notfallmedizinische Versorgung verletzter oder verwundeter Soldaten.

Die notwendige Anzahl ausgebildeter Ärzte zur durchhaltefähigen Sicherung dieser Aufgabe ist sehr hoch und ihre fachgerechte Ausbildung ist eine der großen Herausforderungen des Sanitätsdienstes. Obwohl bereits seit 2003 eine wiederholt aktualisierte Weisung des Inspekteurs des Sanitätsdienstes zur Ausbildung und zum Training der Ärzte besteht, in der das Ausbildungsziel nach zivilen Mindestkriterien zur Teilnahme am Notarztdienst festgeschrieben wurde (1), breitete sich parallel bei den betroffenen Sanitätsoffizieren das Gefühl aus, dennoch nicht adäquat für diese Aufgabe ausgebildet zu sein. Dies kulminierte im Jahr 2008 in der Berichterstattung in den Medien (2).

Aus diesem Grund beschäftigten sich Sanitätsoffiziere der Abteilung X des BwKrhs Hamburg zunehmend mit der Frage, wie die Ausbildung für die Sanitätsoffiziere in der Tätigkeit als Beweglicher Arzttrupp (BAT) verbessert werden konnte. Es ist offenkundig, dass in idealer Weise die Besetzung der beweglichen Arzttrupps mit Experten für notfallmedizinische Behandlung unter militärspezifischen Rahmenbedingungen erfolgen sollte. Die daraus resultierenden Folgerung, nur langjährig erfahrene BAT-Besatzungen einzusetzen ist jedoch illusorisch, da die Tätigkeit als „BAT-Arzt“ nie Berufsziel für junge Sanitätsoffiziere sein kann. Also ergibt sich die Notwendigkeit, diese Tätigkeit durch Ärzte durchführen zu lassen, die keinen Expertenstatus haben. Außerdem stellt sich die Frage, welche Erfahrungsstufe erforderlich ist.

Erfahrungsstufen bei fachlichen Fertigkeiten Mehrfach wird in der Literatur über Ausbildung auf die Entwicklung vom Anfänger zum Experten sowie die dazugehörenden Entwicklungsschritte referiert. Dabei handelt es sich sowohl um grundsätzliche Aspekte der Ausbildung (3,4) als auch speziell medizinische Faktoren (5,6). Es zeichnen sich fünf Stufen der Ausbildung ab (Abb. 1):

Der Neuling bemüht sich, theoretisch erlernte objektive Fakten und wichtige Merkmale zu erkennen, die für eine von ihm erwartete Aktion erforderlich sind. Die Identifikation und Durchführung notwendiger Handlungsabläufe bleibt noch komplett unabhängig von der Gesamtsituation, in der diese Aktionen stattfinden. Er analysiert aus der Aufgabenstellung, welche der erlernten Regeln zur Problemlösung anzuwenden ist. Dabei sind überwiegend augenscheinliche Faktoren als Trigger für die Problemlösung entscheidend.

Der fortgeschrittene Anfänger beherrscht bereits die selbständige Ausführung einer erwarteten Aktion, weil vergleichbare Situationen bereits mehrfach durchgespielt wurden. Dabei beginnt er zu registrieren, dass häufig wiederkehrende Aspekte für bestimmte Situationen als typisch und allgemeingültig anzusehen sind, wenn auch die Wahrnehmung Einzelfaktoren und Situationsmerkmalen noch im Vordergrund steht.

Die kompetente Person hat bereits viele vergleichbare Situationen durchgearbeitet und erkennt sie als allgemeintypische Muster wieder. Zu diesen Mustern besitzt sie bereits Handlungsalternativen und kann die Regeln souverän anwenden. Noch gelingt es ihr allerdings nicht, innerhalb einer gegebenen Situation intuitiv zu identifizieren, welcher entscheidende Faktor diese spezielle Situation von vergleichbaren Situationen unterscheidet. Standardsituationen beherrscht sie mit annähernd gleichem Wirkungsgrad wie der Erfahrene oder der Experte.

Der Erfahrene bewertet Situationen spontan ganzheitlich. Folgte er bis zu dieser Erfahrungsstufe analytischen Grundsätzen und befolgte er Regeln bei der Betrachtung verschiedener Entscheidungsmöglichkeiten, so zeichnet sich diese Stufe durch eine zunehmend eher intuitive Entscheidung für die beste Lösung aus. Typischerweise dient die analytische Reflexion über die verschiedenen Handlungsalternativen nicht mehr der Identifikation der besten Aktion, sondern lediglich der Sicherung vor Fehlentscheidungen auf Grund übersehener Fakten oder der Suche nach impliziten Hinweisen auf Fehlentwicklungen. Innerhalb allgemeintypischer Muster beginnt er die entscheidenden Abweichungen zu erkennen. Er sieht und überprüft seine Handlung aus dem Blickwinkel des zu erreichenden Ziels seiner Aktion. Bei all diesen Vorgängen bleibt seine Aufmerksamkeit auf die eigentliche Aufgabe konzentriert.

Der Experte hat genügend praktische Erfahrung, um spontan zu wissen was zu tun ist. Aktionen basieren nicht mehr primär auf einzelnen Regeln und Empfehlungen sondern auf einer intuitiven Erkenntnis der Situation mitsamt den Rahmenbedingungen. Er erkennt sofort die akut wichtigen Anteile des Problems, reagiert gezielt auf Besonderheiten und Abweichungen im allgemeintypischen Muster, und muss nicht aktiv über Alternativen nachdenken. Häufig sind seine Aktionen dieselben wie bei dem Erfahrenen, sind aber unter Stress und Zeitdruck deutlich sicherer, weil er einer analytischen Reflexion zum Fehlerausschluss nicht mehr bedarf. Seine Aufmerksamkeit ist nicht mehr vorrangig für die Durchführung seiner Aktionen notwendig; er kann sich ohne Leistungsverlust auf die nächsten Schritte oder die Verarbeitung der externen Information aus der Umgebung konzentrieren. Insgesamt besitzt er ein mentales Konzept höherer Ordnung. Auf Grund dieses Konzeptes, das über reine Handlungsregeln und Empfehlungen hinausreicht, setzt er sich immer mal wieder in begründeter Weise absichtlich über die üblichen Handlungsabläufe hinweg.

Zieht man den Vergleich zu zivilen Ausbildungsgängen, so stellt man fest, dass beim Ablegen der Prüfung zum Erwerb der Zusatzbezeichnung „Notfallmedizin“ vor den Ärztekammern die Prüfungskandidaten die Erfahrungsstufe „kompetente Person“ erreicht haben. Nach erfolgreicher Prüfung dürfen sie selbstverantwortlich der Tätigkeit eines Notarztes nachgehen und werden sich im Laufe der Zeit die Erfahrungsstufen als„Erfahrener“ und „Experte“ aneignen. Dass der Erfahrungsstatus durchaus von der einzelnen inhaltlichen Anforderung abhängig sein kann, wird sofort klar, wenn man sich einen Notarzt vergegenwärtigt, der sich bei der Versorgung vieler hunderter polytraumatisierter Patienten über viele Jahre den Status eines Experten erarbeitet hat, jedoch bei der seltenen Behandlung eines z.B. chemisch kontaminierten Patienten sicherlich auf der Erfahrungsstufe „fortgeschrittener Anfänger“ arbeitet und nur bei wiederholtem Übungstraining auf die Erfahrungsstufe „ kompetente Person“ erreichen wird. Muss er einen chemisch kontaminierten polytraumatisierten Patienten versorgen, kann er seine mentale Aufmerksamkeit allerdings ohne Leistungseinbuße überwiegend auf die Besonderheiten der Behandlung chemisch kontaminierter Patienten richten, weil die für die Versorgung polytraumatisierter Patienten erforderlichen Handlungsmuster intuitiv ablaufen.

Es wäre wie bereits erwähnt wünschenswert, nur Experten im BAT-Einsatz zu haben. Dies ist aber wegen einer langen Erfahrungszeit bis zum Expertenstatus nicht möglich. Allerdings sollte durch eine an die besonderen Belange angepasste und gezielte Ausbildung der Erwerb einer höheren Erfahrung schneller erreicht werden können als lediglich durch langjährige allgemeine Tätigkeit in der Notfallmedizin. Aus der Literatur abgeleitet scheinen folgende Schritte für einen raschen und strukturierten Erfahrungserwerb wichtig zu sein:

  1.  Klare Regeln und Empfehlungen
  2. Vermittlung von Situationsmustern (Pattern)
  3. Häufige Wiederholung dieser Situationsmuster zum Erwerb ganzheitlicher Situationserfassung und Erkennen atypischer Anteile im Situationsmuster

Daraus lässt sich ableiten, dass nach Erreichen der Erfahrungsstufe „Kompetente Person“ die betroffenen Sanitätsoffiziere durch Vermittlung maßgeschneiderter Ausbildungsinhalte gezielter auf den BAT-Dienst vorbereitet werden können.

Ausbildungsinhalte

Bei den zu erwartenden Verletzungs- und Krankheitsbildern ergeben sich Überschneidungen zwischen ziviler Notfallmedizin und der Rettungsmedizin im BAT-Dienst, allerdings mit durchaus anderen Gewichtungen (Abb. 2).Wir finden z.B. häufiger besondere Verletzungsmuster und Krankheitsbilder wie Schuss- oder Explosionsverletzungen: Diese ergeben sich aus den Waffenwirkungen, deren Auswirkungen im zivilen Umfeld nur in vernachlässigbar geringer Anzahl zu behandeln sind. Fast gänzlich fehlen im zivilen Umfeld Erfahrungen mit Verletzungen und Erkrankungen durch atomare, biologische und chemische Ursachen. Hier müssen militärmedizinische Ausbildungsinhalte ergänzt oder intensiver behandelt werden. Außerdem gilt es, besondere Rahmenbedingungen zu berücksichtigen: Während in der zivilen Umwelt die Transportwege sehr kurz sind, sind in den Auslandseinsätzen die Versorgungs- und Transportwege häufig erheblich länger. Außerdem ist im militärischen Umfeld das Zahlenverhältnis von Helfern zu Patienten meist ungünstiger. Externe Verstärkung durch zusätzliches Personal wird seltener und dann nur mit erheblicher Zeitverzögerung verfügbar sein. Beide Rahmenbedingungen erfordern ein anderes Management und müssen in einer einsatzorientierten Ergänzungsausbildung thematisiert werden.

Wie die Entwicklung der vergangenen Monate gezeigt hat, hat die Entwicklung der militärische Bedrohungslage einen ganz großen Einfluss auf das zu erwartende notfallmedizinische Geschehen. Während in der zivilen Notfallmedizin die Gefahr für das notfallmedizinische Personal weniger gravierend und überwiegend beherrschbar sind, muss militärisches Personal darauf vorbereitet sein, seine Aufgaben unter einer anhaltenden Gefahr für Leib und Leben durchzuführen. Darüber hinaus können militärische Rahmenbedingungen die Aufgabenerfüllung in einer aus dem Zivilen gewohnten Art und Weise unmöglich machen. Beide Aspekte müssen sich wiederum ganz einschneidend auf das Management durch das Sanitätspersonal auswirken, die eben nicht nur als Notfallmediziner, sondern auch als Soldat handeln müssen.

Die persönliche Situation der Auszubildenden

Nicht vernachlässigt werden darf die persönliche Situation der für diese Tätigkeit auszubildenden Sanitätsoffiziere. Grundsätzlich wird die Art und Weise wie eine Ausbildung gestaltet werden soll, durch die Zielgruppe ganz wesentlich bestimmt, um das Ausbildungsziel durch Eingehen auf die Auszubildenden zu erreichen. Dies betrifft z.B. die bisherige Berufserfahrung der Sanitätsoffiziere und ihren Status als „lernende Erwachsene“. Die betroffenen jungen Sanitätsoffiziere können als fortgeschrittene Berufsanfänger gelten. Sie konnten in der Regel erste Erfahrungen während einer 24-monatigen Tätigkeit in einem Fachgebiet ihrer Wahl sowie in einer Abteilung für Anästhesiologie erwerben. In dieser Zeit lernten sie den allgemeinen Umgang mit Patienten kennen, jeweils aus dem Blickwinkel und mit dem Schwerpunkt ihres jeweiligen Fachgebietes. Die verpflichtende Weiterbildung zum Notfallmediziner hingegen (1) wird nicht selten als fachfremd und für manche Sanitätsoffiziere gar als bedrohlich empfunden. Dieses persönliche Empfinden ist durchaus nachvollziehbar, wenn man die Tatsache einer Mindestausbildung zum Notfallmediziner der hohen Verantwortung, die auf den BAT-Ärzte im Einsatzland lastet, gegenüberstellt.

Bei den betroffenen Sanitätsoffizieren handelt es sich um junge Erwachsene, die bereits Lebenserfahrung erworben haben. Aus dem Gebiet der Andragogie, die sich in Abgrenzung zur Pädagogik speziell mit der Erwachsenenbildung auseinandersetzt, ist bekannt, dass die Lernsituation Erwachsener durch typische Kriterien gekennzeichnet ist (7,8):

  1. Die Auszubildenden haben in ihrem bisherigen Leben bereits fachliche und nichtfachliche Erfahrungen gesammelt und verfügen über ein Weltbild mit Werten, Überzeugungen und Meinungen. Die Ausbildung muss dies berücksichtigen und auf die vorhandenen Erfahrungen auf- und den Lernstoff darin einbauen.
  2. Der Auszubildende will genau wissen, wozu er etwas lernen soll, der Lernstoff muss einen unmittelbaren Nutzen für ihn haben.
  3. Dem Auszubildenden muss ein gewisses Maß der Teilnahme an der Gestaltung der Ausbildung ermöglicht werden.
  4.  Der Ausbilder darf nicht als Vermittler von Kenntnissen und Fähigkeiten, sondern muss als Begleiter des Auszubildenden beim Eigenerwerb von Kenntnissen und Fähigkeiten auftreten. Damit wird das Bedürfnis eines Erwachsenen nach Selbstbestimmung berücksichtigt.
  5.  Die Vermittlung von Lernstoff darf nicht inhaltsorientiert, sondern muss aufgabenund prozessorientiert sein. Typische Methoden sind hier problemorientierte Falldarstellungen und Simulationstraining.
  6.  Bei den Auszubildenden findet ein Prozess der Metakognition statt. Dies heißt, dass sie sich Gedanken über die Ausbildungssituation als solche machen und auch darüber, wie ihr eigenes Einbringen in die Ausbildung diese Situation beeinflusst.

Die Berücksichtigung dieser Gedanken kann durchaus zu einer kontinuierlichen Verbesserung der Ausbildung führen. Die Berücksichtigung der persönlichen Situation der Auszubildenden und der Kriterien in der Erwachsenenbildung ermöglicht eine angepasste Gestaltung der Ausbildung, die den Grad der Zufriedenheit bei den Auszubildenden steigern kann. Dabei muss man sich klarmachen, dass die Auszubildenden junge Erwachsene sind, die als selbstbestimmte Menschen grundsätzlich Ausbildung in ihre Berufs- und Lebenserfahrung einbauen möchten. Daher gilt es, die Ausbildung zum BATArzt, auch wenn der Einzelne von der Ausbildungsverpflichtung nicht unbedingt begeistert ist, so zu gestalten, dass der direkte Praxisbezug im Vordergrund steht.

Entwicklung des „Einsatzorientierten fachlichen Ergänzungslehrgangs für Rettungsmediziner“

Nach Bewertung der Ausgangssituation der für den BAT-Dienst vorgesehenen Sanitätsoffiziere und aller diskutierten Faktoren wurde am BwKrhs Hamburg ein spezieller Lehrgang entworfen zur fachlichen Ergänzungsausbildung von Sanitätsoffizieren, die nach Abschluss ihrer notfallmedizinischen Ausbildung vor einem Einsatz als BAT-Arzt in Afghanistan stehen. Die Durchführung dieses Lehrgangs mit dem Ziel der intensiven Vorbereitung von Sanitätsoffizieren auf die spezifischen medizinischen Anforderungen zeitnah vor einem Einsatz wurde von FüSan als Pilotprojekt im Januar 2009 angewiesen (9).

Lehrgangsablauf

Als Motto für die Ausbildung wurde festgelegt, dass sich die Lehrgangsteilnehmer mit „beiden Händen aus unserer reichhaltigen Erfahrungsund Trickkiste bedienen“ sollen, um den größtmöglichen Nutzen aus dem Lehrgang zu ziehen. Der dreiwöchige Lehrgang ist für vier Lehrgangsteilnehmer ausgelegt- begründet in der Kapazität von vier zeitgleichen Praktikantenplätzen in Notarztwagen, Notarzteinsatzfahrzeug und Rettungshubschrauber des Rettungsdienstes der Abteilung - , wobei für die erste Woche mindestens exklusiv mindestens zwei Ausbilder aus der Abteilung X abgestellt werden. Diese erste Woche dient der gezielten Auffrischung von Kenntnissen und Fähigkeiten, der Vermittlung einfach gehaltener („keep it simple“) Handlungsalgorithmen, der Diskussion seltener aber einsatzrelevanter Krankheitsund Verletzungsmuster und dem Simulationstraining (Abb.3).

In dieser Phase des Lehrgangs rücken unter anderem die selteneren Verletzungsmuster, Handlungsalternativen und weiterreichenden Therapiemaßnahmen in den Fokus und werden in realitätsnahen Simulationsszenarien geübt. Als didaktisches Prinzip wird angestrebt, die Lehrgangsteilnehmer möglichst viele Maßnahmen praktisch durchführen zu lassen und die Inhalte durch persönliche Gespräche zwischen Lehrgangsteilnehmern und Ausbildern zu entwickeln. Während das Training des Atemwegsmanagements am Patienten im OP geübt werden kann, muss für andere Fertigkeiten und komplexe Handlungsabläufe Simulationstraining (Abb. 4) herangezogen werden. Im Rahmen der Verfügbarkeit wird außerdem in Kooperation mit dem Rechtsmedizinischen Institut des Universitätsklinikums Eppendorf die Anlage von intraossären Zugängen, Thoraxdrainagen und Koniotomie an Leichenpräparaten durchgeführt (Abb. 5).Ein weiterer Schwerpunkt dieser Woche liegt in den Gesprächskreisen mit einsatzerfahrenen Kollegen, in denen mit den Lehrgangsteilnehmern gezielt mögliche Situationen im Auslandseinsatz durchgesprochen und Handlungsoptionen diskutiert werden.

In den zwei folgenden Wochen arbeiten die Sanitätsoffiziere auf den arztbesetzten Rettungsmitteln der Abteilung X als Notarzt direkt am Patienten unter der direkten Anleitung erfahrener Notärzte, die nur bei Problemfällen eingreifen sollen. Auch wenn im zivilen Umfeld sehr häufige Erkrankungen z.B. aus dem internistischen und geriatrischen Patientengut weniger eine Vorbereitung auf die zu erwartenden Verletzungsmuster im Auslandseinsatz darstellen, erlauben sie doch durch häufige Wiederholung die Festigung standardisierter Verhaltensmuster in der notärztlichen Tätigkeit und bieten sehr gute Möglichkeiten zum allgemeinen Erfahrungsaustausch organisatorischer Handlungsabläufe vor dem Hintergrund des zu erwartenden Einsatzes. Im Verlauf der zweiwöchigen Tätigkeit erwerben sich die Lehrgangsteilnehmer zusätzliche Erfahrung bei etwa 35 - 45 Notarzteinsätzen.

Erfahrungswerte

Der genannte Lehrgang wurde von April 2009 bis Dezember 2010 bereits sieben Mal durchgeführt und evaluiert. Übereinstimmend bewerten ihn die Lehrgangsteilnehmer als erforderlich und sehr gut geeignet, sich fachlich auf den Auslandseinsatz als BAT-Arzt vorzubereiten. Einhellig fühlten sich alle Lehrgangsteilnehmer nach dem Lehrgang deutlich entspannter und fachlich deutlich sicherer im Hinblick auf ihren bevorstehenden Einsatz. Der Schwerpunkt auf praxisnahe und teilweise „angstbesetzte“ Themenbereiche, Vermittlung von praktischen Handlungsmustern bei seltenen Situationen, die Nutzung moderner Simulationstechnik und der transparente Erfahrungsaustausch dienen der erfolgreichen Vermittlung einer höheren fachlichen Kompetenz. Auch nach Rückkehr aus dem Auslandseinsatz befragte ehemalige Lehrgangsteilnehmer bestätigen einstimmig die Richtigkeit des gewählten Konzeptes.

Auf Grund des hohen Bedarfs an Ausbildung wurden teilweise die Anzahl der Lehrgangsteilnehmer besonders in der ersten Woche erhöht. Es zeigte sich jedoch, dass auf Grund des praktischen Schwerpunktes dieser „Skill-Woche“ bei mehr als fünf Teilnehmern der Einzelne nicht mehr unbedingt den gewünschten Lehrgangserfolg erreicht. Darin zeigt sich, dass ein großes Verhältnis von Ausbildern zu Lehrgangsteilnehmern und die zahlreichen praktischen Tätigkeiten wesentliche Erfolgsfaktoren darstellen.

Zusammenfassung und Ausblick

Die Besonderheiten der notärztlichen Tätigkeit im militärischen Auslandseinsatz sowie die persönliche Situation der betroffenen Sanitätsoffiziere erfordern eine zusätzliche Ausbildung, die inhaltlich und didaktisch darauf zugeschnitten ist, durch Vermittlung spezifischer Kenntnisse und praktischer Fertigkeiten zügig eine Steigerung der Erfahrungsebene im speziellen Bereich der Einsatz-Notfallmedizin zu erreichen. Mit der „Einsatzorientierten fachlichen Ergänzungsausbildung für Rettungsmediziner“ am BwKrhs Hamburg scheint man dem akut drängenden Ziel von besser vorbereiteten BAT-Ärzten näher kommen zu können. Das globale Ziel bleibt es aber, die Überlebenswahrscheinlichkeit verwundeter Soldaten weiterhin deutlich zu steigern. Dies wird nicht nur durch Verbesserung der Ausbildung von BAT-Ärzten und deren ganz gezieltem Einsatz nach taktischen Gesichtspunkten gelingen sondern erfordert darüber hinaus sanitätsdienstliche Weiterentwicklungen mit höherer Qualifizierung von nichtärztlichem Sanitätspersonal inklusive einer daran angepassten sanitätsdienstlichen Einsatztaktik sowie der Sicherstellung des zeitkritischen Transports Verwundeter aus der Gefechtszone mit Hubschraubern in die Behandlungseinrichtungen der Ebene 2 (Forward Air- Medevac).

Datum: 21.02.2011

Quelle: Wehrmedizin und Wehrpharmazie 2010/4

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