Präklinische Versorgung Verletzter und Verwundeter im militärischen Umfeld

Seit Kambodscha hat die Zahl der im Auslandseinsatz befindlichen Soldaten stetig zugenommen. Mit ihr hat auch die Zahl der Aufgaben und Anforderungen an den einzelnen Kameraden zugenommen. Die Bundeswehr als Einsatzarmee ist durch diverse politische Vorgaben an verschiedenen Kontingenten mit Eingreifkräften beteiligt (NRF, EUBG, VN), die Teilnahme an Operationen hoher Intensität daher nur noch eine Frage der Zeit.

Der Weg des Sanitätsdienstes im Einsatz ist damit vorgezeichnet. Die Zielstruktur ist bereits auf die wachsenden Anforderungen ausgerichtet, wie dies speziell im Fall des KSES deutlich wird.

Wie bereits durch die wechselnde Sicherheitslage in Afghanistan und die kaum verminderten Forderungen der Bündnispartner nach einem deutschen Einsatz im Süden Afghanistans deutlich wird, muss sich der Sanitätsdienst weiter auf die Versorgung auch größerer Zahlen von Verwundeten vorbereiten.
Dies geschieht bereits auf verschiedenen Ebenen, wie in der Ausgabe 3/2007 der WuW in verschiedenen Artikeln geschildert worden ist [1,2].
Ein Meilenstein war diesbezüglich die vor allem an den Bundeswehrkrankenhäusern begonnene Qualifizierung des ärztlichen Personals nach den Kriterien des Advanced Trauma Life Support (ATLS) und die erfolgte Einrichtung eines ATLS-Zentrums am BwK Ulm. Hierdurch wurde ein System der Traumaversorgung implementiert, welches international anerkannt und vor allem kompatibel ist, so dass eine multinationale Zusammenarbeit vereinfacht wird.
ATLS bietet vor allem auch den in der Traumaversorgung wenig erfahrenen Kollegen die Möglichkeit, sich an einem festen Konzept zu orientieren und so sowohl die Triage, als auch die Versorgung zu erleichtern.
Des Weiteren ist damit ein Rahmen für eine einheitliche Ausbildung und regelmäßige Rezertifizierungen gegeben. Eine objektive Leistungsbewertung im Rahmen der Aus- und Weiterbildung ist so sicher möglich und hilft, bundeseinheitlich und multizentrisch den gleichen Ausbildungsstand zu erreichen bzw. erhalten.
Doch bereits 1994 wurde in der US Armee bemängelt, dass die Szenarien des ATLS nur bedingt auf die militärische Realität während Kampfhandlungen übertragen werden können. Die durchgesprochenen Fallbeispiele und Versorgungsabläufe sind somit nur bedingt adaptierbar. [3].
Neben dem auf die Schockraumversorgung zugeschnittenen Konzept des ATLS existiert noch das Konzept des (Pre Hospital Trauma Life Support) PHTLS, welches ein ähnlich strukturiertes Vorgehen für die präklinische Traumaversorgung vorgibt und zwischenzeitlich auch in z. Tl. speziellen Kapiteln einen direkten Bezug auf die wehrmedizinisch relevanten Bereiche nimmt. Längere Transportund Versorgungszeiten oder das Überwiegen von Explosions- und penetrierenden Verletzungen im Vergleich zum zivilen Umfeld seien hier nur exemplarisch aufgeführt.
Das Konzept des PHTLS zielt dabei vor allem auch auf die Qualifizierung des nicht ärztlichen Sanitätspersonals, hier vor allem die Rettungsassistenten, ab. Dies erscheint auch für die Bundeswehr in gewissem Maße notwendig, um das Niveau der Versorgung auch auf der Ebene des SanTrp oder als redundantes System beim BAT im Rahmen eines MANV oder Ausfall des Arztes hoch zu halten.
Im folgenden sollen die Kernkompetenzen des PHTLS, die Gemeinsamkeiten mit dem Konzept des ATLS und militärische Besonderheiten aufgeführt werden, um für die weitere Entwicklung des Sanitätsdienstes Denkanstösse zu geben. Im kursbegleitenden PHTLS-Lehrbuch [4] ist der eigentlichen Verletztenversorgung ein Kapitel über Unfall- und Verletzungsmechanismen vorangestellt. Dies erklärt anschaulich die Ein- und Auswirkungen externer Gewalt und Bewegungsmomente auf den Organismus. Im Vergleich zum ATLS [5] wird bereits in diesem Kapitel auch detailliert auf die Kinetik von Schuß- und Explosionsverletzungen eingegangen. Der Schwerpunkt liegt hier noch eindeutig auf zivilen Szenarien, die dem militärischen Umfeld zunächst wenig Rechnung tragen. Auf diese speziellen Umstände wird zu einem späteren Zeitpunkt in einem gesonderten Kapitel eingegangen.
Das Kapitel soll dem erstversorgenden Helfer die Möglichkeit bieten, anhand des Unfallmechanismus auf das zu erwartende Verletzungsmuster schließen zu können, um somit auch die Sensibilität des Helfers für weniger offensichtliche Verletzungen zu erhöhen und die Gefahr der Unterschätzung eines Verletzungsmusters zu verringern.
Anschließend erfolgt die Schilderung eines strukturierten Vorgehens zur Einschätzung der Gesamtsituation und der Situation des einzelnen Patienten im Speziellen.
Hier passt sich der PHTLS dem Schema des ATLS mit dem sogenannten „Primary and secondary survey“ an. Vorangestellt wird diesem lediglich das sog. „Scene assessment“, welches dem präklinischen Aspekt Rechnung trägt, bei dem der Ort der Verletzung neben Hinweisen zum Unfallhergang auch auf Gefahrenstellen für die Helfer hin betrachtet wird.
Dies hat speziell im militärischen Einsatz eine wichtige Rolle. Anders als im zivilen Umfeld, wo die Gefahrenstellen in der Regel offensichtlich sind, muss im militärischen Umfeld mit weiteren Gefahren gerechnet werden. Dies können z.B. verdeckte Ladungen (Personenminen, IED, etc.) oder im Rahmen von Einsätzen hoher Intensität auch noch direkte Feindeinwirkung im Rahmen von Kampfhandlungen sein.
Anhand der aktuellen Bedrohungslage orientiert sich letztendlich auch die Art und der Grad der Hilfeleistung. Buttler et al. prägten im Jahr 1996 daher eine Kategorisierung, die diesem speziellen Aspekt der Bedrohung Rechnung trägt. Sie unterscheiden zwischen „Care under fire“, „Tactical field care“ und „Combat Casualty Evacuation Care“ (CASEVAC) [6].
Im Rahmen der ersten Kategorie liegt der Schwerpunkt der Hilfe darin, dass zunächst durch Feuerüberlegenheit und das Suchen geeigneter Deckung versucht wird, ein sicheres Umfeld für die medizinische Hilfe zu leisten. In den vergangenen Kriegen und Konflikten erlag vor allem das spezialisierte Sanitätspersonal durch direkte Feindeinwirkung, während des Versuches anderen Kameraden zu helfen. Gerade im Bereich der spezialisierten Kräfte, die vorwiegend in kleinen Gruppen agieren, ist die Feuerkraft des „Sanitäters“ von entscheidender Bedeutung. Er ist integraler Bestandteil der Kampfgemeinschaft.
Die Phase der taktischen Verwundetenversorgung (Tactical Field Care) wird erreicht, wenn eine direkte Feindeinwirkung vermieden werden kann, z.B. durch das Beziehen einer geeigneten Deckung oder durch vorheriges Abwehren eines Angriffs, etc. Hier kann der Schwerpunkt der Hilfe auf den medizinischen Aspekt gelegt werden, der Umfang ist jedoch durch das mitgeführte Material und verfügbare Personal begrenzt und wird weiterhin durch die Gesamtsituation beeinflusst. Im Rahmen der Phase des behelfsmäßigen Verwundetentransportes (CASEVAC) ist nach Butler et al. [6] präklinisch die intensivste medizinische Betreuung möglich und zudem die Zufuhr weiteren Fachpersonals und Materials möglich, um auf bestimmte Begebenheiten gezielt zu reagieren.
Dies aus dem amerikanischen Raum stammende Konzept kann weitestgehend auf die Situation der Bundeswehr übertragen werden. Differenzen ergeben sich im Bezug auf die Umsetzung der präklinischen Patientenversorgung. Während im Rahmen der spezialisierten Kräfte zunehmend das amerikanische System der „combat Medics“ übernommen wird, ist für den größeren Teil der im Einsatz befindlichen Truppenteile mit dem höher qualifizierten und materiell und personell besser ausgestatteten (luftbeweglichen) Arzttrupp eine weitere Instanz zwischen der taktischen Verwundetenversorgung des Combat Medic bzw. SanTrp und der Evakuierung aus dem Gefahrenbereich gegeben, welche vor allem im Bereich mehrtägiger Patrouillen bzw. Operationen außerhalb des 1-Stunden- Radius um eine Basis Bedeutung erlangt. Prinzipiell besteht zwar die Möglichkeit einer direkten Evakuierung durch den (L)BAT, jedoch ist bei kritisch Kranken und entsprechender Distanz zum nächsten Rettungszentrum das Transporttrauma zu berücksichtigen und auf den TacAirMedEvac – den luftgebundenen, qualifizierten Verwundetentransport - zurückzugreifen. Diese Phase der ärztlichen Versorgung zwischen „Tactical field care“ und „TacAirMedEvac“ kann getrost als die Phase der qualifizierten (präklinischen) Verwundetenversorgung („Qualified Field Care“) bezeichnet werden und zeichnet die zusätzliche Qualität im Bereich der präklinischen Versorgung im Bereich des Sanitätsdienstes der Bundeswehr aus.
Nachfolgend werden nun anhand des aus ATLS uns PHTLS bekannten ABCDE Schemas die Besonderheiten des präklinischen Traumamanagements im militärischen Umfeld weiter ausgeführt.

A – Airway management (Atemwegssicherung und HWS-Immobilisierung)

Die Atemwege werden durch den Helfer in bekannter Art und Weise überprüft, das öffnen des verschlossenen Atemweges erfolgt zur Schonung der HWS durch ein Anheben des Kinns und vorschieben des Unterkiefers in In-Line-Stabilisierung. Bei entsprechender Indikation erfolgt die Einlage oro- und nasopharyngealer Tuben im Vorfeld der endgültigen Atemwegssicherung. Hier ist die endotracheale Intubation als Goldstandard anzusehen. Berücksichtigt werden sollte hierbei, dass die endotracheale Intubation präklinisch prinzipiell komplikationsbehafteter ist, als unter geordneten klinischen Verhältnissen und dass die Erfolgsquote stark von der Erfahrung des Anwenders mit dem Verfahren korreliert ist [7, 16]. Die Tatsache, dass sich im Einsatz das medizinische Personal der (L)BAT vorwiegend aus den regionalen Sanitätseinrichtungen rekrutiert, legt Nahe, dass gerade im Bereich dieses Erfahrungsschatzes große Unterschiede bestehen. Auch die in Notkompetenz handelnden Rettungsassistenten sind hier eher der Gruppe der unerfahrenen Anwender einzugruppieren, da auch sie in der Regel weniger als 40-50 Intubationen im Jahr absolvieren.
Daher ist es zwingend erforderlich, dass weitere Alternativen zur Sicherung des schwierigen Atemweges nach frustraner Intubation zur Verfügung stehen. In den Empfehlungen der ILCOR sind unter anderem der doppellumige ösophagotracheale Kombitubus und der Larynxtubus genannt. [8]
Der Kombitubus ist in den Einsatzgebieten verfügbar, die Anwendung in zahlreichen Studien untersucht. Aus Sicht der Autoren bietet er jedoch für den Einsatz im militärischen Umfeld entscheidende Nachteile. Durch die gerätebedingte Möglichkeit, durch 2 verschiedene Lumen die Beatmung durchzuführen, ist der Nachweis einer pulmonalen Beatmung zwingend durchzuführen. Der auskultatorische Nachweis muss durch den Auskultierenden sicher erbracht werden, um eine gastrale Fehlbeatmung auszuschließen. Dies ist speziell unter Gefechtsbedingungen unter widrigen Lärmbedingungen nicht immer einfach. Rich et al schlagen zusätzlich die Nutzung eines sog. EDD (esophageal detection devices) in Verbindung mit dem kapnographischen Nachweises von CO2- in der Ausatemluft vor.[9] Letztere können derzeit als hygienisch und klein verpackte Einmalartikel (EasyCap®) auf dem freien Markt bezogen werden.

Um dem Problem der Fehlbeatmung ganz vorzubeugen, ist es nach Meinung der Autoren sinnvoll, von dem 1987 entwickelten und in der 41F-Variante sehr starren und traumatischen Kombitubus abzugehen und sich z.B. dem erst 1999 vorgestellten Larynxtubus bzw. der in seiner modifizierten Version mit Absaugkanal 2002 auf den Markt gebrachten „Larynxtubus Suction“ zuzuwenden. Formgebung und Konstruktion machen eine tracheale Platzierung nahezu unmöglich, was eine ösophageale Lage beinahe garantiert. [10]. Die Erfolgsquote bei der Platzierung liegt mit 94% höher als die Quote der Larynxmaske (88%) bei insgesamt signifikant höherem Anteil einer erfolgreichen Platzierung des Larynxtubus im 1. Veruch (90% vs. 68%). [11] Die gleiche Untersuchung zeigte zudem einen deutlichen Zeitvorteil (35,1s vs. 56,6s) bis zur erfolgreichen Platzierung gegenüber der Larynxmaske.

Höhergradige Verletzung im Bereich des Hypopharynx, wie sie für den Kombitubus beschrieben worden sind [12], wurden für den Larynxtubus noch nicht berichtet. Konstruktionsbedingt kann nur auf einem Lumen ein Beatmungsbeutel adaptiert werden, wohingegen das deutlich kleinere zweite Lumen weiterhin eine Absaugung gastralen Inhalts und damit einen erhöhten Aspirationsschutz bietet. Eigene Erfahrungen zeigen hier jedoch, dass zum Absaugen ein größerers Lumen wünschenswert wäre.

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Abb. 1: Larynxtubus und Kombitubus im Vergleich

 

Die Platzierung ist einfach und atraumatisch und erfolgt wie beim Kombitubus „blind“, also primär ohne laryngoskopische Darstellung der Stimmbandebene des Kehlkopfes. Somit werden deutlich weniger Anforderungen an die Erfahrung des Anwenders gestellt und auch bei ungeübten Anwendern hohe Erfolgsquoten erzielt [10].
Des Weiteren könnte sich der Larynxtubus auch bei nächtlichen Einsätzen spezialisierter Kräfte bewähren, da ganz auf den Einsatz verräterischer Lichtquellen verzichtet werden kann.
Die Immobilisation der HWS wird im Rahmen der gegenwärtigen Ausbildung als Basismaßnahme bei der Versorgung traumatisierter Patienten gelehrt. In diesem Zusammenhang soll lediglich darauf hingewiesen werden, dass im Rahmen einer Verwundung durch Geschosse und Splitter, sowie bei Verletzungen im Rahmen von Explosionen nur selten eine HWS-Schädigung vorliegt. [6,13] Die im Rahmen der zivilen ATLS und PHTLS Schemata entwickelten Indikationskataloge zur HWS-Immobilisation behalten demnach uneingeschränkt ihre Gültigkeit. Für den Transport intubiert beatmeter Patienten ist eine Immobilisation der HWS zur Vermeidung eines Transporttraumas der HWS auch ohne andere Indikation sinnvoll.

B – Breathing (Atmung)

Der Helfer muss schnell und sicher die respiratorische Funktion des Verletzten erfassen. Neben einer orientierenden Betrachtung (Zyanose, Einziehungen, Atemexkursionen, etc.) stehen hier Auskulatation der Atemgeräusche und Palpation der Thoraxwand im Vordergrund. Neben einer suffizienten Oxygenierung ist ein (Spannungs-)Pneumothorax bzw. penetrierende Thoraxverletzungen auszuschließen oder suffizient zu behandeln. Im Rahmen der qualifizierten Verwundetenversorgung ist hier der frühzeitige Einsatz des Pulsoximeters und die Sauerstoffgabe gefordert, wobei hier die mitgeführten Ressourcen berücksichtigt werden müssen. Die Entlastung eines Spannungspneumothorax mittels Kanülierung des Brustkorbes gehört zu den vermittelten Grundkenntnissen des PHTLS. Hier wird u.a. der Unterschied zur ärztlichen Ausbildung des ATLS deutlich, bei der zusätzlich die Anlage einer Thoraxdrainage zu den vermittelten Maßnahmen gehört.
Die einfache Kanülierung der Thoraxwand verlangt im Vergleich zur Anlage einer Thoraxdrainage ein deutlich geringere Ausbildung und ist weniger komplikationsträchtig und weniger zeitaufwändig. Sie ist als Notfallmaßnahme auch für das nicht-ärztliche Personal geeignet. Im Rahmen der qualifizierten Verwundetenversorgung kann wie gewohnt die Anlage einer Thoraxdrainage erfolgen. Eine Überwachung des Therapieerfolges ist in beiden Fällen und insbesondere auch unter maschineller Beatmung engmaschig durchzuführen.

C – Circulation (Kreislauf und Blutungen)

Eine der am weitesten verbreitete, vermeidbare Todesursache Verwundeter Soldaten ist die Exsanguination. Daher steht am Anfang der Evaluation des Kreislaufs die Identifikation und Stillung lebensbedrohlicher Blutungen.

Man unterscheidet hierbei die sichtbaren, äußeren Blutungen von den verdeckten inneren Blutungen, wie sie z.B. nach stumpfen bzw. penetrierenden Thorax- und Abdominalverletzungen auftreten können. Zur Erfassung der Kreislaufsituation gehört zudem die Rekapillarisierungszeit des Nagelbettes, Pulsfrequenz und –qualität, sowie der Inspektionsbefund der Haut (blass, kaltschweißig, etc.). Gemeinsamer Ansatz von ATLS und PHTLS ist die Etablierung von 2 großlumigen I.V.-Zugängen. Bereits in der Volumentherapie verfolgen beide Konzepte jedoch unterschiedliche Ansätze. Beim ATLS wird eine initiale Infusion von 2000 ml kristalloider Infusionslösung empfohlen, beim PHTLS lediglich ein Volumen von 1000 ml.

Für das militärische Umfeld werden seitens des PHTLS bereits weitere Unterschiede angeführt, welche auf die Publikation des TCCCBoard der US Armee zurückzuführen sind und den gesonderten Rahmenbedingungen militärischer Einsätze Rechnung tragen [4,14,15]. Zum Einen wird die Verwendung dünnlumiger I.V.-Zugänge (18G) vorgeschlagen, da die Platzierung einfacher ist und die Applikation von Blutbestandteilen im Bereich der Ebene 1 präklinisch nicht erfolgt und die reduzierte Flussrate somit nicht zu stark ins Gewicht fällt.

Im Vergleich zum zivilen Setting wird hier empfohlen, Patienten ohne klinische Zeichen eines Volumenmangelschocks keine Infusionstherapie zukommen zu lassen. Des weiteren wird bei Patienten mit klinischen Zeichen eines Volumenmangelschocks bzw. Zeichen eines gestörten Bewusstseins ohne adäquates SHT zwischen der Therapie bei gestillter Blutung und der Therapie bei noch unkontrollierter Blutung unterschieden.
Bei gestoppter Blutung sollen 500 ml kolloidaler Lösung infundiert werden und ggf. eine ebenso große Repetitionsdosis bei ausbleibendem bzw. nur temporärem Kreislaufeffekt erfolgen.
Bei unkontrollierter Hämorrhagie soll (Außnahme SHT) lediglich ein systolischer RRWert von 80 mmHg aufrechterhalten werden, bis eine definitive chirurgische Versorgung erfolgt ist. Für den Sanitätstrupp im Rahmen spezieller Operationen wird hier die subjektive Messung des Radialis-Pulses als Kriterium für eine ausreichende Perfusion angesehen, des weiteren wird über einen frühzeitigen Einsatz hyperosmolarer Lösungen nachgedacht. Hier spielen das geringe Volumen und Gewicht der Infusionslösung im Vergleich zum erzielten Volumeneffekt eine Rolle, da der Combat Medic in diesem Fall elementarer Bestandteil der Kampfgemeinschaft ist und das mitgeführte Sanitätsmaterial stark limitiert ist.
Zu bedenken ist jedoch, dass neben dem erhöhten Allergiepotential dieser Lösungen vor allem ein Problem in der weiteren Volumentherapie besteht, wenn die initiale Wirkung der hypertonen Lösung nachlässt und die Volumenreserven im Interstitium aufgebraucht sind. Die isolierte Betrachtung der taktischen Verwundetenversorgung ohne entsprechende Folgeversorgung könnte hier die Volumenmangelsymptomatik nach temporärer Stabilisierung deutlich verschlimmern.
Im Gegensatz zu den Empfehlungen des PHTLS empfehlen wir die frühzeitige Etablierung mindestens eines I.V.-Zugangs bei jedem Traumapatienten, um bei sich aggravierender Hypovolämie und fortschreitender Zentralisation nicht zu einem späteren Zeitpunkt ungünstigere Punktionsbedingungen zu haben. Während im Rahmen der taktischen Verwundetenversorgung bei insgesamt limitierten Ressourcen der Beginn einer Infusionstherapie bei fehlenden klinischen Zeichen eines Volumenmangels eine differenzierte Entscheidung bedarf, so sollte im Rahmen der qualifizierten Verwundetenversorgung konsequent mit dem Volumenersatz begonnen werden.
Aufgrund der insgesamt deutlich verlängerten Transportzeiten und –wege ist jedoch prinzipiell nach den Grundsätzen der permissiven Hypotonie zu verfahren, wenn eine unkontrollierte Blutung nicht mit Sicherheit auszuschließen ist.

D – Disability (Neurologie)

Ein grob orientierender neurologischer Status sollte bereits während des ersten Untersuchungsganges erhoben werden. Bestehende neurologische Defizite lageabhängig so genau wie möglich für spätere Vergleichsuntersuchungen dokumentiert und übergeben werden.
Minimalanforderung ist hier unserer Ansicht nach der nach Extremitäten getrennt notierte Wert der Glasgow-Coma-Scale und der initiale Pupillenstatus.

E – Exposure / Environment (Umgebung / vollständige Entkleidung / Umwelt)

Neben der Rekonstruktion des Unfall-/ Verletzungsherganges, welche Hinweise auf die zu erwartenden Verletzungsmuster liefert, ist – wie bereits eingangs erwähnt – im militärischen Umfeld eine Schwerpunkt auf die allgemeine militärische Lage und das daraus resultierende Gefahrenpotential für Verwundeten und Helfer zu legen. Neben der offensichtlichen Gefahr durch direktes oder indirektes Feuer, sei hier exemplarisch die eher „verborgene“ Gefahr von IEDs und Minen genannt. Speziell für das hinzugerufene MedEvac-Personal liegt hier eine besondere Gefahr, da sie ggf. in eine von außen zunächst uneindeutig erscheinende militärische Lage kommen.
Ein weiterer Punkt ist die seitens ATLS und PHTLS geforderte Untersuchung des Verwundeten am vollständig entkleideten Körper. Dies sollte speziell im Rahmen der taktischen Verwundetenversorgung, bei der kein Einfluss auf die Umgebungsbedingungen (z.B. Heizung eines geschlossenen Raumes) besteht, kritisch hinterfragt werden. Dies darf jedoch nicht dazu verleiten eine sorgfältige Inspektion zu unterlassen und so eine ggfs. äußere Blutung zu übersehen. Auch im Rahmen der qualifizierten Verwundetenversorgung sollte hier besondere Rücksicht auf die notwendige Wärmeerhaltung genommen werden. Spätestens im Rahmen der Eingehenden Untersuchung in einer Sanitätseinrichtung höherer Versorgungsstufe muss dann jedoch zwingend die Ganzkörperuntersuchung am entkleideten Verwundeten erfolgen.

Fazit

Zusammenfassend sprechen sich die Autoren dafür aus, dass auch im Bereich der Bundeswehr ein interdisziplinäres Gremium, bestehend aus Vertreter verschiedener klinischer Fachdisziplinen, Mitgliedern des Sanitätsdienstes der DSO, sowie Vertretern der zentralen Ausbildungseinrichtungen eingesetzt werden sollte, welches die Belange der präklinischen Traumaversorgung im militärischen Rahmen regelmäßig untersucht, Ausbildungsinhalte vereinheitlicht und Grundsätze zur regelmäßigen Rezertifizierung erarbeitet um einen international vergleichbaren, hohen medizinischen Verorgungs- und Ausbildungsstandard für das präklinisch eingesetzte Sanitätspersonal einheitlich zu etablieren. Des weiteren können durch dieses Gremium Vorschläge zur vertiefenden wehrmedizinischen Forschung erarbeitet werden und ggf. in multizentrischen Studien untersucht werden.
Der derzeitige Ansatz, dass viele Arbeitsgruppen das gleiche Thema parallel aus unterschiedlichen Ansätzen heraus bearbeiten scheint nicht zielführend zu sein und sorgt nicht für einen vergleichbaren Wissensstand.

Datum: 30.06.2008

Quelle: Wehrmedizin und Wehrpharmazie 2008/2

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